Peter Simonischek: „Der Kartnig wäre für einen Schauspieler wirklich eine lohnende Aufgabe“

SturmNetz-Advent Tag 7 mit Peter Simonischek
Die „Stille Zeit“ ist nur anderswo wirklich still. SturmNetz.at geht im Advent in die Vollen! Wir lassen ab heute bis zum Heiligen Abend 24 Prominente zu Wort kommen und sprechen mit ihnen über Sturm, Fußball, Gott und die Welt. Schauspielstar Peter M. Simonischek erzählt über die Ähnlichkeiten zwischen Hannes Kartnig und Donald Trump, was der Fußball mit seiner Schauspielkarriere zu tun hat und warum er trotz steirischer Wurzeln nie Sturm-Fan geworden ist. 
 
 
Herr Simonischek, Sie sind in der Steiermark aufgewachsen, haben in Graz studiert. Warum ist es nie dazu gekommen, dass Sie Sturm-Fan geworden sind?
 
Ich bin 1946 in Graz geboren, wir sind mit meiner Familie auf das Land gezogenen, als ich fünf Jahre alt war. Und Fußball war kein Thema in dem Dorf (Markt Hartmannsdorf, Anm. d. Red.), die Leute hatten fünf Jahre nach Kriegsende andere Sorgen. Es war nicht möglich, mal eben für ein Spiel nach Graz zu fahren – kaum jemand hatte ein Auto. Als ich in die Volksschule kam, da war noch nichts. Es gab noch nicht einmal einen Sportunterricht in der Schule. Es war alles kaputt, es gab keinen Turnsaal, es gab gar nichts. Der Sportunterricht bestand daraus, dass wir zweimal im Jahr spazieren gegangen sind und einmal haben wir Völkerball gespielt. Die Kinder, die mit mir zur Schule gingen, mussten alle zu Hause am Hof arbeiten. Und im September und Oktober kamen sie nur selten in die Schule, denn da wurden bei der Ernte alle helfenden Hände gebraucht. Für Fußball begann ich mich zu interessieren, als ich mit zehn Jahren in das Internat in St. Paul im Lavanttal kam.
Gesamtanlage Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal, Luftbild

Das Benediktinerstift in St. Paul im Lavanttal – By Arcomonte26 (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Da kamen ja dann auch die aus der Stadt, aus Klagenfurt und Villach – die konnten natürlich alle Fußball spielen. Und ich konnte es nicht. Wenn du da dann nicht gleich am Anfang mithalten kannst, dann hast du keine Chance, dann bist du hinten dran. Es gab ja nicht sowas wie einen Trainer, wir haben das nicht gelernt, es haben einfach alle gebolzt. Ball her und los geht’s! Bis dahin hatte ich noch nie einen Lederfußball gesehen. Und zwar in dem Sinne, dass ich ein sogenanntes „Ei“ war und die anderen mich deshalb nie mitspielen ließen. Die, die bei der Wahl den besten Spieler bekamen, mussten dann automatisch mich dazu nehmen damit sie dann praktisch einen weniger waren. Denn ich stand nur herum und wusste mit dem Ball nichts anzufangen. Ich habe dann zu meinen Eltern gesagt: „Die spielen alle Fußball und ich kann das gar nicht!“ Dann haben sie mir – da gibt es sogar noch ein Foto (lacht) – zum Geburtstag ein Paar Peck-Fußballschuhe mit Stollen geschenkt. Und ich glaube sogar einen Lederball mit Seele drinnen zum Schnüren.
 
Im Internat sind Sie dann erstmals mit der Schauspielerei in Berührung gekommen.
 
Dieses Manko an fußballerischem Können konnte ich nie mehr aufholen, ich war aber auch kein besonders sportlicher Typ. Aber in dem Internat gab es ja eben auch eine Theatergruppe, die hat ein Lehrer betreut. Letztlich war das Unvermögen, Fußball zu spielen, ausschlaggebend dafür, dass ich zu der Schauspielgruppe gegangen bin. Es gab nicht nur Fußballspieler, es gab auch eine Theatergruppe. Das Lustige dabei war, dass wir alles selbst gemacht haben. Der Betreuer war auch Kunstgeschichte- und Zeichenlehrer und der hat die Bühnenbilder gebaut, das war das Tolle. Nachts haben wir dann aus Dachlatten und Backpapier Sachen gebastelt, er konnte richtig gut malen und das waren dann wirklich sehr schöne Bühnenbilder.
Letztlich war das Unvermögen, Fußball zu spielen, ausschlaggebend dafür, dass ich zu der Schauspielgruppe gegangen bin
Im Internat guckt man ja immer, ob es irgendeine Gelegenheit gibt, aus der Reihe zu tanzen. Das Schwierige ist, das langweilige, sich tagtäglich wiederholende Ritual und die Ordnung irgendwie zu durchbrechen. Und diese Abwechslung gab es beim Theaterspielen. Die Bühnenbilder haben wir oft nach dem Abendessen gemacht, da durften wir das Abendstudium dazu benutzen, so drei, vier Stunden und dann durfte man ein bisschen später ins Bett. Das waren schon ganz besondere Privilegien. Bei meinem ältesten Sohn Max war das auch so, er war ein guter Fußballer und wollte eigentlich Fußballer werden. Aber dann hat er ein Fußballcamp in Deutschland gemacht und richtig professionell trainiert und da hat er gemerkt, wo seine Grenzen sind. Da hat er gemerkt, dass es für das, was er sich vorgestellt hat, nicht reicht. Wenn man Fußballer werden will, muss man natürlich schon nach oben hin Luft haben, da muss das Ziel sein, einmal in der Bundesliga zu spielen. Und dann hat er mit dem Schauspielen angefangen.
 
Herr Simonischek, ist Fußball wie das Schauspiel Kunst, Kultur und Show oder bloß seichte Unterhaltung?
 
Naja, du weißt eh, wie das ist, Fußball ist die wichtigste Nebensache der Welt. Da gibt es ja alle möglichen Bezeichnungen dafür. Leute, die sich nicht für Fußball interessieren, die haben es oft wirklich sehr schwer, zu akzeptieren, dass sich jemand für Fußball so brennend interessiert – also sich Termine mit Rücksicht auf den Champions-League-Kalender macht. Ich kann das sowieso nicht machen, denn ich bin Schauspieler und wenn eine Vorstellung angesetzt ist, dann ist eine Vorstellung angesetzt, die nehmen da natürlich keine Rücksicht darauf. Aber ich trage mir die Champions-League-Spieltage, zumindest ab dem Viertelfinale, auf alle Fälle auch in meinen Kalender ein. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal so sehr dafür interessiere. Zu dem Interesse gekommen bin ich eigentlich durch meine Söhne. Ich hatte zwar in den 70er-Jahren manchmal für die Deutsche Bundesliga die Sportschau geguckt, aber dann habe ich das wieder völlig bleiben lassen.Erst als mein zweitältester Sohn 1988 in Berlin geboren wurde, da habe ich angefangen, danach auf den Fußballplatz zu gehen. Ins Stadion in Berlin, weil es damals noch die Mauer gab und man noch nicht so viel machen konnte. Du konntest ja nicht aus Berlin raus, das war ziemlich umständlich. Gut, für Österreicher war es ein bisschen leichter als für deutsche Bundesbürger, aber trotzdem, du musstest praktisch immer über diese doch sehr martialisch sich gebärdende Grenze in die DDR. Sonst musstest du halt mit dem auskommen, was von Wand zu Wand angeboten wurde und da war eben das Olympiastadion und die Hertha, das hat dem Benedikt unheimlich viel Spaß gemacht. Eine Zeit lang sind wir sogar alle drei ins Stadion gegangen, Benedikt, mein ältester Sohn Max und ich. Und plötzlich habe ich mich da alleine vorgefunden. Irgendwann habe ich einmal festgestellt, das ist jetzt gar nicht mehr unbedingt wegen meiner Söhne. Das war nämlich immer die Ausrede. Ich habe immer gesagt, damit ich dialogfähig bleibe, muss ich mit ins Stadion gehen. Aber plötzlich ist dann von denen keiner mehr gegangen und ich war alleine im Stadion. Mittlerweile hat sich das jedoch auch schon wieder aufgehört.
Olympiastadion Berlin Innenansicht

Das Berliner Olympiastadion – By Jan Künzel (Own work) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons

 
Aber ich habe mit jedem meiner Burschen nach der Matura was gemacht, mit meinem Ältesten bin ich nach Alaska zum Lachsangeln gefahren, mit dem Benni war ich im Roten Meer zum Tauchen und mit meinem jüngsten Sohn Kaspar mache ich jetzt eine Stadion-Tournee. Wir gucken uns die ganzen großen Stadien in Europa an. Das haben wir schön verteilt auf diverse Wochenenden und da können wir jedes Jahr so zwei, drei machen und da haben wir dann lange zu tun, das finde ich super. Da nehmen wir uns dann immer drei Tage, schauen das Spiel an und erkunden die Stadt, so haben wir uns das ausgemacht.
 

Was ist denn Ihr Lieblingsverein?

Der BVB! Aber ich habe jetzt große Probleme mit dem Charisma dieses Vereins, das verkleckert wird, weil dieser Trainer einfach ein langweiler ist, leider. Peter Bosz ist vielleicht ganz gut, aber ohne jede Emotion, das gibt nichts her. Ich bin neugierig, wie lange der Langweiler noch bleibt. Ich fand halt den Jürgen Klopp wunderbar, der Typ war so eine Unterhaltungskanone! Klopp ist für mich ein großer Verführer, der hat soviel Charisma, der ist so ein leidenschaftlicher Mensch und ich meine, wozu guckt man denn Fußball? Man guckt’s sowieso nur wegen der Emotionen. Um mitzufiebern und sich mitzufreuen. Und die waren mir unter Klopp so eine sympathische Truppe!

Rostov-Ajax (8)

Peter Bosz, der „Langweiler“ – By Светлана Бекетова (soccer.ru) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

 
Ich meine, ohne die Bayern würde in der Deutschen Bundesliga natürlich nichts gehen, aber meine wirklichen Sympathien gehören denen nicht unbedingt. Ein paar hassen die Bayern ja geradezu! Das finde ich lächerlich, denn die spielen ja einen superguten Fußball. Der Verein wird halt sehr professionell und kaufmännisch geleitet. In Dortmund ist das zwar sicher auch so, aber nicht ganz so perfekt. Da ist ein bisschen mehr Leidenschaft drinnen, hat man das Gefühl. Der Klopp war in einer Spielzeit ja tatsächlich sogar für einige Tage an letzter Stelle der Tabelle mit Dortmund. Dabei hätte Dortmund auf alle Fälle das Zeug dazu, auch wieder einmal die Champions-League zu gewinnen. Aber jetzt nicht so wie die Bayern, die das von Jahr zu Jahr vertagen und sagen: „Ach, eigentlich hätten wir es schaffen müssen, aber dann eben nächstes Jahr.“ Das ist eine andere Haltung und mir nicht so sympathisch.  
 
Sind Begrifflichkeiten wie etwa Schauspieler oder Regisseur im Fußball angebracht?
 
Ja, durchaus, absolut! Die Schauspielerei ist nicht so weit entfernt vom Fußball, es kommt nicht von ungefähr, dass mein ältester Sohn zuerst Fußballer werden wollte und dann festgestellt hat, dass das Talent dann doch nicht ganz reicht und dann Schauspieler geworden ist. Du brauchst schon ähnliche Qualitäten, du brauchst solistische Qualitäten, du musst Verantwortung übernehmen, du musst schnelle Entscheidungen treffen und du musst ein Teamplayer sein. Theaterspielen ist auch ein Mannschaftssport. Du musst mit den Leuten auf der Bühne umgehen und spielen können. Die Regeln gibt die Inszenierung vor, bei einem Theaterstück sind die ein bisschen variabler als beim Fußball, aber im Grunde genommen sind die Proben dazu da, um die Regeln für diesen einen Abend aufzustellen. Diese Regeln musst du aber jeden Abend vollkommen frei und neu spielen, neu erfinden! Die meisten Leute machen sich ja keine Vorstellungen! Die Schauspieler lernen das auswendig und dann wissen sie, wie es geht und dann machen sie das. Das kann man so sehen, das ist auch so richtig, aber das zu machen bedeutet nicht, das zu exekutieren, sondern du musst das jedes Mal neu erfinden und neu erleben. Das ist es, sonst laufen die Leute nach zehn Minuten nach Hause. Im Schauspiel gibt es auch jede Art von Passspiel und Steilvorlage und Flanke, das gibt es alles, auch verbal. Das ist genauso eine lebendige Sache auf der Bühne, wie am Fußballfeld. Dann bist du alleine, hast deinen Monolog auf der Bühne und dann wird von dir erwartet, dass du deine Tore schießt. Dass du deine Punkte machst. Also das ist durchaus vergleichbar. Man muss sich auf die Mitspieler verlassen können. Der Trainer ist natürlich der Regisseur.
 
Würden Sie sich wünschen, dass das Theaterpublikum manchmal so leidenschaftlich mitlebt wie der Fußballpöbel?
 
Ja, das gibt es ja durchaus. Das hat man nicht so oft, aber auch am Fußballplatz ist es ja nicht immer so erfüllend, nicht? (lacht) Das ist schon toll. Ich hatte auch schon so Vorstellungen, wo wirklich der Teufel los war, wo die Leute jubeln und lachen, dass du gar nicht weiterspielen kannst. 
 
Gab es auch schon einmal Sprechchöre zu Ihrer Person?
 
(lacht) Es ist jetzt nicht so wie am Fußballplatz, ganz so geht’s nicht ab. Aber es ist schon so, dass das im Theater auch mal vorkommt. Ich kann mich erinnern, als die Birgit Minichmayr ihre letzte Vorstellung hatte, bevor sie nach München ging, da riefen die Leute vom Rang: „BIRGIT, KOMM WIEDER!!!“ Und alle haben gejubelt und „Birgit, Birgit, Birgit“ gerufen, also das gibt’s schon. Aber die Ablösesummen sind bei uns noch nicht so astronomisch wie beim Fußball. (lacht) 
 
Das bringt mich auch gleich zu meiner nächsten Frage: Im Fußball kann man generell sagen, dass die Besten auch am besten verdienen. Ist das bei den Schauspielern ähnlich oder konträr?
 
Nun ja, konträr ist das nicht, aber so verlässlich wie im Fußball ist es auch nicht. Im Fußball geht es erst mal um andere Summen, das ist klar, weil es einfach ein größeres Geschäft ist, als das Theaterspielen. Da kann man mehr damit verdienen. Die Stars werden halt daran gemessen, wie viele Punkte sie einbringen und wie viele Tore sie schießen, das ist auf der Bühne nicht ganz so einfach. Man kann höchstens sagen, der füllt das Haus, der ist gut. Wenn du einen Film mit Tom Cruise hast, dann ist das natürlich das Zugpferd, da gehen die Leute hin und wenn du einen No-Name da hast, dann verkauft sich der Film halt nicht so. So ähnlich ist das auch im Fußball, wenn Messi spielt, hebt sich die Stimmung, wenn er rausgeht, dann sackt sie wieder ab. Da gibt es durchaus Vergleiche, ja natürlich. Du kannst natürlich Glück haben, dass du wo reinrutscht, was dann super passt, aber auf die Dauer musst du deinen Status rechtfertigen. Du musst einfach gut sein, dann holen sie dich zu guten Produktionen, zu interessanten Büchern, für interessante Rollen und da verdienst du auch Geld. Aber natürlich nicht in dem Bereich, wie im Fußball.
 
Nicht einmal in Amerika verdient ein Schauspieler so viel, wie ein Top-Fußballer. Aber beispielsweise der Christoph Waltz, der jetzt schon zwei Oscars hat, der kriegt selbstverständlich Gagen um die Million für einen Film, das ist klar. Und ist vielleicht auch noch als Produzent beteiligt, das hängt immer davon ab, wie dringend sie dich wollen und wie die Finanzierung ist. In Amerika kann man schon richtig gutes Geld verdienen, hier in Europa nicht, weil der Markt zu klein ist. Der englische Markt ist natürlich viel größer, die deutsche Sprache ist da schon einmal ein Handicap und überhaupt die vielen europäischen Sprachen. Wenn du ein weltweites Publikum willst, dann musst du das auf Englisch machen und das hat Hollywood fest in der Hand. Hollywood und Indien, Bollywood wie man so sagt. Nur die Filme kommen da nicht zu uns, oder kaum. Für unsere Breiten ist Hollywood natürlich ausschlaggebend. Die beherrschen das auch, das ist marketingtechnisch so beinhart wie bei Bayern München. Ich habe erst vor Kurzem von dem PR-Manager der Bayern (Andreas Jung, Anm. d. Red.) einen Vortrag in Linz gehört, das war irre spannend – irre spannend! Das ist natürlich eine sehr komplexe Sache, Bayern München zu vermarkten. Unglaublich. Weltweit. Irre. Was da zu berücksichtigen ist.
 

Peter Maria Simonischek – © Xenia Hausner

 
Acht Jahre lang haben Sie bei den Salzburger Festspielen Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ unvergesslich verkörpert. Wer ist Ihr persönlicher Jedermann in der Geschichte des Fußballsports? Nun mehr in Bezug auf eine überragende Hauptrolle, als auf die Figur des Jedermann.
 
Das wird in Österreich dann wohl der Matthias Sindelar sein, die Legende. Der Papierene, den ja wir nicht mehr gesehen haben natürlich. Aber der muss wohl wirklich ganz toll gewesen sein, weil der wird international auch heute noch als Wunderknabe angesehen. Der wird immer noch genannt mit Pelé, Franz Beckenbauer, es sind immer die gleichen, Diego Maradonna, Lionel Messi. Ronaldo vielleicht noch, ja. Das waren schon die absoluten Ausnahmelichtgestalten. 
 
Bleiben wir noch eine Frage beim Jedermann: Ist der Domplatz in Salzburg sowas wie das Wembley-Stadion im Fußball?
 
(lacht) Ja, das kann man so sagen. Ich meine, am Domplatz wird 2020 der Jedermann 100 Jahre lang gespielt, praktisch jeden Sommer. Nur während des Krieges wurden zwei, drei ausgelassen. Weil der Dom ja auch einen Bombentreffer hatte. Aber 1920 war die erste Aufführung in Salzburg, jetzt ist das 100 Jahre gespielt worden. Und ich meine, das kommt ungefähr mit den ältesten Stadien auch so hin. Wie alt ist denn das Wembley-Stadion? Das ist doch auch schon bald 100 Jahre alt (Eröffnet 1923, Anm. d. Red.). Da kann man das ruhig so vergleichen, die Heilige Stätte vor dem Dom und das Wembley-Stadion. Es ist schon auch ein Ort, wo man hinpilgert. Für Theaterbegeisterte oder -interessierte ist das schon ein Ort, wo man hinmöchte. Es gibt ja Leute, die haben in ihrem Leben nur eine einzige Theateraufführung gesehen, aber das war der Jedermann. Dafür reisen sie aus den hintersten Tälern von Tirol an, jetzt überhaupt, wo ein Tiroler (Tobias Moretti, Anm. d. Red.) der Jedermann „isch, weischt?“ (lacht) 
 
Ihr letzter Riesenerfolg war die Rolle des Toni Erdmann: Wie viel von sich selbst haben Sie in den Toni Erdmann gesteckt und wäre Luis Suarez mit Toni Erdmanns Zähnen noch bissiger?
 
(lacht) Mein Lieber, Du hast ja wirklich Fragen! (lacht) Das ist ja lustig! Nein, der Toni Erdmann hat mit dem Luis Suarez, Gott sei Dank, nichts zu tun. Der Toni Erdmann ist eigentlich wesentlich weniger aggressiv als ich. Der hat ja seine Aggression irgendwie völlig verloren, der Toni. Ein ganz lieber Vater. Einer Tochter gegenüber ist man glaube ich ein wesentlich lieber und milder als…, also ich meine, ich habe drei Söhne, ja? Da muss man schon gelegentlich einmal deutlich sprechen. Bei Mädchen ist das ja wohl offensichtlich anders, Mädchen können den Papa dermaßen um den Finger wickeln. Das habe ich alles lernen müssen in dem Film. Also wie gesagt, der Toni benutzt seine Zähne, damit er die Tochter zum Lachen bringt und der Suarez hat den Giorgio Chiellini gebissen.
 
Das war ja gar nicht sein einziges Opfer.
 
Nein, der hat schon öfter zugebissen. Aber für so ein breites Publikum, so sichtbar, und das dumme Gesicht von dem staunenden Italiener! Der hat ja dumm geguckt. Du rechnest ja mit viel, aber … Das war ja ähnlich, wie der Mike Tyson das Ohr abgebissen hat. Das ist schon unglaublich, ich finde das ja hochinteressant, muss ich sagen. Also mich als Schauspieler hat das sehr interessiert. Wenn man sich denkt, was ist denn das für eine Art von Ehrgeiz, dass man den Gegner beißt? Das ist ja irre. Ich schicke dir jetzt, wenn du willst, ein Video vom Frauenfußball, wo die eine am Boden liegt und die andere dreht sich um und schießt ihr den Kopf weg, als wäre es der Ball. Das ist doch nicht zu fassen. Die süßen Mädchen, hm? (lacht) Frauenfußball! Man ist ja einiges gewohnt, zum Beispiel vom Pepe. Du kennst diese Youtube-Videos, wo der Pepe mit den Stollen über den Rücken von einem Liegenden fährt? Aber in die Fresse hauen? Das habe ich noch nie gesehen.
 
 
Auf der Bühne und auf der Leinwand sieht man Sie oft in der Hauptrolle – wäre Ihre Position am Fußballrasen auch die des Spielmachers oder doch eine andere?
 
Gute Frage. (überlegt lange) Ja, schon. Ich meine, das ist immer die Frage des Vermögens, aber ich hätte schon die Lust dazu, das Spiel auch zu lenken, zu beeinflussen. Also aktiv zu spielen. Aber das ist natürlich eine Frage des Vermögens. Da gibt es ja nicht so viele, die das können. Das ist sozusagen nochmal etwas Entscheidendes drauf, wenn das einer kann. Deshalb war ja der Beckenbauer so ein großartiger Fußballer, das ist nochmal etwas ganz anderes. Manche überzeugen durch ihre Schnelligkeit und durch ihre Artistik am Ball und in den Zweikämpfen und sind gar nicht so gut, wenn es um die Taktik geht. Wenn es darum geht, wie man so eine Sache einfädelt, damit der Gegner überrascht wird. Dass es so schnell geht, damit der gar nicht merkt, was geplant ist. Das fasziniert, deshalb guck ich so gerne Fußball. Aber dass man das gerne möchte, ist klar. Wenn ich mir das aussuchen könnte, würde ich gerne so begabt sein und so schnell und so gut, damit ich so eine Position ausfüllen kann, das ist ja klar. Aber ich denke, Fußball macht grundsätzlich Spaß, wenn man auf der Position spielt, auf der man sich wohlfühlt und auf der man einfach was kann. 
 
Du hast mit dem BVB bereits dein Lieblingsteam angesprochen – mit welchem Verein fiebern Sie in Österreich mit?
 
Da mein Sohn Kaspar so ein begeisterter Austria-Fan ist, ist letztendlich doch die Austria mein favorisiertes Team in Österreich. Das hat auch etwas ganz Humanes, man muss gute Nerven haben und auch ein bisschen masochistisch veranlagt sein. Die haben die Siegerstraße nicht gepachtet, würde ich sagen. Aber ich bin jetzt 70 Jahre alt, da hält sich mein Fanwesen ein bisschen in Grenzen, ich renne jetzt nicht einem Spieler nach und sage: „He du, ich möchte mit dir einen Kaffee trinken!“ (lacht)
Um Austria-Fan zu sein, muss man auch ein bisschen masochistisch veranlagt sein.
Aber ich freue mich, wenn ich die Leute sehe und empfinde große Bewunderung. Zum Beispiel der Raúl, der war für mich ein wirklich tolles Vorbild. Ein super Fußballer und ein so ansehnlicher Mensch und Sportler. Also wie der zu Schalke gegangen ist und man gedacht hat, der ist jetzt halt alt und bei Real Madrid ausgemustert worden und plötzlich war er die zentrale Figur bei Schalke, als ob der immer schon da gewesen wäre.
 
Um am Ende doch noch zu Sturm zurückzukommen: In einem Film „Hannes Kartnig und der SK Sturm“ – würden Sie da gerne die Hauptrolle spielen?
 
(lacht) Ja, der Kartnig wäre für einen Schauspieler wirklich eine lohnende Aufgabe. Der ist wirklich ein sehr amüsanter Selbstdarsteller und irgendwie hat der was. Ich meine, der könnte eher amerikanischer Präsident sein, als der Donald Trump. (lacht) Da gibt es schon so gewisse Ähnlichkeiten, finde ich. So ein schlichtes Gemüt auch wahrscheinlich, aber einen Geltungsdrang und ein bisschen PR-Talent. Und ich meine, sich mit der Fußfessel in die Oper zu setzen, das ist schon ziemlich keck. (lacht)
 
Zu guter Letzt: Am 17.12. kommt es im Happel-Oval zum Duell Austria-Sturm – trifft man Sie dort im Stadion vielleicht an?
 
Da muss ich gleich einmal meinen Kalender aufmachen. Aja, das ist der dritte Advent! Aha, das schreibe ich mir jetzt ein, das gefällt mir! Da bin ich vielleicht da, ja, da habe ich Zeit. Das muss ich mir jetzt sofort einschreiben. Ich danke Dir, mein Lieber! Sehr freundlich! Muss ich gleich dem Kaspar sagen, dass er da Karten besorgen muss. Wann ist das Spiel, um wie viel Uhr? 16:30? Da schreibe ich mir das einmal hin und dann werden wir da jemanden anrufen und das einfädeln. Ich danke dir für den Tipp!
 
Vielen Dank für das sehr ausführliche Gespräch und die Zeit, die Sie sich genommen haben! Vielleicht sieht man sich am dritten Adventsonntag im Happel-Stadion!
 
Sehr gerne! Es war nett, mit dir zu plaudern! Ich wünsche dir ganz viel Erfolg, mach’s gut. Wir sehen uns vielleicht bei der Austria!
 
 

5 Kommentare

  1. rio sagt:

    „und dann werden wir da jemanden anrufen und das einfädeln.“

    Einfach köstlich und ein Spiegelbild der Verbundenheit der österreichischen Seitenblickgesellschaft am Fußball: ….. für ein VIP-Karterl telefonieren!

  2. chh sagt:

    auch sehr gut:

    „Letztlich war das Unvermögen, Fußball zu spielen, ausschlaggebend dafür, dass ich zu der Schauspielgruppe gegangen bin.“

     
    … und da kommt dann gleich ein Gedanke auf:
     
    Herr Simonischek hat diese Entscheidung bewusst getroffen. Es gibt aber auch Bewusstlose, die sich in imaginären Schauspielgruppen wiederfinden, in allen medialen Formen selbst darstellen, weil sie es einfach nicht lassen können.
     
    Von Sky-Experten bis Sturmnetzkommentierern ins Stammbuch geschrieben, heute besonders gerne, nachdem die vogelsche Vorverurteilung schon begonnen hat.

    • jorge72 sagt:

      schöner stylistischer beitrag – nur inhaltlich kann ich dir nicht ganz zustimmen – „vorverurteilung“ ist schon ein wenig dick aufgetragen oder mir bislang entgangen und etwas kritisch zu hinterfragen, darf und muss nach hyballa auch erlaubt sein…

    • Schworza99 sagt:

      Vorstand hat Vorschlags und Veto Recht…

      Würd mal bei denen nachfragen…

      Und den Hyballa immer wieder erwähnen wennst ein Negativbeispiel nennen willst find ich auch nicht richtig…wenn ich an Breidablik denke war die Milanic Zeit auch keine lustige. Mag sein das Hyballa bei uns gescheitert ist nur haben bei uns halt alle mit Stallgeruch sofort ein anderes Standing als jemand neutrales (zeigt die Vogel Bestellung einmal mehr). Und beim Hyballa nachtreten ist halt leicht. Wennst dem Milanic sagen willst er kann nix lacht er aus der CL mit Maribor deine Kritik weg. Du stellst ihn hin als ob er der Anti Trainer wäre. Wenn dir mehrere Bundesligisten ihre U-Team anvertrauen musst schon was können…

       

  3. ds1909 sagt:

    1. Vogel war/ist meiner Meinung nach eine kluge Entscheidung. Ob diese auch richtig ist, wird sich in naher Zukunft weißen.

    2. Heiko Vogel hat noch KEINEN EINZIGEN TAG bei Sturm gearbeitet, wird aber auf dieser Seite schon unter mehreren Artikeln kritisiert. Unter anderem wegen Erfolge „nur“ mit Basel etc… Ich hab mich bewusst zurück gehalten und mich nicht an Diskussionen beteiligt. Was da teilweise abgeht ist Respektlos!

    3. Welche Kapazunder hättet ihr den sonst gerne? Pep? Tuchel? Conte? Zidane? Oder Kühbauer, Pfeifenberger, Barisic? Da ist mir ein Heiko Vogel 1000mal lieber!

    4. Lasst den Mann mal arbeiten! Wenn er scheitert, dann könnt ihr auf ihn losgehen!

    5. Hyballa, Milanic… Das ist lange schon vorbei! Da ist jede Erwähnung oder Diskussion reine Zeit Verschwendung! (Bei GG weiß ich jetzt nicht so genau ob noch so geile Verträge existieren) Foda hat ja auch nie gepasst – trotz zweitbester Trainer aller Zeiten! (War auch mal ein Fodakritiker) Aber bitte, schön weiter raunzen. Dem neuen Trainer ja keine Chance geben, er könnte ja erfolgreich sein – und die Leute können dann ja nicht schimpfen!

    6. Ist das der Sturmnetz-Adventskalender. Nicht der Artikel über die Trainerbestellung!

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