Kreissl: „Ich gehe nicht hin und sage: ‚Hallo Franco, ich bin dein Vorgesetzter!'“
Es ist noch immer dieser sonnige Mittwochnachmittag, an dem wir uns mit Günter Kreissl in der Sturm-Zentrale Messendorf trafen, um mit ihm nach beinahe einem Jahr als Geschäftsführer Sport bei Sturm Graz Bilanz zu ziehen. Teil eins ist durch, vieles wurde besprochen, dennoch schien es aber noch ein wenig länger zu dauern, unser kleines doch hochoffizielles Interview, das ab und an die wunderbare Eigenheit annahm, in ein einfaches Zwiegespräch abzudriften. „Voll der Idealfall!“ – dachten wir uns da vermutlich noch alle, bis wir uns im Anschluss an das Gespräch vollgas und mit dem Kopf voraus daran machten, die viele Redezeit aufs (digitale) Papier zu bringen. Rigipsmauer war es keine.
Aber so ist das nun mal, wenn man beim Reden die Zeit verliert. Und wir waren selbst etwas überrascht, wie viel uns der Wiener zu sagen hatte: über seine Vergangenheit und seine Gegenwart bei Sturm, über die Medien, ein kurioses Transfergerücht, über den Stellenwert der Jugend unter seiner Ägide und seine Vorstellungen zur Verbesserung der Jugendarbeit, aber auch über seine Arbeit mit Franco Foda. Abschließend fand auch etwas Lyrik ihren Platz, der persönliche Sturm-Soundtrack wurde betitelt und postwendend versucht, diesen in ein Genre zu pressen, was aber – aufgrund unserer in Schubladen denkenden Welt deshalb dem Autor dieser/jener Zeilen sehr zur Freude, kläglich doch sympathisch scheiterte. Man muss nicht immer alles zwanghaft einordnen können. Und man hat in so manchen Situationen auch immer irgendwie eine gute Mukke im Ohr – in diesem Fall ausnahmsweise jedoch eine, die gänzlich auf Lyrics zu verzichten hatte. Den Text, den lieferte an diesem Tag nämlich ein anderer:

Illustration by Micka Messino
Interview: Günter Kreissl – Teil II:
Wir möchten nochmals auf das mögliche Kooperationssystem zu sprechen kommen. Gibt es schon potenzielle Kooperationspartner? Hat man da schon jemanden an der Angel?
Ich bin gut vernetzt und es gibt keinen Verein in Österreich, mit dem ich keinen guten Kontakt pflege. Natürlich mache ich mir auch darüber Gedanken, wer mögliche Kooperationspartner sein könnten, weil ich ja auch versuche, dieses Modell an sich durchzudenken.
Einen Spieler gibt es beim SK Sturm wahrscheinlich schon, dem das Kooperationssystem zugutekommen könnte. Die Rede ist von Romano Schmid. Ist er schon reif für die Kampfmannschaft oder müsste er in einer solchen Kooperation in der ersten oder zweiten Liga noch nachreifen? Und wie stark ist er Ihrer Meinung nach wirklich?
Er ist ein sehr gutes, großes Talent. Ich bin aber gegen diese übertriebenen Begriffe, die uns zum Beispiel in der Causa Lovric dauernd belasten und die auch den Spieler selbst belastet haben – „Jahrhundert-, Jahrtausend-, Was-weiß-ich-was-Talent“. Schmid ist aber schon ein sehr großes Talent, von der Physis, dem Entwicklungsgrad her allerdings noch sehr jung. Die Bandbreite an Dingen, die bei ihm passieren können, halte ich aber für sehr breit. Im besten Fall bleibt er ohne gröbere Verletzung und bringt sehr sehr gute Leistungen, dann könnte ich mir vorstellen, dass er auch schon 2017 in der Kampfmannschaft zum Einsatz kommt. Ein Durchhänger müsste dann aber, sollte es zu einem kommen, auch in Kauf genommen werden. Der Bursche, das haben wir auch in den Testspielen gegen internationale Gegner immer wieder gesehen, kann sich auch im Erwachsenenbereich schon behaupten und er hat durch seine Leistungen in der ÖFB-Auswahl auch den internationalen Markt schon massiv aufmerksam auf sich gemacht. Da muss ich als Günter Kreissl auch wieder ein wenig taktisch denken: Wenn ich ihn verleihe und der blüht dort dann richtig auf, will er dann überhaupt wieder zurück zu Sturm Graz? Im schlechtesten Fall explodiert er dort, wo er gerade spielt und dann kommt irgendein großer Klub und will ihn sich holen. Da müssen wir uns schon überlegen, wie wir ihn weiterentwickeln. Er ist nämlich ein richtiges Sturm Graz-Kind und mir würde es schon gefallen, wenn er irgendwann auch für Sturm Graz aufläuft.
Mal angenommen, wir haben 2018 und er hatte noch keine einzige Spielminute in der Kampfmannschaft …
Dann gibt es mehrere Möglichkeiten. Es muss ja nicht immer jemand der Böse sein. Es kann sein, dass er verletzt war, dass er in seiner Entwicklung vielleicht ein Tief hatte. Das ist allerdings ein sehr theoretischer Blick in die Zukunft. Da muss man schon abwägen, warum er nicht spielt. Generell befinden wir uns aber bei solchen Gedankenspielen auf einer viel zu hypothetischen Ebene.
Nehmen wir an, Sie wären sich diesbezüglich mit dem Trainer nicht einig. Würden Sie dann notfalls intervenieren?
Intervenieren heißt, im Hinblick auf das Verhältnis mit dem Trainer, meine Eindrücke wiederzugeben. Es heißt nie, darauf zu bestehen, dass etwas passiert. In dem Fall käme also von mir höchstens ein völlig wertfreies „den würde ich schon gerne sehen“ oder etwas in der Art. Ich schildere ihm meine Eindrücke von einem Spieler, wie ich seine Entwicklung sehe. Die letzte Entscheidung – und ich will, dass das so bleibt – liegt immer beim Trainer, so wie bei Fragen in meinem Bereich über Dinge, die ich zu verantworten habe, bei mir. Jeder hat seinen Aufgabenbereich, für den er verantwortlich ist und dann kann ich dem Trainer Empfehlungen geben, so wie er mir Empfehlungen gibt, was die Kaderplanung angeht. Auch das Vorstandgremium kann Empfehlungen abgeben, aber es darf nicht sein, dass wir uns gegenseitig in unsere Kompetenzen hineinreden.

© Martin Hirtenfellner Fotografie
Können Sie die Annahme entkräften, dass Franco Foda nicht auf Junge setzt? Bzw. würden Sie sagen, dass Sie mit ihm die Jugend betreffend auf einer Wellenlänge sind?
Franco Foda hat ja schon mit vielen jungen Spielern arbeiten dürfen, manche sagen er musste. Das ist schon wieder eher Geschmacksache, was davon jetzt zutreffend ist. Hat er das getan, weil er überzeugt war und die Jungen gut entwickelt, was ja tatsächlich der Fall war oder war es aufgrund der wirtschaftlich angespannten Situation eben ein Muss – das im Nachhinein zu beurteilen ist müßig. Jedenfalls aber war das eine Phase, in der er mit jungen Spielern erfolgreich gearbeitet und dieses Team gut weiterentwickelt hat. Ich kann aber nur diesen Zeitraum beurteilen, seitdem ich da bin und bekomme schon mit, dass jetzt Spieler wie ein Horvath, ein Atik, Schmerböck etc. spielen, die ja allesamt noch sehr jung sind. Es ist also nicht so, dass man sagen könnte, man muss 25 sein, um unter Foda spielen zu können. Bei unseren ganz Jungen war es einfach so, dass im Herbst – auch aufgrund dieses Sprungs von Nachwuchs- und Amateurbereich in die Kampfmannschaft – alle mit Verletzungen zu kämpfen hatten. Wenn man das weiß und die Intensität kennt, mit der Franco arbeitet, und man zudem weiß, dass ihm Konstanz enorm wichtig ist, dann muss man sagen, dass die Voraussetzungen für Einsätze der ganz jungen Spieler im Herbst noch nicht gegeben waren.
Auch nicht bei Sandi Lovric?
Bei Sandi Lovric war es so, dass wir im Herbst im zentralen Mittelfeld mit Matic und Jeggo sehr zufrieden waren. Da war es ähnlich wie zum Beispiel auf der Torhüterposition, wo man vielleicht auch nicht gedacht hätte, dass das dann so klar mit Christian Gratzei besetzt ist, dass man gar keinen Anlass hatte zu tauschen.
Bleiben wir noch kurz beim Thema Franco Foda. Da ist uns eine Aussage von Martin Konrad (Sky Sport Austria, Anm. bei BlackFM) untergekommen. Er meinte darin: „Provokant könnte ich formulieren, es ist völlig egal, wer unter Franco Foda Geschäftsführer ist. Sachlich könnte ich sagen: Es wäre für Günter Kreissl angenehmer, wenn jemand Trainer ist, den er selbst verpflichtet hat.“ Wir haben diese Aussage bis dato unkommentiert stehen gelassen. Wie begegnen Sie einer solchen?
(lässt sich das Zitat wiederholen und überlegt) Ich verstehe diese Aussage nicht. Ich weiß nicht, was er damit meint. Vielleicht könnt ihr mir sagen, wie ihr das interpretiert?
Zunächst einmal: Wäre es für Günter Kreissl angenehmer, wenn jemand Trainer wäre, den er selbst verpflichtet hätte?
Nein, das ist eine Frage, bei der es gar keinen Grund gibt, zu antworten. Es ist jetzt so wie es ist und ich habe ja selbst lange genug darum gekämpft, dass wir nach einem erfolgreichen Herbst die Zusammenarbeit verlängern.
Vor allem die Phrase „unter Franco Foda“ hat uns verwundert. Wir interpretieren es so, dass hier die Machtstellung von Foda innerhalb Sturms thematisiert werden soll. Foda hat ja mitunter ein wenig als Alleinherrscher gegolten.
Ich weiß nicht, ob sich Martin Konrad da so gut vorbereitet hat und das „unter“ ganz bewusst so gesetzt hat. Wenn ja, so zeigt das einfach, was für eine dominante Rolle Franco Foda in der Wahrnehmung hier in Graz einnimmt. Das ist aber auch nicht verwunderlich, ist er ja schon 20 Jahre hier tätig und viele davon als Trainer. Das wäre das Gleiche, würde man sagen „es ist ganz egal, wer unter Steffen Hofmann Rapid-Trainer ist“. Das wäre genauso irritierend, sagt aber auch nicht viel mehr, als dass Steffen Hofmann als Person bei Rapid eine dominante Erscheinung darstellt. Es geht auch überhaupt nicht darum, was für mich angenehmer wäre. Für mich ist nur eines angenehm und zwar, dass ich mit Sturm Erfolg habe und daran arbeite ich jeden Tag.
Sie haben vorhin aber auch gesagt, wie wichtig es ist, dass sich alle Mitwirkenden innerhalb eines Vereins gut verstehen. Wäre es in dieser Hinsicht angenehmer?
Ich habe gesagt, dass es grundsätzlich gut ist, wenn man sich mag. Damit habe ich auch ganz stark die Geschäftsstelle gemeint, also jene Leute, die täglich um mich sitzen. Mein Verhältnis zu den Spielern und Trainern ist aber auch so, dass ich sie immer mit einem Lächeln begrüße. Das tue ich auch bei Franco Foda und er tut das Selbe. Da ist Respekt und Wertschätzung da und es ist in keiner Weise zutreffend, dass wir zwei uns nicht verstehen.
Ich gehe nicht hin und sage: „Hallo Franco, ich bin dein Vorgesetzter“.
Bleiben wir nochmals kurz beim angesprochenen Machtverhältnis rund um Foda. Wie würden Sie dieses einschätzen?
Ein Trainer hat im Verein immer eine Position, die für den Klub sehr wichtig ist – vielleicht sogar die wichtigste. Der Trainer ist das Gesicht nach außen, er ist es, der am häufigsten vor der Kamera steht, der die letzten Entscheidungen in der Mannschaft trifft. Ein Trainer ist immer mächtig. Es liegt auch an mir, in vielen Dingen einen Gegenpol und ein Korrektiv darzustellen. Und genau das Gleiche gilt für ihn. Ich glaube auch, dass viele Personalentscheidungen bisher funktioniert haben, weil es nie alleine gereicht hat, wenn Franco Foda gesagt hat, dass er einen Spieler interessant fände, der mich nicht überzeugt hat. Dann haben wir es nicht gemacht. Und es hat ebenso nicht gereicht, wenn ich einen Spieler interessant gefunden habe und er nicht überzeugt war. Wir sind das Korrektiv für den jeweils Anderen und schauen, dass wir gemeinsam Lösungen finden, von denen wir beide überzeugt sind. Nur dann wird es auch gemacht. Seit ich bei Sturm bin, geht es dabei nicht grundsätzlich um Macht, sondern dass man miteinander in diesen zwei Führungspositionen immer wieder diesen Kompromiss und diese gemeinsame Übereinkunft sucht. Ich würde mir das aber auch nicht diktieren lassen, denn dann wäre ja auch meine Bezeichnung falsch – dann wäre ich Assistent.
Auf dem Papier sind Sie sein Vorgesetzter…
(unterbricht) Nicht nur auf dem Papier. (lacht)
Und das weiß er auch?
(lacht) Das müsste man ihn fragen, ob er das weiß. Ich gehe schon davon aus. Aber ich sage es ihm so nicht. Ich gehe nicht hin und sage: „Hallo Franco, ich bin dein Vorgesetzter“. Aber natürlich, von der Struktur her hat jeder einen Vorgesetzten. Mein Vorgesetzter ist der Aufsichtsrat und der Aufsichtsratsvorsitzende, so ergibt sich eine Hierarchie. Und es ist ganz klar – das ist überall so – dass der Sportdirektor bzw. der Geschäftsführer Sport auch der Vorgesetzte des Trainers ist. Das ist kein Sturm-Spezifikum.
Apropos Vorgesetzte und Trainer: Es hat ja mitunter auch geheißen, dass der Vorstand Druck ausgeübt hat und eigentlich die Entscheidung zur Vertragsverlängerung getroffen habe.
Das ist nicht richtig. Ich habe Ende Herbst, da hat die Geschichte auch medial Fahrt aufgenommen, ganz klar dem Vorstand mitgeteilt, dass es meine Empfehlung wäre, mit Franco Foda zu verlängern, weil wir in einer sehr erfolgreichen Phase sind und weil ich den Eindruck habe, dass er mit sehr viel Begeisterung bei jedem Training und bei jedem Spiel dabei ist, weshalb es auch keine Grund gibt, daran etwas zu verändern. Wir haben dann die Rahmenbedingungen abgesteckt mit denen verhandelt werden kann. Das hat dann länger gedauert, wir haben hart verhandelt, weil wir natürlich auch beide unsere eigenen Positionen und Vorstellungen hatten. Wir haben es aber dann final durchgebracht und dabei hat es nie eine Einmischung oder Druck des Vorstands gegeben.
Auch nicht von den Medien?
Nein, die können keinen Druck auf mich ausüben. Sie können nur zwischen den Zeilen so schreiben, dass man sich beim Lesen denkt: „Okay, es ist ganz klar, was die wollen“.
Wie zum Beispiel bei „Millionentransfers unter Franco Foda“ und der darauf anschließenden rhetorischen Frage „sind bei Verlängerung Sturm die nächsten Millionen gesichert“? als Inhalt in einem Zeitungsartikel?
Ja, ja. Das ist nichts, was mich in meiner Meinung beeinflussen würde, ob ein Vertrag mit dem Cheftrainer zu verlängern ist oder nicht. Es ist mir natürlich schon aufgefallen, dass einzelne Journalisten eine klare Meinung haben und diese auch versuchen mehr oder weniger versteckt zu kommunizieren.
Rund um die Vertragsverlängerung des Trainers konnte man in Mimik und Gestik den Eindruck gewinnen, dass die Situation in dieser Phase eine recht angespannte war. War das Verhältnis angespannt bzw. ist es das vielleicht jetzt noch?
Nein, das Verhältnis ist jetzt gar nicht angespannt sondern gut. Das war es auch in dieser Phase, in der wir verhandelt haben, obwohl wir uns da natürlich beide erhofft hatten, schneller eine Einigung zu erzielen. Es war eine gewisse Anspannung da, aber es hat niemals der Respekt gefehlt und das ist wichtig. Stress entsteht in solch einer Situation bald einmal, wichtig ist aber, wie man damit umgeht. Und das war absolut fair und korrekt.
Bleiben wir noch kurz bei den Medien: Kürzlich konnte man vernehmen, dass man an einer Djuricin-Rückholaktion bastelt.
Das würde mich auch interessieren, wer so etwas kommuniziert. De facto ist es einfach nicht richtig. Es hat keinerlei Kontakt zu Marco oder seinem Berater gegeben. Das wäre essentiell, wenn man jemanden verpflichten will. Es ist eine Ente, dass wir an einer Rückkehr basteln. Richtig ist, dass er ein Spieler war, der sehr gut in Graz funktioniert hat und den wir sofort gerne wieder nehmen würden. Aber wir haben keine Initiative in diese Richtung unternommen. Mit Marcos Vater, der derzeit Co-Trainer bei Rapid ist (mittlerweile Cheftrainer, Anm.), bin ich zusammen aufgewachsen. Ich kenne den Buben seit er fünf Tage alt ist. Er ist ein Top-Spieler und bleibt für uns natürlich immer interessant. Sollte es irgendwann die Möglichkeit geben, den Marco wieder hierher zu holen, dann kann man sich das überlegen. Aber aktuell gibt es wie gesagt keine Aktivitäten in diese Richtung, dafür gibt es einfach zu viele Fragezeichen. Daher war es ein schlecht informierter Kollege, der das weitergegeben hat. Aber interessant ist Marco Djuricin für Sturm natürlich immer.
Bei einigen Spielern laufen im Sommer die Verträge aus. Einer, der gute Leistungen gezeigt hat, derzeit jedoch leider verletzt ist, ist Christian Schoissengeyr. Wie steht es um seine Zukunft bei Sturm?
Bei Schoissengeyr haben wir eine Option. Er ist ein sehr guter Spieler, von dem ich viel halte. Es ist natürlich die wahrscheinlichste Variante, sollten wir keine Einigung bezüglich Verlängerung erzielen, dass wir diese ziehen. Dann haben wir ein weiteres Jahr Zeit, um uns über eine weitere Zusammenarbeit zu einigen, wenn wir es jetzt nicht zusammenbringen. Ich gehe davon aus, dass personell die Innenverteidigung – Schulz und Spendlhofer haben Verträge, ebenso Maresic, bei Schoissengeyr eben Option oder Verlängerung – so bleiben wird und wir mit den selben vier Spielern in die nächste Saison gehen werden.
Und auch da gab es eine Zeitungsgeschichte, in der davon die Rede war, dass Schoissengeyr kein Interesse an einem Verbleib habe. Noch so ein mediales Federvieh?
Der Journalist, der das geschrieben hat, sprach von einem Missverständnis. Es war bei einem Telefonat, das unter nicht einfachen Bedingungen stattgefunden hat, weil ich gerade der U17-EM-Qualifikation beigewohnt habe, und wir dort alle Personalien durchgegangen sind. Bei Schoissengeyr hat er eröffnet, dass er glaubt, es sei wohl nicht schwer einen verletzten Spieler zu verlängern. Ich habe daraufhin gesagt, er würde sich da täuschen, weil ich mich schon seit einiger Zeit darum bemühe, aber das Angebot scheinbar noch nicht interessant genug für den Spieler und dessen Berater war. Das heißt nicht: Spieler hat gesagt, er will nicht mehr für Sturm Graz spielen. Das ist etwas ganz Anderes. Er hat sich aber wohl „nicht interessiert“ notiert. „Nicht interessiert“ an einem Angebot und „nicht interessiert“ für Sturm Graz zu spielen sind dabei grundverschiedene Dinge.

© Martin Hirtenfellner Fotografie
Kommen wir vielleicht wieder zum Fußball selbst: Das letzte Heimspiel gegen den WAC war ja wirklich ordentlich anzusehen. Leidenschaft, viele Offensiv-Aktionen, Tempo im Spiel – auch wenn vielleicht nicht alles perfekt war, aber dafür steht doch Sturm Graz. Für leidenschaftlichen Offensiv-Fußball. Warum sieht man das eher selten?
Ich bin nicht der Meinung, dass das so selten zu sehen war. Im Herbst hatten wir ja doch eine längere Phase, in der wir öfter mal begeistern konnten. Danach war dieser schwierige Abschnitt, dann aber kamen die Auswärtssiege gegen den WAC und gegen Ried, die meines Erachtens sehr souverän waren – 4:0 bzw. 3:0 und klar das bessere Team – und auch auswärts gegen Rapid zu gewinnen war a geile Gschicht! Und das ebenso als bessere Mannschaft – zwar etwas glücklich, denkt man an den abgefälschten Schmerböck-Schuss zurück – aber dennoch. Und wenn ich zurückdenke, das beste Fußballspiel, wenn ich beide Mannschaften hernehme, war für mich das 0:1 im Herbst gegen Red Bull zuhause. Das war wirklich eine sehr intensive Partie, darüber waren sich auch wirklich alle einig, die nah an diesem Spiel dran waren. Die Phase, die mir selbst auch Sorgen bereitet hatte und in der ich auch ein lethargisches Abdriften befürchtete, war rund um die Spiele gegen Mattersburg und die Wiener Austria zuhause. Vor allem letzteres war für mich das Unspiel der Saison. Aber – und das gilt es auch zu sagen, es gibt fast keinen Verein, der nicht zumindest ein grottenschlechtes Spiel im Jahr hat.
Statistisch gesehen war Sturm aber die Mannschaft, die mit den meisten hohen Bällen in die Spitze agierte.
Ich denke, beim Umgang mit diversen Statistiken muss man vorsichtig sein. Zudem kann ich mir kaum vorstellen, dass Sturm öfter mit langen Bällen agiert haben soll, als der eine oder andere Tabellennachzügler das tut.
Aber nehmen wir mal an, die Statistiken stimmen. Würde das der Art und Weise entsprechen, wie Sturm Graz Ihrer Meinung nach auftreten soll?
Ich gebe zu, es hat aus meiner Sicht Phasen gegeben, in denen wir zu oft mit hohen Bällen agiert haben. Das war aber nie der Plan – auch nicht der des Trainers – sondern eher ein Zeichen der Verunsicherung der Mannschaft.
Könnte es aber sein, dass nach dem Matic Abgang, der im Zentrum neben Jeggo den offensiveren Part übernommen hatte, nun die Lösung mit der Doppelsechs und den beiden eher defensiv ausgerichteten Spielern Simon Piesinger und James Jeggo ein Loch im Zentrum zwischen Mittelfeld und Angriff entstehen lässt, das im Spielaufbau die Mannschaft zu langen Bällen in die Spitze zwingt?
Ja, Piesinger/Jeggo kann von den Typen her schon eher als Doppelsechs bezeichnet werden. Matic agierte eher als Achter, genau diese Fähigkeiten schreibe ich auch Martin Ovenstad zu, der für mich sehr großes Potenzial hat. Der Einstand verlief allerdings etwas unglücklich: Zunächst kam er leicht verletzt, dann passierte ihm im Debüt in einer etwas verunsicherten Mannschaft eben dieser Fehler gegen die Austria – da gab es also ein paar Dinge, die nicht optimal gelaufen sind. Ich glaube fest an diesen Spieler, er braucht aber vielleicht eine Spur länger. Als Beispiel könnte man den Jimmy Jeggo heranziehen, bei dem es ja zu Beginn auch ähnlich verlief, der aber mittlerweile ein fester Bestandteil dieser Mannschaft ist. Ich bin davon überzeugt, dass sich dies bei Martin Ovenstad auch so entwickeln kann.
Sturm verkauft immer wieder Leistungsträger, verlautbart aber auch regelmäßig, es müsse der Sparstift angesetzt werden. Ist das auch in dieser Saison der Fall, in der alleine durch Matic und Edomwonyi inoffiziell rund drei Millionen in die Vereinskassa gespült wurden oder kann man davon ausgehen, dass Sturm in den kommenden Transferperioden etwas Geld in die Hand nehmen wird? Muss Sturm sparen?
Bei einem Fußballverein spielen ja neben der Kampfmannschaft auch noch weitere Faktoren eine Rolle: So gibt es beispielsweise auch eine große Infrastruktur, die es zu erhalten bzw. zu erweitern gilt. Weiters ist die gesamte Nachwuchsarbeit ja auch vom Budget abhängig und nicht eindeutig planbar macht die Arbeit auch der Umstand, dass du jedes Jahr um Sponsoren kämpfen musst bzw. die Entwicklung in den Bereichen Ticketing und Merchandising nicht eindeutig vorhersehbar ist. Demnach gilt es als Gesamtpaket zu überlegen, was kann man nehmen, um den Verein abzusichern, wie viel, um die Infrastruktur auszubauen und natürlich stellt sich auch die Frage, was braucht es, um die Kampfmannschaft bzw. den Nachwuchs zu verbessern. Das alles gestaltet sich also als ein sehr komplexer Nachdenkprozess. Ich bin in Hinblick auf die Zukunft zuversichtlich, dass beispielsweise die Ligareform bzw. auch der neue TV-Vertrag dem Verein wirtschaftlich weiterhelfen werden. Außerdem haben wir ja schon sofort nach den beiden Abgängen von Matic und Edomwonyi in die Kampfmannschaft investiert – die Spieler Chabbi und Ovenstad hatten ja beide Verträge, aus denen wir sie rauskaufen mussten – und wir überlegen auch im Sommer weiter zu investieren, ohne aber jetzt klare Prognosen abgeben zu können. Letztendlich ist es ein Maßnahmen-Paket, welches den ganzen Verein betrifft und nicht nur Kampfmannschaft.
Wenn am Ende die Leute sagen „der war korrekt, der hat sich bemüht, der hat Leben reingebracht“ – dann ist viel erreicht.
Um allmählich zu einem Abschluss zu kommen: Wo will Günter Kreissl hin mit Sturm? Was sind die Visionen?
Das ist eine gute Frage. (Überlegt) Natürlich will ich jedes Spiel gewinnen, aber zunächst möchte ich festhalten, dass in dieser Saison schon einiges gelungen ist. Was mich zu allererst sehr glücklich gemacht hat, ist die Begeisterung, die rund um den Verein deutlich zu spüren ist. Wenn mir die Leute beispielsweise im Herbst zutragen, dass Leben drin ist, dass sich wieder etwas tut – das ist für mich etwas, wofür es sich zu arbeiten lohnt. Und ich weiß auch, dass das nicht so bleiben wird, wenn du mit Sturm Graz nächstes Jahr sechster oder siebenter wirst. Das bedeutet, du bist ja sowieso gezwungen, ganz oben mitzuspielen. Das wollen wir und wir wollen auch international spielen. Wenn aber die Begeisterung der Menschen erkennbar ist, weiß ich, wir befinden uns auf einem guten Weg. Wenn am Ende die Leute sagen „der war korrekt, der hat sich bemüht, der hat Leben reingebracht“ – dann ist viel erreicht. Natürlich wäre es auch toll, einen großen Coup zu landen – beispielsweise den Cup zu gewinnen oder in der Meisterschaft so lang wie möglich ganz oben zu stehen. Davon träumt man natürlich schon. Aber mein realistischstes Ziel ist, dass ich die Leute um mich herum – Zuschauer, Mitarbeiter… etc. – glücklich machen und sehen kann.
Sehen Sie sich in fünf Jahren noch hier in Graz?
Das kann ich nicht sagen, dafür ist das Fußballgeschäft viel zu kurzlebig und dafür hab ich auch viel zu sehr ein Privatleben – was auch das einzig große Opfer, bzw das größte Opfer darstellt. Meine Familie lebt in Baden und meinen beiden Kindern kann ich aktuell nicht so beim Aufwachsen zusehen, wie ich das gerne würde – angesichts dessen ist es immer schwer zu sagen, was in fünf Jahren sein wird.
…Graz ist immerhin die schönste Stadt Österreichs, sofern das Thema Umzug im Raum steht…
Ja, wunderschön! Jedenfalls – und das ist mir zudem auch sehr wichtig – ich möchte selbst die Freiheit haben, Leistungen zu bewerten und dann Entscheidungen zu treffen. Und ich will, dass man das gleiche bei mir tut. Es ist für mich OK, wenn der Vorstand zu mir kommt und sagt, es entwickelt sich nicht mehr unter Kreissl – dann sollen sie mich wegtun. Aber in der Sekunde! Und umgekehrt will ich das gleiche machen können. So soll es meiner Meinung nach ablaufen und es soll nicht versucht werden, den Betroffenen dann dauernd zu beeinflussen, sondern man sollte sich trennen, wenn es nicht mehr passt. Und da ich mir das wünsche, kann ich auch nicht sagen, ich bleib fünf Jahre hier. Wenn es nach drei Jahren nicht mehr so rennt, dann sag ich „danke, das war’s. Ich habe mich bemüht, alles probiert, bin aber selbst nicht mehr zufrieden“. Ich bin keiner, der in so einer Position festpickt, sondern denke mir, es kommt, wie es sein soll.
Um nun aber wirklich zu einem Abschluss zu kommen: Im Zuge Ihrer Antrittspressekonferenz haben Sie in einem Interview betont, dass Sie ein sehr lyrikbegeisterter Mensch sind und auch selbst geschrieben haben. In weiterer Folge konnte man sich auch von Ihrer Musik-Affinität überzeugen. Was sagen Sie, wäre Sturm eine musikalische Nummer, in welchem Genre würden wir uns wiederfinden?
(lacht und überlegt, und überlegt…) Boah, schwere Frage. Gute Frage. Da muss ich mich annähern… Etwas Erdiges. Bodenständiges. Klassische Musik seh‘ ich einmal nicht. Es muss schon was Populäres sein, weil Sturm einfach ein populärer Verein ist. Begeistert viele Menschen, hat einen klaren Sound.. Wo führt uns das jetzt hin, in welches Genre?
In ein neues, noch undefiniertes. Und geben wir, bezogen auf das Jahr 2016, dem Album einen Namen – was würde Ihnen einfallen?
Die Frage ist zwar einfacher, aber da muss ich trotzdem etwas theoretisch vorgehen: Da ich dieses „Wenn wir hier stehen, sind wir wie benommen“ so liebe und selbst am liebsten mithüpfen würd` oder auch dieses „Steiermoark“ am Ende, das mich vor allem in Hütteldorf beeindruckt hatte, als die bummvolle Kurve das ständig von sich aus gesungen hat – nennen wir es „Die Schwoazen haben uns den Verstand genommen“.
Super Abschluss, wir danken für das ausführliche Gespräch!
Das Interview führten Bernhard Pukl, Gernot Hofer und Stefan Wilfing.
„und man zudem weiß, dass ihm Konstanz enorm wichtig ist“
naja jetzt brauchen wir uns nicht mehr zu fragen warum der Piesinger immer spielt, der bringt schon sehr konstant seine Leistungen! 🙂
Tja die Tabelle gibt dem Franco recht….nur wird Rapid nicht jedes Jahr um den Abstieg kämpfen und die Austria auch nicht immer so unkonstant sein…
Hände aufn Tisch: Platz 4 muss jedes Jahr Minimum sein. Ist einfach so wenn man Budget, Infrastruktur use. anschaut. Und wenn eben jener nicht für EL reicht muss man auf den Cup setzten. In unserer Liga muss das einfach Ziel sein. Es wird eben interessant sein zu sehen wenn die Top 3 konstant spielen ob wir diese angreifen oder Platz 4 gegen Lask, Admira, Wac usw. verteidigen müssen…denn wenn wir eines aus dem Interview herauslesen können: Kreissl will Erfolg mit Sturm. Und ob er den fodaschen destruktiven Fussball bis 2019 durchgehen lässt ist fraglich…wenn man nicht mehr 5. werden kann und EL fast fix ist lacht man immer gut..
Hoffe Ovenstad ist nächste Saison gesetzt und die Tormänner werden alle nicht Legionäre. Wenn ein Legionär geholt wird muss man ihn spielen lassen…
Ich hoffe, er bleibt uns lange in Graz erhalten. Er passt einfach zu Sturm, seine Aussagen sind zwar ein bisschen vorsichtiger geworden als zum Amtsantritt, aber meistens decken sie sich inhaltlich noch mit der Meinung von den meisten Fans.
vorsichtiger ja, aber dennoch recht klar.
so auch die aussage, dass er selbst die fodaverlängerung dem aussichtsrat vorschlug und in ovenstad unverändert eine verstärkung sieht, die wohl verspätet zünden wird.
kreissl bleibt für mich unverändert ein echter gewinn für diesen verein.
Mir ist nicht wichtig, dass sich seine Meinung inhaltlich mit jener der meisten Fans deckt, sondern dass GK das Beste für Sturm rausholt und das tut er augenscheinlich – sachlich, nüchtern und ohne Interpretationswahn. Das stünde vielen Personen gut zu Gesicht.