Grazer Spiel des Jahres vs Dortmunder Pflichtsieg
„Ich komme aus Graz, ich bin da aufgewachsen, hab da beim anderen Verein gespielt. Mein Vater hat auch beim anderen Verein gespielt. Sturm Graz ist nicht mein Verein, aber man muss anerkennen, dass sie ihre Sache gut machen“, sagte Marcel Sabitzer bei der Pressekonferenz des BVB vor dem Spiel gegen die Schwoazn. „Aber die Mission ist klar: Wir müssen gegen die gewinnen.“
Zahlenspiele und Vergleiche im Revier
Herzlich willkommen zu einer Spielvorschau, die sich vor allem mit der Dortmunder Perspektive auf das Spiel gegen den österreichischen Double-Sieger SK Sturm Graz beschäftigt. Denn während Titelgewinne mit einer gewissen Regelmäßigkeit in den letzten Jahren die schwoaze Seele streichelten, wartet die Borussia bereits seit dem Pokaltriumph 2021 auf den nächsten großen Wurf. Die letzte Meisterschaft holte der BVB unter Jürgen Klopp 2012 und dennoch braucht sich kein Grazer Fan falsche Hoffnungen machen: Natürlich kommen die Favoriten dieser Partie aus dem „Revier“, dem Ruhrgebiet.
In Dortmund ist alles etwas größer als in Graz. Ein Absatz voller Vergleiche: Die Stadt wird mit zirka 600.000 EinwohnerInnen von etwa doppelt so vielen Menschen bewohnt wie die steirische Landeshauptstadt. Zudem besitzt Dortmund mit der Metropolregion Ruhr ein Einzugsgebiet, das je nach Zählweise fünf bis sechs Millionen Menschen umfasst und so im Vergleich zu jenem der 700.000 Menschen in und um Graz doch einen dezenten Unterschied aufweist. Den 20.000 stolzen Mitgliedern des Sportklub Sturm stehen mehr als 200.000 Mitglieder beim Ballspielverein Borussia gegenüber. Der Zuschauerschnitt bei Dortmunder Heimspielen in der Liga beträgt seit über 10 Jahren immer um die 80.000 BesucherInnen (selbstredend muss die pandemie-bedingte Zeit ausgeklammert werden). Die Südtribüne des Dortmunder Westfalenstadions, das sich derzeit „Signal Iduna Park“ schimpft, fasst gleich viele Menschen wie das gesamte Liebenauer Stadion. Beide Vereine sind 1909 gegründet, der SK Sturm spielt in Schwarz-Weiß, die Dortmunder in ihren Stadtfarben „Schwatzgelb“. Eine Frauen-Sektion gibt es beim SK Sturm Graz bereits seit über 10 Jahren. Der BVB hat erst seit der Pandemie eine Abteilung für Frauenfußball, die derzeit in der vierten Liga spielt. Die Nordkurve Graz tritt meist ganz in Schwarz gekleidet auf, die Südkurve aus Dortmund, ist als „Gelbe Wand“ bekannt. Etwa 3800 Sturm-Fans werden im Norden des Stadions Platz finden. Mit autark reisenden Sturm-Fans, die Tickets in anderen Sektoren ergattert haben, dürfte diese Zahl noch auf über 4000, vermutlich etwa 5000 Menschen ansteigen. Somit wird Dortmund am 5. November 2024 eine der 20 größten Städte der Steiermark, oder, wenn man so will, für einen Tag ein größerer Bezirk von Graz als Ries (X.) oder Innere Stadt (I.) sein.
Dortmund ist nur mit sich selbst beschäftigt
Weil in der größten Stadt des Ruhrgebiets die fußballerischen Ansprüche immer ein Stück weit zu groß sind, beschäftigt sich kaum jemand mit dem vergleichsweise kleinen Gegner aus Graz. Meist sind die Probleme (von Aki Watzke) hausgemacht. Zum Beispiel durch die Kooperation mit Rüstungskonzernen gegen den Willen der Fans. Oder, weil man sich nach dem erreichten Champions-League-Finale und einer stabilen Saison dennoch von Eden Terzić trennte. So sorgte man schon vor der aktuellen Saison für Unruhe-Potenzial. Zwar versuchten Marcel Sabitzer und Trainer Nuri Sahin in der Pressekonferenz vor dem Spiel mit Sturm, durchaus respektvoll den Gegner stark zu reden und verloren auch einige anerkennende Worte, aber die meisten Fragen drehten sich dennoch um andere Themen. Wenn man die lokale Medienlandschaft zwischen Duisburg und Hamm – im Ruhrgebiet vorrangig Der Westen, die WAZ, WDR Lokalzeit, die Ruhrnachrichten – verfolgt, merkt man schnell, dass die Interessen anderen Dingen gelten. Nach schlechten Ergebnissen im Oktober steht der Trainer und Ex-Spieler Sahin ständig in der Kritik. Die Kaderplanung von Lars Ricken soll auch nicht ideal sein. Zudem sind einige Leistungsträger verletzt oder angeschlagen.
Trotz all des Gegenwinds spielt Dortmund gerade zu Hause eine betont starke und bislang ungeschlagene Heimsaison. Das unterstrich man am vergangenen Freitag im Top-Spiel gegen die Leipziger Dosen. Ein 2:1 nach Rückstand verschaffte den Hummeln ein wenig Luft in der Bundesliga und sorgte für ein kollektives Aufatmen. Nichtsdestoweniger reißt das altbekannte und typisch deutsche Meckern nicht ab: Nico Schlotterbeck wird mit Real Madrid (und seinem alten Kumpel Jude Bellingham als Vermittler) in Verbindung gebracht, Roger Schmidt soll Kandidat für eine Nuri Sahin-Nachfolge sein und besagter Lars Ricken, seit 2024 Geschäftsführer Sport, haut indes medial auf den Tisch und gibt zu Protokoll, dass man den Trainer in Ruhe arbeiten lassen sollte, steht aber gleichzeitig in der Kritik, weil er zu viel „Stallgeruch“ haben würde.
Kurz gesagt: Medial interessiert sich im Ruhrgebiet kaum jemand für den SK Sturm Graz und auch in Gesprächen mit lokalen Bewohnern wird kaum auf die Österreicher eingegangen. Man weiß, dass Sturm die Salzburger gebogen hat, aber richtig interessant findet man Sturm Graz nur, wenn man Videos von den Fan-Choreografien in den vergangenen Cupfinals und bei diversen Bundesliga-Heimspielen zeigt.
„Da ist ja richtig was los bei euch!“ oder „Mit so einer Pyro-Choreo hätte euch der Reul (Anm. Innenminister in NRW) alle ins Gefängnis gesteckt!“ oder „Dachte ich mir gar nicht, dass in Österreich so eine Stimmung beim Fußball sein kann!“ – So oder so ähnlich klangen die häufigsten Reaktionen von Menschen aus dem Pott, die Videos von der Nordkurve gezeigt bekamen. Alle Achtung vor dem Kollektiv 1909. Die Fans können für Sturm – wieder einmal – ein entscheidender Funke im Spiel mit dem Dortmunder Feuer sein und dürften bestimmt auch ein paar motivierte Freundinnen und Freunde aus den Kurven von Karlsruhe und Bremen an ihrer Seite wissen.
Zum Match selbst
Letztendlich sind sich in Dortmund nämlich alle einig: Das Match gegen Sturm Graz muss gewonnen werden. Und wenn das nicht überzeugend passiert, dann wird es Nuri Sahins Job nicht ruhiger gestalten. Dementsprechend viel steht für den BVB auf dem Spiel, wenn der belgische Schiedsrichter am 5.11. um 21:00 Uhr anpfeift. Bei einem günstigen Spielverlauf könnte es der SK Sturm Graz rund um Cheftrainer Christian Ilzer und seine Mannen durchaus schaffen, dass die Stimmung im Westfalenstadion kippt. Im anderen Fall jedoch könnte es auch eine sogenannte Schlittenfahrt werden. Dann nämlich, wenn ein sprichwörtlicher Knopf aufgeht und die Borussia endlich wieder jene Leistung abruft, die die eigenen Fans den Spielern trotz aller Kritik noch immer zutrauen. Für die Sturm-Kicker wird es jedenfalls ein besonderer Rahmen sein. Man darf nicht oft seinen Job vor 80 000 ZuschauerInnen ausüben.
Ein Trio der Schwoazn hat sich bereits die Kabine mit Dortmundern geteilt. Wenngleich Ex-Red-Bull-Söldner Karim Adeyemi zum Beispiel verletzt ausfallen wird, hat er einst bei Liefering zusammen mit Jusuf Gazibegović gekickt. Marcel Sabitzer und Stefan Hierländer haben ebenfalls gemeinsam in Leipzig das Brauselogo übergestriffen. Kjell Scherpen und Pascal Groß kennen sich von ihrer gemeinsamen Zeit in Brighton.
Top-Stürmer beim BVB ist in dieser Saison Serhou Guirassy, der vom VfB Stuttgart als Ersatz für Niclas Füllkrug kam. In 13 Spielen für Klub und Land traf Guirassy bereits 13 Mal. In der Champions League zeigte Youngster Jamie Gittens auf dem Flügel mit bereits drei Treffern auf. Ihnen gegenüber stehen einerseits Mika Biereth, der klare Einserstürmer des SK Sturm und andererseits Erencan Yardimci, der zuletzt immer besser in Fahrt kam. Bislang gelang dem SK Sturm Graz aber noch kein eigenes Tor in der Champions-League-Saison 2024/25. Außenverteidiger Gazibegović und Mittelfeldmotor Malick Yalcouyé laufen bei einer weiteren Gelben Karte übrigens Gefahr, im nächsten Champions-League-Spiel gesperrt zu sein.
Ein Ende für das Phrasenschwein
Während sich einige Schwoaze noch in der ästhetisch etwas brauchbareren Düsseldorfer Altstadt am Niederrhein an langen Theken der liquiden Kulinarik hingaben, konnte man am Tag vor dem größten Auswärtsspiel seit über zwei Dekaden auch in Dortmund bereits den einen oder anderen Sturm-Schal ausmachen. Rund um das Deutsche Fußballmuseum, die Reinoldikirche und die Möllerbrücke sah man bereits erste Schwoaze Jungs und Mädels. Morgen wird im Osten, in Dortmund-Brackel (Anm. Ja, so heißen die Stadtteile im Ruhrgebiet eben… Fantasiebegriffe wie Brackel, Wambel, Körne, Scharnhorst, Mengede gehören hier zum Alltag!), dem Messendorf Dortmunds, um 16:00 Uhr erst die Youth League angepfiffen. Danach geht es südlich der Innenstadt weiter. Die Sturm-Familie trifft sich am Alten Markt im Ausnahmezustand – zum Beispiel auf eine klassische Currywurst. Und allerspätestens an der Currywurst-Bude wird es dann heißen: Es ist angerichtet!
Pressekonferenz
Christian Ilzer:
Was sind deine Erwartungen?
Welches Gefühl wird das sein, in diesem Stadion zu coachen?
Emanuel Aiwu:
Wie geht ihr in das Spiel?
Vor 80.000 Zuschauern zu spielen wäre auch für dich etwas neues, oder?
Freut ihr euch auch über die Fan-Unterstützung von zuhause?
Ballsportverein Borussia Dortmund vs. Sportklub Sturm Graz
5. November um 21:00 Uhr
Westfalenstadion Dortmund
SR Erik Lambrechts (BEL)
VAR Daniele Chiffi (ITA)
Mögliche Aufstellung Sturm: Kjell Scherpen; Dimitri Lavalée, Niklas Geyrhofer, Emanuel Aiwu, Jusuf Gazibegović; Tochi Chukwuani, Malick Yalcouyé, Otar Kiteishvili, William Böving; Erencan Yardimci, Mika Biereth
Mögliche Aufstellung BVB: Meyer; Groß, Can, Schlotterbeck, Bensebaini; Nmecha, Sabitzer, Brandt, Beier, Gittens; Guirassy
Chapeau, Hut ab Marcel Sabitzer! Deine Umschreibung „für den anderen Verein“ ist professionell und abgeklärt, nimmt viel Dampf aus der (hochgeschaukelten) Gegnerschaft zwischen den beiden Grazer BL-Vereinen heraus.
Täusch ich mich, oder war nicht auch ein Ticker für sie YL online gestern? Find ihn gerade nicht mehr
Ilic soeben (68.) das 1:2!
Auf kicker.de gibt es einen Live-Ticker zu Dortmund-Sturm Youth, Stand jetzt (72.) führt Sturm 2:1! Tore für die Sturm-Jungs: Koita und Ilic
…und nur ein Tor vom 6. Platz entfernt!
das Tor ist jetzt gefallen, leider auf der falschen Seite – 2:2
und jetzt das 2:3!
Leon Grgic