Was wurde aus „Sturm-Hannes“?

In unserer Serie „Was wurde aus… ?“ beleuchten wir für gewöhnlich ehemalige Sturm-Spieler – alte Helden aber auch Fußballer, die für so manchen schon in Vergessenheit geraten sind – und wollen herausfinden, wohin sie ihr Weg nach ihrer Karriere bei den Schwarz-Weißen führte. Dieses Mal haben wir uns allerdings mit einem ehemaligen Maskottchen unterhalten. Das Resultat ist berührend und beklemmend zugleich.

Lieber Sturm-Hannes … darf ich Dich überhaupt noch so nennen?

Mensch, sag doch bitte Kai-Uwe zu mir. 

Täuscht das jetzt oder kommt bei Dir da ein deutscher Akzent durch?

Nein, das haste gut erkannt. Ich bin 1994 aus Hoyerswerda – das ist im schönen Sachsen – in die Steiermark gekommen. Kennst du das Sprichwort „Sachsen, dort wo die schönen Mädchen auf Bäumen wachsen“? Wäre ich bloß von dort nie weggegangen.

Das klingt ziemlich deprimiert. Dabei warst Du einst eine große Nummer in Graz, immer und überall hautnah dabei, ja sogar Autogrammkarten wurden von Dir gedruckt.

Das war doch alles mehr Schein als Sein. Ursprünglich bin ich in die Steiermark gezogen, um hier in der Tourismusbranche zu malochern. Viele meiner Volksgenossen haben in den frühen 90-ern diesen Weg gewählt und das Glück im Goldenen Westen gesucht. Ich habe in einem Hotel in Stainach an der Rezeption gearbeitet, das war ziemlich dufte. Als jedoch die Mannschaft von Puntigamer Sturm Graz dort ihr Trainingslager bezog, sollte das Schicksal meinem Leben eine unerwartete Wendung geben.

Wie darf ich das verstehen?

Nun ja, ich hab 1996 an der Hotelbar den Präsidenten des Klubs kennengelernt und irgendwie fand er mich sofort sympathisch. Von der Statur her sind wir uns ja ähnlich, das war es dann aber auch schon. Ich bin nun mal mehr der introvertierte Typ. Doch Herr Kartnig hat mir sofort ein Jobangebot gemacht. Er wolle mich für seine PR-Abteilung holen, hat er zumindest behauptet. Der Dicke legte mir einen 10-Jahres-Vertrag vor die Nase und meinte, egal wie viel ich als Rezeptionist verdienen würde, er bezahlt das Doppelte. Brutto für Netto. Plus Dienstwohnung, Dienstauto, KLAX-MAX-Wertkartenhandy und VIP-Card für die Haiti-Bar. Das hat ganz gut gepasst, denn zu dem Zeitpunkt – auch bedingt durch den Umzug – war ich flach wie ein Lineal. Noch am selben Abend habe ich daher meinen alten Job gekündigt.

Kai-Uwe, bislang hört sich diese Story ja echt gut an, geradezu beneidenswert. Wo bitteschön ist der Haken? 

Wie schon gesagt, alles mehr Schein als Sein. In Graz angekommen hat Kartnig mir ein Bärenkostüm in die Hand gedrückt und erklärt, von nun an sei ich das Maskottchen eines Fußballklubs. So viel zum Thema PR-Abteilung. Dieser Quassler. Ich hatte doch keine Ahnung von Fußball. Mehr noch: Ich kann Fußball nicht ausstehen. Ein bisschen Tischtennis und früher zu DDR-Zeiten im Urlaub am Schwarzem Meer ein wenig Boccia. Das war alles, was ich mit Sport im Allgemeinen bis dahin am Hut hatte.

Aber bitteschön, ein bisschen winken, 90 Minuten neben dem Feld stehen und bei einem Tor von Sturm mit den Spielern jubeln, das klingt jetzt nicht nach einer Ausbeuter-Anstellung, zumal Du ja auch noch fürstlich dafür entlohnt wurdest. Obendrauf die VIP-Card für die Haiti-Bar. Persönlich war ich ja nie dort, aber die Werbung, die damals in der Gruabn ertönte, Stichwort: „Die schönsten Mädchen von Graz“, ist mir allzu gut in Erinnerung.

Davon hat man aber relativ wenig, wenn man bei Vertragsunterschrift das Kleingedruckte nur überfliegt. Um später eine Bedingung für die Rechtsgültigkeit zu entdecken: Und zwar jene, dass ich bis zu meinem Tod diese neue Identität nicht mehr ablegen darf. Auch Besuche in der Haiti-Bar waren eher bitter, war es mir doch verboten, außerhalb meiner Dachwohnung in Messendorf das Bärenkostüm abzustreifen. Zwar war Kartnig öfter mit mir mit und hat auch auf jegliche Art von Turnübungen in diesem Etablissement verzichtet, Spaß war das trotzdem keiner. Das kannste mir glauben. Aber weißte, was noch schlimmer war: Immer und überall fotografiert zu werden, wildfremde Leute die mich angegrapscht haben, mich am Bauch betatscht haben. Furchtbar, noch heute läuft es mir bei diesem Gedanken kalt über den Rücken. Irgendwann hab ich dann regelmäßig zur Flasche gegriffen. 

Ich befürchte jetzt fast, mit „zur Flasche greifen“ meinst Du jetzt nicht, während einer Bundesliga-Partie sich wie Spieler an Elektrolytgetränken zu laben.

Ne. Anfangs Puntigamer. Ich muss sagen, eine anderer Kosmos an kulinarischem Genuss. Aus Sachsen kannte ich ja nur das Dresdner Feldschlösschen. Ungenießbar. Selbst ein – wie sagt man bei euch – „warmer Hansl“ hat mehr zu bieten als dieses Gesöff. Aber beim Puntigamer… da hab ich mich immer an dieses alte irische Sprichwort gehalten – man ist erst dann richtig betrunken, wenn man nicht mehr alleine, ohne fremde Hilfe auf dem Rücken liegen kann. Zwar notgedrungen, denn als Bär ist das auf dem Rücken liegen sowieso oft schwer, aber ein Spass war das dennoch. Zumindest anfangs sorgte ich damit immer mal wieder für Gelächter. Leider bin ich dann aber auch auf härteres Zeugs umgestiegen. Später war selbst das zu wenig. Es folgte Gras, Murphy und Deep Purple. In dieser Reihenfolge. Fast analog zu den ersten drei Champions-League-Jahren. Und ich lachte zunehmend alleine, bis es mir schlussendlich vollkommen verging.

Ein ähnliches Maskottchen-Schicksal kennt man ja bislang nur vom violetten Löwen Leo (Anm. siehe Video). Inwieweit kannst Du beurteilen, ob er ähnlich gelagerte Probleme hatte. Anders gefragt: Ist so ein Suchtverhalten gar branchenüblich?
 
Leo kannte ich nur sehr flüchtig. Maximal vom „Hallo-Sagen“ unter Kollegen. Ich weiß aber, dass Leo ein riesiger Fan vom SC Ostbahn XI ist. Nur der Kohle wegen ist er aber zur Wiener Austria übergelaufen. Das hat er sich später selbst nie verziehen. Armer Teufel.

Gab es in dieser Phase so gar keinen Halt? Niemand der Dich aufgefangen hat? Du warst doch stets mittendrin, umgeben von jungen Kerlen, Fußballern mit Vorbildfunktion?

Alles Palaver! Ich will jetzt kein schlechtes Wort über damalige Spieler verlieren. Aber der Sport an und für sich hat mich schon mal nicht interessiert. Daher fehlte stets eine gewisse Gesprächsbasis. Generell gab es auch kaum die Gelegenheit, über Persönliches zu quatschen. Ein Fußballer hat doch abseits des Rasens zumeist nur superschlanke Bienen, dicke Gehaltsschecks und fette Autos im Kopf. Gut, mit dem Herrn Reinmayr gab es auch privaten Kontakt und der Gilli und der Gü (Anm. Gilbert Prilasnig und Günther Neukirchner), haben schon versucht zu unterstützen. Das war es dann aber auch schon. Wahrscheinlich war ich auch viel zu stolz, um Hilfe anzunehmen.

Du sagst, Deine persönliche Krise brach etwa zeitgleich mit den internationalen Erfolgen von Sturm in der Champions League an. Danach begann es jedoch auch bei Sturm zu kriseln, der Verein schlitterte in den Konkurs. Wie hast Du diese Zeit miterlebt?

Gar nicht gut. Zu meiner Suchtproblematik stellte sich danach auch eine gewisse finanzielle Misere ein. Aus Hoyerswerda trudelten die Scheidungspapiere meiner Gattin ein, ich durfte nur noch unterschreiben. Samt satter Alimenteforderungen. Und das gerade in jener Phase, als der Präsident meinen Lohn nicht mehr stemmen konnte. Ein paar Monate lebte ich noch vom Erspartem, irgendwann war selbst das aufgebraucht. Anderseits kam ich zu dieser Zeit vom ganz harten Zeugs runter. Im Rausch des Erfolges passieren gerne Fehler. Als es nur noch gegen Pasching oder Mattersburg ging und nicht mehr gegen ManU und Real, wurde es auch in mir ruhiger. Ich war wirklich auf einem guten Weg, bis der nächste Nackenschlag folgte.

(c) Martin Hirtenfellner/Graphik EK

Du sprichst wohl jenen Tag im Oktober 2006 an, als Kartnig unter Tränen am Landesgericht den Konkursantrag einbrachte.

Ja genau. Von diesem Tag an war ich in Graz eine Persona non grata. Ich galt als Symbol für den Untergang. Kartnig war ja zu dieser Zeit nicht greifbar, der ganze Groll entlud sich stattdessen auf mich. Ich wurde beschimpft, bespuckt und getreten. Kinder, die noch ein paar Jahre zuvor um ein Autogramm baten, streckten mir nun den Mittelfinger entgegen. Mir war klar, meine Zeit beim SK Sturm ist nun endgültig vorbei. Und ich verfiel wieder alten Verhaltensmustern.

Stimmt es eigentlich, dass Du eine Zeit lang beim GAK-Maskottchen Unterschlupf fandest?

Mit dem Sepp (*Anm: Sepp Traunwieser) hab ich mich eigentlich immer gut verstanden. Das war nie ein Klassenfeind in dem Sinn. Als ich auf der Straße stand, fiel mir sonst niemand ein, bei dem ich um Hilfe bitten hätte können. Ich hab zweieinhalb Jahre bei ihm gratis wohnen dürfen, jedoch kam es zwischen uns wegen einer Lappalie zum Zerwürfnis. 

Was ist vorgefallen?

Wir haben sehr oft Schach gespielt. Von einem auf den anderen Tag hat der Sepp die weißen Figuren rot umgefärbt. Von da an war es für mich unmöglich, auch einmal eine Partie zu eröffnen. Ich habe meine Siebensachen gepackt und bin ins Vinzidorf nach Eggenberg gezogen. Da lebe ich heute noch. Hier werde ich so akzeptiert, wie ich bin. Kleines Alkoholproblem inklusive. Mit dem ganz anderen Zeug hab ich ein für allemal abgeschlossen. Auch mit dem Grazer Bürgermeister, den ich schriftlich um Unterstützung bat und ihm meine ausweglose Situation schilderte, dessen soziale Kälte ich aber vollends zu spüren bekam. Ein sinnloses Unterfangen. Ich wurde von ihm dem schwarzen Lager zugeschrieben und daher als nicht förderungswürdig erachtet. 

Kai-Uwe, wir sind im Zuge dieses Interviews mit dir die Stätten deiner größten Erfolge abgeschritten. Die Gruabn und das Stadion Liebenau. Wecken diese Erinnerungen in dir überhaupt kein Verlangen, dem SK Sturm wieder einen Schritt entgegenzukommen. Oder hast du mit den Blackys ebenfalls abgeschlossen?

Dieser Verein hat mir zugleich die schönsten, als auch die schwärzesten Stunden in meinem Leben beschert. Sturm deckt alles, was schwarz ist in meinem Leben. Alles was weiß ist auch. Den Spruch hat der Jugo (*Anmerkung: Ivica Osim) übrigens von mir. Ich müsste lügen, wenn ich nicht so manches Mal von einem Comeback träume. Selbstredend unter einem anderen Namen. Herr Jauk weiß ohnehin, wo das Vinzidorf ist. Wenn man mich wieder braucht, werde ich da sein.

Vielen Dank für das Gespräch. Und eines noch: Kompliment, dass dir dein gewinnbringendes, beinahe ansteckendes Lächeln nach all diesen Schicksalsschlägen immer noch erhalten geblieben ist.

Kein Ding!

*Zwischen 1996 und 2006 war der kuschelige Bär mit dem überpropotional großen Kopf und dem Steirerhut das Maskottchen des SK Sturm. Als jedoch das Konstrukt seines Namensgebers zu bröckeln begann, war auch der Sturm-Hannes in Liebenau unerwünscht. 2007 versuchte die Kleine Zeitung, dem Maskottchen zu einem Comeback zu verhelfen. Vorschläge wie „Fodara“, „Gruabn-Petzi“ oder „Plüsch-Güsch“ gab es zur Genüge, trotzdem ward der Bär seitdem in Liebenau nie wieder gesehen.

 

 

7 Kommentare

  1. Arch Stanton sagt:

    Geh kumm.. des war ein Kostüm?

  2. Ritter2016 sagt:

    Sorry wenn ich das jetzt sage. Aber gleich wie beim Kommentar „Bullshit“ verstehe ich euch nicht …

  3. schmitz sagt:

    Hosiner zu Sturm???

  4. Auch im Sturmnetz klafft wohl schon ein „Sommerloch“ 😉

    Find den Artikel aber trotzdem lustig.

  5. graz4ever sagt:

    Dachte nicht dass mir der verfluchte Nagl noch unsympathischer werden könnte, aber dieser Typ ist wirklich eine absolute Schande für die Stadt Graz und für jeden seiner Bewohner!!!

    * Wir bitten dich darum, auf deine Wortwahl zu achten!*

    • Rene90 sagt:

      für jeden seiner Bewohner!!!

      da zähle ich mich aber nicht dazu als Grazer

      „deine Wortwahl gegenüber einer 3. Personen des öffentlichen Leben“ zeigt deinen Charakter und Grundintelligenz, aber in der Anonymität kann man so eine Wortwahl mal schnell schreiben – bei einer persönlichen Gegenüberstellung, gehe mal davon aus, dürftest du diese Wortwahl ……

      an SturmNetz: echt traurig auf so eine derbe Wortwahl nicht zu reagieren -> heißt so viel wie „ihr seit damit einverstanden wenn man so schreibt bzw das Gedankengut geht auch in diese Richtung“ ….

    • Arch Stanton sagt:

      Ich nehme an, dass graz4ever wohl eher symbolisch und nicht wörtlich zu lesen war und empfinde die Aufregung als etwas überzogen.

      Allgemein merke ich an, dass gerade dieses Forum weitgehend sehr diszipliniert scheint in Sachen Untergriffe und persönliche Beleidigungen.

      Empfehle in diesem Zusammenhang aber die Machbarkeitsstudie Graz 2026 zu lesen. Über hundert Seiten inhalts- und emotionsloser Konjunktiv.

Schreibe einen Kommentar