Tradition gegen was eigentlich?

Die Vorschau zum „Testspielkracher“ gegen die TSG 1899 Hoffenheim

Viele Sympathisanten hat das zweifelhafte Konstrukt Red Bull zwar nicht, aber zumindest die Anhänger eines Vereines aus dem Kraichgau sind über die zunehmende Präsenz des Dosenimperiums alles andere als unglücklich. Jahrelang galt die TSG Hoffenheim als eine Art Schreckensgespenst im deutschen Fußball, ja sogar als Synonym für den Untergang dessen was man landläufig unter Fußballkultur versteht. Als reiner Kommerzklub und als jener Verein der sich als Erster über die 50+1 Regel hinwegsetzen wollte. Hoffenheim hat in wenigen Jahren das geschafft, wofür der FC Bayern München Jahrzehnte lang gebraucht hat: Deutschlandweit unbeliebt zu sein. Seitdem aber RB Leipzig die zweite Deutsche Bundesliga aufmischt, haben Fußballfans quer durch Deutschland ein neues Feindbild Nummer Eins auserkoren und rund um die TSG ist es wesentlich ruhiger geworden.

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Dietmar Hopp (Foto: (c) Wikimedia Commons/SmalltownBoy)

Der Legende nach begann alles im Sommer 1990: Ein gewisser Dietmar Hopp stand am Hoffenheimer Fußballplatz und musste beobachten, wie der Provinzklub in die Kreisliga A abstieg. Hopp, Gründer des Softwareunternehmens SAP und millionenschwer, beschloss den Verein fortan finanziell zu unterstützen. Es war der Beginn einer einzigartigen Verbindung, denn 2008 stieg die TSG zum wiederholten Male auf. Diesmal in die Bundesliga.

Schon in den unteren Ligen war man stets der finanzstärkste Klub, in den deutschlandweiten Fokus gelangt man allerdings erstmals, als 2006 unter Lorenz-Günther Köstner der Aufstieg in die Zweite Bundesliga verpasst und mit Ralf Ragnick ein neuer Trainer präsentiert wird.

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Ralf Ragnick als Trainer des Regionalligisten TSG Hoffenheim 2007 (Foto: (c) Wikimedia Commons/Ingo Stoedt)

Jetzt zieht erstmals echter Glamour in die 3.300-Einwohner-Gemeinde ein. Hopp investiert nochmals 18 Millionen Euro in Spieler wie Luis Gustavo, Demba Ba oder Vedad Ibisevic und marschiert mit Ragnick innerhalb von zwei Jahren von der Regionalliga in die Bundesliga. Mit zunehmendem Erfolg stößt das Projekt Hoffenheim unter Fußballfans allerdings auf immer mehr Ablehnung. So etwa als Dortmunder Anhänger ein Transparent mit Hopps Konterfei präsentieren, umrandet mit einem Fadenkreuz und der Aufschrift „Hasta la vista Hopp“. Das DFB-Sportgericht reagiert mit einer Gesetzesnovelle und droht fortan mit Platzsperren gegen Vereine, deren Anhänger Hopp in irgendeiner Art und Weise bedrohen.

Dem sportlichen Erfolg schadet dieses Negativ-Image aber nicht. Ganz im Gegenteil: In der ersten Bundesliga-Saison wird man im Dezember 2008 Herbstmeister, begeistert auch neutrale Fußballanhänger mit bedingungslosen Offensivspektakeln und entwickelt unter Ragnick einen völlig neuen Spielstil. Ergebnisse wie 5:4, 6:2 oder 4:3 sind fortan eher Regel denn Ausnahme. Im Winter zieht der Verein von Mannheim um nach Sinsheim, wo Dietmar Hopp in Windeseile die Rhein-Neckar-Arena errichten lässt. Hoffenheim ist am Höhepunkt und für viele ist der Winterkönig nun auch erster Anwärter auf den deutschen Meistertitel. Zweieinhalb Jahre zuvor hat man noch in der Regionalliga gekickt.

Doch mit dem Erfolg und direkt nach dem Umzug beginnt das Wunder ein klein wenig zu bröckeln. Den Hoffenheimern wird erstmals schonungslos aufgezeigt, auch nur ein Fußballverein zu sein und gewisse handelsübliche Regularien beginnen jetzt zu greifen. Die vorwiegend jungen Spielern werden durch diverse Angebote fast um den Atem gebracht (traditionell sind diesbezüglich wieder einmal die Bayern sehr aktiv) und das bringt Unruhe ins Team. Zudem steigt die Erwartungshaltung und letztendlich beendet man die Saison „nur“ auf Rang 7. Trotzdem bis heute die beste Endplatzierung der TSG in ihrer Bundesliga-Historie. Als aber Ralf Ragnick, frustriert, da mit Luis Gustavo ein weiterer Aufstiegsheld gehen muss,  2010 das Handtuch wirft, kämpft man zuweilen gar um den Abstieg.

Aufsehen erzeugen die Hoffenheimer aber nichtsdestotrotz: So wurde die TSG Hoffenheim in Hoffenheim 1899 umgetauft, um der Öffentlichkeit so etwas wie Tradition vorzugaukeln. Und das obwohl die Fußballabteilung der Baden-Württemberger gar erst 1945 gegründet wurde. Noch kurioser die sogenannte „Akkustik-Affäre“: Um die Schmähgesänge der Gästefans gegen Hopp zu übertönen, setzte ein TSG-Mitarbeiter eine Beschallungsanlage unter der Haupttribüne in Betrieb. Sportlich allerdings entwickelten sich die Kraichgauer in den letzten Jahren zum Synonym für Langeweile pur: Anstatt wie einst für den schönsten Offensivfußball im deutschen Profifußball zu sorgen, sind sie nun mittlerweile so etwas wie die graue Maus. Aktuell befindet man sich sogar auf dem letzten Platz, von akuter Abstiegsnot zu sprechen ist trotzdem noch verfrüht, immerhin fehlen nur zwei Punkte auf Rang 15.

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Das Dietmar-Hopp-Stadion (Foto: (c) Wikimedia Commons/Brian Kohn)

Ausgetragen wird die Partie im 1999 erbauten Dietmar-Hopp-Stadion. Bis 2008 war dies die Heimstätte der Hoffenheimer, in nur acht Jahren konnte man in dieser Spielstätte mit einer Kapazität von 6.350 Zusehern vier Aufstiege feieren. Die TSG hat im Gegensatz zu Sturm am Spieltag ihr Trainingslager schon hinter sich. In Südafrika haben sich die Kraichgauer zwischen 7. und 15. Jänner auf die schon am 23.1. mit einem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen beginnende Frühjahrsmeisterschaft vorbereitet.

Für Sturm wird diese Begegnung in diesem Kalenderjahr das erste Antreten auf einem Naturrasenplatz. Man darf gespannt sein, wie sich das noch gänzlich in der Vorbereitung stehende Team gegen einen deutschen Bundesligisten schlagen wird. Zu hoffen bleibt, dass sich die im letzten Testspiel gegen SV Allerheiligen eingesetzten jungen Spieler auch erstmals gegen ein echtes Profiteam behaupten dürfen. Mit Dario Maresic, Benjamin Rosenberger, Philipp Seidl und Lukas Skrivanek haben am Samstagnachmittag vier Perspektivspieler die Flugreise nach Frankfurt angetreten. Nicht dabei ist wie erwartet Naim Sharifi: Seine Zeit bei Sturm scheint somit endgültig abgelaufen zu sein. Auch Roman Kienast hat die Reise nach Baden-Württemberg nicht angetreten.

Für einen Spieler in den Reihen der Grazer wird dieses Vorbereitungsspiel wirklich zum, zumindest emotionalen, Kracher: Wilson Kamavuaka absolvierte in der Saison 2010/2011 22 Pflichtspiele für die zweite Mannschaft der Hoffenheimer in der Regionalliga Süd.

Mögliche Aufstellungen:

Sturm Graz: Esser; Potzmann, Spendlhofer, Madl, Lykogiannis; Rosenberger, Kamavuaka, Lovric, Stankovic, Schick; Edomwonyi.

Ersatz: Gratzei, Kayhan, Dobras, Horvath, Schoissengeyr, Klem, Maresic, Seidl, Offenbacher, Skrivanek, Klaric.

Hoffenheim: Baumann; Jin-Su Kim, Bicakcic, Süle, Kaderabek; Schmid, Rudy, Strobl, Vargas; Volland, Ochs.

Anpfiff der Partie ist um 15:30 Uhr, das Team von SturmNetz wird live aus dem Dietmar-Hopp-Stadion berichten.

 

4 Kommentare

  1. Schworza99 sagt:

    Ist der Testspieler nicht mitgeflogen? Hab zwar gehört dass er erst gegn Neustadt spielen wird aber trotzdem verwirrt mich das. Trainiert er jetzt alleine in Graz? Finde ich schon komisch…

     

     

     

     

     

     

    • Günter Ko sagt:

      Nein. Der Ghanaer ist nicht mit dabei. Update: Auch Lukas Spendlhofer hat verletzungsbedingt die Reise nicht mitgemacht.

  2. Puchi_1909 sagt:

    Was ist mit dem versprochenen Test gegen Dortmund ? Hoffenheim interessiert mich ungefähr so wie ein 8.Liga-Verein aus China ….

    • Günter Ko sagt:

      Wurde im Juli 2014 als Ablösespiel für Johannes Focher als fixiert gemeldet. Offen sei nur noch der Spieltermin, „es werde aber im Juli stattfinden“. Fairerweise kann man jetzt sagen, dass nicht dezidiert dazu gesagt wurde, in welchem Jahr. 🙂

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