Wohin mit all den Gefühlen?
Wut, Sorge, Enttäuschung, Frust, Trauer – es gibt viele Gefühle, die Sturm-Fans in diesen Tagen empfinden und jedes einzelne davon ist nachvollziehbar und berechtigt. Die eigenen Emotionen kann einem niemand absprechen. Sind sie erstmal da, dann sind sie auch echt. Und so kompliziert und schwer lösbar sich alles auch darstellt, es ist immer gut, in solchen Momenten zum Handy zu greifen und mit Freunden und Gleichgesinnten Kontakt aufzunehmen. Einfach mal drüber reden.
Was aber nicht passieren sollte, sind beleidigende, diffamierende Kommentare – erst recht nicht öffentlich, erst recht nicht in sozialen Netzwerken oder in der SturmNetz-Antwortfunktion. Es ist nicht die Lösung, das sogenannte Internet aufzumachen und Leute zu beschimpfen. Hate Speech lässt höchstens für wenige Momente ein wenig Druck vom eigenen Kessel. Doch, wie von einer Gummiwand, werden die negativen Gefühle in weiterer Folge verstärkt zurückprallen und die negativen Emotionen verstärken. Dazu gibt es mehrere psychologische Studien, die das belegen. Und für ehrenamtliche Moderatoren bei Sturmnetz und anderen Plattformen und Podcasts (etc.) bedeutet es Arbeit, für die niemand bezahlt wird und auf die niemand Lust hat.
Damit man aus dieser Negativspirale rauskommt, hilft es, die Perspektive zu wechseln. Wie würde man selbst entscheiden, wenn man ein gut dotiertes Karriere-Angebot bekommt in Kombination mit der Chance, seine Arbeit auf der höchsten Stufe machen zu dürfen? An einem Ort, an dem kein großer medialer Trubel zu erwarten ist, weil der Verein nicht polarisiert. Sich ausprobieren an der Spitze mit gutem Budget und stabilen Möglichkeiten, ohne Druck einer unbequemen, fordernden Fan-Szene… Mit welchem Team würde man zusammenarbeiten wollen? Mit unbekannten Gesichtern? Mit einem Team, das man bereits kennt, schätzt und das harmonisch und erfolgreich an einem Strang gezogen hat?
Natürlich ist es auch eine Frage des Stils, wie man Handlungsschritte abwickelt. Wie transparent kann man etwas kommunizieren? Was hätte man sich verbal sparen können? Im Nachhinein sind alle immer schlauer. Wir befinden uns jetzt in den ersten Schritten ins „Nachhinein“: Nach über vier Jahren zieht ein Team weiter, das den SK Sturm Graz vor dem sportlichen Fall in die Bedeutungslosigkeit gerettet hat. Dieses Betreuerteam hat den SK Sturm aufgerichtet, nachhaltig in seinem Denken und Handeln verändert und sportlich wie finanziell stabilisiert. Gemeinsam mit den eingesetzten Spielern und einem leidenschaftlichen Präsidenten wurde der SK Sturm Graz von einem großen Verein zu einem begeisternden Mitglieder-Magneten. Nicht viele Bundesliga-Vereine in Österreich hatten in den letzten Jahrzehnten für diese lange Zeit durchgehend ein Team, das so konstruktiv arbeitete.
Das Gespann rund um Andreas Schicker, Christian Ilzer und ihren Funktionärs- und Betreuerstab hat für ein neues Selbstverständnis im schwoazen Graz gesorgt. Was heute vorausgesetzt wird, was heute für normal befunden wird, war vor vier Jahren ein feuchter Wunschtraum. Wer sich nicht mehr erinnern kann, kann mit dem Fußball unter Franco Foda anfangen, sich über Heiko Vogel, Roman Mählich bis hin zu Nestor El Maestro vorarbeiten, um die vergangenen vier Jahre noch einmal mit dem richtigen Mindset Revue passieren zu lassen…
Selbstredend läuft beim SK Sturm trotz angekündigter Schattenkader und der gewünschten Ersetzbarkeit von allen Personalien noch nicht alles rund. Die Vereinsführung braucht länger als gedacht, um einen Schicker-Ersatz zu finden. Womöglich wird der Moment verpasst, um den perfekten designierten Ilzer-Nachfolger Gerald Scheiblehner aus Linz zu holen. In solchen Momenten wird auch merkbar, wie wenige Menschen eigentlich tatsächlich beim SK Sturm angestellt sind, um sich während personellen Engpässen um alles zu kümmern… Der Verein ist vor allem auf sportlicher Ebene eine durchaus angesehene Adresse im europäischen Vergleich. Hinter den Kulissen gilt das höchstens im österreichischen Vergleich.
Wie gut Sturm Graz durch dieses absurde Wellental der Gefühle zwischen US-Wahl und Ende der Länderspielpause kommt, werden wir in wenigen Tagen erfahren. Definitiv wird es genug zu nörgeln geben für jeden einzelnen Sturm-Knofel da draußen. Denn der Weg bis zum Januar mit dem nächsten Transferfenster ist noch ein weiter. Da ist noch viel Platz für ein ganzes Spektrum an komplexen Gefühlswelten und wir werden sie gemeinsam durchschreiten. Konstruktiv, leidenschaftlich und mit einer Prise Humor, der uns auszeichnet. „Wir sind vom Sturm-Geist beseelt“, wie es im Leitbild so schön heißt. Und der Sturm-Geist steckt nicht nur in jedem einzelnen von uns, sondern auch im Interimstrainer Jürgen Säumel, der den SK Sturm als junger Nachwuchsspieler mehrere Jahre als Kapitän durch die schwerste Zeit führte. Eine Zeit, die nicht einmal im Ansatz vergleichbar mit der Gegenwart ist.
Das Leben als Fußball-Fan ist ambivalent. Dafür muss man noch nicht mal mit Kapitalismuskritik beginnen, nicht mal eine Sekunde lang über „Vereine“ wie Hoffenheim oder Red Bull Salzburg nachdenken. Es reicht schon, wenn man auf der Beziehungsebene mit dem eigenen Verein bleibt: Das war eine verdammt schöne Beziehung mit diesem Trainer und seinem Betreuerstab. Uwe Hölzls Motivationsreden werden noch lange durch Liebenau geistern. Am Ende werden wir traurig, wütend und enttäuscht gewesen sein, weil es vorbei ist. Aber die wichtigsten Gefühle, die bleiben werden, sind die Dankbarkeit und das Glück, wenn wir zurückdenken, dass es überhaupt passiert ist. Diese Gefühle, die kennen sie in anderen österreichischen Städten nämlich schon länger nicht mehr.
Herzlichen Dank für diesen einfühlsamen und von der Grundstimmung her so positiven und zukunftsweisenden Kommentar! Mögen ihn viele beherzigen! Und wie oft konnte man nach einem verlorenen Spiel bzw. Punkten lesen „Mund abwischen, es geht weiter!“ Das gilt auch jetzt.
Nach erster kurzer Aufregung, bin ich eigentlich sehr entspannt!
Das Ilzer früher oder später Schicker folgen wird, war ja zu erwarten, dass es jetzt so schnell ging ist eine andere Geschichte.
Außerdem muss eine Veränderung nicht immer was Schlechtes sein.
Vielleicht funktioniert Jürgen Säumel ja so gut, das wir gar keinen neuen Trainer benötigen.
Also positiv denken, ein bisschen frischer Wind ist ja hin und wieder auch nicht schlecht.
Die Chancen das Grgic jetzt öfters spielen wird in der KM, sind ja auf alle Fälle schon mal gestiegen. 🙂
Es hilft am besten den Blick aufs Wesentliche zu richten und weg von irgendeinem Personenkult. Sturm hat schon ganz andere Sachen verkraftet, ich sehe das total entspannt. Wir werden einen neuen GF Sport bekommen, einen neuen Trainer, jetzt dürfen wir alle mal ganz gespannt sein wer da kommt und diese Personen bekommen dann eine faire Chance. Nur weil sich etwas verändert muss es nicht schlechter werden, an aller erster Stelle steht kein Schicker, kein Ilzer oder sonst wer sondern der SK Sturm und der überlebt euch alle.
Wie gesagt, ich hab damit gerechnet das sie gehen werden. Sie haben uns schöne Jahre beschert und ich bin dafür dankbar. Wie gesagt, fast ZU schöne Jahre. Denn mit dem Fanzulauf kam die Infrastruktur öfter als 1 x an die Grenzen …
Aber: Sturm ist größer als jeder Mensch! Wenn man in den nächsten Wochen zb Tomas Zorn als SP, Timo Wawra als technischen Direktor und als Trainer Gerald Scheiblehner, Stefan Ruthenbeck, Thomas Silberberger oder Roland Brunmayr als Trainer kommt (einen der 4 meine ich nicht ernst) schaut es schon wieder besser aus
Oops, Ronald Brunmayr … 🙂
Vielen Dank für diesen wunderbaren Beitrag, spricht mir aus der Seele!!!
Ich kann es immer noch nicht glauben, dass Ilzer samt Team so kurzfristig von dannen ziehen. Ich brauche noch ein paar Tage, um das zu verarbeiten. Ich bin leider nicht so positiv gestimmt, wie manch andere hier. Ich habe die Befürchtung, dass es einige Zeit brauchen wird, bis Mannschaft, Trainer und Sportdirektor so ein eingespieltes Team werden, wie wir es bis vor kurzem hatten und das sich auch sportlich auswirken wird.
Das kann ich gut verstehen. Es is auch zach… zach und sehr aufregend, weil so viel Ungewissheit bevorsteht. Kann viel schiefgehen, kann aber auch gut laufen. Schauma mal!
Ich denk mir in solchen Situationen immer: wenns wirklich schlecht kommt, kann ich mich immer noch aufregen.
Bis dahin möchte ich versuchen zu vertrauen
Natürlich muss man es Ilzer gönnen. Volles Stadion, 20000 Mitglieder und viele tolle Momente wären ohne Schicker und Ilzer nicht möglich gewesen. Mich stört die Art und Weise wie dass ganze über die Bühne gegangen ist . Prass zu Hoffenheim, ein Leihspieler von Hoffenheim zu Sturm. Schicker in der Länderspiel Pause zu Hoffenheim. 3 Wochen später Länderspiel Pause und Ilzer und das ganze Team sind weg. Das ist ein schlechter Stil von Schicker und nicht nachvollziehbar von Jauk. Kein Sportdirektor + seine rechte Hand. Ilzer und das ganze Trainerteam weg. Das ist nicht nachvollziehbar und wahrscheinlich einzigartig in europäischen Fußball ⚽️ und das stinkt gewaltig.
Genau die richtigen Worte , nicht die Abgänge tun weh sondern das WIE !!! Schmerzt
Ich kann mich noch gut erinnern, wie schwierig die Gefühlslage damals nach dem Osim-Weggang war. Das war damals auch das Ende einer Ära.
Der Unterschied ist, dass die Mannschaft am Ende der Ilzer-Ära super da steht. Wir sind nach wie vor der Tabellenführer in Österreich, stehen im Cup-Viertelfinale und haben noch ein paar Champions-League-Spiele. Und wirtschaftlich stehen uns wohl jetzt keine Insolvenzzeiten bevor, wie damals.
Ich habe die Hoffnung, dass jetzt dann hoffentlich ein adäquater Geschäftsführer für den Bereich Sport präsentiert wird und dieser dann ein gutes Händchen für die Personalie Cheftrainer +Team beweist.
Auf die Schwoazen!
Nur zur Erinnerung!
Als Foda die Mannschaft in Richtung Nationalteam abgeworben wurde, war Sturm auch 1. und hatte ein funktionierendes Team. Schließlich wurde diese Mannschaft in der selben Saison Cupsieger. Was jedoch danach folgte, lässt nichts Gutes erwarten.
@420er: da war Sturm aber bei weitem nicht so gut finanziell aufgestellt wie jetzt. Und es wird sicher Klauseln geben in aktuellen Verträgen, aber nicht mehr für eine Kiste Puntigamer wie früher!
Heute hatte Christian Ilzer seine PK als neuer Trainer von Hoffenheim. Hier zum Nachlesen: https://www.tsg-hoffenheim.de/aktuelles/news/2024/11/pk-vorstellung-ilzer