Vogel: „Ich habe keine Lust auf Schauspielerei!“
Nach einem stressigen und arbeitsintensiven Tag in Sotogrande war es für uns am vergangenen Mittwochabend endlich so weit. Im Zuge des Trainingslagers in Spanien hatten wir zum ersten Mal die Gelegenheit, ein langes und ausführliches Gespräch mit dem neuen Chefcoach des SK Sturm Graz, Heiko Vogel, zu führen. Über Saisonziele, seine Spielanlage und seine Mannschaft wurde zuletzt schon häufig mit dem sympathischen Deutschen geplaudert, doch für ein tiefgründigeres Gespräch war bisher schlicht keine Zeit. Das sollte sich nun rasch ändern.

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Herr Vogel, Sie haben die Frage wahrscheinlich schon unzählige Male gehört, aber wie haben Sie sich in Graz eingelebt, haben Sie vielleicht schon persönliche Highlights?
Ich kann dazu leider noch nicht so viel sagen, da ich erst recht wenig gesehen habe. Einmal waren wir im Büro von Christian Jauk eingeladen, in der Bank. Von da aus konnte ich die Oper sehen, ansonsten eben das Stadion, das waren so meine Highlights.
Herr Jauk hat ja auch wirklich ein sehr schönes Büro, da kann man sich, denke ich, nicht beschweren.
(Lacht) Nein, da würde ich mich auch nicht beschweren.
Sie haben gesagt, dass Sie bei der Entscheidung, sich Sturm Graz anzuschließen, keine Millisekunde überlegt haben. Warum eigentlich? Das ist doch schon eine große Veränderung, oder?
Weil einfach alles gepasst hat, ich habe mich mit der Mannschaft beschäftigt und sie hat einfach alles, was ich mir als Trainer wünsche. Auch das Umfeld mit Günter Kreissl hat mich extrem überzeugt und deshalb ist mir die Entscheidung sehr leicht gefallen.
Was sind das zum Beispiel für Attribute?
Qualität. Das Team hat eine tolle Altersstruktur und eine gewisse Verspieltheit. Ich genieße es, mit jungen Wilden arbeiten zu dürfen, zudem verfügen die Jungs über tolle technische Fähigkeiten. Das sind alles Charakteristika, die ich sehr gern habe.
Welche Eigenschaften zeichnen den Verein Sturm Graz generell aus?
Was ich bisher so mitbekommen habe, verfügt Sturm über eine sehr starke Position. Die Region ist Sturm, sie ist fußballverrückt. Die Region und Sturm ergänzen sich perfekt und das spürt man einfach. Sturm hat das Glück, in so einer Region Fußballverein sein zu dürfen und die Region hat Glück, dass Sturm ihr Fußballverein ist. So eine Verbundenheit ist immer ganz wichtig, das war bei Basel und Bayern so und das haben Traditionsklubs generell. Diese Verankerung macht den Fußball einfach zu etwas ganz Besonderem.
Sie haben das Wort Tradition aufgegriffen. Wie stehen Sie generell zu den Entwicklungen des modernen Fußballs, sprich Themen wie Red Bull oder den Scheichklubs?
(Lacht) Das ist eine sehr gute, aber auch schwer zu beantwortende Frage. Prinzipiell muss jeder für sich selbst entscheiden, wie er es mit dem Fußball hält. Ich bin da vielleicht noch ein Stück weit Traditionalist, ohne das jetzt negativ bewerten zu wollen. So wie das Red Bull zum Beispiel macht, da ist schon sehr viel Stringenz dahinter und sie machen es gut, da liegt eine Philosophie zugrunde. Ich bin ein Mensch, der aber auch Tradition liebt. Insofern glaube ich, dass ich mich da, wo ich jetzt bin, einfach wohlfühle.
Das ist einfach ein Traum, den man träumt.
Glauben Sie, dass in der heutigen Zeit, wo so viel Geld im Spiel ist, ein Verein wie Sturm Graz international noch auf sich aufmerksam machen, sprich regelmäßig in einer Gruppenphase spielen und diese eventuell auch einmal überstehen kann?
Ich glaube, dass das in der Tat schwieriger geworden ist, weil auch die Schere zwischen den Klubs, die permanent in der Champions League spielen, auch noch subventioniert werden und die Potenz haben, sich einen Kader zusammenzukaufen, der einfach qualitativ unglaublich stark ist, und den kleineren Klubs, die solche Möglichkeiten nicht haben, immer weiter auseinandergeht. Aber ausschließen, dass man auch international für Furore sorgen kann, sollte man definitiv nicht. Deshalb ist ja Fußball auch so attraktiv, weil es eben keine Garantie gibt, mit viel Geld und einer gut zusammengestellten Mannschaft erfolgreich zu sein. Deshalb darf man das nie ausschließen. Das ist einfach ein Traum, den man träumt.

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Glauben Sie, dass Sturm vielleicht sogar einen vergleichbaren Status wie der FC Basel erreichen könnte?
Da herrschen etwas andere Voraussetzungen, vieles ist aber sehr ähnlich: Wir haben bei beiden Vereinen ganz tolle Fans, die vielleicht jeweils den Unterschied in ihrem Land ausmachen können. Das ist etwas, was ich genieße und nutzen will. Dadurch ist oft auch vieles möglich, wenn man in einen Flow kommt und auf einer Welle schwimmen kann. Basel hat natürlich den Vorteil gehabt, dass auch dort finanziell etwas unterstützt wurde. Beatrice Oeri war lange Zeit ein Mäzen für Basel, einen solchen gibt es für Sturm hier natürlich nicht. Wir müssen in Graz wirklich ganz genau überdenken, was wir machen. Das ist aber eine sehr schöne Sache, weil ich glaube, dass man bei geringeren zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln gezwungen ist, innovativ zu sein und sich wirklich konstruktive Gedanken zu machen, wofür man Geld ausgibt. Das muss nicht immer ein Nachteil sein.
Wenn man gute Jungs hat, die auch identifikationsstiftend sind, bin ich überzeugt, dass man vielleicht noch den einen oder anderen Fan mehr ins Stadion locken kann …
Wie wichtig ist es für finanziell schwächere Vereine, durch Transfererlöse mit Eigenbauspielern das Budget aufzubessern?
Definitv sehr wichtig, allerdings sehe ich die Jugendarbeit und eine Transparenz zur ersten Mannschaft nicht in erster Linie darin, die Jungs hochzuziehen, um sie gleich wieder zu verkaufen. Ich glaube, dass der zweite wichtige Teil auch nicht vergessen werden darf. Wenn man gute Jungs hat, die auch identifikationsstiftend sind, bin ich überzeugt, dass man vielleicht noch den einen oder anderen Fan mehr ins Stadion locken kann, weil er sagt: „Hey, da sind ein paar Eigengewächse am Feld, denen ich gerne zuschaue.“ Der eine kennt vielleicht einen Spieler, weil er mit ihm zusammen in der Schule oder sonst wo war. Der finanzielle Aspekt ist natürlich eine logische Konsequenz. In erster Linie meine ich aber, dass man die Jungs im eigenen Verein fördern soll, weil sie sich einfach am besten mit dem Verein identifizieren können und auch irgendwie ein Aushängeschild für ihn sind.
Wir haben ja vorhin schon über Tradition gesprochen. Glauben Sie eigentlich, dass es heutzutage noch so etwas wie Vereinstreue bei Spielern gibt bzw. warum gibt es das so selten?
Das ist eine gute Frage. Man stellt leider Gottes schon eine Tendenz fest, dass Fußball sehr schnelllebig geworden ist. Es geht schon oft in die Richtung: „Wo kann ich mehr verdienen? Wo kann ich gravierend mehr verdienen?“ Ich kann das Spielern aber auch nicht verdenken. Eine Fußballkarriere ist sehr kurz. Sie kann auch abrupt zu Ende sein, wenn ich mir eine Verletzung zuziehe, die es mir nicht mehr ermöglicht, Fußball zu spielen. Dennoch muss ich sagen, bewundere ich Spieler, die Vereinstreue beweisen. Das sind für mich ganz besondere Fußballer und ganz besondere Persönlichkeiten, die es hoffentlich noch sehr lange geben wird.
Sind Sie der Meinung, dass es immer weniger Spieler gibt, die ihrem Verein, der sie aufgebaut oder ihre Karriere wieder in Schwung gebracht hat, etwas zurückgeben wollen? Warum verlängern solche Spieler nicht einfach ihre auslaufenden Verträge, wenn sie bei einem guten Angebot ohnehin dennoch gehen dürften?
Das wäre auf jeden Fall eine schöne, noble Geste. Das ist ja immer so eine wechselseitige Beziehung. In dem Fall, den Sie beschrieben haben, profitiert der Spieler vom Verein, weil dieser ihm vielleicht das Vertrauen gegeben hat, in einer Zeit, in der es dem Spieler nicht so gut ging, den Rücken gestärkt, ihn aufgebaut hat. Da wäre es dann natürlich schön, wenn auch der Verein dafür finanziell profitieren könnte. Ich bin jemand, der so eine Dankbarkeit auf jeden Fall gerne sieht und immer unterstützen würde, aber leider Gottes kann ich in der Hinsicht nur von mir ausgehen. Ich kann nicht für andere sprechen.
Glauben Sie, dass die Spieler da oft zu kurzfristig denken?
Das ist de facto der Fall, aber nicht nur die Spieler. Am Platz sieht man zwar nur sie und man nimmt nur ihre Entscheidungen wahr, aber in Wahrheit steckt da immer ein gesamtes Umfeld dahinter. Es gibt Berater, es gibt Familien. Das ist manchmal gar nicht so einfach. Es gibt mit Sicherheit Spieler, die einen ungeheuren Druck haben, weil sie als Ernährer einer gesamten Familie gelten. Das habe ich schon ganz häufig erlebt. Das fängt schon früh an und macht es einem Spieler nicht leicht. Ich glaube, dass er dann häufig selbst mit einem Interessenkonflikt zu kämpfen hat, weil er sich bei seinem aktuellen Klub eigentlich wohlfühlt, er will vielleicht gar nicht weg. Da kommt dann eben der Druck aus dem familiären Bereich, der Berater könnte mit einem Transfer auch gut verdienen, wobei die ja eigentlich auch verdienen, wenn es zu Vertragsverlängerungen kommt. Das alles ist für die Spieler nicht immer so leicht. Deswegen muss man mit ihnen manchmal nachsichtig sein, weil man eben nicht alle Hintergründe kennt. Als Trainer kann man nur sagen: „Du bist ein toller Spieler, ich will dich unbedingt weiter in meiner Mannschaft haben.“ Dann sagt er: „Ja, ich fühl mich auch wohl hier – in der Mannschaft, im Verein und im Umfeld!“ Dann geht er nach Hause, es kommt beispielsweise der Vater und sagt dann zum Sohn: „Ja, aber pass mal auf! Wenn du da hin gehst, dann geht es uns allen gut.“ Sowas finde ich total schade, weil dadurch wird dem Spieler dann häufig auch die Freiheit genommen, das zu tun, was er wirklich will.
Wir wissen nicht, inwiefern Sie mit der Causa Romano Schmid vertraut sind. Das wäre ja ein sehr aktuelles Beispiel.
Ja, ich kenne den Spieler Romano Schmid und habe ihn heute spielen sehen auf Seiten von Red Bull. Das ist sicher ein Spieler, den ich auch gerne in meiner Mannschaft hätte. (Lacht)
Um dieses Thema abzuschließen, wie stehen Sie generell zu Spielerberatern?
Die sind mittlerweile part of the game geworden, aber Spielerberater generell zu verteufeln, wäre ein Fehler. Es gibt immer und überall schwarze Schafe, aber es gibt auch überall positive Beispiele. Ich durfte schon hochseriöse Berater kennenlernen, aber auch weniger seriöse. Letztendlich sind sie schon auch notwendig, weil Vereine, die gerne einen Spieler verpflichten würden, ja auch von ihnen profitieren. Sie sind oft sehr hilfreich, wenn es darum geht, den Transfer zu realisieren. Mit Sicherheit gibt es aber auch Spielerberater, die extrem viel Druck auf Spieler und Verein ausüben und allen sind dann leider die Hände gebunden. Hin und wieder muss man ganz einfach eine Kröte schlucken.

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Als Trainer nimmt man ja immer ein Stück Mensch mit.
Wir würden jetzt gerne zum eher persönlichen Teil des Interviews kommen. Können Sie kurz den Menschen und auch den Trainer Heiko Vogel beschreiben?
Ich glaube, dass ich … Wie bin ich denn eigentlich? Jetzt sag du doch einmal etwas Alex (Alexander Fasching, Pressesprecher des SK Sturm, Anm.). Es ist so schwer, sich selbst zu beschreiben. (Alexander Fasching wirft „lustig“ ein) Lustig? Naja, ich glaube einfach, dass alles mit einer Portion Humor einfacher geht. Humor ist für mich ein großer Bestandteil. Ich lache gerne und ich habe es gerne, wenn auch in meinem Umfeld viel gelacht wird. Das heißt aber nicht, dass man weniger professionell ist oder dass man irgendetwas nicht ernst nimmt, sondern ganz im Gegenteil. Was Fußball angeht, bin ich nämlich sehr akribisch, habe eine klare Vorstellung, wie ich mit der Mannschaft etwas erreichen will. Als Mensch bin ich manchmal auch ein Stück weit chaotisch. Ich bin halt einfach nicht der voll durchstrukturierte Mensch. Gerade eben habe ich meine Karte im Zimmer vergessen und mich selbst aus dem Zimmer ausgesperrt. Manchmal lasse ich einen Schlüssel liegen, vergesse meinen Geldbeutel zu Hause. Chaotisch trifft es, glaube ich, wirklich gut. Zudem bin ich sehr neugierig. Ich bin immer bestrebt, neue Dinge zu wissen und zu lernen. Ich bin auch ein bisschen ein Spielkind, das genieße ich auch. Als Trainer nimmt man ja immer ein Stück Mensch mit. Ich versuche eigentlich immer, authentisch zu bleiben und nie zu schauspielern. Wenn ich sauer bin, dann bin ich sauer. Dann kann es auch einmal sein, dass es euch trifft. Dann bin ich sauer. Dann spürt ihr das. Wenn ich gut drauf bin, dann spürt ihr das auch! Ich glaube, dass das ganz wichtig ist. Ich versuche, wenige Rollen in meinem Leben zu spielen, ich bin, wie ich bin. Ich habe keine Lust auf Schauspielerei. Dafür ist das Leben zu kurz!
Wir haben vernommen, dass Sie einmal gesagt hätten, der Erwachsenenfußball sei gar nicht so Ihres und Sie es nicht wirklich bevorzugen würden, permanent im Rampenlicht zu stehen. Wie stehen Sie zu dieser Aussage heute?
Ich habe das, glaube ich, in folgendem Kontext gesagt: Ich bin, da ich im Jugendbereich schon alles gemacht habe und im Seniorenbereich ebenfalls, gefragt worden, was ich denn am schönsten gefunden habe. Dann habe ich gesagt, dass die schönsten Einheiten jene mit den Allerkleinsten waren – sprich der F-Jugend oder U7. Das ist so toll, weil man jede Emotion sofort sieht. Wenn die verlieren, dann weinen sie, wenn sie gewinnen, dann strahlen sie. Die sind noch sehr unverbraucht. Das ist Emotion in Reinkultur und das war eigentlich das Schönste daran. Man bekommt als Trainer einfach sofort ein Feedback. Wenn du als Coach schlecht bist, kriegst du sofort die Reaktion zurück, weil die Kleinen eben noch nicht schauspielern. Der Jugendfußball ist etwas sehr Schönes. Aber klar weiß ich, wenn du im Profigeschäft bist, stehst du natürlich viel mehr im Rampenlicht – dieses Interesse im Fußball ist aber auch sehr wichtig, da es ihn von anderen Sportarten abhebt. Gäbe es keine so große Nachfrage, hätte ich vielleicht meinen Job gar nicht. Ich sehe das alles aber als sehr großes Privileg! Ich liebe meinen Job. Ich liebe es, mit der Mannschaft auf dem Platz zu stehen und ich weiß, dass hier dann die Öffentlichkeit natürlich ein Stück weit dazugehört. Dennoch nehme ich mir das Recht heraus, auch in der Öffentlichkeit hin und wieder Privatmensch zu sein. Ich bin nicht für alle jederzeit zugänglich. Man lernt ja auch.
Wir haben auch vernommen, dass Sie als Co-Trainer von Thorsten Fink bei Basel damals etwas eingeschnappt waren, als dieser Sie nicht mit zum HSV genommen hat. Wie ist Ihr Verhältnis zum Austria-Trainer?
Das ist mir neu. Es wurde damals alles ganz klar kommuniziert. Es gab kein Zerwürfnis, deswegen kann ich dazu auch nichts sagen.
Also freuen Sie sich schon auf das erste Wiedersehen mit Thorsten Fink?
Na logisch!
Wir haben auch gelesen, dass Sie von Basel weggegangen sind, weil es ein angebliches Zerwürfnis mit den Medien gegeben hat.
Mit den Medien gab es kein Zerwürfnis. Was war der Grund in Basel? Wenn du sportlich erfolgreich bist, dann wirst du selten gefeuert. Es gab mit Sicherheit eine unterschiedliche Interpretation, was die sportliche Lage anlangte. Ich sage aber ehrlich, dass ich heute einiges anders machen würde. Ich bin jetzt eben ein paar Jahre älter und froh, dass ich aus Fehlern, die ich mir zugestehe und ankreide, gelernt habe. Ich habe mich damals mit Sicherheit nicht immer diplomatisch verhalten, was ich heute definitiv anders machen würde. Allerdings bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass ich zumindest inhaltlich Recht hatte.
Es wäre ja auch etwas paradox. Wir haben Sie jetzt ja schon ein paar mal im Umgang mit Medien beobachten dürfen und Sie wirken sehr umgänglich.
Bin ich auch. (lacht)
Gibt es heutzutage zu wenige richtige Typen, die keine Angst haben, anzuecken?
Ich kann da ja immer nur für mich sprechen. Natürlich versucht jeder, sich im Umgang mit den Medien gut anzustellen, nicht anzuecken. Das versuche auch ich ab und zu, aber manchmal geht das einfach nicht. Für mich geht Authentizität über alles. Ich bin der Meinung, dass man Ärger schon auch einmal zeigen darf oder auch positive Gemütsregung. Man sollte seine Emotionen nur stets im Griff haben. Ich bin aber definitiv keiner, der einschläft und nur nicht anecken möchte. Wenn ich mich freue, dann freue ich mich. Und das Recht habe ich auch, weil es dann ja einen Grund dazu gibt.
Schaut mal an! Sturm Graz ist hier einfach eine Marke und das ist sehr schön.
Wenn wir schon bei den Medien sind. Wie haben Sie diese in Graz bisher wahrgenommen?
Sehr, sehr angenehm. Ich war vor allem auch sehr überrascht. Zum Beispiel habe ich ein solches Medieninteresse wie bei meiner Vorstellung in Graz in Basel nur im Champions League-Achtelfinale gegen Manchester United gesehen. Dass da dann in Graz sogar Kamera-Teams zugegen waren und alles live übertragen wurde, da war ich ob des großen Interesses schon etwas verwundert. Ich habe mir dann sofort gedacht: Fingerzeig! Schaut mal an! Sturm Graz ist hier einfach eine Marke und das ist sehr schön. Deswegen komme ich noch einmal darauf zurück: Für mich ist es eine große Ehre und ein Privileg, Trainer von Sturm Graz zu sein.

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Die Menschheit und die Perfektion schließen sich gegenseitig aus.
Ihr Vorgänger galt in Graz als Liebling der Leitmedien. Das hat einigen Fans nicht so gut geschmeckt, da dadurch natürlich auch irgendwo die Objektivität verloren ging. Kritik am Trainer gab es in den letzten Jahren fast nie. Finden Sie so ein Standing gut oder sind Sie der Meinung, dass Kritik auch etwas Fruchtbares sein kann?
Natürlich, kein Mensch wird gerne kritisiert oder freut sich wahnsinnig und schreit: „Juhu, ich bin wieder kritisiert worden!“ (lacht) Da gehöre ich natürlich auch dazu. Wenn ich dann aber wieder einmal einen Tag Zeit habe, über Kritik nachzudenken, oder eine Nacht darüber schlafen kann, dann geht sie mir oft auch durch den Kopf und das kann dann durchaus dazu führen, dass ich mir denke: „Hey, die haben gar nicht so unrecht!“ und ab diesem Zeitpunkt hilft sie mir dann natürlich. Ich weiß nämlich ganz genau, dass ich nicht unfehlbar bin. Ich bin kein Gott. Ich bin kein Perfektionist. Die Menschheit und die Perfektion schließen sich gegenseitig aus. Es gibt keinen Menschen, der perfekt ist. Man kann vielleicht danach streben, aber man macht einfach Fehler. Es gibt aber Kritik, die ich auch nach gründlichem Nachdenken nicht annehmen kann. Dann habe ich mich mit ihr zwar auseinandergesetzt, aber bleibe bei meiner Meinung. Definitiv ist es fatal, wenn man Kritik immer persönlich nimmt und inhaltlich an sich vorbeilaufen lässt. Manchmal hilft sie einem nämlich, auf dem Boden zu bleiben oder schlichtweg besser zu werden, weil sie vielleicht angebracht ist.
Sagt Ihnen vielleicht der Name Peter Hyballa etwas?
Ja, der sagt mir etwas.
Sind Sie mit der Thematik Peter Hyballa bei Sturm vertraut?
In Bezug auf Sturm nicht, nein. Ich kenne Peter Hyballa von einem Trainerkongress, weil er einen Vortrag über seine Mannschaft gehalten hat. Das war der einzige Kontakt. Natürlich weiß man als deutscher Trainer aber, dass er zuerst bei Sturm war, dann bei Leverkusen gearbeitet hat und auch schon bei Dortmund in der Jugend war. Aber was da bei Sturm war, weiß ich nicht.
Er ist unter anderem auch an den Medien gescheitert. Franco Foda war so lange in Graz, dass viele Medien einem neuen Mann an der Linie erst einmal mit großer Skepsis begegnen. Macht das einem neuen Trainer das Leben noch schwerer?
Das ist möglich, kann ich im Moment aber nicht beurteilen. Ich versuche, mit Medienvertretern stets ein kollegiales und professionelles Verhältnis zu pflegen. Das heißt, ich will nicht deren Freund sein und auch nicht deren Liebling. Ich bin nicht Angestellter der Medien, sondern stehe jeden Tag mit meiner Mannschaft auf dem Platz. Das ist mir viel wichtiger. Ich sehe mich als Fußballlehrer und Trainer, nicht als Entertainer für die Medien. Ich kann jetzt noch nicht einschätzen, welchen Eindruck ich auf Medienvertreter gemacht habe. Das kann in 2-3 Monaten anders aussehen. Aber ich bin der Meinung, dass man es ohnehin nie jedem recht machen kann. Der eine sagt, dass ich ein guter Typ bin, der andere wird sagen, dass ich ein komischer Typ bin und dass Franco besser war, oder vielleicht auch Peter Hyballa. Jeder hat natürlich eine Meinung. Pep Guardiola zum Beispiel: 0,00 Medien, kein einziges Interview. Nur das, was er machen musste und nicht vermeiden konnte, waren die Pressekonferenzen der Bayern. Dann gibt es auch Trainer, denen Interviews ganz wichtig sind. Ich glaube schon auch, dass Medien das Recht auf einen gewissen Zugriff haben. Sie sind ja dazu da, etwas nach außen zu tragen. Erstmal die Sportart, meinen Verein, meine Mannschaft und das spielt schon eine Rolle. Wäre ich Hockey-Trainer, dann könnte ich das nicht hauptberuflich machen. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, also muss ich ein bisschen was dazu beisteuern, dass das auch so ankommt.
Die Medien sind ein Einflussfaktor von außen. Ein anderer sind die Fans. Wissen Sie schon, wie die Fans in Graz ticken? Haben Sie da schon etwas mitbekommen?
Das, was ich bisher mitbekommen habe, habe ich eigentlich im Fernsehen gesehen. Natürlich haben mir aber Günter Kreissl und Christian Jauk auch die Fankultur etwas erklärt und versucht, sie mir näherzubringen. Ich kann von meiner Seite aus nur sagen, dass ich mich auf das erste Heimspiel riesig freue.
Die Frage war nicht auf die Stimmung, sondern eher auf die bevorzugte Fußballphilosophie der Fans in Graz bezogen. Beispielsweise ist der SK Sturm bei weitem nicht so erfolgsverwöhnt wie Basel oder gar die Bayern. Die Fans erwarten keinen Meistertitel und keine Tabellenführung. Das Grazer Publikum möchte eine Mannschaft sehen, in der jeder Spieler hundert Prozent für den Verein gibt, in der junge Eigenbauspieler zum Einsatz kommen und die einen kurzweiligen offensiven Kombinationsfußball spielt. Der Erfolg steht gar nicht so im Vordergrund, ist aber natürlich immer ein angenehmer Beigeschmack. Was ich bisher mitbekommen habe, dürften Sie sich auch mit dieser Philosophie anfreunden können.
Ihr Wunsch ist mir Befehl! (lacht)
Weil wir gerade bei den Fans sind. Sagt Ihnen der Name GAK etwas?
Was?
Ob Ihnen GAK etwas sagt?
Wer? (lacht)
Sehr gut, Sie lernen schnell! Wie wichtig sind Derbys im Fußball?
Derbys gibt es doch überall auf der Welt. Meistens sind das Spiele mit einem ganz besonderen Stellenwert, weil es einfach um eine Vorherrschaft in der Stadt geht. Welcher Verein ist besser? Welche Fans sind besser? Ich wäre ein ganz großer Lügner, wenn ich sagen würde, Derbys sollte man abschaffen! (lacht) Nein, natürlich sind sie etwas Besonderes!
Zur Abschlussfrage: Haben Sie ein paar Worte an die Fans? Ein Versprechen?
Versprechen sind immer schwer zu geben, weil man sich dafür festlegen muss! Das Einzige, was ich definitiv versprechen kann, ist, dass ich alles in meiner Macht Stehende dafür tun werde, dass die Mannschaft einen Fußball spielt, der die Fans in Graz begeistern kann. Wenn die Fans dann uns begeistern und der Funken überspringt, dann hoffe ich, dass wir Synergien daraus gewinnen, um vielleicht neben gutem Fußball auch noch den einen oder anderen Erfolg einheimsen können. Ich kann nur sagen, ich freue mich unglaublich auf das erste Heimspiel in Graz!
Wir uns auch! Was wir bisher im Trainingslager gesehen haben, hat uns sehr gut gefallen. Vielen herzlichen Dank für das Interview.
Ich sage danke!
Wieviel Glück, die Region hat, daß mit Sturm Graz – eine der absolut geilsten Mannschaften ever – hier spielt, könnten sie mmg dann doch mit etwas mehr Support uns unterstützen!
Besonders wenn man wirklich bedenkt, wie groß die Region, die ausschließlich Sturm Graz abdeckt, dann eigentlich wirklich is…
Unglaublich lässiges Interview..wirklich große Klasse 🙂
Vogel macht mir wirklich einen äußerst sympathischen, selbst reflektierten, bodenständigen und am wichtigsten, krass authentischen Eindruck!
Das könnt wirklich gut passen (menschlich+Spiel philosophisch), sowie auch das Duo Kreissl/Vogel sich super zu ergänzen scheint 🙂
Macht bisher einfach nur brutalste Vorfreude und lässt so die Hoffnung innendrin keimen, daß es viell wirklich der Beginn, einer wirklich neuen, erfolgreichen Ära wird..
das hyballa an den medien gescheitert ist, ist wirklich eine sehr waghalsige these. ich denke vielmehr er ist am eigenen wahnsinn gescheitert wie eigentlich überall bislang.
Ja, scheint in vielen Köpfen irgendwie als Trauma zurückgeblieben zu sein, hier wurde in eine Person zu viel an Erwartungshaltung hineininterpretiert („Sturm neu“), weil die Geschichte letztendlich gescheitert ist, muss man halt für sich die Dolchstosslegende „Medien“ am Köcheln halten.
Die Wahrheit liegt in der Mitte. Weder war Hyballa ein menschlich einfacher Charackter, noch waren die Medien Fan von ihm.
Unter Milanic haben wir auch keinen Zauberfussball gespielt (siehe Breidablik), aber nachgetreten wird nur bei Hyballa. Viele haben wirklich ein Trauma mit ihm, aber ihn beide Richtungen: Die einen sind wütend das er nicht die Chancen bekommen hat wie u.a. andere Trainer, für die anderen ist er der Anti-Christ. Er ist einfach ein deutscher Trainer, der im Jugendfussball Zuhause war/ist und dann an uns gescheitert ist. Die Medien haben damals die Situation sicher nicht besser gemacht mit dem Öl ins Feuer gießen. Die Frage wer mehr Schuld gehabt hat: Medien oder Hyballa – Henne/Ei. Wir können uns alle darauf einigen das es nicht funktioniert hat. Nachtreten ist halt einfach unnötig.
Und ihn als wahnsinnig zu bezeichnen finde ich auch unfair: Leverkusen, Wolfsburg, BVB Jugend etc…also wäre ich Rudi Völler würde ich meine U19 keinem Wahnsinnigem übergeben. Und wer Völler kennt weiß: Wen ihm wer nicht schmeckt dann weiß das jeder. Dass er bei uns aneckt aber bei Leverkusen als U19, Kampfmannschaft Co und Hauptrainer nicht ist vlt. halt ein Indiz dafür das Hyballa in Graz nicht nur an sich selbst gescheitert ist.