SturmNetz-Advent #20

Sebastian Prödl – Winterkönig mit Sturm

Ein ganz spezieller Moment

Wir schreiben den 15.12.2007. Liebenau brennt schon vor Beginn des Schlagers gegen den FC Red Bull Salzburg – eine unvergessliche Choreographie mit rund 14.500 Spritzkerzen sorgt für ein Gänsehaut-Feeling der besonderen Art. Das letzte Spiel des Jahres steht an und zur Überraschung der ganzen Fußballnation geht es für den finanziell gebeutelten Klub, der im Vorjahr, im Gegensatz zum roten Stadtrivalen, gerade noch so die Kurve gekratzt hat, um den Titel des Winterkönigs. Die junge Truppe rund um Klaus Salmutter, Jürgen Säumel, Christoph Leitgeb, Mario Kienzl und Sebastian Prödl, um nur einige zu nennen, scheint sich gefunden zu haben und würde mit einem Punkt gegen den Kommerzklub aus der Mozartstadt tatsächlich als Tabellenerster überwintern.

In der 27. Minute ist es dann so weit. Sebastian Prödl köpft nach einem Eckball zur Führung gegen die Dosen ein. Der Jubel kennt keine Grenzen, das Stadion kocht. Auch wenn man letzten Endes in Minute 84. noch den Gegentreffer durch Djordje Rakic hinnehmen muss, belohnt sich die Mannschaft, zum Großteil aus Eigenbauspielern bestehend, mit der Winterkrone.

In Liebenau war vor, während und nach dem Spiel eine Euphorie zu spüren, die in dieser Art und Weise wohl bis heute nicht mehr zurückgekehrt ist. Dieser besondere Tag feierte am vergangenen Donnerstag sein 9-jähriges Jubiläum. Ein Cupsieg und eine Meisterschaft wurden in der Zwischenzeit errungen und trotzdem erscheint es dem Autor, als wäre dieses Gefühl des unheimlichen Stolzes auf das Team, des absoluten Identifizierens mit dem SK Sturm Graz, in dieser Form nie wieder aufgekommen in der Merkur-Arena.

Vielleicht mag dies nur eine subjektive Wahrnehmung sein, jedoch gibt es auch plausible Gründe für diese Einschätzung. Sturm war nach den erfolgreichen Championsleague-Jahren unter Ivica Osim im Jahr 2006 am Tiefpunkt angelangt. Keiner wusste, ob der Verein in der nächsten Saison überhaupt noch in der Bundesliga spielen würde. Die finanziellen Glanzzeiten der Schwarz-Weißen waren gezählt und so musste auf junge Eigenbauspieler gesetzt werden. Die Tatsache, dass man entgegen aller Erwartungen mit vielen jungen Steirern aus der eigenen Akademie den wohl ansehnlichsten Fußball des Landes spielte, erfüllte die Fans des SK Sturm dermaßen mit Stolz, dass ganz eine andere Verbindung zur Mannschaft bestand, als es in den letzten Jahren der Fall war.

Aufgrund dessen ist es wohl wenig überraschend, dass sich die Spieler dieser Generation in den Köpfen der Schwarz-Weißen Anhänger tief verankert haben. Einem dieser Unvergessenen ist der heutige Artikel gewidmet: Dem jungen Feldbacher, der die Blackies zum Winterkönig schoss, Sebastian Prödl.

Über die Amateure zum Leistungsträger

Prödl, der in der Jugend für den SV Kirchberg und den SV Feldbach spielte, wechselte im Jahr 2002 zum SK Sturm, wo er erstmal für die Nachwuchsmannschaften seine Fußballschuhe schnürte. Nach einer starken Herbstsaison bei den Amateuren in der Regionalliga Mitte kam der 1,94m-Hüne am 9. Dezember 2006 zu seinem ersten Einsatz in der Österreichischen Bundesliga. Gegen den SV Mattersburg setzte es jedoch eine 0:1 Auswärtsniederlage. Im Frühjahr mauserte sich der damals erst 19-Jährige zu einer unverzichtbaren Stütze im Team von Franco Foda, spielte in allen Partien über 90 Minuten, bekam nur eine gelbe Karte und sorgte am 09. Mai 2007 auch für sein erstes Bundesliga-Tor. Gegen den SCR Altach erzielte Prödl den entscheidenden Treffer beim 1:0 Sieg vor heimischem Publikum.

Was folgte, war die erstmalige Einberufung in das Nationalteam von Josef Hickersberger und eine noch stärkere Saison 2007/08. In 27 Bundesliga-Einsätzen brachte es der in Graz geborenen Innenverteidiger auf drei Tore und ein Assist. Ein paar Spiele musste Prödl aufgrund eines Muskelfaserrisses auslassen.

Die Deutsche Bundesliga ruft!

Je näher sich die Saison 07/08 dem Ende neigte, desto mehr verdichteten sich die Gerüchte über einen etwaigen Weggang des Publikumlieblings. Noch vor Ende der Saison bewahrheiteten sich die Gerüchte und der Wechsel von Sebastian Prödl zum SV Werder Bremen wurde bekanntgegeben. Auf der einen Seite ein schwerer sportlicher Rückschlag für den SK Sturm, andererseits ein wichtiger Schritt, um die finanziellen Altlasten aus den Krisenjahren endgültig vergessen zu machen.

Bei seinem letzten Saisonspiel für Sturm, dem 3:1-Heimsieg gegen Austria Kärnten, trug er sich zum vorerst letzten Mal in die Torschützenliste der Schwarz-Weißen ein und verabschiedete sich unter Tränen vom Grazer Publikum. In einem Interview gab er damals das Versprechen ab, dass dies nicht das letzte Spiel für seinen SK Sturm gewesen sei.

Bevor es dann aber in den Norden Deutschlands ging, wurde Prödl von Teamchef Josef Hickersberger in den Kader für die Heim-Euro 2008 einberufen. Bei dieser spielte er bei der Niederlage gegen Kroatien, sowie beim Last-Minute-Remis gegen Polen über 90 Minuten. Gegen Deutschland fehlte der Innenverteidiger gelb-gesperrt.

Auch in Deutschland und England Leistungsträger!

Nach der Europameisterschaft ging es dann endgültig zu Werder Bremen, wo Prödl ebenso zu einer absoluten Identifikationsfigur avancierte und teils sogar die Ehre hatte, den deutschen Traditionsverein, als Kapitän, auf das Spielfeld zu führen. Für die Grün-Weißen aus Bremen lief Prödl insgesamt 149 Mal in der deutschen Bundesliga auf und steuerte zehn Treffer, sowie sechs Assists bei. Des Weiteren gab es für den Routinier mit dem Team aus dem hohen Norden zehn Spiele in der Champions League, wo er ebenso einen Treffer beisteuern konnte (gegen Inter Mailand ). Auch im DFB-Pokal machte Prödl neun Spiele (ein Tor) und kürte sich bereits in seiner Debüt-Saison 2008/09 zum Deutschen Pokalsieger.

Nach sieben Jahren bei Werder Bremen einigte man sich im Sommer 2015 auf keinen neuen Vertrag mehr und der Österreicher wechselte ablösefrei zum FC Watford in die Premier League nach England. Dort unterschrieb er einen Vertrag bis 30. Juni 2020.  Bei Watford brachte es Prödl bisher auf 40 Einsätze und drei Treffer. Auch in England scheint der mittlerweile 29-Jährige drauf und dran zu sein, sich ein Standing zu erarbeiten, das nicht so schnell vergessen werden wird.

Wenn man die Karriere von Prödl betrachtet, kann man ganz klar feststellen, dass er einer der wenigen Spieler ist, denen Vereinstreue noch ein Begriff ist. In rund 15 Jahren hat „Basti“ nur bei drei verschiedenen Klubs gespielt und wir hoffen, dass es bei dieser Zahl auch bleibt. Sollte unsere einstige Nachwuchshoffnung zu seinem Versprechen aus dem Jahr 2008 stehen und sportlich noch alles reibungslos funktionieren, darf man sich in zwei, drei Jahren vielleicht Hoffnungen machen, den 60-fachen A-Nationalteam-Spieler noch einmal im schwarz-weißen Trikot bewundern zu dürfen. Vielleicht darf man ja dann mit ihm nicht nur über die Winterkrone, sondern auch über das ganze große Ding jubeln – ein Kreis würde sich damit auf jeden Fall schließen. Und wie man erst am vergangenen Wochenende bei Uros Matic gesehen hat: Der Fußball schreibt immer noch seine eigenen Geschichten.

Größte Erfolge:

1 x Deutscher Pokalsieger
2 x EM-Teilnahme
149 Spiele in der Deutschen Bundesliga
40 Spiele in der Englischen Premier League
10 Spiele in der Championsleague
60 Einsätze für die Österreichische Nationalmannschaft

Illustration von Basti Prödl – © Micka Messino

1 Kommentar

  1. graz4ever sagt:

    Kann mich noch gut und mit positivsten Gefühlen, an die vom Autor hier beschrieben Zeiten erinnern, denn trotz der schwierigen Lage wars mmg vom Feeling, den Emotionen u. auch der Freude an Sturm, die geilste Zeit nach (und auch zusammen mit) den Champions Leage Zeiten 🙂

    Und nein, der Eindruck mit dieser gelebten Euphorie is leider net subjektiv (nur in mikro Impulsen viell heuer in winzigsten Ansätzen..)

    Auf die Rückkehr vom  Basti freut sich dieser hier schon sehr, denn er ist überzeugt von Basti Prödls Wort!!!

    Muss a sagen, daß ich dem Koller etwas verürbel, daß er dem Prödl kaum Einsatzzeiten gibt  besonders da gerade in letzter Zeit er in Topform und leistungstechnisch eindeutig über den letztendlich Aufgebotenen agiert hat..

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