SturmNetz im Baskenland
Lufthansa-Flug 1826 brachte die SturmNetz-Crew Mittwoch in der Früh zur dritten Destination in dieser Europacupsaison. Über München landeten wir um 11:00 Uhr in Bilbao, der größten Stadt im Baskenland und Heimat des Athletic Klub, dem erbitterten Lokalrivalen von Sturms dieswöchigem Europapokalgegner Real Sociedad San Sebastian. Erst letzten Sonntag trennten sich diese beiden Klubs in einem heißblütigen Duell mit 1:1. Ein Remis, das Sociedad reichte, weiterhin die Tabellenführung in La Liga zu halten.
Auf dem Flug lernten wir die zwei echten „Gruabn-Veteranen“ Reini und Heimo kennen. Sympathische Altblackys, routiniert in Europa, mit jahrzehntelanger Away-Erfahrung. Zu viert nutzen wir die Gunst der Stunde und statteten dem Guggenheim-Museum-Bilbao einen Besuch ab. In einem beeindruckenden Gebäude auf 11.000 m2 Ausstellungsfläche findet man dort allerlei an zeitgenössischer Kunst, einige Malereien und Skulpturen, mehr noch an Installationen, darunter weltbekannte Werke wie etwa Jeff Koons Tulpen oder Louise Bourgeois Spinne.
Mehr als eine Million Menschen jährlich besucht diesen New-York-Ableger des Guggenheim-Imperiums. Beim Verlassen des Museums stellten wir fest, dass aus dem Dauernieseln echter Regen wurde. Uns wars egal, aber die Altspatzen verfielen in leichte Panik, machten schnell kehrt und versorgten sich im museumseigenen Shop noch mit einem Schirm. „I wüll do net meine letzten Federn a no verlieren“ oder „Wenn ma in so eine schöne Stadt reist, muss ma scho was zgleich schauen“, so deren Begründung.
Nach einem kurzen Spaziergang durch die Innenstadt von Bilbao ging es mit einem geliehenen Citröen C4 an das Ziel nach San Sebastian. Zur Geschichte, wie wir an dieses Auto kamen, nur so viel: An Reisen erinnert man sich noch viel länger, wenn irgendwas tragisch komisch schief läuft. Oder: Steirerblut ist stärker als Himbeersaft beziehungsweise leicht betrügerisch angehauchte Taxifahrer. Nach einer einstündigen Fahrt erreichten wir die Hauptstadt der baskischen Provinz Gipuzkoa. Warm eingebettet von zwei Hügeln im Bogen des Golfs von Biskaya. Unser Hotel in der Altstadt – im Prinzip schaut auf den ersten Blick hier alles wie Altstadt aus – war rasch gefunden. Nun hieß es Tasche abstellen und Stadt erkunden. Obwohl das Wetter nicht so seinen besten Tag hatte, waren wir, ob der vielen kleinen Gässchen und der mannigfaltigen, historischen Gebäuden, beeindruckt. Rasch wurde uns auch klar, dass hier kein Spanisch gesprochen wird, ausschließlich Baskisch, und das hier der sanfte Tourismus noch existent ist: Keine Hotelbauten, sondern fast ausschließlich kleine Pensionen, keine Essenstempel, sondern schmucke Restaurants. Viel Geschichte, viel Kultur. Augenscheinlich nicht umsonst war San Sebastian 2016 die Kulturhauptstadt Europas. Selbstredend gönnten wir uns auch einen Blick auf das Meer. Hier wird auch bei 13 Grad noch gesurft. Und das quasi mitten in der Stadt.
Bei einer zu kurzen abendlichen Kneipentour konnten wir dann schon einige bekannte Gesichter entdecken. Viel war ansonsten nicht los. Einer der wenigen erkennbaren Sociedad-Fans erzählte uns, dass sein Klub die Europa-League trotz der überragenden Performance in der heimischen Liga sehr wohl ernst nimmt, man sich auf die Partie gegen Sturm freut und er ein volles Haus erwartet. Wir sind gespannt auf die Verkehrssituation rund um das 39.500-Zuschauer fassende Estadio Anoeta, das offensichtlich inmitten eines Wohngebietes liegt. Für den Sportklub Sturm gilt zu diesem Zeitpunkt umso mehr: Wie immer die Partie auch enden wird, der Anhang der Blackys wird auch hier Spuren hinterlassen.
Fritz-Walter-Wetter auch am nächsten Morgen in San Sebastian. Es goss zeitweise wirklich wie aus Kübeln und daher fiel unser geplante Ausflug auf den Monte Urguic sprichwörtlich ins Wasser. Stattdessen genossen wir bei einem ausgiebigen Frühstück ein wenig das baskische Flair. Immer wieder schön zu beobachten, dass im Gegensatz zur Alpenrepublik, wo der Papa am Sonntag schon ganz grantig wird, wenn die Mama Sonntag um 11 noch nicht am Schnitzel klopft, hier kurz vor Mittag noch ganz gemütlich am Cortado Leche Leche geschlürft wird. Leider fahren die Hop-On Hop-Off-Busse im Herbst nur an den Wochenenden und so machten wir uns trotz widrigster Bedingungen auf, zu Fuß noch einige Wahrzeichen der Stadt abzuklappern. Vorbei am pittoresken Rathaus und an der Kathedrale Buen Pastor sowie der Stadtbibliothek am Plaza della Constitucion zog es uns an den Playa de La Concha, der halbmondförmigen Muschelbucht. Dort steckten gerade eine Handvoll gut aufgelegter Nonnen ihre Füße ins schaumig, kalte Meerwasser.
Um 15:30 Uhr dann traf sich der Sturm-Anhang am Aldari Edga Parkea zur Corteo ins von dort 2,5 Kilometer entfernte Stadion. Kurz schien es, Frau Sonne würde sich für den Fanmarsch nicht zu schön sein. Diese Hoffnung erwies sich aber relativ rasch als trügerisch. Der Vorsänger ermutigte heute alles zu geben, obwohl die sportlichen Vorzeichen kaum schlechter stehen könnten. 1999 in der Königsklasse sei die organisierte Fanszene im Bernabeu zu Madrid nur zu viert gewesen, 22 Jahre später folgen rund 700 Blackys ihrem Herzensverein an den nördlichsten Zipfel Spaniens. Die örtlichen Polizeieinheiten beobachteten das schwarz-weiße Treiben mit wohltuender Gelassenheit. Unsere beiden neuen Freunde, Reini und Heimo, waren dort auch schon zugegen. Während wir am vergangenen Abend schon relativ früh ins Bett gefallen sind, erzählten uns die beiden Routiniers noch leicht gezeichnet über eine viel zu kurze Nacht, einem Trikottausch mit Sociedad-Fans und noch viel mehr. Echte Profis eben.
Aus Zeitgründen waren wir nur zum Start des Marsches dabei und zogen den Bus Richtung Stadion vor. Dort stieg unsere gute Laune dann noch merklich, als uns die Dame am UEFA-Schalter doch tatsächlich fragte, ob wir denn Spieler wären. Leider nein. Nur Hobby-Schreiberlinge. Die Sache mit der Akkreditierung ging dennoch problemlos über die Bühne. Die 1993 erbaute Arena ist ziemlich prächtig. Der Pressebereich hingegen äußerst schmächtig. Während man in Liebenau zwei Wochen zuvor für die spanische Journalistenzunft eifrig den Kochlöffel schwang, bekam in San Sebastian unsereins exakt eine Plastikflasche mit Mineral. 0,3 Liter. Still. Zumindest hatten wir noch bessere Plätze als das ORF-Duo König/Mählich eine Reihe vor uns, das während der Live-Übertragung fast aufeinander sitzen musste. In der 40. Minute eskalierte die Lage, als direkt in unmittelbarer Umgebung eine Steckdose inklusive mehrerer Kabeln Feuer fing. Walter Kowatsch, bald 70 und in der schwarz-weißen Sache noch immer umtriebig unterwegs, erkannte die Gefahr am schnellsten, ein spanischer Kollege reagierte blitzschnell und opferte seinen feinsten Zwirn zur Brandbekämpfung. Während nun sogar Hagel runterkam, war es somit mit der Stromzufuhr für alle Beteiligten vorbei.
Beeindruckt von den unwirklichen Gegebenheiten und der wahnsinnig lauten baskischen Kurve, entging uns allerdings nicht, wie aufopferungsvoll die Blackys am nassen Rasen zu Werke gingen. Glückselig beobachteten wir noch Minuten nach Abpfiff von ganz oben das Treiben auf dem Feld, malten uns aber auch aus, wie laut es hier doch erst sein müsse, wenn Sociedad vor ausverkauften Haus Bilbao schlägt. Nachdem wir unser Zeug zusammengepackt hatten, der Pressekonferenz beiwohnten, starteten wir die „Schallonsch Internacional“. Was nichts anderes heißt, als es ohne eigentliche Berechtigung in den VIP-Bereich eines Stadions zu schaffen. Auch wenn, ob unserer vom Dauerregen durchtränkter Kleidung, die Startbedingungen nicht gerade günstig für uns schienen. Machen wir es kurz: Natürlich haben die Biertrinker sich auch dieses Mal durchgesetzt. Emotional aufgeladen, hätten wir es eigentlich schon fast für diesen Tag bleiben lassen wollen. Hätten wir nicht erfahren, dass justament der Donnerstag DER Insider-Nightlife-Tag sein soll. Für uns bedeutete das natürlich nichts anderes als hinein in die engen Gassen der Altstadt. Baskische Lebenslust at it’s best. Dachten wir. Unterm Strich jedoch blieb ein Besuch der Pintxos-Bar Tasca Etxaniz, wo jede Menge unterschiedlicher schwarz-weißer Persönlichkeiten – angeführt von Präsident und Geschäftsführer Wirtschaft – am Weinglas nippten. Allesamt mit ganz breitem Grinsen im Gesicht. Standesgemäß folgte dann noch ein Abschlussbier in der Bar Sarijeta, die gegen zwei Uhr morgens aus allen Nähten platzte. Und aus der vertraute Chants in einem etwas ungewohntem Akzent auf die engen Gassen hallten. Eine Abordnung der Ultras aus Karlsruhe feierte dort bis zur Sperrstunde diesen wunderbaren, etwas glücklichen und doch so wohlverdienten ersten Punkt.
Während es Heimo und Reini am Freitagmorgen nach Pamplona und Biarritz weiterzieht, packen wir schon unsere Sachen und über Düsseldorf geht es wieder in Richtung Heimat. Wäre SturmNetz Tripadvisor, bekäme dieser Kurzausflug viereinhalb Sterne. Obwohl: Für das Wetter kann ja niemand etwas. Sturm Away ist jedes Mal ein neues Abenteuer und auch dank eurer Spenden werden wir in Eindhoven wieder in voller Stärke am Start sein.
Sehr geil Jungs. Herrliche Geschichte. Weiter so
Herrlich lebhafte Geschichte. Danke für diese tollen Impressionen.