Bienvenue chez les Ch’tis
Schon am Montag, zwei Tage vor dem letzten Pflichtspiel des Jahres, trafen wir uns zur Mittagsstunde am Flughafen Wien, um gemeinsam die Reise nach Lille anzutreten. Einen kurzen Flug später waren wir schon in Brüssel und warteten – den lokalen Gepflogenheiten entsprechend – bei Bier und Pommes am Südbahnhof auf unseren Hochgeschwindigkeitszug Richtung Frankreich. In nur 35 Minuten gelangt man von der belgischen Hauptstadt in die „Hauptstadt von Flandern“. Dort angekommen und im Hotel eingecheckt machten wir uns sofort auf den Weg in die wunderschöne Altstadt. Trotz des ausbaufähigen Wetters war sie erfüllt von fröhlicher Weihnachtsstimmung erfüllt, der Geruch von Waffeln und Glühwein lag in der Luft. Die Grand Place im Herzen Lilles mag zwar etwas kleiner sein als ihr Brüsseler Konterpart, dafür gibt es hier ein besonders großes Riesenrad. Auch kulinarisch kommt man hier wortwörtlich auf seine Kosten und Freunde des hefehaltigen Gerstensaftes werden von der für Frankreich untypisch großen Vielfalt verblüfft sein – nicht nur hier macht sich die kulturelle Nähe zum Nachbarland bemerkbar.
Im Laufe des Abends machten wir schließlich schon unsere erste Bekanntschaft mit einem LOSC-Fan. Victor, ursprünglich aus dem französischen Baskenland, aber beruflich im Norden Frankreichs sesshaft, und sein Bruder Quentin fanden über Umwege zu den Doggen. Und obwohl die letzten Duelle in der Europa League erst neun Monate zurückliegen, brauchten sie eine kleine Erinnerung, um zu wissen, wer Sturm Graz eigentlich ist. Dennoch waren sie Augenblicke danach schon voller Überzeugung, dass alles andere als ein klarer Sieg der Heimmannschaft undenkbar sei. Trotzdem wünschten sie uns einen schönen Aufenthalt und vergönnten uns sogar den Ehrentreffer.
Tags darauf vertrieben wir uns die Zeit bis zur abendlichen Pressekonferenz, indem wir die Stadt weiter erkundeten. Unser Weg führte uns von der historischen Altstadt über das militärische Sperrgebiet La Citadelle und die Napoleon-Brücke bis zum LOSC-Fanshop in der Innenstadt. Von dort aus war es nur noch ein Katzensprung in den Innenhof der Alten Börse, wo einen neben einer überdimensionierten Doggen-Statue auch ein feiner Flohmarkt erwartet. Wer auf der Suche nach alten Ausgaben von „France Football“ oder dem Programmheft der Tour de France 1947 ist, wird hier sein Glück finden. Übrigens: Jedes Jahr am ersten Septemberwochenende findet hier auch der größte Flohmarkt Europas, die Braderie de Lille, statt.
Pressekonferenz
In weniger als 15 Minuten ging es dann mit der gelben Linie der Hochgeschwindigkeits-U-Bahn zur Pressekonferenz im Stade Pierre-Mauroy, wo (Interims-) Cheftrainer Jürgen Säumel und (Vize-)Kapitän Jon Gorenc Stankovic für Fragen bereitstanden. Beim Abschlusstraining, das schon am Vormittag noch in Graz absolviert worden war, standen alle Spieler zur Verfügung, bis auf Alexandar Borkovic sind alle Spieler der Startelf und des erweiterten Kaders fit. Auch Stankovic, der seit seinem Verletzungs-Comeback erst drei Partien absolviert hat, fühlt sich bereit. Die Einsätze haben ihm gut getan, Gedanken an seinen Ellbogen verschwendet er keine mehr. Wie realistisch das Erreichen der Top 24 und das damit verbundene Weiterkommen sei – aktuell liegt man auf Platz 30 – wollte Säumel nicht beurteilen, es seien noch einige Spiele zu spielen und jedes davon sei ein eigenes Projekt. Dass mit dem LOSC ein starker Gegner wartet, der ebenso wie man selbst seit dem Frühjahr einen Schritt weiter ist, ist der Mannschaft bewusst. Nicht umsonst schlugen die Nordfranzosen Atlético und Real Madrid, zuletzt auch in der Liga Sturm-Gegner Brest. Das Wichtigste sei aber wie immer, sich auf sich selbst zu konzentrieren, mit Überzeugung aufzutreten und die eigene Leistung abzurufen.
Gemeinhin ist jedes Spiel von Sturm in der CL ein Fight „David gegen Goliath“ – gegen Lille wird es aber vor allem ein „Fight gegen David“, ist doch Jonathan David, der 45 Mio-teure Mittelstürmer von Lille in Bestform und hat in der laufenden Saison in 14 Spielen schon 11x eingenetzt.