SturmNetz-Advent #5
„SO EINEN GIBT’S NUR EINMAL – SO EINER KOMMT NIE MEHR!“
So hieß es damals, Ende der 80er-Jahre in Graz, als eine Mannschaft des Sportklubs Sturm ohne ihren Bozo Bakota an vorderster Front schier unmöglich schien. In 200 Pflichtspielen erzielte er 105 Tore für die Blackies, 86 davon in der Bundesliga.
Beim NK Zagreb, dort wo er auch mit dem Fußballsport begann, war er Mittelfeldspieler, allerdings damals schon mit einem echten Torriecher. Zehn Tore pro Saison waren keine Seltenheit. Auch hier durchlebte er Abstiege und Aufstiege, schon damals ein Spiegelbild seines späteren, bewegten Lebens.
„Unser Trainer war damals der spätere Rapid Coach Vlatko Markovic. Im vorletzten Spiel der Saison, wir standen schon als Meister fest, empfingen wir den Zweiten, Istra Pula. Eine Woche vorher hatten wir gegen Rijeka noch 6:0 gewonnen, das Stadion war dementsprechend mit 15.000 Zusehern bummvoll, doch zur Pause lagen wir 0:3 zurück. Wir haben diese Partie bis dahin nicht sonderlich ernst genommen. Als wir in die Kabine gingen, stand Markovic in der Türe, und gab jedem Spieler eine schallende Ohrfeige. Er meinte wir spielen nicht für den Trainer, wir spielen nicht für uns, wir spielen heute einzig und allein für unsere Fans. Er war sonst wie ein Vater zu uns, so wütend hatten wir ihn gar nicht gekannt und dementsprechend waren wir jetzt aufgeweckt worden. Wir haben das Spiel noch 4:3 gewonnen.“
Im damaligen Jugoslawien musste man bereits 28 sein, um das Land verlassen zu dürfen. Als Bozo 1979 dieses Alter erreichte, bekam er umgehend ein Angebot von Sunderland, im übrigen über den damaligen Manager von Ivica Osim. Ein Vorvertrag war schon unterschrieben.
„Ich habe dort auch einige Zeit mittrainiert, doch die Ablösesumme war dann den Engländern doch zu hoch. Ein Jahr später versuchte ich es bei Rapid Wien. Für den damaligen Trainer Walter Skocik war ich aber nicht gut genug. Da erinnerte ich mich an Otto Baric, der mir schon vor der Probezeit bei Rapid versprochen hat, wenn die mich nicht wollen, soll ich direkt zu ihm nach Graz kommen. Und so kam es dann auch. Es war eine schöne Genugtuung, genau diesem Trainer zu zeigen, dass er sich geirrt hat.“
Und so entstand schon relativ bald das erste magische Dreieck in Graz. Zvonko Breber, Gernot Jurtin und Bozo Bakota. Und eine turbulente Zeit in Graz. Bakota wurde bereits in der zweiten Saison Torschützenkönig, 1983 bremste ihn allerdings ein Lungenriss.
„Zuerst wollte ich gar nicht ins Krankenhaus. Die Angst, keinen neuen Vertrag zu bekommen, sollte der Verein von meiner Verletzung erfahren, war zu groß. Letztendlich bin ich dann doch hin, wie es sich herausgestellt hat, in allerletzter Minute. Knapp einen Monat danach hab ich im Rückspiel gegen Lok Leipzig schon wieder das schwarz/weiße Trikot getragen.“
Der Einzug von Sturm in das Viertelfinale war das Resultat. Damals eine europaweite Sensation. Doch gegen Nottingham Forest folgt das bittere Ausscheiden. Nach einem 0:1 am City Ground führt Sturm zu Hause gegen die Reds mit 1:0 als Schiedsrichter Yukscha einen, wie viele Chroniken und alte Tageszeitungen behaupten, völlig ungerechtfertigten Elfmeter für den zweifachen Meisterpokalsieger und klaren Favoriten gibt. Bozo räumte Jahre später mit diesem Vorurteil auf:
„Da war gar nichts skandalös. Das Foul von Hörmann war eindeutig. Er hat seinen Gegenspieler im Strafraum förmlich umgerannt. Schade, aber eigentlich hätten wir leistungstechnisch gar nie soweit kommen dürfen. Aber uns hat damals eine unheimliche Kameradschaft ausgezeichnet. Die heutigen Profis gehen nach dem Training nach Hause, wir sind immer alle noch zusammengesessen. Diese Spiele im Europacup waren trotzdem die schönsten in meiner Karriere. Ich hab zwar auch für das Nationalteam von Jugoslawien gespielt, war Kapitän der Olympiamannschaft. Aber nach Österreich zu kommen, war mein Traum. Das war für uns Kroaten immer ein Ziel. 1983 bekam ich auch hier zusätzlich die Staatsbürgerschaft, ich würde sagen, heute bin ich ein kroatischer Österreicher.“
Für Otto Baric war Bakota wie ein Pferd – schnell und willig, für Gernot Fraydl ein einzigartiger Spieler mit unglaublichem Tempo und faszinierender Technik, Mario Haas bezeichnete ihn als sein erstes und einziges Vorbild und Andy Pichler erklärte, dass man, wenn es eng wurde, den Ball halt einfach blind nach vorne schlug und hoffte, dass es der Bozo schon richten würde.
1986 war es mit der Karriere bei Sturm vorbei. Bakotas Körper schlug zurück. Zu lange hat sich Bozo, auch immer wieder angeschlagen, für Sturm ins Zeug geworfen. Zu oft ließ er sich vor dem Spiel fitspritzen. Er spielte noch unter seinem ehemaligen Mitspieler Zvonko Breber bei Allerheiligen, später auch noch in Wildon. Zu allerletzt versuchte er es noch in Kanada, danach ging er aber zurück nach Kroatien.
„Ich war dort wieder bei der Armee, allerdings nur in der Reserve und musste bei Ausbruch der Katastrophe in Jugoslawien nicht kämpfen. Nach dem Krieg bin ich gleich wieder nach Österreich und habe gehofft, hier einen guten Job zu finden.“
Doch Bozo meisterte das Leben nach dem Fußball bei weitem nicht so souverän wie den Ball am Spielfeld. Der negative Höhepunkt sollte ein achtmonatiger Gefängnisaufenthalt werden. Von seiner Zelle in der Justizanstalt Jakomini hörte er die Sturmfans in der nahgelegenen Gruabn jubeln, singen und pfeifen. Ein Blick auf den Rasen gelang ihm nicht mehr. Doch nach wie vor wurde er dort in Fangesängen verehrt.
2009, zum 100jährigen Jubiläum des Vereins, durfte er nochmal selbst in der Gruabn auflaufen. Ein Who ist Who der schwarz-weißen Klubgeschichte traf sich zu einem „Benefizspiel für Bozo“. Bakota war gerührt, ein Verein hielt zusammen und bewies zu dieser Zeit, endlich wieder, auf alte Helden nicht zu vergessen. Nur eines war wie immer. Nach einem Foul von Günther Neukirchner an Bozo Bakota verwandelte dieser den fälligen Elfmeter souveränst. Damit blieb eine Serie auch inoffiziell aufrecht: Nie hat Bozo in einem Bewerbsspiel einen Strafstroß im Sturmdress vergeben.
Zwar kam letztendlich in Person von Ivica Vastic wieder so einer, womöglich sogar einer der noch besser als Bozo war, aber die ewige Nummer 7 wird wohl immer im Gedächtnis von Sturmanhängern bleiben, die diese Ära selbst oder durch Erzählungen miterleben durften.
*Am 1.10.2015 verstarb Bozo Bakota im Alter von 65 Jahren in Graz. Sein Traum, irgendwann sein Wissen und Können an junge Sturm-Nachwuchskicker weiterzugeben oder als Scout für die Schwarz-Weißen arbeiten zu dürfen, erfüllte sich nie.
Bozo Bakota ….
Da komm ich ins Träumen …
Ein wunderbarer Artike, herzlichen Dank. Aber gleich noch eine Bitte: Jüngere und Fans aus der Ferne, die Bozo Bakota nicht (mehr) live sehen konnten, würden sich sehr freuen, nähere Details über die Stärken von Bozo Bakota als Stürmer zu erfahren und vom einen oder anderen Wundertor zu hören.
Bozita das Gottesgeschenk! Vastic und Bakota….Fußballer dieser Kategorie wird es in Österreich wohl nie mehr zu sehen geben. Großartig am Feld, abseits des Platzes ging alles daneben.