„Über die Transfersumme dürfen wir uns nicht beschweren“

Max Randelshofer, Betreiber des größten FC Ingolstadt-Fanblog, im SN-Interview

Vergangene Woche wurde der Transfer von Ex-Blacky Thorsten Röcher zum FC Ingolstadt fixiert. Wir haben uns daher mit dem Betreiber des größten FCI-Fanblog, dem Schwarz-Rot-Blog, darüber unterhalten, was der Links-Außen hinsichtlich Spielstärke, Liga und Fankultur in der Audi-Stadt zu erwarten hat. Und auch was man von ihm in Ingolstadt erwartet.

Maximilian, Thorsten Röcher verzichtet auf die Chance, in der nächsten Saison in einer europäischen Gruppenphase aufzulaufen und wechselt zu euch nach Ingolstadt, in die zweite deutsche Liga. Aus Sturm-Sicht rein sportlich hart zu verdauen, für so manchen auch unverständlich. Was hältst du jenen entgegen?

In der österreichischen Bundesliga gibt es zwar einige gute Mannschaften, allerdings ist das Meisterschaftsrennen, ähnlich wie in Deutschland, seit Jahren sehr eintönig. Die Perspektive Europapokal zu spielen ist für jeden Spieler mit Sicherheit verlockend und ein gutes Argument beim jeweiligen Klub zu bleiben. Mal ganz ehrlich, der Europapokal ist für die Schanzer so weit entfernt wie die Deutsche Meisterschaft für Schalke. Allerdings muss man auch sagen, dass die zweite Bundesliga in Deutschland eine sehr hohe Qualität und Leistungsdichte hat. Und sie kann auch durchaus ein Sprungbrett in die erste Liga sein. Dort gibt es in Deutschland acht bis zehn Mannschaften, die um die Europapokalplätze mitspielen können. Das wird, so glaube ich, auch eine große Rolle gespielt haben. Auf den ersten Blick wirkt der Wechsel vom Vize-Meister Österreichs in die zweite Liga Deutschlands wie ein sportlicher Abstieg. Man muss die Ligen allerdings auch fair miteinander vergleichen.  

Lange – vor allem vor der Ära von Red Bull Leipzig – galt der FC Ingolstadt für Außenstehende als Inbegriff eines echten Werkteams. Hat sich nach deiner Einschätzung an dieser Wahrnehmung vieles zum Positiven verbessert oder ist der Verein doch noch mehr Audiklub als echter Fußballverein?

Der Begriff Werksteam ist in dieser Diskussion absolut falsch. Klassische Werksteams sind Bayer 04 Leverkusen und der VfL Wolfsburg. Diese Vereine haben ihren Ursprung als Betriebssportmannschaften. Werksteam wird gerne als Schimpfwort für Vereine verwendet, hinter denen Investoren und Unternehmen stehen. Nicht zu bestreiten ist, dass ohne das Engagement von Audi einiges in Ingolstadt schwerer vorangegangen wäre. Allerdings hat Audi auch nie das große Geld locker gemacht, so wie immer gerne behauptet wird. Als die Schanzer in der Regionalliga Süd – damals noch die dritthöchste Leistungsklasse – kegelten, trat Audi zwar als Trikotsponsor auf, aber mehr als der Mannschaftsbus wurde nicht bezahlt. Hoffenheim spielte damals mit uns in dieser Liga und marschierte zügig nach oben. Da standen ganz andere Pläne und finanzielle Mittel im Hintergrund. Beim Stadionbau unterstützte Audi den Verein, allerdings ist dieser durch ein Darlehen finanziert worden. Die 25 Millionen Baukosten wurden dem FCI nicht geschenkt. Wenn man dann die Spielzeiten vor dem Bundesliga-Aufstieg sieht, kann man nicht behaupten, dass Audi das große Geld in den Klub investiert hat. Denn wir haben in diesen Saisons fast immer gegen den Abstieg gespielt. Den Begriff Audi-Klub wird man nie in der öffentlichen Wahrnehmung wegbekommen. Es ist allerdings schon deutlich besser geworden. Und zweifelsohne war es ein kluger Schachzug in der ersten Bundesliga-Saison mit Media-Markt als Trikotsponsor aufzutreten und nicht mehr mit den vier Ringen.

© Martin Hirtenfellner Fotografie

Was wird Thorsten Röcher rein sportlich in Ingolstadt erwarten?

Ein sehr gutes Umfeld. Infrastrukturell mangelt es in Ingolstadt an nichts. Thorsten Röcher trifft auf ein Trainer-Team, das nach der durchaus schwierigen vergangenen Saison einen sowohl personellen als auch spielerischen Umbruch anstrebt. Ich denke, dass er uns dabei gut behilflich sein wird und dass ihn das auch überzeugt hat, zu uns zu wechseln. Rein kulturell wird er wahrscheinlich nicht fremdeln. Bayern und Österreicher sind sich doch recht ähnlich.

Zwei Drittel in Röchers neuen Liga haben sich in der abgelaufenen Saison zumeist im Abstiegskampf befunden. Siehst du für deinen Klub Hoffnung, dass man zukünftig endlich wieder vorne mitspielen kann?

Ich glaube, dass sich das Feld in der Liga wieder ordnet. Es wird nicht mehr so krass eng werden wie in der vergangenen Saison. Ich sehe da durchaus Hoffnung. Es lag ja nicht an der Liga-Situation, sondern an uns selbst, dass wir keine bessere Platzierung erreicht haben. Es sah ja für die Schanzer lange Zeit auch ganz gut aus, bis man sich das Leben selbst schwer gemacht hat. Grundsätzlich glaube ich, dass das Team kommende Saison oben mitspielen kann, sofern es dem Trainerteam gelingt, nun alle Puzzle-Teile zu einem Großen und Ganzen zusammenzufügen. Für ganz, ganz oben, denke ich, reicht es nicht. Mit dem Hamburger SV und dem 1. FC Köln sind meiner Meinung nach die Aufsteiger absolut gesetzt. Alles andere wäre eine riesengroße Überraschung. Ohnehin wird bei uns der Aufstieg in die Bundesliga erst innerhalb der nächsten drei Jahre erwartet.

10.239 haben in der abgelaufenen Saison bei Heimspielen der Schanzer die Drehkreuze im Audi-Sportpark passiert. Um 17 weniger als zum gleichen Zeitraum in Graz bei Sturm. Für deutsche Zweitliga-Verhältnisse keine berauschende Zahl. Woran liegt das deiner Meinung nach?

Wir haben im Zuschauerranking immer zum letzten Drittel der Liga gehört. 10.239 ist für Ingolstädter Verhältnisse ein guter und solider Schnitt. Die Zahlen haben immer wieder geschwankt. Da spielen Faktoren eine Rolle wie: welcher Gegner kommt nach Ingolstadt, wann findet das Spiel statt und wie ist die aktuelle Leistung der Schanzer. Diese Schwankungen waren aber schon bei weitem schlimmer. Mittlerweile ist der Besuch konstanter geworden, mit einigen wenigen Ausschlägen nach unten. Wir sind ein junger Klub und immer noch am Wachsen was die Fanzahlen betrifft. Uns gibt es erst seit 2004. Nach dem Abstieg hat sich dann auch gezeigt, welche Zuschauer aus Gründen der Erstligazugehörigkeit ins Stadion gegangen sind. Der Schnitt war solide, ist aber natürlich ausbaufähig.

(c) Maximilian Randelshofer

 Bestand bei euch auf Röchers Position dringender Handlungsbedarf bzw. wie schätzt du seine Chancen ein, sich von Beginn an gleich in die Startelf zu spielen?

Da war definitiv Handlungsbedarf gegeben. Insbesondere im Mittelfeld hatte man im Kader das Problem, dass die Spieler zusammen kein vernünftiges, stimmiges Gesamtbild ergaben. Sonny Kittel ist zwar ein begnadeter, technisch starker Mittelfeldspieler, nur ohne zwei starke Außenbahnspieler ist es halt in manchen Spielen dann auch schwierig. Thomas Pledl musste oftmals viel mit in der Defensive mitarbeiten, sodass er dem Offensivspiel oftmals nicht den gewünschten Stempel aufdrücken konnte. Darum war es wichtig, jetzt in die Richtung zu agieren, dass im Mittelfeld wieder die spielerische Herzkammer entsteht. Grundsätzliche glaube ich, dass Röcher sich in die Startelf spielen kann. Was soll denn auch schon dagegensprechen. 

2016 habt ihr für den französischen Innenverteidiger Marcel Tisserand, der bis dahin 50 Spiele in der ersten französischen Liga im Steckbrief hatte, drei Millionen locker gemacht. 1,25 Millionen hingegen für einen Spieler, der in der abgelaufenen Saison einer der Hauptakteure des österreichischen Vizemeisters und Cupsiegers war sowie am Sprung ins Nationalteam steht, sind ein echtes Schnäppchen. Siehst du das auch so?

Durchaus werden für ähnlich talentierte Spieler höhere Transfersummen ausgerufen, darum glaube ich, darf sich bei der Transfersumme aus Ingolstädter Sicht niemand beschweren. Und zu Tisserand: Für den haben wir einschlägigen Berichten zufolge diesen Sommer fünf bis acht Millionen erhalten. 

Man könnte jetzt auch behaupten, der schnöde Mammon sei bei Röchers Entscheidung wesentlich mit eingeflossen. Kannst du uns etwas über die Verdienstmöglichkeiten bei deinem Klub erzählen?

Ehrlich gesagt nicht. Da wird ein ziemliches Geheimnis daraus gemacht. Es gab mal eine Zahl die zur Bundesliga-Zeiten über die Spielergehälter kursierte, die allerdings auch Raum für großzügige Spektulationen bot. Deswegen kann ich die Frage leider nicht beantworten.

Sitzt das Geld beim „Audi-Verein“ nicht mehr ganz so locker?

Das Geld saß bei uns noch nie so ganz locker. Wie bereits erwähnt, wenn man unsere vergangenen Spielzeiten und Verpflichtungen ansieht, kann man nicht sagen, bei uns sitzt das Geld super locker aus Sponsoring-Gründen. Es ist Geld vorhanden, aufgrund großer Transferüberschüsse der vorletzten Saison und jetzt wird Gott sei Dank auch endlich vernünftig investiert. Die Transferpolitik und die Kaderzusammenstellung waren vergangene Saison auch ständig Thema in meinem Blog.

Lukas Hinterseer, Ramazan Özcan, Markus Suttner, vor allem Trainer Ralf Hasenhüttl, in der nächsten Saison mit Marco Knaller, Konstantin Kerschbaumer und Thorsten Röcher wieder einmal drei Österreicher im Kader. Mit den „Ösis“ seid ihr ja zumeist gut gefahren, hast du dafür eine Erklärung?

Österreich hat einfach gute Kicker. Markus Suttner war einer der Achsen unserer Mannschaft. Und im zweiten Bundesliga-Jahr einer der wichtigsten Spieler. Er hat sich großartig entwickelt. Ich glaube einfach auch, dass Österreicher vom Menschen-Typ gut zu uns passen. Das kann man auch auf andere Vereine in der Bundesliga übertragen. Deswegen gibt es mittlerweile schon den Reflex: ach ein Österreicher, das kann kein schlechter sein. Und auch, dass es natürlich keine sprachliche Barriere gibt, macht es am Anfang sehr einfach, diese Spieler im Team zu integrieren.

Bei Sturm fand Röcher die wohl – zusammen mit Rapid – impulsivste, leidenschaftlichste und aktivste österreichische Fanszene vor. Wie stehts aktuell mit der Fanszene bei den Schanzern?

Unsere Fanszene ist gut und im Wachsen. Aber natürlich nicht mit der von Rapid Wien oder Sturm Graz zu vergleichen. Diese Vereine sind viel älter und haben große Tradition. Es wäre ja auch vermessen zu glauben, wir sind nach 14 Klubjahren am Ende unserer Fankultur-Entwicklung angelangt. Der FCI ist auf einem guten Weg, aber alles ist noch ausbaufähig. Und was Röcher generell angeht: Wer sich bei uns voll reinhaut, der erspielt sich schnell die Herzen der Zuschauer. Bestes österreichisches Beispiel ist Lukas Hinterseer.

Zum Abschluss: Wie ist deine persönliche Stimmung hinsichtlich der Verpflichtung des Niederösterreichers?

Gut und hoffnungsvoll. Der Wechsel hat sich ja in einschlägigen Medienberichten angedeutet. Daher konnte man sich mit der Personalie schon beschäftigen. Ich freue mich auf Röcher und bin gespannt. Und ich glaube, es geht auch vielen im Ingolstädter Umfeld so.

Zur Person:

Der 24-jährige Maximilian Randelshofer betreibt seit 2009 den „Schwarz-Rot-Blog“. Im Herbst 2014 erschien im Schwarzkopf&Schwarzkopf-Verlag sein Buch „111 Gründe den FC Ingolstadt 04 zu lieben.“ In seinem Blog werden nicht nur die schönen Erlebnisse mit den Schanzern beschrieben, sondern sich auch sehr kritisch mit dem Verein auseinandergesetzt, sowie portliche Entscheidungen und die Transferpolitik des Vereins breitgefächert beleuchtet. Seitdem Champions League-Finale 2005 hegt er zudem eine große Leidenschaft für den FC Liverpool. Ein Stadionbesuch an der Anfield Road steht allerdings noch aus. Nebenberuflich schreibt er – auch dort über den FCI – als freier Mitarbeiter für die Neuburger Rundschau. 

3 Kommentare

  1. Manuel Lampl sagt:

    Zwar ein toller Bericht aber wen interessiert jetzt eigentlich Ingolstadt? Uns Sturm-Fans eher nicht!

    • Günter Kolb sagt:

      Hab wohl versucht einen nicht monetären Grund dafür zu finden, die Chance auf eine europäische Gruppenphase für Ingolstadt und fader Zweitligatristesse sausen zu lassen.

      Ich geb zu, hat nicht geklappt.

  2. B.Bakota sagt:

    Musst du eigentlich überall deinen, doch sagen wir freundlich uninteressanten Senf abgeben? Und verwende nicht die Wir-Form in Bezug auf Sturm-Fan, denn ich zähle mich zu deinem Fanclub nicht dazu.

    Ansonsten; interessanter Artikel und danke an dieser Stelle für die Mühe der freiwilligen Mitarbeiter von Sturmnetz, super Arbeit!

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