Michael Erlitz: „Sportlich bin ich sehr zufrieden“
Mit einer kleinen Verspätung treffen wir den Sportdirektor der SK Sturm Damen, der gleichzeitig Leiter der Frauenakademie Steiermark ist, den 28-jährigen Michael Erlitz, zum Gespräch an einem Abend im Internet an. Ein WhatsApp-Videoanruf muss manchmal genügen, besonders in Zeiten, in denen es beim SK Sturm drunter und drüber geht. Auf dem Transfermarkt der Männer geschieht sehr viel, das liest der geneigte Sturm-Fan auch in jedem Medium tagtäglich nach, doch auch bei den Frauen stehen die Uhren nicht still. Der Jänner ist ein richtungsweisender Monat für die Kaderplanung und es stehen einige Gespräche an, denn viele Spielerinnen aus dem Grazer Kader haben auslaufende Verträge. Daneben gilt es, das bestehende Platzproblem in den Griff zu bekommen. Neben der trainierenden ersten Mannschaft müssen auch die rekonvaleszenten Spielerinnen für ihre Fitness-Übungen Räumlichkeiten finden. Dazu trainiert ja auch das zweite Team der Herren. Der Platz ist begrenzt in Graz, solange das neue Trainingszentrum nicht steht, selbst wenn die erste Mannschaft der Herren in südlichen Gefilden schwitzt. Die Logistik ist eine Krux.

Das Handy immer griffbereit: Sportdirektor Michael Erlitz.
Dennoch wirkt Erlitz mittlerweile gut eingearbeitet und selbstbewusster als bei seinem Antrittsinterview vor anderthalb Jahren. Gefestigt im Auftreten und motiviert, seine Abteilung weiterzuentwickeln. Der gelernte Videoanalyst ist zufrieden mit seinem Personal und dem Teamgefüge, auch wenn der Betreuerstab klein ist. Strukturell haben sich die Problemherde in der Frauenabteilung des SK Sturm nicht entscheidend verändert. Und dennoch: Im Gespräch zeigt sich, dass die SK Sturm Damen unter Michael Erlitz aus geringen finanziellen Möglichkeiten viel herausholen und trotz einiger unglücklicher Resultate das gesetzte Ziel Meister-Playoff erreichen dürften.
SturmNetz: Bevor es ans Eingemachte geht, stellen wir die wichtigste Frage zuerst: Wie war die Premiere beim Hallenturnier für das Team und wie wichtig war der Sieg beim ersten Derby gegen die Frauen des GAK?
Michael Erlitz: Wir hatten das Turnier von der Bedeutung her unterschätzt und waren enorm positiv überrascht, dass wir gegen den GAK vor vielen begeisterten Fans spielen konnten. Dadurch, dass aber einige Spielerinnen bereits im Winterurlaub waren, mussten wir aus der Not eine Tugend machen. Mit unseren Eigenbau-Spielerinnen, Modesta Uka und unserer neu verpflichteten Angreiferin Linda Popofsits konnten wir uns von unserer steirischen Seite präsentieren. Auch wenn es nur ein Spiel in der Halle war, sah man, dass der GAK in der zweiten Liga ebenfalls auf einem guten Niveau spielt. Daher fiel der Sieg vielleicht knapper aus, als wenn wir in Bestbesetzung angetreten wären.
SN: Wieso war der Erfolg beim Liebenauer Hallenzauber der Social-Media-Abteilung kein Posting wert?
ME: In den Storys war das Turnier prominent platziert. Generell findet man zum Hallenturnier aber auch zu den anderen Spielen (Anm. bei den Männern) nicht viel, weil es von der Priorität einfach nicht vergleichbar zur regulären Saison ist. Die Menschen, die beim SK Sturm in der Öffentlichkeitsarbeit tätig sind, machen einen guten Job und geben ihr Bestes.
SN: Modesta Uka hat nicht nur mit einem trickreichen Derby-Tor für Furore gesorgt, die kreative Spielmacherin hält Sturm seit Jahren die Treue und drückt mit ihrem Spielstil jeder Partie ihren Stempel auf. Wie wichtig ist sie für das Team? Was zeichnet sie besonders aus?
ME: „Modi“ (Anm. Spitzname von Modesta Uka) ist eine der besten Spielerinnen im Team, und das seit Jahren. Ihre Technik ist unglaublich gut und schwer zu vergleichen mit anderen. Die individuelle Klasse ist überragend, weil sie Spiele allein entscheiden kann. Auch wenn sie manchmal aus taktischen Gründen von der Bank kommt, um dann müde Gegnerinnen auszuspielen und die gegnerische Defensive unter Druck zu setzen, stellt sie sich immer in den Dienst der Mannschaft. Am Feld bestimmt sie das Spiel im Ballbesitz. Sie bringt sehr gute Stimmung in die Kabine, ist enorm liebenswürdig und für viele Scherze in der Kabine zu haben. Auch das Publikum hat sie bereits mit Sprechchören gefeiert – das war bei den Damen bislang noch nicht oft der Fall. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir sie wieder verlängern könnten und sie bei uns bleibt.

Modesta Uka (links) ist ein Publikumsliebling bei den Sturm Damen. Vanessa Gritzner (rechts) ist die längstdienende Spielerin im Sturmkader.
SN: Weg von der Einzelspielerin hin zur Herbstsaison. Die Saison 2024/25, die erstmals mit einem Meister-Playoff gespielt wird, war bislang hart und umkämpft. Wie lautet dein Fazit nach 13 von 18 gespielten Runden und Platz 4?
ME: Wir waren in der Herbstsaison leider unglücklich in der Chancenauswertung. Einige Spiele hätten wir gewinnen müssen, haben aber unentschieden gespielt oder sogar verloren. Dann kam das Verletzungspech im Angriff dazu, was das Problem im Abschluss zusätzlich erschwert hat. Trotz allem sind wir aber in der Tabelle auf Kurs und mit Platz vier im Meister-Playoff, haben den dritten Platz in Reichweite. Der (Anm. dritte Platz) bleibt ein zusätzliches Ziel, weil ein neuer Europa-Pokal mit K.o.-System ab Sommer für die drittplatzierten Teams eingeführt wird. Dort würden wir gerne vertreten sein.
SN: Nach Punkten und erzielten Toren ist es die statistisch schwächste Saison seit der allerersten Bundesliga-Saison der SK Sturm Damen. Woran liegt das im Detail?
ME: Es liegt daran, dass alle Vereine aufgerüstet haben. Es ist auch die statistisch schwächste Saison von St. Pölten, seit Sturm in der Bundesliga spielt. Allein das Marktwert-Update auf „Soccerdonna“ zeigt, dass wir nur im Mittelfeld liegen und daher sogar leicht überperformen. St. Pölten tut sich trotz seiner wirtschaftlichen Überlegenheit schwer. Dem liegt zugrunde, dass Altach und die Vienna in den letzten Jahren viel mehr investiert haben. Auch die Defensive der Austria hat einen sehr hohen Marktwert, der zusammengerechnet höher als der Wert der meisten Bundesliga-Startelfs bei der Liga-Konkurrenz ist. Gegen diese Austria Wien haben wir Punkte liegen lassen, obwohl unsere Leistungen zumindest ebenbürtig, wenn nicht besser waren. Sportlich bin ich mit unseren Leistungen im Liga-Vergleich also sehr zufrieden, auch wenn es sich statistisch nicht niederschlägt.
SN: Die Verletzungen in der Offensive wiegen schwer. Müsste Sturm nicht dennoch deutlich mehr Tore schießen als nur 14 in 13 Spielen?
ME: Die Abschlüsse sind natürlich im Moment ein großes Problem, aber das ist ein Ding, das nicht nur uns betrifft. Wir tun im Training alles dafür, dass sich das ändert. Es sollen nicht nur Chancen herausgespielt werden, sondern auch Tore erzielt. Gerade die Leistung gegen St. Pölten zeigt aber, dass wir grundsätzlich auf einem guten Weg sind. Wir haben gegen den SKN zum ersten Mal seit vielen Jahren einen Punkt geholt und sind dennoch unglücklich nach Hause gefahren, weil wir mit zwei, drei Toren Unterschied gewinnen hätten müssen. Abgesehen davon war es ärgerlich, dass wir drei von drei Elfmetern verschossen haben – einen davon gegen St. Pölten im Heimspiel und einen gegen die Austria.

Auch Toptalent Lena Breznik weiß: Am Torabschluss muss gearbeitet werden.
SN: Reagiert wurde aber lange nur mit einer jungen Spielerin namens Linda Popofsits (22) von der SpG Südburgenland/TSV Hartberg. 14 Tore in 11 Zweitliga-Spielen sind top, ein Derby-Treffer in der Halle beim Debüt sehr schön. Aber reicht das für den vierten Platz in der Bundesliga?
ME: Wir mussten auf dieser Position aktiv werden, das ist richtig. Mit Linda Popofsits sind wir bereits sehr happy. Zudem haben wir mit Michaela Traussnigg vom LUV eine weitere treffsichere Spielerin bis zum Sommer ausgeliehen. Wenn es gut läuft, würden wir sie auch gerne länger halten. Im Idealfall wird die fehlende Durchschlagskraft aus dem Herbst durch die Neuzugänge ein bisschen aufgebessert. Ich traue beiden einen kleinen Lauf zu, dem Team würde es sehr gut tun.
SN: Aus dem Vorjahr wissen wir, dass die Summen am Transfermarkt der Frauen nicht allzu hoch sind. Woran spießen sich die Verhandlungen und wie sondiert man beim SK Sturm den Markt? Was sind die Faktoren, mit denen man Menschen für das Projekt in Graz überzeugen kann?
ME: Im Moment haben wir bei Transfers finanziell nichts zu klagen, wir werden im Zweifel von der Geschäftsführung gut unterstützt. Aber der Markt ist in kleinen Ligen überschaubar. Oft bin ich verleitet, keine Ausbildungsentschädigungen zu zahlen und stattdessen arrivierte Legionärinnen zu holen, die für das gesparte Geld ein solides Gehalt bekommen könnten. Noch immer gilt: Sobald ein Vertrag bei den Nachwuchsspielerinnen ausläuft, können die Spielerinnen gratis wechseln, da weiterhin die internationalen Bestimmungen fehlen. Derzeit ist das Regularium von der FIFA so gesetzt, dass Spielerinnen leichter in bessere Ligen wechseln können. Vor zehn Jahren war das auch in Ordnung so. Ich halte diese Regeln aber heute für veraltet, weil die kleinen Ligen besser und professioneller geworden sind. Obwohl es derzeit von den Regularien nicht forciert wird, haben wir dennoch Jugendteams etabliert und unter meiner Ägide weiter aufgestockt. Wir bauen unsere Talente auf und müssen daher in der Praxis manchmal arrivierte Spielerinnen zur Ergänzung holen, wenn die Talente abwandern. Aus der Startelf haben wir mittlerweile aber sechs Spielerinnen, die wir selbst aufgebaut haben, und es wäre schön, wenn diese Zahl weiter wachsen kann, ohne Qualität zu verlieren.
SN: Was fehlt noch im Frauenfußball derzeit?
ME: Es wäre schön, wenn die zweiten Teams höher spielen dürften als in der Landesliga. Denn wir haben zwar die Future League für den Nachwuchs, aber auf Erwachsenen-Level fehlt uns die Möglichkeit, genügend Spielerinnen Spielpraxis zu geben.

Steffi Großgasteiger (im Vordergrund) wird im Frühjahr nach Bänderverletzung endlich wieder spielen können.
SN: Zurück zur täglichen Arbeit im Verein. Michael Parensen ist dein neuer Ansprechpartner für Transfers. Wie ist die Zusammenarbeit und wie unterscheidet sie sich zu Andi Schicker? War überhaupt schon Zeit für ein Treffen?
ME: Bislang gab es nur ein kurzes Kennenlernen. Zuletzt musste alles in Absprache mit Thomas Tebbich abgewickelt werden. Das hat aber hervorragend funktioniert. Ich habe auch vollstes Verständnis, dass derzeit noch nicht viel Kontakt mit Michael Parensen da war, weil bei den Herren eine sehr anstrengende Zeit zu bewältigen ist. Nach dem, was ich bei Union Berlin aus dem Frauenfußball mitbekomme, glaube ich, dass der neue Geschäftsführer Sport auch den Frauenfußball zu schätzen weiß.
SN: Tode Djaković (28) ist nun der Nachfolger für den neuen Co-Trainer der Herren, Sargon Duran. Zusammen mit dir (28) seid ihr ein sehr junges Gespann. Was bringt der neue Cheftrainer mit, das ihn trotz seines jungen Alters für diesen verantwortungsvollen Beruf qualifiziert?
ME: Er ist jung, aber nicht der jüngste Trainer der Liga, weil St. Pölten im Dezember eine noch jüngere Trainerin installiert hat. Das junge Alter ist aus meiner Sicht auch ein Vorteil, weil Tode sehr viel Zeit hat, den Fußball zu leben, ihm alles unterzuordnen. Unter Sargon Duran hat er sich in das Team und die Taktik eingearbeitet, alles kennenlernen können. Intern haben wir von Anfang an darauf hingearbeitet, ihn als Sargons Ersatz aufzubauen. Das war zwar nicht so früh geplant, aber seine ersten Ergebnisse vor der Winterpause (Anm. Sieg gegen Neulengbach, Unentschieden gegen St. Pölten) haben gezeigt, dass er bereit ist, aufzurücken.

Die Ansprachen hält ab sofort Cheftrainer Tode Djaković.
SN: Beide Chefposten im Frauenbereich werden nun von Unter-30-Jährigen ausgeführt. Ist man in eurem Alter schon gut genug vernetzt für den Fußballbetrieb? Wäre es nicht gut, erfahrenere Expertinnen ins Team zu holen, wie es die Austria mit Ex-Nationalteamspielerin Lisa Makas in Wien getan hat?
ME: Das Netzwerk einer Ex-Teamspielerin ist natürlich auf kurze Zeit nicht zu unterschätzen. Aber ob sie in ein paar Jahren noch gute Kontakte aus der aktiven Zeit nutzen kann, weiß ich nicht. Wir selbst haben ein solides Berater-Netzwerk und eine sehr gute Videoanalyse. Für uns liegt es nicht am Alter, sondern an der Aufopferungsbereitschaft, der Qualifikation und der praktischen Erfahrung aus der Ausbildungszeit. Aus meiner Sicht ist mein Netzwerk mittlerweile nicht so schlecht.
SN: Irene Fuhrmann ist nicht mehr ÖFB-Teamchefin. Viele spekulierten auf eine Rochade mit Liese Brancao und St. Pölten – das ist nun nicht eingetroffen. Wäre Irene Fuhrmann nicht eine tolle Möglichkeit gewesen, um die Frauenabteilung in ihrer Entwicklung weiter voranzubringen?
ME: Irene Fuhrmann verfügt bestimmt über ein gutes Netzwerk. Aber abgesehen davon, dass sie finanziell wohl nicht leistbar wäre für den SK Sturm, haben wir mit Tode Djaković eine tolle Lösung gefunden.
SN: Dein erstes volles Jahr ohne Mario Karner bei Sturm läuft. Seid ihr noch in Kontakt und wenn ja, worüber wird geredet?
ME: Ja, wir sind noch in Kontakt, es gab auch ein gemeinsames Glühwein-Treffen im Dezember. Das letzte Heimspiel in Neulengbach haben wir genutzt, um Mario würdig zu verabschieden. Manchmal hilft er mir noch bei Fragen, die er aufgrund seiner Erfahrung schnell beantworten kann. Ich bin ihm sehr dankbar.
SN: Die Cup-Auslosung hat es wieder nicht gut mit Sturm gemeint: St. Pölten ist der Gegner im Viertelfinale. Zum Auftakt nach der Winterpause gibt es am 9. Februar dieses Aufeinandertreffen in Graz. Spielt der Umbruch bei St. Pölten den Schwoazn in die Karten?
ME: Wir rechnen uns auf jeden Fall etwas aus, aber St. Pölten bleibt Favorit. Der Kalender lässt es zu, dass wir ein Spiel im Stadion Liebenau anstreben, wenn es die Witterungsbedingungen mit dem Rasen erlauben. Es wäre schön, wenn einige Sturm-Fans, egal ob in Liebenau oder sonst wo, den Weg zu diesem Top-Spiel finden würden.
Alles Gute für das Frühjahr und vielen Dank für das Gespräch.
Nächstes Spiel:
9. Februar – ÖFB Ladies Cup, Viertelfinale
SK Sturm Graz vs. SKN St. Pölten

Einmal Modi Uka geht immer noch.
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