SturmNetz-Advent #19

Anna-Carina Kristler – Eine Revolutionärin

Peter Schmeichel, der Niederländer. Oder ist er doch Däne? Ist doch eigentlich vollkommen blunzn. Wie aussagekräftig sind schon Nationalitäten? Genauso wenig aussagekräftig wie Geschlechterrollen, wenn es zum Beispiel darum geht, das Torwartspiel der Zeit zu revolutionieren. Und genau deshalb nennt Anna-Carina Kristler auf die Frage nach ihren einstigen Vorbildern den Namen Schmeichel, der sie über die Jahre ihrer Jugend hinweg begleitet hatte – quasi als Revolutionär seines/ihres Fachs. Ob nun als Niederländer oder als Däne, spielt in Kristlers Prägung scheinbar keine Rolle. 

Aber wie ist es eigentlich, so als junges Mädchen und später als Frau, wenn man sich dazu entscheidet, Fußballerin zu werden? Wie kommt man als Mädl der Neunziger überhaupt darauf, sich als Kickerin in einer von Burschen dominierten Sportart die Stiefel zu schnüren? Mit welchen Vorurteilen oder Klischees wird man im Laufe der Jahre konfrontiert? Wie lebt es sich als Fußballerin, verglichen mit den männlichen Pendants? Mit Fragen wie diesen beschäftigte sich unlängst eine eifrige Sozialpädagogik-Studentin und jahrelange Kurvengeherin im Zuge ihrer Masterarbeit mit dem einprägsamen Titel „Samma Schwoaz! Samma Weiß! Samma Sturm! Samma Grazerinnen!“, in der die Damenmannschaft des SK Sturm zum Objekt ihrer Untersuchungen gemacht wurde und in der unter anderem Kapitänin Kristler teils recht tiefe Einblicke in den Grazer Frauenfußball gewährt.

Geboren in einer kleinen Ortschaft in Kärnten, entdeckte die 1988 geborene Anna-Carina Kristler bereits früh ihre Affinität zum Fußball. Zunächst noch als Beobachterin und Fan ihres Vaters, der einst, genauso wie sie jetzt, die Torhüterposition bekleidete und das auch in exzellenter Manier, wie sie selbst sagt. Dann, wenig später, als aktive Kickerin bei den Burschen, bei denen sie von der U8 bis zur U15 sogar größtenteils das Amt des Kapitäns innehatte, was auch als frühes Ausrufezeichen in der Karriere Kristlers zu deuten ist, denn „normal“ war das zur damaligen Zeit und vor allem am Land keineswegs. Es kam, was kommen musste: Mit 15 wechselte Kristler zur Damenmannschaft von Spittal an der Drau, mit der sie auf Anhieb Meister wurde und bereits in diesem frühen Alter ins U19 Nationalteam aufrückte, wo sie sich im Laufe der Zeit auch als Stammkraft etablieren konnte und es bis heute auf 23 Einsätze im A-Nationalteam brachte. Danach folgte die Zwischenstation Kelag Kärnten, ehe sie eine Liga tiefer nach Graz wechselte und mit den Sturm Damen relativ rasch in die Bundesliga aufstieg. Das Highlight aus sportlicher Sicht war hierbei die Teilnahme an der UEFA Woman`s Champions League vergangenen Oktober, in der sich die Sturm Damen als Vizemeister in zwei Spielen –  in Liebenau vor neuem Zuschauerrekord im österreichischen Frauenfußball und im Rückspiel im Stadion Letzigrund – gegen die Damen des FC Zürich allerdings klar geschlagen geben mussten. Was ihr persönlich jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Erinnerung bleibt, waren die „Anna-Carina“-Sprechchören, die als ständiger Begleiter im Heimspiel dieses Champions League-Abends  zu vernehmen waren.
Die Nordkurve war es auch, die für Kristlers emotionales Highlight in ihrer bisherigen Karriere sorgte, als sie in der Reha-Phase nach ihrer schweren Schienbeinverletzung im Jahr 2013 im Liebenauer Familiensektor ein Spiel der Kampfmannschaft besuchte und plötzlich, ohne Vorwarnung, ein Spruchband mit der Aufschrift: Wir wünschen der besten Torfrau der Nation schnellste Regeneration. Gemma Anna! die Nord zierte. „Da steigt mir heute noch die Gänsehaut auf“, so Kristler, die sich ab diesem Moment nur noch gepusht fühlte, an ihrem Comeback zu arbeiten.

Das Comeback folgte. Heute gilt Anna-Carina als die Gallionsfigur im Tor der schwarz-weißen Damen, quasi eine Revolutionärin dieser Position. Etwaige Vorurteile und Klischees, mit denen sich Kristler im Laufe ihrer Karriere sowieso nie sonderlich konfrontiert sah, spielen – heute wie damals – keine Rolle, weder als junge Fußballerin, noch als angehende Polizistin, zu der sie aktuell ausgebildet wird. Ob du nun aus Dänemark, den Niederlanden oder sonst wo her stammst, weiblichen oder männlichen Geschlechts bist – alles scheißegal, als Revoluzzer deines Fachs.

Leseempfehlung: Unser Interview mit der sympathischen Kristler

Illustration von Kristler – © Micka Messino

1 Kommentar

  1. graz4ever sagt:

    Echt cool und (besond. für österr. Verhältnisse) innovativ von euch (SturmNetz) den Ladys hier – verdientermaßen – immer wieder Platz für Background Infos zu geben u eine von ihnen auch in den Adventskalender aufzunehmen, Chapeu (hoff is richtig so) 🙂

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