Troger: „Dieses familiäre Gefühl war und ist einzigartig“

SturmNetz-Advent Tag 16 mit Dr. Herbert Troger

Die „Stille Zeit“ ist nur anderswo wirklich still. SturmNetz.at geht im Advent in die Vollen! Wir lassen bis zum Heiligen Abend 24 Prominente zu Wort kommen und sprechen mit ihnen über Sturm, Fußball, Gott und die Welt. Und Dr. Herbert Troger ist in der kleinen, aber doch für viele sehr großen Welt des Sportklub Sturm, mehr als prominent. Keine Person ist wohl schon so lange mit dem Verein derart verbunden wie der mittlerweile pensionierte HAK-Professor. Seit mehr als fünf Jahrzehnten ist er bei den „Jungs vom Jakominigürtel“ nicht mehr wegzudenken, 2016 wurde er in den Vorstand gewählt.

(c) Martin Hirtenfellner – Fotografie

Herr Dr. Troger, bereits Ihr Vater war 30 Jahre lang im Vorstand des Sportklub Sturm. War ihr Weg zu den Blackies somit geebnet? 

Die heurige Befragung der Sturm-Mitglieder und Sturm-Abonnenten durch das Universitäts-Institut für Soziologie ergab, dass die „Fanwerdung“ überwiegend im Volksschulalter durch Väter und Schulkameraden erfolgt. So war es auch bei mir. Mein Vater war seit 1958 Präsident des Anhängerklubs, also quasi des ersten „Fanclubs“, und seit 1959 Vorstandsmitglied, was er dreißig Jahre lang blieb. Im Alter von sieben Jahren besuchte ich mit meinem Vater das erste Sturmspiel: Damals war die Gruabn „gesperrt“. Sie erhielt erstmals einen „echten“ Rasen und durfte von August 1958 bis April 1959 nicht bespielt werden. Also erlebte ich mein erstes Sturmspiel im November 1958 auf dem Platz des Grazer Sportklubs – dort wo heute das Styria-Center steht – in der Staatsliga B, denn Sturm war gerade abgestiegen. Es endete wenig ruhmreich gegen Siegendorf mit 1:1.

Das bedeutet, es hat ein bisschen gedauert, bis Sie dann auch die Gruabn hautnah erleben durften?

Ja, aber im Sommer 1959 erlebte ich dann in der sanierten Gruabn voller Stolz die 50-Jahrfeier mit Festkonzert, Flaggenhissung, Fallschirmspringen und Spielen gegen WAC Wien und Vienna. Ab da an war mein Herz ein für alle Mal schwarzweiß. 

In einer derart erfolglosen Sturm-Phase wäre es – gerade im Teenager-Alter – auch nicht denkbar gewesen, gegenüber dem Vater in Opposition zu gehen und rebellisch mit den Roten zu liebäugeln? 

In diesen Jahren, exakt von 1958 bis 1963, kämpfte Sturm mit Vereinen wie SVS Linz, Kapfenberg und Austria Klagenfurt in der Regionalliga Mitte vergeblich um den Wiederaufstieg. In meiner Klasse im Gymnasium Oeversee war auch die überwiegende Mehrzahl GAK-Fans, die Rotjacken dominierten damals in Graz in der Staatsliga. Doch wir zwei, drei Sturmfans hielten eisern zu Schwarzweiß. Ein Liebäugeln mit dem Rivalen aus der Körösistraße war nicht einmal ansatzweise denkbar. Umso schöner dann der Aufstieg 1964 nach der Regenschlacht gegen Austria Klagenfurt und der 2:0-Derbysieg gegen GAK durch Tore von Murlasits und Tesourinha im Oktober 1964 in der Gruabn.

Und ab da an waren sie auch der Faszination der Gruabn erlegen?

Mit ihrer Tribüne und der Nähe zwischen Fans und Spielern bot sie eine einmalige Atmosphäre – egal ob jetzt 3000 oder 10.000 Fans anwesend waren. Vergleiche mit dem GAK-Platz, oder mit dem Alpenstadion in Kapfenberg und dem Klagenfurter-Stadion, die ich als Bub bei den ersten „Schlachtenbummlerfahrten“ mit dem Anhängerklub-Bus erleben durfte, fielen eindeutig zugunsten der  Gruabn aus. Die weiten Stadien mit einer Laufbahn konnten nie diese Stimmung bieten. Unvergesslich bleiben für mich die Schlagerspiele gegen Kapfenberg rund um Ernst Kolar, Ignaz Puschnik und Co um den Aufstieg am Sturmplatz vor vollem Haus.

Der Fußball hat sich ja in 50 Jahren enorm gewandelt. Gibt es trotzdem noch Parameter, die gleichgeblieben sind, für die Sturm nach wie vor steht und auch immer stehen wird?

Natürlich ist der heutige Fußball mit seinen flexiblen Systemen, mit Video-Analysen und so weiter nicht mit damals vergleichbar. Aber gerade die derzeitige Truppe erinnert mit ihrem Kampfgeist bis zur letzten Sekunde an alte Zeiten. Sturm war immer eine geradlinige Kämpfertruppe, sieht man einmal von der große Osim-Ära, wo das spielerische Element erstmals klar im Vordergrund stand, ab. Unvergesslich der verbissene Kampf auch gegen spielerisch stärkere Mannschaften aus Wien. Vor allem in der Ära von Gerdi Springer konnte Sturm mit Manndeckung, Kampfgeist und schnellem Konterspiel Spitzenplätze erreichen, 1969  sogar die Austria mit 6:3 besiegen. Dieser totale Einsatz und das familiäre Gefühl, das der Verein bietet, waren und sind einmalig.

Bereits als Student haben Sie die Redaktionsleitung des Sturm-Echo übernommen. Heutzutage gilt es in Fachkreisen nach wie vor als eines der besten Klubmagazine europaweit. Wie stolz sind Sie auf diese Entwicklung Ihres Babys?

Als ich im September 1970 meinen Präsenzdienst beim Bundesheer abgeschlossen hatte und mit dem Biologie- und Chemie-Studium an der Grazer Uni begann, überraschten mich der Sturm-Echo-Gründer Dr. Herwig Brandstetter und Redakteur Manfred Ebner mit der Bitte, das Sturm-Echo – das seit März 1968 bestand – weiterzuführen. Schon als Mittelschüler hatte ich im Archiv der Tagespost „historische“ Forschung betrieben und ab 1968 kleine Statistiken über die Sturm-Vergangenheit für das Echo verfasst. Zum Messestädtepokal-Spiel gegen Arsenal London im Oktober 1970 erschien „mein“ allererstes Sturm-Echo, mit Freunden von der Uni verkaufte ich die Ausgabe vor den Toren des Liebenauer Stadions um zwei Schillinge das Stück. Dass dann Heinz Zamut mit seinem Goldtor für den 1:0-Sieg gegen die Kanoniere sorgte, war besonders erfreulich. Gemeinsam mit dem leider schon verstorbenen Erwin Eberl – ein unvergesslicher Experte der Sturm-Geschichte – sowie mit Ex-Radrundfahrtsieger Franz Deutsch, der für die Inserate zuständig war, bauten wir das Sturm-Echo nach und nach zu einer immer umfangreicher werdenden Klubzeitung aus. Damals fernab von Digitalisierung, Internet und Co mit Bleisatz, mit Autofahrten in die Koralpendruckerei nach Deutschlandsberg und mit Foto-Klischees aus Zink. Vom Bleisatz-Umbruch über den Klebe-Umbruch im Offset-Druckverfahren, die Entwicklung war faszinierend. Für den sogenannten Umbruch waren pro Zeitung ein bis zwei Tage notwendig, die ich bis 1994 an der Seite des Setzers bei der Gestaltung der Seiten verbrachte. 48 Jahre sind daraus geworden, und natürlich ist man stolz, wie sich die Zeitung vor allem in den 1980er Jahren entwickelt hat und wie sie seit 2007 wieder entstanden ist. Seit damals unter großem Einsatz von Christian Wiedner, mit dem Redakteur der Salzburger Nachrichten und kunstsinnigen Martin Behr – dem Sohn des unvergesslichen Sportredakteurs Otmar Behr – an meiner Seite sowie mit vielen engagierten Mitstreitern.

Das „Echo“ ist und war lange Zeit des Sportklub Sturm mediales Aushängeschild. Wie bitter war die Umbenennung und auch der qualitative Abstieg des nunmehrigen Sturm-News in der Kartnig-Ära?

1994 hat mich der damalige Präsident mit der kurzen und bündigen Mitteilung, Sturm-Echo sei zu altmodisch, ab sofort heißen wir Sturm-News, überrascht. Ich habe meinen Rücktritt angekündigt, habe aber dann doch im Sinne der Kontinuität und der Aufrechterhaltung unserer Klubhistorie weiter mitgearbeitet. Einige Jahre erschien die Zeitung beim Kompetenzverlag in Weinitzen und wurde dort auch redaktionell gestaltet. Wenn auch Layout, Farbgestaltung und Kartnig-Kult Kritik hervorriefen, so bin ich doch froh, dass wir im Sinne der Dokumentation des SK Sturm durchgehalten haben: Familienchronik, Rückblicke, ausführliche Jugendseiten, Legenden, Porträts und Statistik blieben auch in den umstrittenen „News-Jahren“ erhalten. Und so konnte 2007 das Sturm-Echo in alter, neuer Qualität fortfahren.

Herr Dr. Troger, Sie haben in all den Jahren so viele Sturm-Persönlichkeiten kennengelernt. Gibt es jemanden, der abseits der ganz großen Helden auf Sie eine ganz besondere Faszination ausgeübt hat?

Der Wiener Karl Schlechta war für mich in den 1970er Jahren eine „besondere“ Erscheinung. Ich habe ihn sehr geschätzt und bin ihm bis zu seinem Tod – im hohen Alter von 94 Jahren – im Jahr 2016, immer sehr verbunden geblieben. Er war mir schon als Bub als Trainer von Austria Wien, LASK und Salzburg ein Begriff und mit ihm konnte man wunderbar über frühere und gegenwärtige Fußballer sprechen. Er hatte auch das Gespür, jungen Mitarbeitern – und ich war so einer  – Wertschätzung entgegen zu bringen und sie zu fördern. Faszinierend war auch der junge, viel zu früh verstorbene Präsident Hans Gert mit seinem Mut und seiner Zuversicht. Natürlich auch als stabiles Element im Klub Gerts Nachfolger Franz Gady. Nicht zu vergessen Günther Schrey, der Langzeit-Platzsprecher von 1957 bis 1995 und ORF-Werbechef, an dessen Seite im alten Klubhaus ich so manches Match erleben durfte.

Der Duden wurde 1872 von Konrad Duden veröffentlicht und darf eigentlich in jedem guten Haushalt nicht fehlen. Wird man in 150 Jahren den Troger ebenfalls im Wohnzimmer eines jeden Sturmfans finden?

Mit Konrad Duden darf und will ich mich nicht vergleichen. Und was in dieserr schnelllebigen Zeit in 150 Jahren von alten Bänden übrig bleibt, wird man sehen. Stolz bin ich allerdings schon auf die Bücher „70 Jahre Sturm“ und „80 Jahr Sturm“, die ich mit Erwin Eberl und viel Recherchearbeit in der Landesbibliothek verfasste. Vom Klub selbst war denkbar wenig an Material vorhanden, sieht man von der Festschrift „50 Jahre Sturm“ und Unterlagen, die Dr. Brandstetter mir übergeben hat, ab. Dann folgte mit August Kuhn „Meister Sturm“ zum ersten Titel 1998, Höhepunkt aber war das Buch „Wir sind Sturm“ zum Hunderter im November 2008.  Ein Geschichtsbuch mit Beiträgen von Künstlern und Persönlichkeiten und mit ausführlicher Statistik.

Ich denke, wir dürfen davon ausgehen, dass sich in Ihrem Haus Tonnen von Sturm-Schätze finden. Gibt es so etwas wie ein Lieblingsstück?

Lieblingsstücke meiner Schätze sind Urkunden aus der Gründungszeit, die Festschrift zum 25-Jahr-Jubiläum 1934 und die ersten Sturm-Zeitungen, der Sturm-Telegraf aus dem Jahr 1956 und die Sportprogramme 1962 bis 1967. Dazu die kompletten persönlichen Aufzeichnungen Karl Schlechtas und Zeitungsausschnitte aus dieser Ära. Spannendes Material für ein künftiges Museum oder für eine digitalisierte „Sturm-Welt“.

War es in Ihrer langjährigen Tätigkeit als Professor an der HAK-Voitsberg so manchesmal schwierig einem Schüler, der die Leidenschaft zu Sturm mit Ihnen geteilt hat, ein Nicht Genügend zu geben?

In den 34 Jahren an der HAK Voitsberg als Lehrer und Administrator habe ich generell „Nicht Genügend“ nur sehr ungern und selten vergeben, nur dann, wenn es gar nicht anders ging. Die Schülerinnen und Schüler wussten, dass ich die Noten niemals mit der Sturm-Leidenschaft verknüpfe. Auch ich hatte meine Launen, aber Sturm-Erfolge oder Misserfolge hatten auf die Leistungsbeurteilung keinen Einfluss. Das kann ich mit ruhigem Gewissen sagen.

Gibt es ein spezielles Spiel des Sportklub Sturm, welches Sie gerne noch einmal erleben würden?

Gerne wieder erleben würde ich das 5:0 gegen die Wiener Austria zu Ostern 1998, das uns den allerersten Meistertitel sicherte. Das war ein magischer Moment. Aber es gibt so viele schöne Augenblicke, das 4:1 gegen Klagenfurt bei strömendem Regen in der Gruabn anno 1964, das den Wiederaufstieg sicherte, der erste Sieg gegen den GAK in der Körösistraße im Dezember 1966, das 3:1 im November 1980 gegen Rapid, als wir erstmals Herbstmeister wurden, das 1:0 im Pokalfinale in Klagenfurt gegen Wiener Neustadt 2010 und, und, und.

Aber wohl auch viele, die Sie gerne aus Ihrem Gedächtnis streichen würden.

Am schwersten war das 1:4 gegen Rapid in der letzten Runde 1980/81 zu verkraften, als wir den Meistertitel aus der Hand gaben. Und natürlich der Elfer gegen Nottingham…

2016 wurden Sie in den Vorstand gewählt und da stellt sich natürlich für uns die Frage: Ändert sich mit so einer Aufgabe das Fan-Dasein?

Für mich hat sich das Fan-Dasein nicht geändert, da ich durch die langjährige Tätigkeit in der Sturm-Echo-Redaktion und auch seinerzeit durch meinen 1996 verstorbenen Vater immer nahe an der Klubführung gewesen bin. Meine enge Verbundenheit zu Fans aller Altersgruppen, die Zusammenarbeit mit jungen, engagierten Sturmfans in Sachen Legenden, Leitbild, Dokumentation, Geschichte etc. sind wesentliche Teile der Arbeit. Sturm ist heute mit der Gesellschaftsstruktur, mit Präsidium und Aufsichtsrat, mit der Geschäftsführung unter Günter Kreissl und Thomas Tebbich und der Geschäftsstelle so professionell aufgebaut, dass man die Vorstandsfunktion nicht mit alten Vereinszeiten vergleichen kann.

Enthüllung der Gründungstafel im Augarten (c) Martin Hirtenfellner – Fotografie

Herr Dr. Troger, was wünschen Sie dem SK Sturm für das Jahr 2018? Trauen Sie Heiko Vogel zu, den erfolgreichen Weg fortzuführen und Sturm zum vierten Meistertitel zu führen?

Heiko Vogel und sein Team mit Joachim Standfest, dem Videoanalysten Patrick Dippel,  Tormanntrainer Loch, Konditionstrainer Niederkofler und Günther Neukirchner als „Personalcoach“ der Talente werden sicher beste Arbeit leisten. Davon bin ich überzeugt. Vogel ist kompetent, engagiert und geerdet. Günter Kreissl hat mit seiner Akribie und Empathie bestimmt einen hervorragenden Coach gefunden. Aber im Fußball gibt es viele Unwägbarkeiten, daher ist Demut, wie es Vogel formulierte, immer angebracht. Ein Meistertitel kann, vor allem mit Blick auf Salzburg, nicht geplant werden, er kann höchstens passieren. Rang zwei sollte heuer, nach dem dritten Platz im Vorjahr, doch möglich sein. Ich wünsche mir wieder so tolle Spiele wie im Herbst – und auch das nötige Glück in knappen Partien. Und ich wünsche mir begeisterte Sturmfans, eine volle Arena und eine so sympathische und engagierte Sturmmannschaft wie 2017.

Vielen Dank für das Gespräch. Das ganze Team von SturmNetz wünscht Ihnen für das Jahr 2018 alles Gute, Gesundheit und natürlich weiterhin viel Freude mit den Blackies.

Auch ich bedanke mich für eure Arbeit und wünsche euch und euren Lesern alles Gute und frohe Weihnachten. 

2 Kommentare

  1. fauli sagt:

    durfte Hrn. Dr. Troger selbst als Schüler in der HAK Voitsberg erleben, ein großartiger Mensch!

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