Waun imma unsre Schwoazen wieda auswärts spün
Auch in diesem Jahr möchten wir euch die Zeit bis zum heiligen Abend etwas versüßen. Im heurigen Advent blicken wir zurück auf einige denkwürdige Ereignisse aus 3,5 Jahren SturmNetz. In Türchen Nummer 3 möchten wir euch an unserer Auswärtsfahrt nach Podgorica teilhaben lassen und einen kleinen Einblick geben, was so alles passieren kann, wenn man der Liebe wegen verreist.
Waun imma unsre Schwoazen wieda auswärts spün
Auswärtsfahrten: Für viele ist es unverständlich, sich diese „Strapazen“ aufzuerlegen und dem Verein bis ins letzte Loch dieser Erde zu folgen. Dennoch sind es für mich genau diese Fahrten, welche mir die Liebe zu meinem Verein noch um ein Vielfaches vergrößern. Wenn man stundenlang mit Gleichgesinnten in einem Transportmittel unterwegs ist und es nur dieses eine Thema gibt: Sturm! Alles dreht sich um unsere manchmalige „Hassliebe“. Aufstellungen werden diskutiert, Systeme und Personen unter die Lupe genommen, gelobt bzw. kritisiert und einfach über den Sinn des Fußballlebens sinniert. Es schweißt zusammen, tausende Kilometer gemeinsam abzuspulen, ins Stadion zu gehen und sich mit dem Verein mitzufreuen oder totzuärgern. Dieses Wir-Gefühl nimmt im Fußball eine große Rolle ein, auf dem Platz als auch abseits davon. Irgendwann gelangt man immer wieder an den Punkt, an welchem man seine Erinnerungen zurück schweifen lässt und von seinen absoluten Lieblingsfahrten erzählt, auch wenn die mitreisenden Personen diese schon 100 Mal gehört haben und trotzdem noch darüber lachen können. Nachfolgend möchte ich versuchen, euch an unserer Auswärtsfahrt nach Podgorica teilhaben zu lassen und einen kleinen Einblick zu geben, was so alles passieren kann, wenn man der Liebe wegen verreist.
Podgorica bzw. Budva, für mich zwei völlig unbekannte Reiseziele und rückblickend wohl eine meiner verrücktesten Fahrten überhaupt. 15 Stunden. Fünfzehn Stunden in einem schwarzen BMW, welcher seine beste Zeit hatte, als einige von den SturmNetz-Lesern noch in Abrahams Wurstkessel schwammen und mittlerweile stolze 275.000 km auf der Anzeige hat. Klimaanlage? Schon, funktioniert aber seit Jahren nicht. Braucht man im Sommer ja auch nicht. Wir starteten bereits um Mitternacht, da ist es auch nicht so heiß… Zu dritt traten wir diese Reise an, ich nahm hinten auf der Rückbank Platz und zu mir gesellte sich ein großer Müllsack, denn Ordnung muss schließlich sein, egal wie das Fahrzeug aussieht und riecht. Abfahrt und tschhhhhhhh, das erste Bier war offen, es sollte nicht das einzige bleiben, denn 15 Stunden sind schließlich eine lange Zeit. Wie der Großteil der Anhängerschaft verbanden auch wir diese Auswärtsfahrt natürlich gleich mit einem kleinen Urlaub in Budva. Somit war das Auto mit Kameras, Laptops und Gepäck bis oben hin gefüllt und Platzangst durfte man überdies auch keine haben. Raucherauto, drei Raucher an Bord, Fenster auf, Fenster hoch, Fenster runter, Fenster zu. Das sollte noch eine Rolle spielen.
Wir waren schon einige Kilometer unterwegs, als mir die Leuchten auf dem Armaturenbrett auffielen. Es leuchteten Warnlampen, die hatte ich in meinem Leben noch nie gesehen. „Keine Sorge, die scheinen immer alle, das ist normal“, hallte es nach hinten. Ob es normal ist, wage ich zu bezweifeln, aber mit den Leuchten hatten alle Geschehnisse nichts zu tun, insofern stimmte zumindest das. „Sie (das Auto, Anm. d. Red.) lässt mich nie hängen, keine Sorge“, so der überzeugte Fahrer. Tatsächlich brachte sie uns jüngst beispielsweise auch sicher nach Hartberg, eine dazu im Vergleich geradezu lächerliche Strecke. Aber zurück nach Montenegro bzw. zum Weg dorthin:
Bis zum Grenzübergang zwischen Slowenien und Kroatien war es immerhin schon einmal ein schönes Stück und so kam es, dass ich doch bereits das eine oder andere Bier intus hatte und vielleicht nicht mehr ganz nüchtern war. Der Zöllner vor Ort war so nett und bat uns, an den Seitenstreifen zu fahren, um eine Pause einzulegen. Wir mussten außerdem unser ganzes Gepäck ausladen, um die Stoßdämpfer der alten Dame zu entlasten. Nach einer ewig dauernden Ostereiersuche in unseren mitgeführten Sachen durften wir ihm dann auch noch mit in sein Häuschen folgen und eine kleines Kaffeekränzchen abhalten, allerdings ohne Kaffee und Kuchen. Der Fahrer, angehender Englischlehrer, gegen den Staatsdiener. Perfektes Englisch gegen gebrochenes Englisch mit fiesem Dialekt und so kam es, wie es kommen musste. Der nuschelnde Zöllner fühlte sich ob, nennen wir den Fahrer einfach Gernot Franz, Franzis ständigen „Excuse me?“ wohl verarscht und bat ihn zu guter Letzt auf ein Date in sein Kammerl. Vielleicht lag es auch am „Heast Oida, i konn eh Englisch, aber i versteh di net!“, nachdem der werte Herr Unverständnis für das ständige Nachfragen äußerte. Mich, angetrunken, Vollbart, zerflederte Kleidung, wollte er überraschenderweise nicht mitnehmen und an der Beifahrerin hatte er scheinbar auch keinen Narren gefressen. Man möge sich nun vorstellen, nackt in einem fensterlosen Raum zu stehen, von der Decke baumelt eine alte Lampe und in der Mitte steht ein kleiner Tisch ohne Stühle, lediglich mit einem vollen Aschenbecher, in dem zerdrückte Zigarettenstummel und verbrannte Streichhölzer liegen, so Franzis Schilderungen im Anschluss. Nach ein paar Minuten kam er wieder, aber ich befürchte, es ist nichts Längerfristiges aus dem kurzen Intermezzo geworden, bis heute haben sich ihre Wege nämlich nicht wieder gekreuzt. Franz beharrt nach wie vor mit Vehemenz darauf, dass er zwar blank ziehen musste, es aber zu keiner Leibesvisitation gekommen ist. Wir wollen es ihm mal glauben.
Viele Stunden ohne nennenswerte Ereignisse vergingen. Klopausen, Beine vertreten und natürlich rauchen. Wie immer Fenster rauf, Fenster runter, mittlerweile gerade in Montenegro angekommen. Fenster runter, aber Fenster nicht mehr rauf… mitten im Tunnel flog die Scheibe in der Tür nach unten. Die nicht funktionierende Temperaturanzeige zeigte jedenfalls permanent -40° an und ich bin mir sicher, dass es nicht -40, sondern +40 waren. Aber der Fahrtwind war schon etwas angenehm. Erstbeste Werkstatt angefahren, der Mechaniker vor Ort konnte weder Deutsch, noch Englisch, noch Italienisch und Fachsimpeln war nicht drin, wobei so eine runtergefallene Scheibe muss man auch nicht beschreiben, das geschulte Mechanikerauge sieht dies natürlich sofort. Nach einer gefühlten Stunde, 36 verschiedenen Schraubendrehern und 120 Inbussschlüsseln, einer kaputten Türverkleidung und abgerissenen Halterungen war es dann endlich geschafft: Der Automann war am Ende. Die extreme Hitze und der Ärger mit der verdammten Scheibe tränkten seine Kleidung in ein einziges Meer aus Schweiß. Die Scheibe blieb unrepariert. Dennoch sei die enorme Hilfsbereitschaft – generell waren wir alle überrascht, wie unglaublich nett die Menschen in Montenegro sind – hervorzuheben. Geld wollte der schweißgebadete Mechaniker für seine Mühen partout keines nehmen. Es bedurfte schon eines geschickten Tricks, um ihm wenigstens einen Schein in die Tasche zu stecken. Apropos geschickter Trick: Es war etwas später Franzis Sternstunde gekommen, ein Genieblitz und die Scheibe war plötzlich wieder oben. Wie er es genau gemacht hat, weiß ich leider bis heute nicht, aber die Scheibe wurde nicht mehr geöffnet, naja doch, so einen kleinen Spalt halt, damit man rausäschern kann, aber nicht weiter runter. Und siehe da, sie flog auch nicht mehr!
Endlich am Ziel angekommen, stellten wir sofort fest, dass die Unterkunft super schön war (bei dem Preis alles andere als zu erwarten) und nur einen Steinwurf vom Sandstrand entfernt lag. Der Kaffee in der Beachbar kostet einen Euro, das Bier nicht mehr, kein einziger deutscher Tourist, also auch keine weißen Socken in Sandalen, am Abend dann noch 3:0 gewonnen. Alles tip top. Nächster Morgen, der nächste Klassiker: „Do you have a Kakao?“ – „No, I am sorry!“ – „Ok, dann nimm i a doppelts Whisky-Cola!“ Ich schaute Sissi ungläubig an und sie lapidar: „Was soll i machen, wenn’s kan Kakao gibt?“ Ohne Worte. Etwas später bekamen wir so aber den elegantesten Bauchfleck auf Sand zu sehen. Viel Gelächter.
Vom Frühstück gestärkt machten wir uns tourimäßig auf den Weg, um die umliegende Gegend zu erkunden. Sveti Stefan war unser angepeiltes Reiseziel. Dort angekommen mussten wir leider feststellen, dass man diese Hotel-Stadt nur mittels einer kostspieligen Führung betreten darf, da der Führer einen auf Gandalf machte, sich vor die Zugangsbrücke stellte und „you shall not pass“ schrie und auf eine Preisliste verwies. In Wirklichkeit hat er es uns nur gesagt, vermutlich auch in anderen Worten, in meiner Vorstellung war es aber doch lieber der gute Gandalf.
Wir wollten unser generell eher eng geschnalltes Geldbörserl nicht auch noch außertourlich belasten und sowieso war es mit Temperaturen jenseits der 40-Grad-Marke einfach viel zu heiß… also wieder retour an unseren Lieblingsstrand. Mit riesigen Wassermelonen und Löffeln bewaffnet machten wir es uns dort wieder gemütlich und standen nur auf, um ins Wasser, aufs Klo oder in die Strandbar zu flanieren – fetter Sonnenbrand natürlich inklusive! Ausgenommen davon der Fahrer, der schließlich „nie einen Sonnenbrand bekommt“. Auch das sollte zumindest nicht ganz stimmen: Zwar bekam er trotz stundenlangen Sonnenbadens tatsächlich keinerlei Rötung, dafür aber während des Heimweges im Auto. Ja, im Auto. Dort wurde die behauptete Unbesiegbarkeit vor der Sonne gebrochen. Immerhin standen wir auch mehrere Stunden an der Grenze – in der prallen Sonne versteht sich von selbst. Dafür konnten wir so, wie schon bei der Anreise, die immer wiederkehrenden Löschflugzeuge beobachten, die über unsere Köpfe hinweg flogen und sich unweit von uns ihrer Ladung entledigten – sieht man auch nicht jeden Tag.
Apropos Brand und (Durst-)Löschen: Noch in Montenegro habe ich spätabends einen Kiosk, der spontan nur für uns mal eben öffnete, mit meiner unglaublich perfekten Gesangseinlage von „Zlatni Dukatis – Joj, Anice“ verblüfft – on fire eben. Ok, vielleicht nicht unglaublich perfekt, eventuell auch nicht perfekt… Um ehrlich zu sein wohl eher schlecht als recht, aber die Leute sangen und klatschten sofort mit, hatten ihren Spaß, wussten, wovon ich singen will und nur das zählt.
Wie man an den Zeilen vermuten kann, hatten wir eine fantastische Zeit mit Gleichgesinnten, mit Einwohnern, sahen uns fremde Städte an und das alles nur der Liebe wegen. Montenegro, es ist dies ein großartiges Land, das uns alle im positivsten Sinne zu überraschen vermochte. Und es ist ein Land, in welches wir alle ohne Sturm wohl so schnell nicht gekommen wären – schon gar nicht gemeinsam.
Hab Dank dafür, oh, du meine große Liebe!
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