Mario Karner: „Wir brauchen Entscheidungen“

Über die aktuelle Lage bei den SK Sturm Frauen

Nachdem die Bundesliga der Frauen abgebrochen wurde, stehen die SK Sturm Damen im Kalenderjahr 2020 noch immer ohne Bewerbsspiel da. Wann zumindest wieder ein Test gegen ein anderes Team durchgeführt werden kann, ist bis heute unklar. Das Training durfte im Mai wieder aufgenommen werden, im Juni folgen weitere Lockerungen. Bis heute sind sich alle Frauen-Bundesligisten einig: Der Abbruch der Liga schien zum Zeitpunkt der Entscheidung alternativlos. Auch aus heutiger Sicht wäre es aufgrund der Auflagen nicht finanzierbar, den Meisterschaftsbetrieb fortzusetzen. Zudem müssten sich in der gesamten Liga Spielerinnen für „englische“ Wochen Urlaub von ihren Brotberufen nehmen. Auch die Verletzungsgefahr für die Protagonistinnen wäre in einer Liga, die laut ÖFB Amateurstatus hat, bei dichterem Spielplan deutlich höher. Im Interview klagt Mario Karner, Leiter der SK Sturm Frauen-Abteilung, aber nicht über die Vergangenheit, sondern über den Ausblick auf die kommende Spielzeit: Unsicherheiten in der Planung und dringend notwendige Entscheidungen, die ÖFB und UEFA derzeit noch schuldig bleiben.

SturmNetz: Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Telefonat nehmen, Herr Karner. Fangen wir chronologisch an: War der Abbruch der Bundesliga alternativlos?

Mario Karner: Aufgrund der wirtschaftlichen Lage zum Zeitpunkt der Entscheidung: ja. Die Parameter haben sich damals so verschoben. Der ÖFB hat entschieden, dass der Frauenfußball auch in der Bundesliga den Amateurstatus (Anm. wie alle Herren-Ligen ab der Regionalliga abwärts) innehat. Wir haben das bei der Klubkonferenz, wo uns diese Entscheidung mitgeteilt wurde, auch so zur Kenntnis genommen. Wenn man das rückblickend betrachtet, erscheint mir das zu diesem Zeitpunkt als alternativlos.

Leiter der SK Sturm Frauen-Abteilung: Mario Karner. | © Martin Hirtenfellner Fotografie

War die Kommunikation aus heutiger Sicht vom ÖFB richtig, so wie sie war?

Ich denke, dass wir uns (Anm. die Vereine, Landesverbände und der ÖFB) gut abstimmen. In Klubkonferenzen denken wir immer gemeinsam – Vereine und ÖFB. Uns jetzt für den Start im Herbst gemeinsam vorzubereiten, das ist die oberste Priorität. Derzeit kommt immer wieder die UEFA ins Spiel, von der auch Termine vorgegeben werden, an die wir uns als Liga halten müssen. Es wurde die Champions League verschoben – die Qualifikation der nächsten Saison in den Oktober hinein. Dazu passiert jede Woche etwas Neues, wo wir reagieren müssen. Jetzt sind wir schön langsam auch in dieser Phase, wo wir Entscheidungen brauchen. Wir wollen uns vorbereiten und auch wieder trainieren – unter Einhaltung des vorgegebenen Rahmens in Kleingruppen. Ab heute (Anm. Gespräch wurde am 2.6. aufgezeichnet) ist auch die Benützung der Umkleidekabinen und Duschen am Sportplatz, unter Einhaltung des 1-Meter Abstandes wie in den Handlungsempfehlungen des ÖFB ersichtlich, wieder erlaubt. Die Lockerungen werden von der Regierung schrittweise vorgegeben. Der ÖFB hält sich daran und wir natürlich auch. Das ist auf jeden Fall ein gemeinsamer Weg zurück.

Hätte man mit der Entscheidung länger zuwarten sollen, um Liga und Cup doch fertigzuspielen?

Wir sehen keine Möglichkeit in diesem Spektrum. Wir müssen ja auch alle Spielerinnen zur Verfügung haben. Ich würde auch jetzt nicht daran denken, den Spielbetrieb aufzunehmen, muss ich ehrlich gestehen. Pokalbewerbe haben zwar weniger Spiele, aber die vorgegebenen Umsetzungskriterien wären für den Großteil der noch im Bewerb vertretenen Vereine nicht umsetzbar. Die Hygienemaßnahmen können wir vielleicht noch schaffen, aber dieses Paket, dass wir Spiele spielen dürften, mit all den Covid-Testungen, das schaffen wir definitiv nicht. Da sind die finanziellen Bedingungen nicht gegeben und auch die Ressourcen der beteiligten Personen nicht verfügbar. Die Vergabe des UEFA Women’s Champions League-Fixplatzes ist im sportlichen Bereich, denke ich, nicht überraschend. Das hat Herr Schmaus (Anm. Präsident der SKN St. Pölten Frauen) im Interview schon richtig gesagt: Im Hinblick auf die sportliche Vergangenheit und die jetzige Saison ist die Entscheidung für St. Pölten absolut OK. Man muss das objektiv und wertfrei zugeben – den sportlichen Vorsprung, den St. Pölten in den letzten Jahren aufgebaut hat, den muss man akzeptieren. Ich möchte etwas an dieser Stelle ergänzen. Wie schon erwähnt, ist es nachvollziehbar, dass das ÖFB-Präsidium beschlossen hat, dass SKN St. Pölten den Fixplatz in der UEFA Women’s Champions League bekommt. Aber der Fixplatz ist ja noch nicht das Ende. Der ÖFB hat alle Ligen annulliert und abgebrochen. Die Saison 2019/20 (Anm. Frauen-Bundesliga in Österreich) gibt es in der Statistik also bei uns nicht. Wir waren im vergangenen Sommer für die UEFA Women’s Champions League-Qualifikation berechtigt und die Berechtigung für diesen Startplatz bekommt man bekanntlich über die UEFA-5-Jahres-Wertung. Im Vorjahr hatte Österreich einen fixen Startplatz und einen zur Qualifikation.

Also, wenn die Champions League-Saison 19/20 bei den Frauen nicht fertiggespielt werden kann, dann hätte Sturm den Anspruch auf den Qualifikationsplatz hinter SKN St. Pölten aufgrund der Wertung der letzten Saison?

Wir erhoffen uns, dass der ÖFB bei der UEFA gleich argumentiert und sich für die österreichischen Vereine so einsetzt, dass auch der ÖFB-Startplatz in der Qualifikation fix und unumgänglich ist. Wenn ich das auf die österreichische Sicht und Entscheidungen, die getroffen wurden, ummünze, hoffe ich, dass der ÖFB da so stark ist und sich für die heimischen Vereine einsetzt. Angeführt muss auch werden, dass wir um die erstmalig verlangte Lizenzierung seitens der UEFA für die UEFA Womens Champions League angesucht haben. Diese haben wir im Zuge der Klublizenzierung seitens der Bundesliga auch bekommen.

Die nächste Sitzung des UEFA-Exekutivkommitees diesbezüglich ist laut Pressemitteilung am 17. Juni.
Ich erwarte mir, dass von der UEFA dann endlich Entscheidungen kommen: Wie geht man mit den internationalen Bewerben grundsätzlich um? Wir brauchen diese Entscheidungen, damit wir national planen können.

Im Jahr 2020 noch ohne Bewerbsspiel: Die SK Sturm Frauen. | © Martin Hirtenfellner Fotografie

Apropos weitermachen: Nach dem Saisonabbruch sind so wichtige Dinge noch ungeklärt – wirkt sich das nicht auch auf die Zu- und Abgänge in der Kaderplanung aus?

Der ÖFB hat auch der Frauen-Bundesliga den Amateurstatus zugeteilt. Mit dem Argument, wir seien eine Amateurliga, wurde begründet, dass die Saison abgebrochen werden musste. Das war nachvollziehbar, hat uns als Verein aber auch zum Nachdenken gebracht. Denn für uns geht es auch um Ausbildungsentschädigungskosten sowie LAZ–Kosten. Wenn wir Spielerinnen von anderen Klubs verpflichten, müssen wir dies nach den vom ÖFB festgesetzten Regulativ tun. In diesem Bereich werden wir, was die Kosten angeht, mit den Teams der Herren-Bundesliga gleichgesetzt. Das bedeutet, wir müssen die gleichen Entschädigungsfaktoren zahlen, wie die Herren-Bundesligisten. Im Zusammenhang mit der Coronakrise sind wir vom ÖFB nun offiziell mit dem Amateurstatus versehen worden. Auf der einen Seite müssen wir Entschädigung zahlen wie die Profis, auf der anderen Seite sind wir aber dezidiert Amateure. Wir hoffen, dass das auf Seiten des ÖFB überdacht wird.

Das heißt, die Ablösesumme für Katja Wienerroither (Anm. Winterneuzugang vom FC Bergheim) war ungleich höher, als sie es gewesen wäre, wenn der vom ÖFB verliehene Amateurstatus tatsächlich konsequent umgesetzt werden würde?

Genau. Das ist etwas, das wir nicht einsehen wollen und deshalb auch ansprechen müssen.

Wird es viele Veränderungen im Kader geben? Diese Entscheidung würde sich doch bestimmt auch auf die Kaderplanung auswirken, oder?

Genau. Das ist ein entscheidender Faktor für das Budget: Kannst du im Herbst international spielen? Zusätzlich: Auf der einen Seite werden wir als Amateurfußball eingestuft, auf der anderen Seite müssen wir aber viel mehr zahlen, als im Amateurfußball vorgegeben wird. Das passt einfach nicht zusammen.
Wir brauchen diese Informationen und eine klare Faktenlage, um für die nächste Saison seriös planen zu können – sportlich, kadertechnisch und wirtschaftlich.

Wird es denn, trotz der unsicheren Lage, sportliche Veränderungen im Kader geben?

Es ist so, dass zwei Spielerinnen den Verein verlassen werden – sie wollen ins Ausland gehen. Mit allen anderen Spielerinnen wollen wir ein Agreement für die nächste Saison finden. Mit einer neuen Spielerin sind wir außerdem in Kontakt. Sie wäre eine Wunschkandidatin, weil sie vom sportlichen Entwicklungsprofil genau zu uns passt und auch einen Platz im Kader einnehmen kann, der durch eine wechselwillige Spielerin entsteht. Das ist der heutige Stand, allerdings ohne zu wissen, ob international noch irgendetwas möglich wird.

Wann spielen die Sturm Damen ihr nächstes Spiel?

Das ist eine Frage, die ich in Wahrheit nicht beantworten kann. Wir sind in diesem Zusammenhang nur Passagiere und abhängig von den weiteren Regierungsbeschlüssen, weil wir nicht wissen, ob und wann wir Testspiele spielen dürfen. Wir wissen derzeit auch nicht, ob die nationale Meisterschaft Mitte August oder Anfang September starten kann bzw. ob im Herbst 2020 überhaupt gespielt wird. Das sind Fragen, die Entscheidungen brauchen und deshalb appelliere ich an jene, die diese Entscheidungen treffen können, das möglichst bald zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch.

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