„Wir brennen alle darauf“

Damen-Wochencheck in KW 45

Der Spielplan der planet.pure-Frauenbundesliga sieht noch zwei Spiele bis zur Winterpause vor. Nachdem bis in den Sommer hinein lange nicht klar war, ob und wie die Frauen spielen würden, befinden wir uns nur gut drei Monate später wieder in einer spannungsgeladenen Situation. Erneuter Lockdown, trotzdem schon sieben Spieltage absolviert und dennoch gilt Frauenfußball in Österreich noch immer als Amateursportart, was im Frühling noch zu einem Saisonabbruch führte. Diese Woche stand der ÖFB zusammen mit den Ämtern für Sport und Gesundheit wieder vor derselben wegweisenden Entscheidung, aber die Vorzeichen standen besser als vor sechs Monaten. Der SK Sturm Graz spielt bis zu diesem Zeitpunkt eine herausragende Saison und darf sich laut einer Presseaussendung des ÖFB auch über die Fortsetzung der Herbstsaison trotz Lockdown freuen!

Damit war in dieser Form nicht unbedingt zu rechnen, und trotzdem betont der sportliche Leiter Mario Karner in einem Telefongespräch heute morgen, dass diese Entwicklung nicht überraschend kommt. Wenn Karner spricht, merkt man in der Stimme wie viel Stolz mitschwingt und wie hungrig dieses (Trainer-)Team zu sein scheint. So hat sich nicht nur der Frauenfußball weiterentwickelt, sondern gerade auch die zugehörige Abteilung in Graz-Messendorf. Denn selbst, wenn der Kader für Außenstehende sehr jung ist, sind einige Führungsspielerinnen trotz eines Alters um die 20 bereits seit Jahren in der Bundesliga dabei. Die Mischung im Kader sei sehr gut, die Defensive stabil und mit Vanessa Gritzner verfügt Sturm derzeit über die wohl beste Torfrau der Liga. Zusätzlich hätte sich Neo-Kapitänin Jessica Frieser durch die neue Führungsrolle enorm weiterentwickelt, als Persönlichkeit auf dem Platz, aber auch spielerisch. Abgänge im Sommer konnten dank frühzeitiger Reaktion auf dem Transfermarkt (Wienerroither und Predanič wurden bereits im Winter verpflichtet) kompensiert werden. Die Mischung scheint also derzeit zu stimmen.

Kapitänin Jessica Frieser geht am Feld voran. | (c) Martin Hirtenfellner

Auch am vergangenen Wochenende stimmte die Mischung auf dem Platz, denn Sturm holte die Kohlen in Vorarlberg aus dem Feuer. 4:0 nach 90.Minuten und drei Punkte im Gepäck bedeuten 18 Punkte nach sieben Spielen und Platz zwei, punktegleich mit St. Pölten (ein Spiel weniger). Dass die defensive Null wieder steht, darf nach dem Spiel gegen den FFC Vorderland vor allem Vanessa Gritzners Glanzparaden und der starken Leistung der routinierten Abwehrspielerin Stephanie Kovacs zugeschrieben werden. Gerade in der Anfangsphase überraschten die Gegnerinnen im Ländle.tv mit mutigem, druckreichen Spiel und brachten die Schwoazen immer wieder in Bedrängnis. Doch mit dem neuen Selbstbewusstsein ausgestattet, überstand der SK Sturm diese Phase und wusste die richtige Antwort. Die Grazerinnen nutzten in der 27. Minute nach einer Flanke von Julia Wagner die Chance – Kapitänin Frieser verwertete. Ein Rückschlag für die frechen Vorarlbergerinnen zum richtigen Zeitpunkt. Damit flachte das Spiel der Gastgeberinnen deutlich ab. Mit dem 2:0 von Innenverteidigerin Kröll quasi zum Pausenpfiff, belohnten die Schwoazen ihre konzentrierte Leistung – ein schmeichelnder Spielstand zu diesem Zeitpunkt.

In der zweiten Hälfte gab Vorderland erneut alles und bemühte sich darum zurück ins Spiel zu kommen. Doch zu abgebrüht agierte Sturm und zu konsequent putzten Kovacs und Kröll hinten aus. Der Boden war tief, das Spiel schwer und trotzdem legte Sturm wieder 27 Minuten nach Wiederbeginn nach – über die Flügel rein ins Glück: Julia Wagner stellte auf 3:0 (72.). Damit waren der Drops gelutscht, der Fisch geputzt, die Messe gelesen und die drei Punkte in der Tasche. Jessica Frieser veredelte das hart erkämpfte 4:0 in der Nachspielzeit und sorgte für strahlende Gesichter, die die Rückreise nach Graz antraten.

Die aktuelle Tabelle. | (c) oefb.at

Vier Gegentore hat Sturm in sieben Spielen erst erhalten – alle vier gegen St. Pölten im Spitzenspiel. Die 26 erzielten Treffer fielen allesamt in den anderen sechs Spielen. Nun sieht der Spielplan vor, dass es ums Eingemachte geht: Am 8.11. wartet Neulengbach und am 15.11. tritt Sturm gegen Landhaus/Austria Wien an. Beide Teams sind unmittelbare Konkurrentinnen im Kampf um den zweiten Tabellenplatz. Sollten diese Spiele gewonnen werden und Landhaus das seit Jahren Unmögliche schaffen, nämlich gegen St. Pölten zu punkten, hätte der SK Sturm Graz tatsächlich ein Endspiel in der Rückrunde gegen die übermächtigen Meisterinnen…

Dass diese Spiele nun auch stattfinden dürfen (sofern alle Covid-Testungen negativ ausfallen) steht seit heute fest. Der Lockdown macht vor dem Breitensport nicht halt, und auch wenn es sich hierbei um Spitzensport handelt, sind in der Frauenliga kaum Profis engagiert, weshalb die Entscheidung fortzufahren keine Selbstverständlichkeit war. Dass eine Art Fußball-Bubble für die Frauen nicht denkbar ist, da viele neben dem sportlichen Betrieb noch Brotberufen nachgehen müssen, war die Begründung für den Liga-Abbruch im Frühling. Diesmal sind die Vorzeichen allerdings deutlicher. Es geht um internationale Startplätze, die UEFA hat einen Plan und auch der ÖFB konnte besser vorbereitet in diese Entscheidungsfindung gehen. Zwei Wochen kann man den Spielbetrieb noch aufrecht erhalten, danach geht die Winterpause planmäßig ohnehin bis in den April.

Bei Sturm rechnete man bereits damit, dass die letzten zwei Runden noch gespielt werden dürfen. Dass es nun tatsächlich so ist, freut alle Beteiligten umso mehr – wohl auch nicht aus reinen uneigennützigen Motiven, wenn man die momentane Form betrachtet. Oder wie Mario Karner es ausdrücken würde: „Wir brennen einfach darauf, uns jetzt für die gezeigten Leistungen zu belohnen.“ Neulengbach und Landhaus sollen die neue Qualität der schwoazen Frauen zu spüren bekommen und das noch in diesem Kalenderjahr. Bleibt zu hoffen, dass die Stimmung positiv und jeder Corona-Test negativ bleibt.

 

 

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