„Wir lieben alles an diesem Verein“
Sturm-Fans gibt es nicht nur in Graz, in der Steiermark, in Österreich – nein, auch weit über die Grenzen hinaus gibt es zahlreiche schwarz-weiße Aficionados, die einmal Sturm entdeckten und sich verliebten. So wie zwei Fans aus England: Diese erzählen nachfolgend, wie sie ihre Liebe zu Sturm Graz gefunden und wie sie den „Sturmgeist“ erlebt haben.
Danke an David Laumer, der in Kontakt mit Dan und Archie Smith stand, deren Text geschickt bekam, ihn auf Deutsch übersetzte und uns zur Verfügung stellte. Dieser Text wurde auch als Grundlage für den Sturm Echo-Artikel „Sturm-Böen an Englands Küste“ genommen, wo dieser in einer verkürzten Form erschien.
„Wir lieben alles an diesem Verein“
von Daniel und Archie Smith
Mein mittlerweile 14-jähriger Sohn Archie und ich waren bereits 2019 beim MotoGP in der Steiermark. Damals waren wir im schönen, aber etwas abgelegenen Semriach untergebracht. Als wir 2022 wiederkamen, wollte ich uns dann in einem etwas belebteren Ort einquartieren und buchte uns daher ein Hotel direkt in Graz. In den Tagen vor unserer Reise nach Österreich hat sich Archie schlau gemacht, ob es in Graz Fußballvereine gibt und ob diese an jenem Wochenende spielen. Er sah, dass der SK Sturm Graz am Samstag ein Heimspiel hatte und fragte mich, ob wir nicht hingehen wollten. Nachdem wir beide fußballverrückt sind und davor zum Beispiel auch in Deutschland (bei Bayer Leverkusen) und in Polen (bei Lech Posen) schon bei Spielen waren, brauchte ich nicht lange zu überlegen, zumal es eine angenehme Abwechslung zu den Motorrädern am Spielberg-Ring – als Sturm-Fans können wir den offiziellen Sponsorennamen jetzt nicht mehr sagen – werden würde.
Wir erwarteten uns ein gutes Spiel, schließlich war Sturm Zweiter oder Dritter in der Liga und beide Teams in guter Form. Als wir beim Stadion ankamen, herrschte eine freundliche Atmosphäre. Ich kaufte Archie ein Sturm-Trikot im gut sortierten Fan-Shop und mir ein Puntigamer, dann machten wir uns auf den Weg hinein ins Stadion. Obwohl ich mir im Vorfeld die Ultras von Sturm auf YouTube angeschaut hatte, konnte ich nicht recht einschätzen, ob es eine gute Idee wäre, mit Archie in die Nordkurve zu gehen. Für das LASK-Spiel hatte ich uns daher zwei Karten ganz am Rand, im Sektor 13, gekauft, um zumindest in der Nähe der Stimmung zu sein. Vor dem Sektor sah ich einen Typen, der – wie ich jetzt weiß – von einer der Fangruppen war und T-Shirts verkaufte. Ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, fragte ich ihn, ob es in Ordnung wäre, wenn Archie und ich in die Kurve gehen würden. „Natürlich“, war seine Antwort, „Wo seid ihr her? Nehmt euch jeder ein Shirt und ein paar Pickerl und genießt das Spiel“. Ich habe zwar keine Ahnung, von welcher Fangruppe er war, aber es war ein unglaublicher Empfang, der mir gezeigt hat, dass es kein Problem ist, wenn zwei englische Fußballfans in die Kurve gehen.
Die Atmosphäre im Stadion war dann eine völlig neue Erfahrung für uns. Es ist schwer, diese überwältigenden Gefühle in Worte zu fassen, sie werden uns aber für den Rest unseres Lebens begleiten. Auf der Nordtribüne fühlte ich mich in meine Jugendzeit in den 1990er Jahren zurückversetzt, als mein Verein, Colchester United, noch im alten Stadion an der Layer Road spielte.
Vor dem Spiel gab es eine Choreographie, dafür waren auf allen Plätzen Fahnen vorbereitet und Pyros wurden gezündet. Im englischen Fußball gibt es so etwas aufgrund der strengen Vorschriften in Folge der Gewaltprobleme in den 1970er und -80er Jahren nicht. Es gibt kaum Stehplätze in den Stadien, keine Pyrotechnik und jede Art von Stimmung scheint verlorengegangen zu sein. Alkohol darf auch nicht mehr ausgeschenkt werden. Nachdem das so ungewohnt für uns war, hatten wir beide unsere Handys in der Hand und wollten den Moment als Erinnerung festhalten. Das war ein Fehler, denn ein Typ, der neben mir stand, wies mich auf Deutsch unmissverständlich zurecht. Ich hatte keine Ahnung, was er sagte, aber wir steckten unsere Handys sofort weg. Der Typ hieß Florian, und mittlerweile sind wir Freunde geworden. An dieser Stelle machten wir auch mit unserem ersten „Sturm-Freund“ Bekanntschaft. Robert alias Rokko übersetzte uns freundlicherweise, dass das Filmen verboten ist und Florian nur die Werte der Kurve schützen wollte. Das respektierten wir natürlich, Lektion gelernt!
Zur Pause stand es 0:0, es war eine gute erste Halbzeit von Sturm. In der Halbzeit habe ich Rokko dann ein Bier spendiert, um ihm für seine Hilfe zu danken, und ihm erklärt, dass das unser allererstes Sturm-Spiel ist. Es stellte sich heraus, dass er ebenfalls Motorrad fährt und den Sport genauso liebt wie ich. Wir hatten also neben dem Fußball auch noch etwas Anderes gemeinsam. Zu Beginn der zweiten Halbzeit war die Stimmung gleich wieder elektrisierend. Die Lautstärke der Sturm-Fans war ohrenbetäubend. Ohne den Text zu kennen, aber mit den Melodien vertraut, klatschten und sangen Archie und ich bei den Liedern mit, wo wir konnten. In der Mitte der zweiten Spielhälfte und nach ein paar Puntigamern ging ich auf die Toilette und konnte den ohrenbetäubenden Lärm immer noch hören. Ich hatte keine Ahnung, dass Sturm gerade ein Tor kassiert hatte und 0:1 im Rückstand war. Weder wurden die Gesänge unterbrochen, noch gab es ein Stöhnen oder Ächzen, wie man es im englischen Fußball erwarten würde! Dieser Support ist einfach ein Wahnsinn, wirklich unvorstellbar für Engländer.
Wenngleich die Stimmung nach dem Spiel in der Nordkurve und rund um’s Stadion nicht darauf hindeutete, hat Sturm das Spiel also verloren. Bevor Archie und ich mit dem Taxi zurück in unser Hotel fuhren, tauschte ich noch Nummern mit Rokko aus. In den zurückliegenden 90 Minuten hatten wir uns in Sturm verliebt. Wir waren dem Verein verfallen und konnten es kaum erwarten, wieder herzukommen.
Aufgrund von Arbeit und Schule konnte wir dieses Vorhaben jedoch erst ein halbes Jahr später in die Tat umsetzen, als wir im Februar 2023 zum Heimspiel gegen Klagenfurt anreisten und zum ersten Mal österreichischen Schnee zu sehen bekamen. Wieder in Liebenau trafen wir uns mit Rokko und machten uns erneut auf den Weg in die Nordkurve, wo er uns seine Freunde Maxi und Tobias vorstellte. Diesmal gab es zwar keine Pyro oder Choreographie, die Stimmung war aber wieder genauso überwältigend. Mit Trommeln, Fahnen und Megaphonen wurde der Support der Tausenden Sturm-Fans in der Kurve von den Fangruppen orchestriert. Ein oder zwei Puntigamer mit unseren mittlerweile drei Sturm-Freunden und 90 Minuten später hatte Sturm 1:2 verloren, was der Stimmung aber auch diesmal keinen Abbruch tat. Es war viel zu schnell vorbei und ehe wir uns versahen, waren wir auf dem Weg nach Wien, um am nächsten Morgen nach London Stansted zurückzufliegen.
Am 30. April hatte ich Geburtstag, und wie konnte ich diesen besser feiern als mit Rokko, Maxi und Tobias beim ÖFB-Cup-Finale. Rokko lud uns am Samstag zu einer Stadtführung durch Graz ein, bei der wir auch die Gruabn und das Sturm-Trainingszentrum besuchten. Die Gruabn ist wirklich ein magischer Ort, fast wie in einer Zeitkapsel. Wir konnten zwar nicht hineingehen, haben aber durch den Zaun reingeschaut. Wir bekamen ein echtes Gefühl dafür, wie besonders und geschichtsträchtig dieser Ort ist. Ich hatte plötzlich eine Gänsehaut und unsere Verbindung zum Verein wurde in dem Moment sicher noch einmal tiefer.
Dank Rokko kamen wir dann bereits am Samstagabend in Klagenfurt an. Er brachte uns extra von Graz hin und fuhr dann wieder zurück, um am nächsten Tag mit dem Fanbus mitzufahren, was für ein legendärer Typ!
Die Aufregung stieg, als Archie und ich gegen 11 Uhr mit dem Scooter erstmals zum Stadion fuhren. Der Anblick Tausender Sturm-Fans machte uns fassungslos. Wir konnten nicht glauben, dass sieben Stunden vor Anpfiff schon so viele von ihnen da waren. Wir fuhren noch einmal schnell in unser Apartment zurück, um eine Kleinigkeit zu essen, und beeilten uns dann, um wieder möglichst schnell zu den Sturm-Fans zurückzukehren, die bereits Stunden vor dem Anpfiff die umliegenden Straßen eingenommen hatten. Die Final-Shirts, die wir bei den Fangruppen bekamen, gaben uns jetzt das Gefühl, ein Teil von Sturm zu sein. Maxi und Tobias stellten uns Sebi vor und wir plauderten bei strahlendem Sonnenschein und Bier über Fußball und Sturm. Irgendwann war es an der Zeit, in das beeindruckende Stadion hineinzugehen, allerdings war es ziemlich chaotisch, sodass wir Maxi, Tobias und Sebi verloren. Das war aber kein Problem, denn so kamen wir mit Franz und Dom ins Gespräch und standen zufällig nur ein paar Reihen von Rokko entfernt. Franz und Dom sind nun ebenfalls ein fester Bestandteil unserer Sturm-Freundesliste. Ich glaube, sie waren wie die meisten Sturm-Fans überrascht, dass wir extra aus England angereist sind, um den SK Sturm zu sehen. Die Choreographie, die Pyroshow und die Stimmung in diesem Stadion waren das Beste, was ich je erlebt habe. Es war unvergesslich und unglaublich, ein Teil davon zu sein. Im Cupfinale gegen Rapid sahen wir nun also unseren ersten Sturm-Sieg, was für mich natürlich das i-Tüpfelchen meines Geburtstags war. Die Reise war einfach viel zu schnell vorbei, zumal wir unser nächstes Sturm-Spiel ob des Saisonendes erst in ein paar Monaten sehen würden.
Im September 2023 war es dann gegen Salzburg so weit. Franz hatte mich bereits im Vorfeld gefragt, ob wir Lust hätten, uns vor dem Spiel in Liebenau die Sturm-Frauen in der Gruabn anzuschauen. Da mussten wir natürlich nicht lange überlegen. Wir verabredeten uns also wieder mit Rokko, spazierten von Liebenau zur Gruabn und nahmen auf den Holzbänken auf der Tribüne Platz, wo auch Franz und Dom bereits warteten. Es war wirklich ein Erlebnis und ein Highlight, eine Sturm-Mannschaft dort spielen zu sehen! Die Sturm Frauen haben souverän gewonnen und die Stimmung auf der Tribüne war trotz weniger hundert Fans etwas ganz Einzigartiges.
Als wir dann mit unseren Sturm-Freunden wieder in der Nordkurve waren, waren all unsere Sinne abermals überwältigt von der ganzen Atmosphäre dieses Ortes, von der Lautstärke, dem Anblick der Choreographie und dem Geruch der Pyros rund um uns herum. Es war wieder ein geniales Spiel, mit ein paar „Puntis“ und unglaublich leidenschaftlichen Fans, zu denen wir uns jetzt auch zählen.
Es folgten Heimspiele gegen Lustenau und den WAC, sowie die Auswärtsspiele in Lissabon, Bratislava und zuletzt in Lille. Lille war für uns ja quasi ein Heimspiel, da es von England aus nur 4 Stunden Fahrtzeit pro Richtung waren.
Mit jedem Spielbesuch wächst unser Sturm-Freundeskreis um weitere außergewöhnliche Menschen, mit denen wir teilweise täglich in Kontakt sind. Wir sind immer noch überwältigt von der Resonanz, die wir von den Sturm-Fans erhalten. Es fühlt sich einfach surreal an, wenn wir zum Beispiel beim Anstehen vorm Stadion oder bei einem Bier in der Hotelbar gefragt werden: „Hey, seid ihr nicht die Jungs aus England?“. Dabei sind wir doch nur zwei einfache Sturm-Fans wie alle anderen auch. Das ist es, was wir an diesem Klub so lieben: die Menschen, die Leidenschaft und die Freundschaften. Die Nordkurve und ihre Fangruppen sind wirklich etwas Besonderes. Wir haben bereits mehrere weitere Besuche geplant, die nächste wird zum Heimspiel gegen Rapid im April sein. Und wer weiß, vielleicht ist Anfang Mai auch wieder ein Cupfinale dabei.
Wir haben den SK Sturm durch Zufall entdeckt, aber ich bin so froh darüber. So viel Leidenschaft und eine solche Fangemeinde habe ich noch nie erlebt. Bei jedem Spiel 90 Minuten lang zu singen ist etwas ganz Besonderes. Auch das Verhältnis der Spieler zu den Fans und vor allem zur Nordkurve ist unglaublich. Wir lieben alles an diesem Verein, auch das SturmEcho, das uns nach England zugeschickt wird. Obwohl ich keine Ahnung habe, was darin steht, freue ich mich jedes Mal, wenn ich es aufschlage. Ich habe mittlerweile aber begonnen Deutsch zu lernen (ich weiß schon, Steirisch ist wieder etwas Anderes, aber es ist zumindest ein Anfang). Dass in der letzten Ausgabe (374), bei der ausgerechnet Präsident Christian Jauk das Titelthema war, über uns berichtet wurde, macht uns besonders stolz. Es ist eine riesige Ehre für uns und etwas, das Archie aufheben und einmal seinen Enkelkindern zeigen wird können.
Dank ‚OneFootball‘ können wir auch zuhause alle österreichischen Bundesligaspiele streamen, und Archie hat einen „X“-Account namens @SturminUK eingerichtet, der mit bereits fast 400 Followern unsere Erwartungen weit übertroffen hat. Wir haben auch eine Fahne und eigene Pickerl entworfen, die einigen vielleicht schon aufgefallen sind.
Franz hat mir von dem Spruch „Ois für die Schwoazn“ erzählt – dem können wir nichts hinzufügen.
Mega
Thanks
Thanks for publishing our story
Amazing story. My heart skipped a beat when i was reading this article. Thx for this.
Ja mein Kumpel, ich erinnere mich noch als wäre es gestern gewesen: „Duas Handy weg!“ hihi und Handy bedeutet bei ihnen ja was anderes ich sag nur Handjob…
Ich hatte ja ein bissl Schiss schon als du sagtest du bist beim Cup Finale auch dabei, weil wir die letzten Male verloren hatten als du da warst. Aber Der Rest ist Geschichte und mittlerweile dürfte die Statistik ja ausgeglichen sein.
Yes, my buddy, I still remember it like it was yesterday: „Dua’s cell phone gone!“ hehe and cell phone means something different to them. I’m just saying handjob… I was a bit scared when you said you were also there at the cup final because we lost the last time you were there. But the rest is history and the statistics should now be balanced
hi, do you also have an instagram account?
Sturmbenni – we don’t have a SturminUk insta, only personal accounts
Geile Story über den geilsten Verein ever! Danke!
Thank You
Great story. Welcome to the Sturm family!
You need to do more of those stickers and sell them here – would be great to get some STURM – UK stickers somewhere.
We have 2 new designs on stickers coming over in April. Check out the X page for sneak peek
Amazing Story, welcome to the „schwoazen“ Dan and Archie!
Thank you ds1909, glad to be a part of it