Schwacher Saisonauftakt zum Verlieben
Zugegeben, die Ambivalenz im Titel ist absichtlich etwas provokant. Doch streng genommen kann der Saisonstart Sturms durchaus als schwach betitelt werden. Man mühte sich in Überzahl gegen ein unterklassiges Team zum Cup-Aufstieg, das vorangegangene Match, wohl ebenfalls gegen einen unterklassigen Verein, wurde vor eigenem Publikum gar verloren und vor selbigem geriet man etwas später in der Liga gegen einen Abstiegskandidaten nach wenigen Minuten ebenfalls bereits mit 0:2 in Rückstand. Das Spiel des Jahres gegen Fenerbahce Istanbul verlor man zuhause dann auch noch. Ein märchenhaftes Bild lässt sich so jedenfalls nicht zeichnen. Doch ist all das, wenn überhaupt, nur die halbe Wahrheit.
Denn die Blackies schafften nicht nur den zu erwartenden Turnaround gegen die Hauptstädter aus Montenegro, ebenso gelang das gleichermaßen seltene wie auch verdiente Kunststück, einen 0:2-Rückstand in einer Meisterschaftspartie zu drehen – in beeindruckender Manier obendrauf. Und gegen den haushohen Favoriten aus Istanbul war man zudem absolut auf Augenhöhe. Mit etwas mehr Glück geht dieses Spiel auch ganz anders aus… Wie dem auch sei, was aufgrund des letzten Halbjahres, wahrscheinlich sogar aufgrund der letzten Jahre, niemand so recht für möglich gehalten hat, ist nun überraschend doch eingetroffen: Sturm macht wieder Bock. Zumindest ist die Vorfreude auf das, was da noch kommen mag, momentan richtig groß. Dank geschickter Transferpolitik ist man heuer zwar kein Titelaspirant, doch womöglich der sympathische Underdog, der begeisternden, offensiven Fußball zum Besten gibt und zudem jungen Talenten eine ansprechende Plattform bieten könnte. Kurzum: Man ist wieder Sturm, sofern man sich auch traut. Damit würde man einen lange gehegten Wunsch des harten Kerns endlich erfüllen.
Sturm ist mitunter bekannt für beinahe kitschig anmutende Szenerien. Der verdiente Siegestreffer in der Nachspielzeit gegen St. Pölten, eingeleitet ausgerechnet vom erst 17-jährigen Romano Schmid, passt in diesem Zusammenhang wie die Faust aufs Auge. Die Begeisterung war trotz schwachen Besucherandrangs danach natürlich grenzenlos. Zurecht. Denn das sind die Momente, für die man ein ums andere Mal ins Stadion pilgert, Kälte, Hitze, Enttäuschungen oder was auch immer erduldet. Man stelle sich nun für einen Augenblick vor, gegen die Niederösterreicher wäre „nur“ ein glanzloser 1:0-Sieg geglückt. Der große Unterschied liegt wohl auf der Hand. Und um bei diesem Spiel zu bleiben: Einmal mehr zeigte sich, dass der gemeine Fan eine gute Leistung zu honorieren weiß und eine solche von einem glücklosen Ergebnis durchaus unterscheiden kann. Denn niemand war sonderlich sauer ob des zunächst ernüchternden Spielverlaufs. Das, was man sah, gefiel ganz einfach trotzdem. Natürlich wird man ein solches Happy End nicht allzu oft zu bestaunen bekommen. Natürlich wird man auch enttäuschende Ergebnisse hinnehmen müssen. Doch die Fans werden wieder ins Stadion kommen und für Feuer und Leidenschaft auf den Rängen sorgen, solange dies auch auf dem Feld zu spüren ist. Die Annahme, der Fan sei lediglich erfolgs- und ergebnisorientiert, ist schlichtweg falsch – zumindest in Graz. Vielmehr braucht es emotionale Erlebnisse, so wie gegen St. Pölten. Den Fußball zum Verlieben eben.
Wie schön und fast schon in Vergessenheit geraten ist es, wenn junge Talente in den Startlöchern stehen, für die Einsätze auch keine Illusionen mehr sind? Wie schön ist es, wenn ein unglückliches Eigentor des unfassbar guten Maresic mit Sprechchören für ebenjenen quittiert werden? Wie schön ist es, wenn alle zusammenhalten und die Stimmungslage einfach eine positive ist? Was Sturm jetzt braucht, ist Mut, um den eingeschlagenen Weg auch konsequent fortzusetzen. Mut braucht auch Franco Foda, der wohl gut daran täte, so weiterzumachen wie zuletzt, offensiven Fußball zu forcieren und Talenten regelmäßig eine Chance zu geben, auch dann, wenn routiniertere Spieler wieder einsatzbereit sind. Wer weiß, vielleicht klappt’s dann auch wieder zwischen ihm und dem harten Kern. Wünschenswert wäre es. Denn wie schön ist es, wenn alle an einem Strang ziehen?
Da flog ein Engel über die Tastatur. Danke!
Ein Manifest
Unfassbar geiler Artikel
Muss mi meinen Vorpostern anschließen: einfach nur wunderschön und wahrscheinlich jedem Sturm-Fan aus der Seele sprechend, ausgedrückt.. 🙂