Magische Momente gegen den Goliath der Liga
Am 5. April wäre der SK Sturm in der Meistergruppe auswärts beim FC Red Bull Salzburg angetreten. Durch die aktuelle Situation sind allerdings jegliche Fußballspiele auf nicht absehbare unmöglich. Diese Zwangspause möchten wir nutzen, um ein wenig in die Vergangenheit zu schauen. Seit der schmutzigen Übernahme des SV Austria Salzburg durch den Red-Bull-Konzern im April 2005 ging es für die „Roten Bullen“ sportlich und natürlich auch wirtschaftlich stetig nach oben. Dies hat zur Folge, dass die Salzburger quasi gegen jeden nationalen Kontrahenten als klarer Favorit gehandelt werden. Besonders die Blackys standen nach diesen Duellen nur allzu oft mit leeren Händen da. Dennoch gab es in den letzten 15 Jahren einige Sternstunden, in denen sich der David gegen den Goliath durchsetzen konnte.
Wir haben die schönsten Siege dieser Zeit noch einmal Revue passieren lassen:
21.05.2009: Sturm vs. Red Bull Salzburg 2:0, Bundesliga, Runde 35
„SK Sturm Graz – das ist unser Verein und so wird´s das ganze Leben lang sein“ – dieser Satz prangerte in großen Lettern auf einem Transparent vor der Nordkurve, dazu eine Choreo über das gesamte, fast ausverkaufte Stadion. Bereits Stunden vor dem Spiel luden die Fangruppen zum Frühschoppen in die Fröhlichgasse, von wo aus man gemeinsam nach Liebenau marschierte. Zu diesem letzten Heimspiel in der Saison 2008/2009 waren die Gäste aus Salzburg bereits fix Meister, für Sturm ging es allerdings noch um Rang 3, den auch die Wiener Austria und Ried noch im Visier hatten. Zwar waren die Bullen wohl aufgrund des bereits fixierten Titels nicht mehr ganz so motiviert, dennoch überraschten die Blackys, spielten eine beherzte Partie und gingen kurz vor der Halbzeitpause durch einen Treffer von Andreas Hölzl in Führung. Nach der Pause ging es am Feld in ähnlicher Tonart weiter. „100 Jahre, 100 Jahre, 100 Jahre SK Sturm. Und wir werden’s nie vergessen, 100 Jahre SK Sturm“ – Auf den Rängen wurde lautstark das Vereinsjubiläum zelebriert. Es lief bereits die Nachspielzeit, als der damals 21-jährige Leonhard Kaufmann die Kugel zum 2:0-Endstand in die Maschen haute – das i-Tüpfelchen auf einem wunderbaren Fußballnachmittag.
Aufstellung Sturm: Gratzei, Lamotte (69′ Shashiashvili) Sonnleitner, Feldhofer, Kandelaki, Hlinka, Hölzl, Muratović, Kaufmann, Kienzl, Haas (90′ Hassler)
Trainer: Franco Foda
Aufstellung Salzburg: Gustafsson, Bodnár, Opdam, Ulmer, Ssekajja, Tchoyi, Boussaïdi (46′ N’Gwat-Mahop) , Aufhauser (85′ Nelisse), Zickler, Vonlanthen (76′ Janočko), Janko
Trainer: Co Adriaanse
15.12.2007 Sturm vs. Salzburg 1:1, Bundesliga, Runde 23
Es war eine unglaublich geile Herbstsaison damals. Nicht einmal ein Jahr nach der endgültigen Rettung standen die Grazer sensationell an der Tabellenspitze. Im letzten Spiel vor der Winterpause waren die Salzburger unter Trainer Giovanni Trapattoni als erster Verfolger der Blackys im Liebenauer Hexenkessel zu Gast. Zum Einlauf der beiden Teams erleuchteten 15.000 Wunderkerzen die ausverkaufte Arena, dazu ein Transparent vor der damaligen Südkurve mit den Worten „Out Of The Dark – Into The Light“, untermalt mit den Klängen Falcos. Es waren wahrlich magische Momente an jenem Abend. In der 27. Minute setzte ein Eigenbauspieler noch eins drauf: Nach einem Eckball verwandelte der damals 20-jährige Sebastian Prödl zum 1:0 und ließ die Hütte förmlich explodieren. Im zweiten Durchgang setzte dann starker Schneefall ein und in der Schlussphase traf Dorde Rakić zum Ausgleich. Dies tat der Feierlaune aber keinen Abbruch, denn Sturm schaffte es tatsächlich, mit einer sympathischen Underdog-Truppe als Spitzenreiter zu überwintern.
Aufstellung Sturm: Gratzei, Lamotte, Prettenthaler, Sashiashvili, Prödl, Muratović, Krammer, Kienzl, Salmutter (88′ Suppan), Säumel, Haas (88′ Stanković)
Trainer: Franco Foda
Aufstellung Salzburg: Ochs, Miyamoto, Ssekajja, Vargas, Carboni, Kovač, Ježek (54′ Janko), Steinhöfer, Ilić (88′ Vonlanthen), Leitgeb, Zickler (72′ Rakić)
Trainer: Giovanni Trapattoni
10.02.2010 Sturm vs. Salzburg 2:0, Cup, Achtelfinale
Auch in diesem Duell waren die Gäste aus der Mozartstadt eigentlich der große Favorit. Es war einer dieser ungeliebten Spieltage, Wochentags, halb neun am Abend. Doch an diesem Abend spielte auch das Wetter eine große Rolle. Schneefall, wie man ihn in Graz in den letzten Jahren eigentlich nie mehr zu Gesicht bekam, trotz Rasenheizung erstrahlte das Grün in weißer Farbe, dazu orange Linien und ein ebenso oranges Spielgerät. Ganze 4.528 Fans verirrten sich nach Liebenau, diese bekamen allerdings eine überaus entschlossene Sturm-Elf zu sehen. Die Stimmung war jedoch von Anfang an eher düster. Dies hatte aber eher politische Gründe: Vor Beginn der Frühjahrssaison wurde durch die damalige Innenministerin Maria Fekter ein neues Sicherheitsgesetz für Fußballspiele beschlossen, welches restriktive Maßnahmen enthielt und u. a. das kontrollierte Abbrennen von Pyrotechnik kriminalisierte. Bereits in den ersten 45 Minuten hätte Sturm eigentlich in Führung gehen müssen, durch einen aberkannten, aber regulären Treffer und einem vorenthaltenen Elfmeter stand es zur Pause allerdings noch immer 0:0. Zu Beginn der zweiten Hälfte beendete die Kurve ihren Stimmungsboykott und zeigte, was sie von „Mitzi“ Fekters Maßnahmen hielt. Dies war nur der Auftakt vieler landesweiter Protestaktionen. Nun aber zurück zum Spiel – denn es brannte nicht nur in der Kurve, sondern auch im Salzburger Strafraum lichterloh. In der 51. Minute traf Klemen Lavric per Strafstoß zur absolut verdienten Führung. Mittlerweile hatten sich die Bedingungen weiter verschlechtert, kontrollierte Spielzüge waren eigentlich kaum noch möglich, den eingewechselten Roman Kienast störte das allerdings wenig – nach einem langen Zuspiel chippte er die Kugel in der 84. Spielminute über Eddie Gustafsson hinweg in den Kasten und besiegelte damit den 2:0-Erfolg Sturms. Ob jemand nach dem Abpfiff ahnen konnte, was gut drei Monate später in Klagenfurt geschehen würde?
Aufstellung Sturm: Gratzei, Lamotte, Sonnleitner, Schildenfeld (47′ Feldhofer), Weber, Hlinka, Hölzl, Jantscher (88′ Bukva), Klem, Beichler, Lavrič (80′ Kienast)
Trainer: Franco Foda
Aufstellung Salzburg: Gustafsson, Afolabi (73′ Vladavić), Schwegler, Schiemer, Ulmer, Ssekajja, Pokrivač (57′ Cziommer), Švento, Leitgeb, Zickler, Wallner (53′ Nelisse)
Trainer: Huub Stevens
23.7.2016 Sturm vs. Salzburg 3:1, Bundesliga, Runde 1
Zum Saisonauftakt 2016/17 hatte Sturm den amtierenden Meister und Angstgegner zu Gast, wogegen die Blackys die Vorsaison auf einem enttäuschenden fünften Rang beendeten. Die nicht gerade vielversprechende Sommervorbereitung und ein mühsamer Arbeitssieg im Cup gegen den Viertligisten FC Stadlau ließen die Erwartungen auf einen erfolgreichen Start in die neue Spielzeit zusätzlich schrumpfen. Doch dann geschah etwas, womit wohl niemand der 8.593 Fans in Liebenau gerechnet hatte: Sechste Spielminute: WAHNSINN! titelte der SturmNetz-Liveticker. Ein gewisser Neuzugang mit dem Namen Uroš Matić sorgte in der 6. Spielminute für den ersten Höhepunkt in diesem Spiel, es sollte aber nicht der letzte gewesen sein. 18. Minute – WAS IST DENN HIER LOS???? Marc Andre Schmerböck sorgt mit seinem Treffer zum 2:0 für lange Gesichter beim Ligakrösus. Man kam aus dem Staunen und Jubeln gar nicht mehr raus, da ertönte erneut der Torwalzer! WIR SIND FASSUNGSLOS! Sturm ZERLEGT Salzburg!!! – dies waren die Zeilen im Ticker, nachdem Deni Alar nach mustergültiger Huspek-Vorlage zum 3:0 einnetzte.
Auch in der zweiten Hälfte ließ Sturm die Gäste kaum ins Spiel kommen, ein Lattenschuss aus der Distanz von Stefan Lainer war die beste Möglichkeit der Bullen bis dahin. Die Grazer hatten dagegen weiterhin gute Möglichkeiten auf Treffer, scheiterten aber ebenso an der Latte oder an Alexander Walke. Zwar gelang Fredrik Gulbrandsen noch der Anschlusstreffer, was aber nichts an den klaren Verhältnissen änderte. Sturm 3, Salzburg 1. Der Meister war geschlagen! Dieser überraschende Sieg war allerdings keine Eintagsfliege in einer starken, wunderschönen Herbstsaison 2016!
Aufstellung Sturm: Gratzei, Schoissengeyr, Lykogiannis, Spendlhofer, Koch, Jeggo, Matić, Huspek, Schmerböck (83′ Hierländer), Alar (75′ Horvath), Edomwonyi (79′ Kienast)
Trainer: Franco Foda
Aufstellung Salzburg: Walke, Upamecano, Ćaleta-Car, Ulmer, Lainer (67′ Schwegler), Hinteregger, Lazaro, Berisha, Reyna (46′ Soriano), Laimer, Dabbur (57′ Gulbrandsen)
Trainer: Óscar García Junyent
02.10.2016 Salzburg vs. Sturm 0:1, Bundesliga, 10. Runde
Nach dem klaren Sieg zum Auftakt lief es für Sturm wie am Schnürchen! Mit 22 Punkten aus 9 Spielen reiste man in der 10 Runde gar als Tabellenführer nach Wals-Siezenheim und wollte die Siegesserie natürlich fortsetzen. Zuerst sah man aber eine viel zu passiv eingestellte Mannschaft, die den Salzburgern zu viel Raum zum Agieren ermöglichte. Mit einem 0:0 zur Pause konnte Sturm weit besser leben als Salzburg, obwohl die Gastgeber seit der 38. Minute einen Mann weniger waren. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, was sich in der zweiten Hälfte abspielen wird. Nach einem Foul von Jeggo bekam dieser gelb, Co-Trainer Rubén Martínez wurde dagegen von Schiedsrichter Julian Weinberger wegen übertriebener Kritik auf die Tribüne geschickt. Gerade in einer Spielphase, in der Sturm sehr ideenlos wirkte, reichte ein Angriff für das große Glück: James Jeggo nutzte den freien Raum auf der rechten Seite, zirkelte eine Maßflanke in Richtung Deni Alar, der den Ball unbedrängt nur noch über die Linie nicken musste. Booom! Der Gästeblock expoldierte! Auch die beiden SturmNetz-Redakteure im Pressebereich hielt es nicht mehr auf den Sitzen, was einen damals anwesenden Kurier-Redakteur wohl auch heute noch einen erhöhten Blutdruck bereitet. Nur wenige Augenblicke nach der Führung wurde der Torschütze von Josip Radošević regelrecht niedergestreckt, wofür der Kroate verdient des Platzes verwiesen wurde. Die nun stark dezimierten Salzburger hatten ab diesem Zeitpunkt endgültig Wut im Bauch und bereiteten den sich immer weiter zurückziehenden Grazer mehr und mehr Probleme. In der Schlussphase überschlugen sich die Ereignisse! Ein „WOWOWOWOWOW!“ im Liveticker beschrieb eine Heldentat von Christian Gratzei, der einen Schuss von Hee-Chan Hwang aus kurzer Distanz exzellent parierte. „Die Salzburger wirken in Unterzahl wie ein wütender Bienenschwarm, der über die Grazer Defensive herfällt,“ dieser Satz beschrieb die letzten Minute wohl perfekt, Sturm konnte sich gegen 9 Feldspieler kaum noch wehren und bettelte förmlich um den Ausgleich. In der Zwischenzeit musste sogar Trainer Óscar García zu seinem Co auf die Tribüne, nachdem er eine Entscheidung des Schiedsrichter-Teams hämisch beklatschte. Dann die Nachspielzeit: Valon Berisha aus der Distanz auf die Latte, noch einmal Riesenglück für Sturm – es folgte eine der ganz wenigen Kontersituationen – plötzlich kam der eingewechselte Roman Kienast zum Abschluss – ebenfalls Latte. Kurz danach fand dieser Fußballkrimi ein mehr als glückliches Ende. SPITZENREITER, SPITZENREITER, HEY! HEY! hallte es aus dem Away-Sektor, während das Salzburger Publikum verdutzt von dannen zog.
Aufstellung Sturm: Gratzei, Lykogiannis, Schulz, Spendlhofer, Koch, Jeggo, Matić, Huspek (81′ Dobras), Schmerböck, Hierländer (62′ Edomwonyi), Alar (86′ Kienast)
Trainer: Franco Foda
Aufstellung Salzburg: Walke, Miranda, Upamecano, Ćaleta-Car, Ulmer, Lainer, Lazaro (72′ Hwang), Berisha, Laimer, Wanderson (56′ Radošević) , Soriano
Trainer: Óscar García Junyent
27.08.2017 Sturm vs. Salzburg 1:0, Bundesliga, 6. Runde
Ähnlich der Vorsaison startete Sturm auch 2017 fulminant in die neue Spielzeit. Die ersten fünf Runde wurden allesamt mit einem Tor Unterschied gewonnen; wieder standen die Schwarz-Weißen vor einem Duell mit den Bullen auf dem ersten Rang und hatten die Möglichkeit, den Punktepolster auf den Millionenklub weiter auszubauen. In einem zunächst ausgeglichenen Spiel vor ausverkauftem Haus ging es torlos in die Pause. Im zweiten Durchgang dauerte es nur wenige Minuten, bis der Spitzenreiter in Führung ging! Der damalige Publikumsliebling Deni Alar ließ Valon Berisha und Alexander Walke alt aussehen und sorgte für die Führung. Wie es zu erwarten war, wurden die Gäste durch diesen Verlusttreffer immer aggressiver und gefährlicher. Sturm konnte nicht mehr wirklich agieren und stemmte sich mithilfe eines Hexenkessels gegen den drohenden Ausgleich. Die Schlussphase war dann nichts für schwache Nerven. Zittern war angesagt – alle sehnten dem Abpfiff entgegen. Der Autor dieser Zeilen verfolgte das Spiel während einer Reise durch Kolumbien und hatte schwer mit dem mobilen Internet im Niemandsland der kolumbianischen Anden zu kämpfen. Die wenigen Momente, in denen ein Signal zu Empfangen war, wurde auf WhatsApp-Nachrichten gehofft. 1:0! Geil! Aber was jetzt? Banges Warten. Das Spiel müsste doch schon aus sein, oder? Als in Liebenau schon längst alle feierten, drang die frohe Botschaft auch nach Südamerika durch. Es war also geschafft. Die Blackys hielten dem Druck stand und schickten die bis dato beste Offensive der Liga ohne Tor und ohne Punkte zurück nach Hause. Spitzenreiter! Einmal mehr!
Ticker: https://bit.ly/3bM3WO2
Aufstellung Sturm: Siebenhandl, Lykogiannis, Potzmann, Koch, Maresić, Lovrič, (74′ Jeggo) Žulj, Huspek (79′ Schoissengeyr), Hierländer, Röcher, Alar (85′ Zulechner)
Trainer: Franco Foda
Aufstellung Salzburg: Walke, Ćaleta-Car, Ulmer (46′ Farkas), Lainer, Pongračić, Yabo (60′ Haïdara), Samassékou, Berisha, Dabbur, Wolf, Gulbrandsen (79′ Daka)
Trainer: Marco Rose
09.05.2018 Sturm vs. Salzburg 1:0 n.V. Cup, Finale
Der 9. Mai 2018. Ein Tag für die Ewigkeit. Es war wohl einer der größten und emotionalsten Siege der Vereinsgeschichte. In Worte kann man das, was an diesem Tag geschehen ist, gar nicht fassen. Deshalb lassen wir die Bilder sprechen.
Aufstellung Sturm: Siebenhandl, Potzmann, Spendlhofer, Koch, Maresić, Jeggo, Žulj (120′ Schoissengeyr), Hierländer, Röcher (102′ Huspek), Alar (118′ Lovrič), Edomwonyi (93′ Jantscher)
Trainer: Heiko Vogel
Aufstellung Salzburg: Stanković, Ćaleta-Car (46′ Onguéné), Ramalho, Lainer, Farkas, Yabo (98′ Wolf), Samassékou, Berisha, Schlager, Dabbur (83′ Hwang), Gulbrandsen (76′ Haïdara)
Trainer: Marco Rose
Ticker: https://bit.ly/2UCRfj6
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Nachdem ich mir die oben angeführten Zusammenfassungen angesehen habe (allen voran das 3:1 in der 1. Runde 2016) kommen mir fast die Tränen.
Da wird einem wieder bewusster, was unsere Mannschaft heuer auf dem Rasen aufführt.