Auf den Spuren von – Thomas Gill & Seedy Jatta

Zu Besuch bei Vålerenga Fotball Elite in Oslo

Am 9. Mai 1987 debütierte Thomas Gill, sieben Tage vor seinem 22. Geburtstag, im norwegischen Profi-Fußball. Beim Stand von 0:1 wurde er in der 37. Minute für Stammtorhüter Geir Medias eingewechselt. Am Ende erreichte Vålerengens Idrettsforening Fotball, wie der Klub aus der norwegischen Hauptstadt Oslo mit vollem Vereinsnamen heißt, bei Gills Debüt ein 2:2 bei Kongsvinger IL. Insgesamt sollte es Gill für Vålerenga auf 23 Einsätze in der, damals noch Elitenserien genannten, höchsten norwegischen Spielklasse bringen bevor er 1989 zum Ligakonkurrenten IK Start (Kristiansand) wechselte.

Am 13.03.1996 feierte Gill beim 3:1-Heimsieg gegen die SV Ried sein Debüt für den SK Sturm Graz. Auch wenn er nur eine halbe Saison bei den Schwoazen war, ist dem norwegischen Keeper sein Platz in den Sturmannalen sicher: Vier Tage nachdem das Meisterschaftsfinale im Happelstadion verloren ging, was für Sturm geleichbedeutend mit dem Vizemeistertitel war, konnte im selben Stadion dank eines 3:1-Erfolg gegen Admira Wacker der erste Cupsieg der Vereinsgeschichte bejubelt werden. Insgesamt brachte es Gill unter Trainerlegende Ivica Osim auf 20 Einsätze, bevor er nach einer halben Saison zum MSV Duisburg wechselte. Der stille Norweger darf, wie einige andere in Sturms Tormanngeschichte, durchaus in die Kategorie ‚Wahnsinn&Genie‘ eingeordnet werden, „Cupgeschichte“ hat er trotzdem geschrieben.

Torwarttrainer in Lillestrom, 2018 (c) LSK

Am 30. Mai 2021, also rund 34 Jahre nach Gill, wurde Seedy Jatta in der 84. Minute für Amor Layouni eingewechselt und durfte als 18-Jähriger beim 3:1_Heimsieg gegen Sandefjord Fotball sein Profidebut für Vålerenga feiern. Zwölf Tore und drei Assists in 72 Spielen sollten Sturms Scouting-Abteilung auf den Plan rufen und zur Verpflichtung Jattas im August 2023 führen. Verletzungen hat sich der jungen Norweger unglücklicherweise für den SK Sturm „aufgespart“, bei seiner Premiere in Schwarz-Weiß gegen Austria Lustenau musste er nach nur zwölf Minuten mit einem Lendenwirbelbruch wieder vom Feld. Dieser Auftaktverletzung sollten noch einige folgen. Vertrauen dürfte die sportliche Führung auf alle Fälle in ihn haben, denn Jatta kam immer wieder verhältnismäßig schnell, eventuell auch etwas zu schnell, von seinen Verletzungen zurück. So bleibt ihm und den Schwoazen zu wünschen, dass seine Seitenband-Verletzung, die er sich in der Vorbereitung für die aktuelle Saison zuzog, die letzte Verletzung in seiner Karriere war und er in Zukunft fit bleibt, so richtig durchstarten und noch viele Scorerpunkte zu seinen bisherigen 4 hinzufügen kann. Auch wenn der Start in seine Sturmkarriere bestenfalls als holprig bezeichnet werden muss, sollte man nicht vergessen, dass er trotzdem erst 21 Jahre alt ist und somit hoffentlich noch eine lange und erfolgreiche Karriere vor sich hat.

(c) SturmTifo.com

Die Sportvereinigung Vålerenga, aus dem gleichnamigen Osloer Stadtteil, wurde am 29. Juli 1913 gegründet und umfasste zu Beginn die Sektionen Ski, Leichtathletik, Ringen und Fußball. Ein Jahr später wurde der aktuell noch immer bestehende Name Vålerengens Idrettsforening gewählt, was man mit Vålerenga Leichtathletikverband übersetzen kann. Der Klub war von Anfang an populär und schon im ersten Jahr hatte kamen bis zu 2000 Zuschauer auf den Fußballplatz. 1921 erfolgte der erstmalige Aufstieg in die höchste norwegische Spielklasse, von Anfang an gab es Dinge, die sich bis heute nicht geändert haben. Das Setzen auf die eigene Jugend und das Entwickeln und Fördern der eigenen Talente war schon immer in der Klub-DNA. Erfolg und Misserfolg haben sich bis heute häufig abgewechselt, aber egal in welcher Liga Vålerenga gerade spielt, der Rückhalt der Fans (kollektiv als „Enga Supportklubb“ bekannt) ist ihnen immer sicher. 

Der größte Fanklub ‚Klanen‘ versammelt sich im østblokka – (c) SturmNetz

Bis zum ersten Titelgewinn mussten sich die Fans bis 1965 gedulden, Trainer war damals der Österreicher Anton Ploderer. 1968 folgte dann aber schon wieder der Abstieg in die zweite und 1971 sogar in die dritte norwegische Liga. Die „Goldene Zeit“ des Osloer Traditionsvereins sollte dann zwischen 1980 und 1984 stattfinden, hier gab es den ersten von insgesamt vier Pokalsiegen und es konnten drei der insgesamt fünf Meistertitel der Vereinsgeschichte gewonnen werden. Man konnte sich dann sogar bis 1990 in der höchsten Spielklasse halten, eine Serie durchgehender Erstklassigkeit, die man nur von 2002 bis 2023 toppen konnte. In diese Zeit fallen auch zwei historische Ereignisse für Vålerenga: Am 09. Juli 2017 konnte man nach über 100 Jahren das Eröffnungsspiel im ersten eigenen Stadion feiern. An diesem Tag wurde die 17.333 Plätze fassende Intility Arena mit einem 2:0-Sieg  der Frauenmannschaft gegen Kolbotn IL eröffnet. Sollten steirische Politiker diesen Artikel lesen, möchte ich Sie höflich bitten, dies nicht so zu interpretieren, dass Sie für ein Sturm-Stadion somit ja noch genügend Zeit haben. 2019 folgte der nächste Meilenstein, die Nachwuchsakademie wurde als erste und bisher einzige in Norwegen von Norsk Toppfotball mit fünf Sternen ausgezeichnet. 2023 konnte der Abgang von Seedy Jatta dann anscheinend doch nicht verkraftet werden und so folgte am 10. Dezember 2023 nach einem 4:5 im Elfmeterschießen und der damit verbunden Playoffniederlage gegen Krisitansund BK der Abstieg aus der Eliteserien in die OBOS Ligaen.

Die Ost in der Intility Arena – (C) SturmNetz

Das hatte zur Folge, dass unser Lokalaugenschein am 11. August kein Erst- sondern ein Zweitligaspiel wurde. Zum Duell von Tabellenführer Vålerenga mit dem Tabellenelften Raufoss IL fanden sich an einem Sonntag-Nachmittag 8803 Zuschauer in der Intility Arena ein. Nachdem bis auf zwei Österreicher wohl alle lauthals bei der wirklich sehr schönen Hymne ‚Vålerenga kjerke‘ mitgesungen hatten, wurde noch vor dem Anpfiff verkündet, dass das nächste Heimspiel gegen Lyn 1896 FK bereits ausverkauft ist. Ein weitere Parallele zu Graz, denn auch in Oslo gab es Liga-Stadtderbys gegen den kleineren Verein für längere Zeit nicht. Alles in allem finde ich einen Zuschauerschnitt von fast 9000 in der zweiten norwegischen Liga durchaus beachtlich und das obwohl man Bier nur vor dem Stadion bekommt und das Essen drinnen – sagen wir mal – „gewöhnungsbedürftig“ ist.

Das ‚Stadionwürstchen‘ – (C) SturmNetz

 
Im Spiel selbst sah man dann doch relativ schnell, warum Vålerenga nach 17 Runden die Tabelle anführt und man wohl definitiv einen sofortigen Wiederaufstieg anstrebt. Von Minute eins an wurde Einbahnstraßenfußball geboten der 22-jährige Magnus Sjøeng im Tor der Hausherren sollte einen recht entspannten Nachmittag erleben, während sein Gegenüber Ole Kristian Lauvli sich einige Male auszeichnen und die Gäste, wenn die Vålerenga Stürmer nicht von sich aus stümperhaft mit Ihren Chancen umgingen, vor einer noch höheren Niederlage bewahren durfte. Sjøeng kommt wie sieben weitere Spieler im aktuellen Kader aus dem eigenen Nachwuchs. Hier gibt es zur Abwechslung mal keine Parallele zum SK Sturm, denn hier wäre die IIer schon froh acht Spiele hintereinander im selben Stadion austragen zu können und dass sich acht Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zur selben Zeit im Kader der Kampfmannschaft befinden, klingt gelinde gesagt utopisch. Nach 23 Minuten wurden die Angriffsbemühungen der Osloer endlich belohnt und Henrik Bjørdal konnte nach Doppelpass mit Carl Lange und anschließender Pirouette zum hochverdienten 1:0 für Vålerenga abschließen. Mit diesem für Raufoss mehr als schmeichelhaften Ergebnis ging es auch in die Halbzeitpause. In dieser wurde neben Verpflegung auch dafür gesorgt, dass man sieht, dass jemand von Seedys neuem Verein im Stadion war:
 

Für unsre Schwoazen ziagn mah quer durchs Laund oder besser gesagt Europa – (c) SturmNetz

Nur drei Minuten nach Wiederanpfiff nutzte Muamer Brajanac nach einer Flanke eine Unsicherheit in der Gästeverteidigung und stellt auf 2:0. In der zweiten Hälfte wagten sich die Gäste dann wohl Spielstand bedingt doch ein paar Mal nach vorne, Tor sollte ihnen aber keines gelingen. Ganz im Gegenteil denn nach einem Konter sorgte Mees Rijks in Minute 95 mit einem Schuss ins lange Eck für den, auch in dieser Höhe noch viel zu niedrig ausgefallenen, 3:0-Endstand.

3:0 Heimsieg – (c) SturmNetz

Fazit: Als jemand der auch regelmäßig Spiele in der zweiten österreichischen Liga besucht, würde ich nach diesem Spiel sagen „1:0-Norwegen“. Hier wurde, wenn auch mit katastrophaler Chancenverwertung, Offensivfußball mit gutem Tempo geboten und das vor 8803 Zuschauern. Wobei man sagen muss, dass Vålerenga einen Zuschauerschnitt hat, über den sich nicht nur die Hälfte der österreichischen Erstligavereine freuen würde, sondern auch viele Vereine der ersten norwegischen Liga, aber Norwegen hat schließlich auch ein paar Einwohner weniger. Wenn der Raufoss-Goalie ein paar Jahre jünger und noch ein paar Zentimeter, wobei 1,93 ja schon fast reichen könnte, größer wäre, könnte man Andi Schicker auf ihn aufmerksam machen. Generell hat mich das Niveau des Spiels wie auch Oslo selbst mehr als positiv überrascht und ich komme sicher bald wieder nach Norwegen um zu sehen, wie sich das Niveau in der ersten Liga entwickelt. 

1 Kommentar

  1. fauli sagt:

    Danke für den spannenden Artikel

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