„Wir erzielen viel mehr Tore aus Standardsituationen als Sturm“
Seine Paraden ließen in letzter Zeit sicher auch viele Sturmfans in Begeisterungsstürme ausbrechen, denn nicht nur bei der Austria war er bis zu seiner Verletzung die unumstrittene Nummer eins zwischen den Pfosten, sondern auch in der österreichischen Version einer Furia Roja, die niemand Geringeren als Zlatan Ibrahimovic wohl heute noch regelmäßig in seinen Albträumen heimsucht. Seine Leistungen im Nationalteam stehen außer Frage und waren natürlich grundlegend für die spektakulär erspielte EM-Qualifikation. Und ganz ehrlich: Irgenwie ist es auch schön zu wissen, dass Robert Almer seine fußballerischen Wurzeln in der Steiermark, unter anderem auch bei Sturm Graz hat. Kai Reinisch traf den steirischen Erfolgsexport zum Interview.
Herr Almer, Sie sind 1998 von Birkfeld nach Graz gekommen und haben bei Sturm vier Jahre verbracht. Mit 18 Jahren standen Sie sogar im Kader der Profi-Mannschaft. Eine Zeit voller Erfolge, aber auch die Ära kurz vor dem Konkurs. Wie haben Sie diesen Lebensabschnitt in Graz in Erinnerung und wie nahe waren Sie damals tatsächlich am Profi-Team dran?
Wir waren damals eine relativ gute Amateurmannschaft und sehr viele Spieler von uns wurden hochgezogen (Säumel, Kienzl, Krammer), natürlich auch aufgrund der finanziellen Probleme des Vereines. Ich hatte wirklich eine sehr schöne Zeit in Graz und es war für mich immer ein Traum, bei Sturm in der Kampfmannschaft zu spielen und natürlich habe ich mich sehr gefreut, als ich dann einige Bundesligaspiele auf der Bank sitzen durfte. Vor allem nachdem ich bei den Champions-League-Spielen schon als Balljunge dabei war.
Es war damals klar, dass ich auch Fan von diesem Verein, dieser Mannschaft bin.
– Robert Almer
Waren Sie damals auch so etwas wie ein echter Fan von Sturm?
Nachdem ich ja aus der Steiermark komme und auch in Graz gewohnt habe, hat es ja damals nur Sturm und GAK gegeben. Da ich ja auch beim SK Sturm gespielt habe, war es klar, dass ich auch Fan von diesem Verein, dieser Mannschaft bin. Als junger Spieler war es dann für mich auch eine große Ehre in den Profikader einberufen zu werden.
Warum glauben Sie, hat es seit 40 Jahren kein Nachwuchstorhüter von Sturm (mit Ausnahme der fünf Bundesliga-Partien von Alexander Knezevic) bis in die Kampfmannschaft geschafft? Ist das irgendwie zu erklären?
Das ist natürlich aus meiner Warte schwer zu beantworten, zu meiner Zeit gab es eigentlich nicht wirklich eine Perspektive und deshalb habe ich mich entschieden, nach Wien zu wechseln. Das hat sich dann schlagartig geändert, nachdem sich Knezevic das Kreuzband gerissen hat, aber ich war mit meinen Gedanken zu dieser Zeit schon in Wien. Es ist schwer zu beurteilen, woran es liegt, aber Sturm hat ja immer wieder viele Torhüter verpflichtet und da ist es dann schwer für einen jungen Spieler, sich aufzudrängen.
Sind Sie 2002 nur aufgrund der sportlichen Perspektive nach Wien gewechselt oder gab es auch noch andere ausschlaggebende Faktoren?
Wie gesagt, es herrschte für mich einfach eine gewisse Perspektivlosigkeit, da ich ja nur die etatmäßige Nummer vier war. Zwar rückte ich aufgrund des Kreuzbandrisses von Knezevic als Nummer drei nach, aber zu diesem Zeitpunkt war die Entscheidung, dass ich einen anderen Weg einschlage, schon gefallen.
Nach Ihrem Abgang gab es in Graz ja jahrelang ein echtes Torhüterproblem. Glauben Sie, sie hätten geduldiger sein sollen? Immerhin haben Sie bis zum Frühjahr 2007 auf Ihren ersten Einsatz in der Bundesliga warten müssen. Ihr Teamdebüt haben Sie erst 2011 gefeiert? Wäre ihre Karriere eventuell etwas geradliniger verlaufen?
Mit diesen Was-wäre-wenn-Geschichten ist es natürlich immer schwierig und eigentlich beschäftige ich mich auch nicht wirklich mit so etwas. Ich bin zum etwaigen Zeitpunkt die Nummer eins im österreichischen Nationalteam, also denke ich, dass mein gewählter Karriereweg nicht schlecht gewählt war. Außerdem habe ich auch meine Frau in Wien kennengelernt und wenn ich in Graz geblieben wäre, hätte es auch nicht dazu kommen können.
Sie wurden ja von der Austria mehrmals verliehen, war zu jener Zeit eine Leihe zu Sturm jemals ein Gesprächsthema?
Nein, eigentlich überhaupt nicht, Sturm hatte ja mit Gratzei und Szamatoulski schon ein fixes Torwartgespann und ich wurde ja hauptsächlich in die zweite Liga verliehen.
Hegen sie noch irgendwelche Kontakte nach Graz?
Jürgen Säumel und Mario Kienzl habe ich im Sommer bei der Trainerfortbildung getroffen, aber sonst eigentlich eher weniger. Natürlich auch aufgrund meiner Zeit im Ausland.
Michael Esser passierten zwei spielentscheidende Patzer in jüngster Vergangenheit. Wie geht ein Torwart mit so etwas um? Wie halten Sie es damit bzw. haben Sie auch schon einmal so eine Phase durchgemacht?
Fehler passieren immer wieder und als Tormann musst du immer cool bleiben und versuchen, das Ganze auszublenden. Beispielsweise gegen Altach habe ich ein direktes Eckballtor bekommen, aber in der Nachspielzeit habe ich den entscheidenden Ball gehalten und wir haben die Partie dann gewonnen. Es ist einfach wichtig, sich nicht verrückt machen zu lassen.
Wie fühlt sich ein Torhüter wie Esser – der hinten fast regelmäßig alles hält – wenn vorne einfach kein Treffer gelingen will?
Als Torhüter ist man irgendwo auch immer Einzelsportler und natürlich versuchst du, deine Mitspieler zu motivieren, aber mehr oder weniger ist man halt nur kostenloser Passagier.
Wird ein Torhüter wirklich erst mit 30 so richtig gut?
Die Erfahrung macht selbstverständlich vieles einfacher, aber das sollte man nicht verallgemeinern. Ein ter Stegen beispielsweise bietet auch in jungen Jahren immer wieder sehr gute Leistungen.
Kommen wir zu einem anderen Thema: Ist die Euro schon im Hinterkopf oder fokussieren Sie sich nur auf die Bundesliga?
Ich müsste natürlich lügen, wenn ich sage, ich denke überhaupt nicht daran, aber für mich ist derzeit vorrangig, dass ich wieder auf dem Platz stehe.
Hat es Sie geärgert, dass in Österreich – trotz einer sehr starken Nationalmannschaft – von einem Torwartproblem gesprochen wurde? Immerhin hatten Sie einen erheblichen Anteil an dem Gruppensieg und wie groß ist jetzt Ihre Genugtuung?
Eigentlich ist mir die Kritik ziemlich egal und ich verspüre jetzt auch nicht unbedingt eine große Genugtuung. Wichtig ist, dass ich meine Leistung bringe und der Trainer bestimmt ja, wer spielt und die Medien können im Endeffekt schreiben, was Sie wollen.
Wie weit kommt Österreich bei der Europameisterschaft?
Das ist natürlich schwer zu beantworten. Wir wissen, dass wir große Qualität im Kader haben, aber es ist wichtig, einmal gut in das Turnier zu starten und dann werden wir sehen, wohin die Reise geht.
Wir erzielen viel mehr Tore aus Standardsituationen als Sturm und das kommt uns natürlich zu Gute. – Robert Almer
Kommen wir zum morgigen Spiel gegen Sturm: Was denken Sie macht die Austria derzeit besser als Sturm und wie stellt man sich taktisch auf ein Spiel in Liebenau ein?
Also der größte Unterschied ist, dass wir viel mehr Tore aus Standardsituationen erzielen als Sturm und das kommt uns natürlich zu Gute. Sich mit Sturm zu vergleichen ist auch nicht wirklich seriös, wir konzentrieren uns hauptsächlich auf uns selbst.
Wie geht es Ihnen mit Ihrer Verletzung? Sie stehen ja mittlerweile wieder im Mannschaftstraining, aber ein Einsatz morgen ist kein Thema, oder?
Also wer morgen spielt, entscheidet grundsätzlich der Trainer, aber ich wäre wieder 100-prozentig einsatzfähig.
Denken Sie, dass die Austria in dieser Saison noch um die Meisterschaft mitspielen kann?
Unser primäres Ziel ist es den dritten Platz abzusichern, wir haben ja auch einen kleinen Punktepolster auf unsere Verfolger. Unser ausgegebenes Saisonziel war der dritte Platz und wenn es weiter nach oben gehen sollte, wäre das schön, aber das ist derzeit einfach unrealistisch.
Sie sind einer der wenigen Spieler, die aus der heimischen Liga stammen und wahrscheinlich im Sommer bei der Euro auflaufen werden. Lernt man im Ausland wirklich so viel mehr dazu und ist der Qualitätsunterschied wirklich so groß?
Es ist natürlich etwas anderes, wenn wir uns die Stadien, die Infrastruktur und die Professionalität in Deutschland ansehen, aber mit unseren Nachbarn oder England sollte man sich nicht vergleichen, da diese Vereine auch über ein viel größeres Budget verfügen. In diesen Ländern herrscht auch eine viel größere Drucksituation und der Unterschied ist schon sehr groß. Wir sollten uns aber eher mit Ländern wie Belgien oder der Schweiz vergleichen, von denen man auch sehr viel lernen kann und die auch über gute Ligen verfügen. Ich denke, das wäre der richtige Weg.
Herr Almer, welche Spieler waren für Sie so etwas wie Vorbilder?
Von jedem Torwart, der auf Topniveau spielt, kann man sich etwas abschauen, aber so wirkliche Vorbilder habe ich nicht. Als junger Spieler habe ich aber Peter Schmeichel und Edwin Van der Sar sehr bewundert.
Herr Almer, danke für das Interview!
Danke auch.
Das Interview führte Kai Reinisch.
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