SturmNetz Advent #13

Gernot Jurtin – „Mister Nice Guy“ und ewiger Schwoazer

Graz, Juli 1974: Ein 18-jähriges Ausnahmetalent vom unterklassigen WSV Judenburg unterschreibt nach zähem Ringen zwischen dem SK Sturm und dem damaligen Branchenkrösus Wacker Innsbruck einen Vertrag bei den Grazern. Gernot Jurtin wurde auf Anhieb Stammspieler und sollte den Verein erst wieder als veritable Legende nach 13 Jahren und 119 Toren in 378 Pflichtspielen verlassen. Im Juli 1987 wechselte er zu Kapfenberg und später nach Lebring, um dort seine überaus erfolgreiche Karriere ausklingen zu lassen.

So sehr Gernot Jurtin der Alptraum der gegnerischen Verteidigungen war, so sehr war er auch der Traum aller Schwiegermütter. Als Flügelstürmer war er mindestens „österreichische Weltklasse“, als Mensch war er der „Mister Nice Guy“ schlechthin. 1977, mit erst 21 Jahren, gewann er mit grossen Abstand die Wahl zum beliebtesten steirischen Sportler. Jede Wette, da waren auch viele rote Stimmen dabei.

Der gebürtige Scheiflinger war weder verwandt noch verschwägert mit einem gewissen Hannes Jurtin – einem Südsteirer, der zwischen 1984 und 1989 auch immerhin 32 Spiele für die Schwoazen bestritt. Uns ist übrigens auch kein näheres Verwandtschaftsverhältnis mit Daniel Offenbacher bekannt, der auch aus der selben 2000-Einwohner-Marktgemeinde im Murtal stammt.

Gernot Jurtin und Bozo Bakota – für Viele waren die beiden Legenden der Grund und Anlass, überhaupt Sturmfan zu werden. Mit ihnen klopften die Schwoazen 1980/81 zum ersten Mal – und laut hörbar – an der Tür zur österreichischen Meisterschaft an. Erst eine Heimniederlage im letzten Spiel gegen Rapid verhinderte den großen Triumph. Für Jurtin endete die Saison dennoch mit einem persönlichen Erfolg: Er wurde mit 20 Treffern Torschützenkönig der damaligen Ersten Division.

(c) Johann Dietrich

Ein Gernot Jurtin in voller Blüte, der bereits erwähnte Bakota und der ungarischen Wunderwuzzi Laszlo Szokolai waren dann auch die Hauptdarsteller in Sturm’s legendärem Europacup-Märchen von 1983/84. Zuerst setzte man sich noch mit ein wenig Mühe gegen Sportul Studentesc Bukarest durch. Aber dann schossen die Schwoazen die weit höher eingeschätzten Teams von Hellas Verona (unvergessen Jurtin’s Hammer ins Kreuzeck zum 1:0 beim 2:2 auswärts vor 42.000 Tifosi) und Lok Leipzig aus dem Bewerb. Erst im Viertelfinale war dann leider nach einem höchst umstrittenen Elfmeter in der Verlängerung gegen Nottingham Forest Endstation.

In dieser Zeit – von 1979 bis 1983 – spielte Jurtin auch zwölf Mal im österreichischen Nationalteam, darunter zwei Spiele bei der WM 1982 in Spanien.

 

Ein Spieler vom Format und Talent eines Gernot Jurtin würde heutzutage wohl nicht lange in Graz spielen. Und selbst damals, in den semi-professionellen Zeiten der Siebziger und frühen Achtziger, gab es mehrfache Anfragen für einen lukrativen Wechsel ins Ausland. Für ihn kam das aber wohl nie in Frage – zu wichtig waren ihm das familiären Umfeld in Graz und seine nicht-fußballerische Karriere bei Reifen Gert.

Gernot Jurtin würde sich wohl ein bissl freuen, wenn er diese Zeilen lesen könnte. Leider bleibt ihm diese kleine Freude, auch knapp 30 Jahre nach seiner Zeit beim SK Sturm als schwarz-weiße Legende gefeiert zu werden, verwehrt. Er starb am 5. Dezember 2006 an den Folgen einer Krebserkrankung. Rest in peace, Gernot, du wirst immer einer von uns sein.

 

5 Kommentare

  1. lollo sagt:

    Hab ihn leider nie spielen gesehen, ist am Alter und nicht an der Bereitschaft gescheitert, aber bin ich ihm nachher mal begegnet. Dürft eine klassische Jurtin-Geschichte sein, weil mir erst im Nachhinein bewusst wurde wem ich da über den Weg gelaufen bin. Seit dem Tag fällt es mir deutlich leichter, die Geschichten meines Vaters über die Zeit einzuordnen. Er übertreibt ganz gern, aber bei der Beschreibung seines Lieblingsspieler dürft er sich zurückgehalten und auf Fakten beschränkt haben.

  2. Ferdi sagt:

    Ich habe den Gernot Jurtin und den „Liebenau-Toni Haas“ noch sehr gut in

    Erinnerung. Schön war die Zeit.

    Gernots Bruder Hannes hatte ja auch Vertrag bei Sturm, ….war aber

    leider zu sehr ne „Krätzn“ und konnte sich trotz Potenzial nie durchsetzen.

  3. mgbj49 sagt:

    Der Ferdi liegt daneben, Hannes ist der Cousin vom Gernot und ist (war) ein netter Mann und keine ……

  4. ds1909 sagt:

    Gernot Jurtin betrieb auch selbst ein Autoersatzteil- und Reifengeschäft in Altenmarkt im Pongau. Das Geschäft existiert noch und heißt noch immer „Gernot Jurtin GmbH“ und der I-Punkt ist – wie soll es auch anders sein – ein Fußball.

     

    R.I.P Gernot

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