Abschied von „Sir Karl“
Es waren wahrlich keine einfachen Tage für die Verantwortlichen des SK Sturm, als man Anfang November 1972 mit einem Mann in Verhandlungen trat, der nicht nur die nächsten Jahre, sondern eine ganze Ära nachhaltig prägen sollte. Nach einer 0:4-Derbypleite am 28. Oktober 1972, der sechsten Niederlage im elften Saisonspiel, erfolgte die Trennung vom jungen deutschen Trainer Adolf Remy, dem man nicht mehr zutraute, eine Trendwende herbeizuführen. Sturm steckte damit bereits früh sehr tief im Abstiegskampf und die Wahl des Trainers erwies sich schwierig, es wurde ihr jedoch besondere Bedeutung beigemessen. Ganz oben auf der Wunschliste stand der damals 50-jährige Wiener Karl Schlechta, der zuvor mit der Wiener Austria, dem LASK und Austria Salzburg große Erfolge feiern konnte.
Ein Meistertrainer in der Provinz
Die Verhandlungen gestalteten sich alles andere als einfach, wollte Karl Schlechta sich doch zuerst ein Bild der Mannschaft und des Umfeldes in Graz machen, ehe er einen Vertrag unterschreiben wollte. Im Vorfeld zum Spiel gegen die Vienna am 4. November 1972 reiste er mit dem Zug in die steirische Landeshauptstadt. Die Mannschaft wurde im Gasthof Zimmermann in Söding kaserniert und Schlechta leitete das Abschlusstraining. Beim anschließenden, mühevollen 1:0-Sieg feierte er sein Debüt auf der Sturm-Trainerbank und erklärte sich danach bereit, das Traineramt vorerst für die restlichen Herbstpartien zu übernehmen. Damit wechselte zum ersten Mal ein „Meistertrainer“ (mit Austria Wien in der Saison 1961/1962) zum SK Sturm. Zu Weihnachten wurde dann sein Vertrag bis Sommer 1973 verlängert.
Es sollten insgesamt fünfeinhalb Jahre werden – so lange wie kein anderer Sturm-Trainer zuvor – und es wurden sehr herausfordernde, aber auch ungemein prägende Jahre bei und vor allem für den SK Sturm. Mit seinem Engagement begann für Karl Schlechta unmittelbar der Kampf um den Klassenerhalt. Trotz deutlich erkennbarer Fortschritte wurde das Ziel sportlich scheinbar knapp verpasst. Sturm stand am Ende auf dem 14. Tabellenplatz, der eigentlich den Abstieg bedeutet hätte. Durch die im Frühjahr 1973 vor allem in Wien, Niederösterreich und Burgenland ausgebrochene Maul- und Klauenseuche kam es zu erheblichen Terminverschiebungen, sodass Sturm durch Nachtragsspiele nicht mehr aktiv eingreifen konnte. Ein fairer Wettbewerb war damit nicht mehr gegeben, da die Titelentscheidung längst gefallen war und vor allem der SC Eisenstadt und die Vienna durch die Verschiebungen enorme Vorteile hatten, wie die Ergebnisse dann auch belegten. Der Verdacht, dass Spiele manipuliert wurden, lag in der Luft. Die Sturmführung mit Präsident Hans Gert, den beiden Vizepräsidenten Franz Gady und Karl Pühringer und begleitet von Karl Schlechta intervenierte in Wien beim ÖFB anfangs erfolglos. Nicht zuletzt durch die hervorragenden Kontakte von Schlechta und animiert durch dessen Frau („Du hast für andere schon so viel getan, nutze doch jetzt deine Kontakte für Sturm“), gelang es, dass die Mehrheit der ÖFB-Mitglieder den Protest von Sturm schließlich doch stattgegeben hatten, was wiederum zu einer Aufstockung der Nationalliga auf 17 Vereine führte und Sturm somit auch weiterhin erstklassig blieb.
Sensationsteam Sturm Durisol
In seine erste komplette Saison auf der Betreuerbank von Sturm ging der Wiener praktisch ohne Neuzugänge. Es folgten sechs Siege aus den ersten sechs Spielen, das ist bis heute Vereinsrekord. Zu dem konnte sich Sturm noch länger sensationell an der Tabellenspitze halten, auch das war bis dato einmalig in der Klubgeschichte. Es sprach alles dafür, dass die Grazer in dieser Saison mit dem Abstieg nichts zu tun haben sollten, ehe Liga-Reformpläne durchsickerten, die mit der Saison 1974/75 ein neues Ligaformat in Form einer Zehner-Liga und einer landesweiten Nationalliga als Unterbau vorsahen. Mit einem Schlag war die aktuelle Meisterschaftstabelle zweitrangig und man sah sich bei Sturm plötzlich mit einer 5- Jahreswertung konfrontiert, die als Maßstab für die Teilnahme an der höchsten Spielklasse in der Folgesaison herangezogen werden sollte. Erst im April 1974 wurde der rechtskräftige Beschluss gefasst, diese auch heranzuziehen und es begann ein regelrechter Krimi zwischen den beiden Grazer Vereinen, in dem der SK Sturm letztlich mit 149:147 Punkten knapp die Oberhand behalten konnte. Der 5. Platz bedeutete darüber hinaus auch die Qualifikation für den Europapokal. Der GAK hingegen wurde aufgrund zweier fehlender Punkte und mehr oder weniger am Grünen Tisch in die Zweitklassigkeit zitiert. Die Rotjacken hatten die Saison auf dem 12. Tabellenrang abgeschlossen. Noch härter traf es DSV Alpine: Die Donawitzer belegten im Endklassement Platz 6, nur einem Punkt hinter Sturm und somit auch mit nur einen Zähler Rückstand auf einen internationalen Startplatz, mussten aber ebenfalls den bitteren Gang in die Zweite Liga antreten.
Die Herausforderung Bundesliga war für Karl Schlechta mit einem großen Umbau der Mannschaft verbunden. Ohne große, namhafte Verstärkungen und mit vielen jungen steirischen Talenten wie Gernot Jurtin, Anton Pichler, Hubert Kulmer oder Heribert Weber sollte die Liga gehalten werden. Im Europacup schied man gegen Royal Antwerpen nur aufgrund der Auswärtstorregel denkbar knapp aus, in der Meisterschaft konnte die junge Truppe jedoch mehr als positiv überraschen. So gelangen nicht nur Achtungserfolge gegen den Vizemeister VOEST Linz und dem bis heute höchsten Heimsieg gegen Rapid (4:0), sondern auch der erste Auswärtserfolg gegen Austria Wien (4:2) in der Vereinsgeschichte.
Im Cupbewerb sorgte die junge Schlechta-Truppe für noch größere Furore: Durch Siege gegen SV Rottenmann, FC Höchst, LASK und dem FC Vorarlberg wurde zum zweiten mal nach 1948 ein Cupfinale erreicht. Das Hinspiel in Innsbruck ging 0:3 verloren, wobei teilweise bis heute zwei umstrittene Elfmeter für Ärger und Diskussionen sorgten. Im Rückspiel in Graz kämpfte Sturm heroisch und gewann sensationell mit 2:0, hatte sogar Chancen auf das 3:0, letztlich wurde die ganz großen Sensation und der vermeintlich erste Titel nur denkbar knapp verpasst. Durch den Finaleinzug gelang allerdings erneut die Qualifikation für den Europacup. Nach der Saison einigte sich Karl Schlechta mit Sturm auf eine Vertragsverlängerung um weitere zwei Jahre bis Sommer 1977.
Starke Auftritte im Europapokal
Nach Erfolgen über Slavia Sofia und Haladas Szombathely erreichte Karl Schlechta mit seiner Mannschaft sensationell das Viertelfinale im Pokalsieger-Bewerb. Eintracht Frankfurt erwies sich dann allerdings als zu stark, dennoch hatte sich die junge Mannschaft hervorragend geschlagen. Geprägt waren diese Wochen und Monate auch von der schweren Erkrankung des jungen Sturmpräsidenten Hans Gert. Die Stimmung in Graz war dementsprechend getrübt und es war schwierig, sich auf den Fußball zu konzentrieren. In der Meisterschaft lief es folglich nicht nach Wunsch, die Duelle gegen den wieder aufgestiegenen Stadtrivalen und der erste Punktegewinn auswärts gegen Rapid bleiben erfreuliche Randerscheinungen. Diese tiefe Trauer und die nachfolgenden Veränderungen nach dem Tod von Hans Gert waren es dann wohl auch, die den Ausschlag dafür gegeben haben, dass sich im Sommer 1977 die Wege trennten.
Rückkehr nach Wien
Karl Schlechta zog es zurück nach Wien, wo er das Traineramt bei Rapid übernahm. Unter seiner Führung wurde Hans Krankl 1978 mit 41 Treffern europäischer Torschützenkönig. Seine letzte Trainerstation war von 1980 – 1982 beim Wiener Sportklub. „Ich bin mit keinem Verein abgestiegen“, meinte er einmal stolz, und hier sei die Anfangszeit in Graz wohl besonders erwähnt. In insgesamt 180 Pflichtspielen nahm Karl Schlechta auf der Sturm-Trainerbank Platz, eine reine Auflistung von Ergebnissen und Tabellen werden seiner Bedeutung für den SK Sturm aber bei weitem nicht gerecht. Nicht nur für die Spieler war er weit mehr als nur Trainer, er war Lehrer und zugleich väterlicher Freund, weit über die Spielfeldgrenzen hinaus. So verwaltete der Sir auch beispielsweise das Sparbuch des jungen Heribert Weber. Unter Schlechtas Führung reiften junge, steirische Talente zu Spitzenspielern heran. Gernot Jurtin, Manfred Steiner und Heribert Weber schafften sogar den Sprung in die Nationalmannschaft. Deshalb werden nicht nur seine Erfolge als Sturm-Trainer, sondern die bis dahin erfolgreichste Ära der Vereinsgeschichte bis Mitte der 80er Jahre, untrennbar mit seinem Namen verbunden bleiben.
„Ich wollte das schlechte Image, welches ein Fußballer in jener Zeit hatte, ändern.“ – Karl Schlechta
Am 5. September trat „Sir Karl“ Schlechta nach 94 Jahren seine letzte Reise an, der SK Sturm wird ihm stets ein ehrendes Gedenken bewahren.
Besonderer Dank für die Unterstützung gilt Vorstandsmitglied und Sturm-Historiker Dr. Herbert Troger.
Gratutulation zu diesem gelungenen Beitrag.
Und bitte bald eine Geschichte über Damir Grloci, einen der besten und originellsten Torhüter, die Sturm je hatte.
Könnt ihr bitte beim privatfoto mit den fünf Spielern und Schlechta die Namen darunter schreiben. Bei den ersten beiden bin ich nicht so sicher, dann Kulmer, Weber, Schriver, Schlechta?!
Ich glaub die ersten beiden sind der Robert Kaiser und der Karl Rosner und der zwischen Weber und Schlechta ist glaub ich nicht der Schriver aber ich kann dir jetzt auch nicht sagen wer das ist. Sorry
Am Bild vlnr.: Kaiser, Rosner, Kulmer, Weber, Russ, Schlechta.
Super Artikel!
R.I.P Karl Schlechta
So auch heute hat uns ein Erzschwoazer verlassen.
R.I.P Gerhard Roth.