Vom Rasen auf das Parkett, das die Welt bedeutet
17 Jahre hat es gedauert, bis es der steirischen Landeshauptstadt endlich gelang, sich in Wien Anleihe zu nehmen und auch ein Hallenfußballturnier in der Winterpause auf die Beine zu stellen. Galt der Bandenzauber in der Bundeshauptstadt bereits seit 1959 als echter Publikumshit, wurde in Graz auf Initiative der Sportredaktion der Kleinen Zeitung und der Firma Moden Müller vom 25. bis 27. Dezember 1976 das „Erste internationale Grazer Hallenturnier“ ausgetragen. Zwar gab es 1964 in der Union-Halle bereits einen Versuch – Sturm, GAK, Kapfenberg und Donawitz rangen dabei um den Titel – doch das Fassungsvermögen in der Gaußgasse war hierfür schlicht und einfach zu gering.
1975 hatte Sturm in einer denkwürdigen Europacup-Schlacht den ungarischen Vertreter Haladás Szombathely aus dem Bewerb geworfen, was lag näher, als die Magyaren zur Revanche auf das Parkett nach Graz zu holen. Die Bezeichnung „international“ war somit auch gerechtfertigt. Neben den Eisenbahnern aus Stein am Anger und den beiden Grazer Großklubs waren auch der LASK und DSV Alpine genannt. Gespielt wurde 2 x 15 Minuten im Meisterschaftsmodus an den beiden ersten Tagen, vier der fünf Klubs erreichten das Semifinale. Im ersten Gruppenspiel traf Sturm auf den LASK, gewann durch Tore von Pichler, Wirth und Jurtin mit 3:2, doch Andy Pichler erlitt in dieser Begegnung einen Seitenbandeinriss und verpasste somit nicht nur den Rest des Turniers, sondern auch beinahe die gesamte Frühjahrssaison, zudem verlor man noch am ersten Tag das Derby gegen den GAK mit 2:4. Am zweiten Spieltag unterlag Sturm Haladás mit 1:4, dank eines 5:0 über DSV Alpine reichte es aber dennoch für den zweiten Tabellenrang nach dem Grunddurchgang. Am Finaltag schossen die Blackies den LASK im Semifinale gleich mit 9:2 (Tore für Sturm: Kulmer 4, Huberts 2, Thaler, Schauß, Hofmeister) aus der Halle, der GAK unterlag Szombathely im zweiten Halbfinale mit 3:7. Daher gab es im ersten Endspiel in der Geschichte des Grazer Hallenfußballturnier doch tatsächlich die Neuauflage des Europacup-Klassikers aus dem Vorjahr. Diesesmal behielten allerdings die Ungarn die Oberhand. Trotz 0:2-Halbzeitrückstand gewann Szombathely letztendlich verdient mit 5:3. Auch der Titel des Torschützenkönigs ging nach Ungarn: Laszlo Farkas hatte zehn Treffer im Verlauf des Turnieres erzielt, bester Torschütze in den Reihen des Sportklub Sturms war Hubert Kulmer, der fünfmal ins Schwarze traf. Kulmers Freund aus Feldbacher Jugendtagen, Walter Saria, durfte nach dem Turnier die Auszeichnung des besten Torhüters entgegennehmen: Prämie war ein Farb-TV-Gerät, welches der Goalie als verspätetes Weihnachtsgeschenk seinen Eltern überreichen sollte. Auch die Turnierveranstalter durften sich freuen: An drei Spieltagen waren über 11.000 Zuschauer in den Bunker gekommen. Auch wenn im Winter 1977 kein Turnier ausgetragen wurde, war dies der Startschuss zu einer Grazer Hallenfußball-Tradition, die über 20 Jahre lang anhalten sollte.
1978 Hajduk Split, mit Superstar und Freistoßkönig Ivica Surjak (54-facher jugoslawischer Teamspieler, später bei PSG, Udinese und Real Saragossa aktiv) bezwingt in einem hochklassigen Finale Titelverteidiger Haladás Szombathely mit 6:5. Für Sturm war gegen die Kroaten im Halbfinale Endstation.
1979 Safet Susic begeistert die Zuschauer in Liebenau: Der Bosnier und spätere Superstar zieht mit dem FK Sarajevo in das Finale ein, ist aber am letzten Spieltag nicht mehr in Graz, da er für eine Weltauswahl einberufen wurde. Der GAK gewinnt überraschend das Endspiel gegen die Jugoslawen mit 2:1. Sturm verliert das Spiel um Platz drei gegen Flavia Solva im Penaltyschießen. Im Halbfinale war man dem Stadtrivalen mit 3:2 unterlegen.
1980 FK Sarajevo schlägt im Finale Ferencvaros Budapest (mit der späteren Austria-Legende Tibor Nylasi) mit 6:2. Im Halbfinale hatten sich die Ungarn denkbar knapp gegen Sturm mit 4:3 durchgesetzt.
1981 Dinamo Zagreb (mit Tomislav Ivkovic, Peter Brucic und dem späteren Sturmspieler Stephan Deveric) gewinnt gegen Ferencvaros mit 8:7 im Elfmeterschießen. Für Sturm war wieder im Halbfinale gegen Ferencvaros Endstation.
1982 Der zweite Turniererfolg des GAK: Auf Kunstrasen (!) besiegt man im Finale Wacker Innsbruck mit 4:1, die Tiroler hatten sich im Halbfinale gegen Sturm mit 6:5 durchgesetzt.
1983 DSV Alpine scheitert im Finale an Honved Budapest. Sturm schied wegen einer 0:2-Niederlage gegen Flavia Solva bereits in der Vorrunde aus.
1984 Das ungarische Nationalteam (mit Lajos Detari und Tibor Nylasi) wird in Liebenau seiner Favoritenrolle gerecht und schießt den GAK im Finale mit 8:3 vom Parkett. Zuvor konnten die Magyaren sich schon gegen Sturm mit 6:1 durchsetzen.
1985 Sturm gewinnt den Grunddurchgang knapp vor dem GAK, in den beiden Halbfinali scheitern beide Grazer Klubs aber an Zweitdivisionären. Das Endspiel gewinnt Flavia Solva gegen DSV Alpine mit 6:1.
1986 Der dritte Streich der Rotjacken: DSV Alpine verliert wieder einmal ein Finale. Nach einem 5:4 gegen Sturm im Halbfinale, unterliegt man dem GAK mit ebenjenem Resultat.
1987 An drei Spieltagen stürmen 14.000 Fans die Eishalle. Dinamo Zagreb gewinnt das Finale gegen Sturm mit 2:1 und sichert sich 280.000 Schilling Preisgeld.
1988 Endlich! Im zwölften Anlauf gelingt Sturm der erste Turniersieg. Das 1000. Tor des Turniers durch Franz Feirer Sekunden vor dem Ende des Finales gegen Flavia Solva ist gleichbedeutend mit dem 4:2-Endstand.
1989 Sturm und GAK scheiden bereits im Viertelfinale aus. LUV Graz springt in die Bresche und besiegt NK Rijeka, das sich im Halbfinale noch gegen RW Erfurt durchsetzten konnte, mit 4:2.
1990 Sturmtrainer Gustl Starek holt im Halbfinale sein Team eine Minute vor dem Schluss vom Parkett, da Schiedsrichter DDr. Kapl übersehen hatte, dass der Donawitzer Bernd Kovacic noch auf dem selbigen stand und obendrein sogar ein Tor verhinderte. Das Hallenturnier hatte seinen ersten Skandal. Im Finale drücken die Sturmfans Dinamo Zagreb die Daumen, die dann auch gegen DSV mit 4:2 siegreich bleiben.
1991 Sturm und GAK fliegen wieder einmal bereits am ersten Spieltag aus dem Turnier. Hask Gradianski, so hieß Dinamo Zagreb im Zuge der Autonomiebestrebungen in Kroatien, gewinnt gegen International Bratislava mit 7:1.
1992 Endlich hat Liebenau das Traumfinale: Sturm, sportlich im Dauertief aber aufgrund der Machtübernahme von Neo-Präsident Hannes Kartnig im Aufwind, gewinnt gegen die Rotjacken, bei denen Hans Krankl das Publikum verzaubert, mit 2:1. Die Treffer erzielen die Youngsters Didi Pegam und Günther Neukirchner.
1993 Sturm scheitert im Halbfinale im Elfmeterschießen am GAK, der Stadtrivale führt im Finale gegen Zagreb bereits mit 2:0, muss sich den Kroaten dann aber im Elfmeterschießen geschlagen geben.
1994 Der dritte Streich von Sturm: Zwar sind die Blackies zerrissen, da sie in diesem Jahr erstmals zum Wiener Turnier eingeladen wurden, nichtsdestotrotz gewinnt man trotz zahlreicher Terminkollisionen im Finale gegen Borsipol Kiew mit 3:1. Mario Haas wird mit zwei Toren Matchwinner. Der GAK hingegen fliegt bereits im Viertelfinale gegen den SV Leibnitz aus dem Turnier. In Wien muss sich Sturm mit dem vierten Rang begnügen.
1995 Sturm schließt die Vorrunde auf Platz eins und mit einem Torverhältnis von 20:9 ab, besiegt im Viertelfinale LUV mit 5:0, im Semifinale DSV Leoben mit 5:1. Doch im ausverkauften Endspiel vor 4.200 Zuschauern führt der GAK bereits nach 14 Minuten mit 6:2. Arnold Wetl und Mario Haas gelingt nur noch Ergebniskorrektur und die Rotjacken ziehen mit Zagreb an Turniersiegen gleich.
1996 Finalkrimi in Liebenau: Schon im Halbfinale setzt sich Sturm dank der neu eingeführten „Golden-Goal-Regel“ denkbar knapp gegen Branik Maribor durch, im Finale ist es Ivica Vastic, der ebenfalls in der Verlängerung den entscheidenden Treffer zum 5:4-Endspielerfolg gegen den GAK fixiert. In Wien erreicht Sturm in diesem Jahr das Finale, unterliegt aber in der ausverkauften Stadthalle Rapid mit 3:7.
1997 Zeljecnicar Sarajewo ist zu Gast in Graz, doch die große Liebe von Sturmtrainer Ivica Osim scheidet bereits in der Vorrunde aus und dem GAK gelingt die Revanche für das letztjährige Finale. Im Halbfinale behalten sie die Oberhand im Grazer Derby. Der Turniersieg geht allerdings erstmals an Austria Salzburg.
1998 Das Turnier firmiert erstmals als „Hallencup“ und dient nur noch als Vorrunde für den Finalbewerb in Wien. Auch der traditonelle Termin knapp nach den Weihnachtsfeiertagen fällt und so wird bereits am 18. und 19. Dezember gespielt. Auch die runden Eishockey-Banden, die das Bandenspiel erschwerten, müssen weichen, das Spielfeld wird verkürzt. Der Untergang des Turniers hält Einzug. Sturm verliert im Halbfinale gegen Rapid Wien mit 2:4, der Turniersieg geht an den GAK. In der Wiener Stadthalle gelingt die Revanche, als der Lokalrivale im Penaltyschießen besiegt werden kann, im Finale scheitert man allerdings an der Austria aus Salzburg.
1999 Gekickt wird wieder zum traditionellen Nach-Feiertags-Termin, doch Sturm schickt nur die bestenfalls zweite Garnitur in die Eishalle. Die Jugend der Blackies schafft aber die Sensation: Das Team rund um Bardel, Ertl, Pogatetz, Kienzl, Dag, Krammer und Co. gewinnt das Finale gegen den GAK eindrucksvoll mit 5:1 und ein gewisser Richie Wemmer wird zum besten Spieler des Turniers gewählt. Beim Endturnier in der Bundeshauptstadt ist der Baby-Boom allerdings beendet: Sturm verliert alle drei Gruppenspiele.
2001 Sturm sorgt gerade europaweit für Furore, tritt aber in diesem Jahr – gespielt wird erstmals im Jänner – trotzdem in Bestbesetzung in Liebenau an. Das Spiel schlechthin gab es schon in der Vorrunde: Sturm führt gegen den GAK nach wenigen Minuten bereits mit 6:0, doch plötzlich steht es nur noch 8:7. Als Andy Lipa nach einem Foul an Günther Neukirchner die Blaue Karte sieht, sieht GAK-Trainer Werner Gregoritsch Rot, stürmt auf das Parkett und knallt die Kugel eigenhändig an die Hallendecke. Die Emotionen schwappen über, nur Ivica Vastic behält die Nerven und erzielt mit dem 9:7 einen seiner sieben Turniertreffer. Im Finale tanzt dann Sergey Juran mit Donawitz Kasatschok und steuert beim 8:3-Sieg drei Treffer bei.
2002 Sturm scheidet nach zwei Niederlagen bereits in der Vorrunde gegen den GAK (4:6) und gegen das „Team 1. Division“ ( 3:4) – eine Auswahl der besten österreichischen Zweitligakicker – bereits in der Vorrunde aus. Der Turniersieg geht an eine kroatische Auswahl.
2003 Der erste Titel für Trainer Franco Foda: Nach einem 8:3 gegen DSV Leoben im Semifinale wird im Endspiel das Überraschungsteam aus Kapfenberg ebenfalls mit 8:3 aus der Halle geschossen. Klaus Salmutter erzielt dabei drei Tore. David Mujiri wird Torschützenkönig und Hannes Kartnig witzelt darüber, dass nun eben in Messendorf noch mehr Vitrinen gebaut werden müssen. Es ist der siebente Turniersieg in Liebenau für die Blackies, doch gleichzeitig auch der letzte.
Die zeitweise Eingliederung des Hallenturniers in eine österreichische Hallenmeisterschaft und dessen Herabwürdigung zu einer Vorrunde besiegelten den Untergang des traditionellen Grazer Hallenturniers.
Mit einem Titel-Hattrick des SK Sturm und dem Versuch, ihn 2004 und 2005 (auch in diesen Jahren schossen sich die Blackies nämlich zum Hallenkönig) in der Stadthalle weiterleben zu lassen, endete die Geschichte des so begeisternden Grazer Hallenturniers mit seiner „urigen“ Atmosphäre getaucht in den blauen Dunst des 70er-Jahre-Ostblock-Charmes des Bunkers vorerst und somit auch eine vor allem in den Achtzigern und Neunzigern lieb gewonnene Tradition, die wohl, wenn überhaupt, nur im englischen Boxing Day annähernde Vergleichbarkeit fand. Obwohl man das Turnier im modernen Fußball als beinahe anachronistisch anmutendes Ereignis betrachten musste – hohe Verletzungsgefahr, und ein entsprechend nicht zu vernachlässigendes Risiko, gleich längere Zeit für die wirtschaftlich wesentlich wichtigere Bundesliga auszufallen – war es, unter anderem vielleicht sogar gerade deswegen, sehr beliebt und bis zur Übersiedelung in die weit weniger atmosphärische weil sehr steril wirkende Stadthalle stets gut besucht. Zwar bekam das Publikum nicht jenen Bandenzauber zu sehen, wie ihn die Wiener Austria mit ihrer berühmten „Einserlinie“ (Friedl Koncilia, Herbert Prohaska, Ernst Baumeister, Felix Gaselich, Robert Sara und Erich Obermayer) auf das Parkett tanzte – die „runden Ecken“ der Eishockey-Fläche im Liebenauer Bunker waren dem Fußball nicht gerade zuträglich, weil sie das Bandenspiel unberechenbar machten – aber die unvergleichliche Atmosphäre bei jedem Spiel, und waren es nur GAK-Fans, die gerade lautstark gegen den SK Sturm unkten (und das, obwohl die Rotjacken gar nicht auf dem Feld spielten), machten das Hallenturnier zu einem wahren Highlight des Jahres. 2009 versuchte man ein Revival, das letztendlich aber scheiterte. Die konkursbedingte Absage des GAK zwang Mitveranstalter Sturm Graz zu einer Absage knapp vor dem Austragungstermin. Zu wenige Karten konnten im Vorverkauf abgesetzt werden, zu wenige Sponsoren glaubten an eine Wiederbelebung. Das letzte Kapitel im Buch des Grazer Hallenturnieres war endgültig geschlossen.
Leider wurde die Winterpause extrem verkürzt und da auch viele Mannschaften Ihre A-Garnituren nicht mehr antreten ließen, wurde der Hallencup vernichtet. Ich glaube, sowas würde nach langen Jahren wieder ziehen, sehr sogar.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als der Stern des Herrn Leitgeb beim Hallenturnier aufging. War bis dorthin absolut unbekannt, aber trotzdem der beste Spieler des Turniers…
schade um das Hallenturnier… bin als Kind/Jugendlicher immer gerne mit meinem Papa dort gewesen
War ab 1980 Stammgast im Bunker…
@Alex011 bin auch Deiner Meinung.
Schade um das Turnier. War auch schon in den 80ern dabei, darunter auch beim ersten Sturm Sieg 1988!
Ad 1999: Richie Wemmer Fußballgott!!
Danke für Recherche und Artikel. So kommt man über die fadeste Zeit des Jahres.