Warum darf uns die Situation rund um den LASK nicht wurscht sein?

Wann sind Fanproteste legitim – und wie?

Wir schreiben den 20. Mai 2004: Sturm ist nach den vielen nationalen und internationalen Höhenflügen endgültig auf dem harten Boden der Tatsachen zurück. Die Fanszene und das Präsidium liegen sich schon länger in den Haaren, auf der finanziellen Seite ist von den Champions League-Millionen eigentlich gar nichts mehr übrig und sportlich läuft es bereits die ganze Saison über miserabel.

In der vergangenen Bundesliga Runde haben es die Blackys durch eine verdiente Niederlage am Wörthersee verabsäumt, den Klassenerhalt zu fixieren und so liegt man in der letzten Runde nur dank eines besseren Torverhältnisses vor dem FC Kärnten und muss somit gegen Bregenz um den Ligaverbleib zittern bzw. auf Schützenhilfe der Wiener Austria hoffen.

Am vorletzten Spieltag geht Sturm am Wörthersee sprichwörtlich baden und lässt somit die Kärntner vom Klassenerhalt träumen (c) Screenshot: https://www.youtube.com/watch?v=XHYttagqekw

Das Spiel beginnt denkbar schlecht. Die Vorarlberger gehen bereits früh in Führung. Sturm gelingt in der zweiten Hälfte der Ausgleich. Gepusht vom (endlich einmal wieder) ausverkauften Arnold Schwarzenegger-Stadion drückt man auf einen weiteren Treffer, der aber nicht mehr so recht gelingen mag. Bange blicke in Richtung Wien-Favoriten.

Wenige Minuten vor dem Abpfiff dann die Horrormeldung: Der FC Kärnten geht in Führung! Alle Anstrengungen haben nichts genutzt. Es ist traurige Gewissheit. Der SK Sturm muss den Weg in die zweite Spielklasse antreten. Bereits wenige Tage danach macht sich das Gerücht breit, dass ein Konkurs im Raum steht und selbst die zweite Liga nicht machbar wäre. Auch diese Gerüchte bestätigen sich bald, für die Schwarz-Weißen geht es hinunter in die Regionalliga-Mitte.

Der Kader zerfällt zu einem großen Teil und auch die Heimstätte wird für die meisten Spiele in der Drittklassigkeit kein Thema sein. Den Anstrengungen ein paar weniger ist es zu verdanken, dass der Spielbetrieb nicht gänzlich eingestellt werden muss. Statt vor tausenden Fans gegen Rapid oder in heißblütigen Derbys, geht es vor einigen hundert Unentwegten „daheim“ in Eggenberg oder am Verbandsplatz gegen Feldkirchen oder Köflach.

Zwar kann Sturm von Anfang an ganz vorne mitmischen, jedoch bleibt der Aufstieg in der ersten Saison aufgrund der immer noch finanziell angespannten Lage ein Wunschtraum. In der Folgesaison kann man sich dank dem selbstlosen Einsatz des neuen Vorstandes langsam auch wieder finanziell rehabilitieren und feiert nach zwei Jahren im Amateurbetrieb den Aufstieg in die zweithöchste Spielklasse und somit auch die Rückkehr nach Graz-Liebenau. Auch sportlich geht es dank guter Jugendarbeit immer besser voran und nach zwei knapp verpassten Aufstiegen konnte man in der dritten Spielzeit endlich den Titel in der LigaZwa und somit die Bundesliga-Rückkehr feiern.

Die Euphorie wird größer und größer und mit dem Schwung der letzten Jahre feiert man auch bald den Wiedereinzug in den Europacup. Auch wirtschaftlich macht man immer größere Schritte. Der Einstieg eines Großsponsors gepaart mit Änderungen im Vorstand versprechen neue, noch nie dagewesene sportliche Sphären. Viele sehnen sich wieder danach, Sturm Graz unter den besten Teams Europas zu sehen.

Erste Proteste formieren sich (c) Martin Hirtenfellner – Fotografie

Es gibt jedoch auch kritische Stimmen, die den Einstieg eines Investors mit gemischten Gefühlen entgegentreten. Zu groß ist die Angst, dass Sturm ein ähnliches Schicksal wie Austria Salzburg bevorsteht. Da der Verein auch nicht von seinen Mitgliedern bestimmt wird, hat man weder Mitspracherecht, noch wirklichen Einblick in die Vereinsstruktur. Der neue CEO, Raimund Taler sowie der Big Boss des Hauptsponsors BST (Best Shoe Technology), Alfred Grauseer, versuchen zu beschwichtigen: Es handle sich um eine rein strategische Partnerschaft, die die Identität des Klubs nicht gefährden wird.

Doch bereits in der Folgesaison hält das Corporate Design von BST langsam Einzug. Das dritte Trikot enthält einige violette Designelemente und auch das Stadion wird bereits zum Teil in violetter Farbgebung gebrandet. Außerdem haben sich die Preise für Abos und Tageskarten massiv erhöht. Die organisierte Fanszene versucht in Dialog mit Vorstand, Geschäftsführung sowie Investor zu gehen, wird aber eher abgewimmelt, da der Großteil der Anhängerschaft weiterhin hinter den Verantwortlichen stehe und der sportliche Erfolg ihnen ja Recht gibt. Es kommt zu ersten Protesten wie Spruchbändern und kurzen Stimmungsboykotts. Ohne Erfolg.

Eine Saison später laufen die Blackys bereits beim ersten Heimspiel komplett in Violett auf, was zur Fassungslosigkeit, vor allem auf der Nordkurve, führt. Mittlerweile wird der Unmut auch in der restlichen Anhängerschaft immer größer. Fanproteste stehen an der Tagesordnung und lenken medial bereits von rein sportlichen Themen ab. Nachdem Fans in der Nacht Teile des BST-Headquarters mit schwarzer Schuhcreme beschmierten, kam es am Tag darauf beim Auswärtsspiel gegen den LASK zum Eklat: Nach einem 19:09-minütigem Stimmungsboykott kam es durch das Werfen von Flip-Flops und Schuhbürsten aus dem Gästesektor zu einer Spielunterbrechung.

Das neue Ausweichtrikot brachte das Fass zum Überlaufen (c) 11Teamsports.com (Fotomontage)

Die Klubführung reagiert prompt und verhängt bereits kurz nach dem Spiel mehrere Hausverbote. Es folgen nun massenweise Kündigungen von Mitgliedschaften. Abos werden demonstrativ zurückgegeben und organisierte Stimmung sucht man von nun an vergeblich. Trotz des sportlichen Höhenflugs durch das Erreichen des Cupfinales sowie einer vielversprechenden Ausgangslage im Kampf um die Meisterschaft, ist das Verhältnis zwischen großen Teilen der Anhängerschaft und der Klubführung nachhaltig zerstört. 

Auch wenn in Graz nicht immer alles perfekt läuft, ist die vorangegangenen Geschichte natürlich weit weg von jeglicher Realität und wäre ein ganz schlimmer Albtraum für den Anhang der Blackys. Der SK Sturm Graz steht sportlich und wirtschaftlich auf äußerst soliden Beinen, ist nicht auf einen Investor angewiesen und vermeldet einen Mitgliederrekord nach dem anderen.

Proteste der LASK-Fans beim letzten Gastspiel in Liebenau (c) SturmNetz.at

Doch so oder so ähnlich wie beschrieben fühlen sich viele Fußballfans gerade in Linz. Man kann zum LASK stehen, wie man möchte, doch solchen Entwicklungen solidarisch entgegenzustehen ist elementar wichtig, um die Identität eines Vereins zu retten. Diese Klub-übergreifende Solidarität wird noch wichtiger, wenn Strukturen der Liga solche Vorgehensweisen tolerieren. Es darf nicht sein, dass gewaltfreie Protestaktionen und Demonstrationen zu unverhältnismäßigen Repressionen führen. Auch in Deutschland hat das Zusammenwirken vieler Fankurven gemeinsam mit den Klubs durch gewaltfreie und kreative Protestformen schlussendlich mit dazu beigetragen, einen DFL-Investor zu verhindern. 

Bei diesem Thema und den Protesten geht es um viel mehr, als „nur“ um Trikotfarben. Wenn ein Unternehmen sein Bein so weit in die Vereinstür bekommen hat, dann sind weitere Schritte oft die Folge. Um die fantastischen Vier zu zitieren: „Es könnte alles so einfach sein – ist es aber nicht.“

(c) SturmNetz.at

Stellt euch vor: Puntigamer buttert statt der derzeitigen Summe nun jährlich 30 Millionen mehr in den Verein. Das Unternehmen wäre an Spieltagen und im Web noch weit präsenter als derzeit, mehr würde sich vermutlich aber nicht ändern. Der Verein könnte sich auf vielen Ebenen besser entwickeln, jeder wüsste, dass das auch dem Unternehmen zu verdanken wäre. Sportlicher Erfolg bringt immer auch mehr Werbewert und das alles ohne gröbere Reibereien. Nur scheinbar reicht dies manchen Investoren nicht. Es ist nicht nur Glück, dass Sturm bislang von solchen verschont blieb.

 

Solange aber Fußballinteressierte alles in Kauf nehmen und solche hyperkapitalistischen Entwicklungen rein für einen sportlichen Erfolg gut heißen, wird sich an diesen Problemen nichts Maßgebliches ändern. Deshalb erfahren Vereine und Geldgeber trotz dieser Vorgänge immer noch mehr Zustimmung und der Fußball entwickelt sich langsam aber sicher zum Sport der Wohlhabenden, der Investoren, jener Menschen, für die ein Tagesticket von 100 Euro und ein Trikot in Sponsorfarben um 150 Euro absolut in Ordnung, nein sogar Part of the Game sind.

So könnte auch der Fußball in der österreichischen Bundesliga im Ganzen zum Wettbewerb der reinen Kommerzvereine verkommen, wo Fans zum zahlungswilligen Beiwagerl degradiert werden und die Vermarktung an der Spitze der Bedürfnispyramide der ausgegliederten Vereine steht. Es liegt an uns allen, zu verhindern, dass es mehr als ein Kommerzprodukt in der Liga gibt und Fans anderer Lager in ihren Protesten zu verstehen oder vielleicht sogar zu unterstützen, selbst wenn nicht nur die Farben uns trennen. Der heimische Fußball bewegt sich auf einem schmalen Grat und oft sind es die Fans in den Stadien, die die wichtigsten Frühwarnsysteme sind, die man nicht ignorieren darf!

 

8 Kommentare

  1. flo1909 sagt:

    Ich finde den Artikel gut und kann dem viel abgewinnen. Jedoch fehlt mir hinten raus eine kritische Betrachtung. Eine Firma oder Person sollte nicht nur aufgrund des Geldes tiefgreifend über einen Verein entscheiden dürfen – gekauft! Aber die Frage ist halt, wer darf es legitimierweise. Der gewählte Vorstand – das ist auch beim Laks formal der Fall. Die Fans, wie im Artikel beschrieben? Gut, nur die Frage ist wer sind die Fans? Der organisierte Support hat natürlich alles Recht die eigene Meinung zu äußern – aber er ist nicht legitimer Vertreter aller Fans, sondern nur ein kleiner Teil davon! Bei solchen Diskussionen sollte halt nicht vergessen werden: für sehr viele Fans ist sportlicher nationaler wie internationaler Erfolg wichtiger als Trikotfarben oder dergleichen – dafür gibt es halt international sehr viele Beispiele: siehe Zuschauerzahlen, TV-Zahlen etc. Erinnert euch zurück an die richtig schlechten Sturm Zeiten, da war das Stadion oft recht leer und auch die Kurve deutlich schlechter besucht….. Nur so als Anregung!

    • Gmeindlkantine sagt:

      Bei Sturm hat einzig und allein die Mitgliederversammlung etwas zu sagen die ja in Ihrer Gesamtheit die Summe aller ordentlichen Mitglieder ist. Mit einer 2/3 Mehrheit kann jeder Antrag bei einer Generalversammlung in die Statuten verbindlich übernommen werden. In den Statuten von Sturm steht, dass die Dressen in schwarz weiß gehalten werden müssen außer es geht wegen Gegner nicht anders. So etwas wie beim LASK wäre bei Sturm nicht Statuten konform und folglich nicht möglich. Der Sturm Vorstand würde kein Argument finden, welches Dressen in rosa gestatten würde.

  2. Georg sagt:

    Ich bin selbst Mitglied beim SK Sturm und finde, dass die Fanszene oft zu einseitig gegen Investoren argumentiert. Nicht alle Investoren sind schlecht, wie das Beispiel des FC Bayern München zeigt. Bei den Bayern sind Audi, Allianz und Adidas nicht nur Sponsoren, sondern auch langfristige Partner, die durch ihre Beteiligung am Verein interessiert sind. Trotzdem bleiben 75% der Anteile in der Hand des Vereins, der somit weiterhin von seinen Mitgliedern geführt wird.

    Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass man Investoren idealerweise dann einbinden sollte, wenn der Verein finanziell und sportlich stabil ist und wachsen möchte. Das macht den Verkauf von Anteilen besonders profitabel. Bei Sturm wäre das sicherlich der Fall, und man könnte sogar teilweise ein Stadion damit finanzieren.

    Außerdem müssen Investoren nicht unbedingt ausländische Großkonzerne sein. Auch steirische Unternehmen wie die Raiffeisen Landesbank, die Merkur Versicherung, Puntigamer, Anton Paar und die GRAWE könnten als Beispiele dienen.

    Ich hoffe, dieser Beitrag könnte die Sichtweise einiger Fans etwas ändern. Ihr könnt diesen Text gerne anonym teilen.

    • skstg1909 sagt:

      Das Problem ist, wenn du mal Anteile verkauft hast, dann sind die nahezu unwiederbringlich weg. Bsp. wir verkaufen Anteile an eine traditionelle Steirische Firma, weil das eh gut zusammen passt und Geld fürs Stadion einbringt. Aber 10 Jahre später geht’s der Firma selbst nicht gut und sie verkauft ihre Anteile an eine chinesische Investorengruppe, dann hatte die Auswahl des 1. “Partners“ tzd wenig Sinn.

    • HW sagt:

      Georg, kann deine Meinung nur teilen. Nicht alle Investoren sind schlecht . Wir sind ein Mitgliederverein ist schön und gut , wird uns aber mittelfristig nicht weiterbringen.

    • CrazyBusiness sagt:

      @skstg1909:

      Rückkaufsrecht sollten Deine diesbezüglichen Bedenken aus der Welt schaffen. Nur blöd, wenn im Fall der Fälle gerade Ebbe in der Kaffekasse wäre, aber selbst dann bliebe noch die Möglichkeit, den unliebsamen Investor zu verhindern . Also ganz soooo einfach ist’s dann wieder auch nicht.

    • JK sagt:

      @skstg1909 das stimmt so nicht. Man kann immer vertraglich festlegen wie die Weitergabe von Anteilen geregelt ist. So kann man immer sagen, dass Sturm, im Fall, dass ein Investor seine Anteile verkaufen möchte, das Erstaufgriffsrecht hat.

  3. Ivaneijew sagt:

    Guter Artikel und auch gute Sichtweise, was mir aber auch fehlt, ist die kritische Auseinandersetzung mit dem Protest.
    Friedlicher, gewaltfreier Protest gehört zu einer offenen Gesellschaft dazu. Jeder darf seine Meinung sagen. Aber wenn Gewalt dabei ist, Sachbeschädigung und wie oben im Beispiel massenweise Flipflops (oder Waschmaschinentabs) aufs Spielffeld fliegen und ein Spielabbruch im Raum steht, so hört hier zum Schutz der persönlichen Freiheit, die des anderen auf. Solche Aktionen haben nichts dabei verloren, weil sie vom eigentlichen Anliegen ablenken.
    Wie beim LASK wird dann nur mehr über Stadionverbote, Gewaltaktionen und so diskutiert anstatt über das eigentlich Anliegen.

    Protest ja, Spielabbrüche provzieren und Gewalt gehört aus dem Stadion ausgeschlossen, egal aus welchem Grund sie stattgefunden hat!

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