Saisoncheck Spezial: SK Sturm Graz Damen
Seit mittlerweile gut 10 Jahren existiert Sturms eigenständige Damenabteilung und von Anfang an war man eine große Nummer im heimischen Frauenfußball. Auch in der abgelaufenen Spielzeit war Sturm ständig im Spitzenfeld der Tabelle zugange. Aber auch wenn die Leistungen wieder gut waren, ist der Schritt zu einem Premierentitel nicht kleiner geworden. Wir haben einen kurzen Blick zurück auf die Saison 2022/23 der Damen des SK Sturm geworfen und geben zudem eine Einschätzung zur Abteilung.
Eine Saison mit vielen Höhen und wenigen Tiefen
Die Saison begann im August 2022 mit dem bei den Frauen üblichen Champions-League-Qualifikationsturnier in Madrid. Gegnerinnen im ersten Spiel waren ausgerechnet Real Madrid Femenino, die Sparte, die es beim erfolgreichsten Herren-Champions-League-Klub aller Zeiten erst seit 2020 gibt. Das Team von Christian Lang verkaufte sich gegen die ganz klaren Favoritinnen zunächst nicht schlecht, hielt das Spiel durchaus offen, musste am Ende aber dennoch dem Tempo Tribut zollen und eine 0:6-Packung einstecken. Zwar konnte das zweite Spiel gegen die Kasachinnen von Tomiris Turan klar mit 5:1 gewonnen werden, am Ende reichte es aber nur zum dritten Gruppenplatz. Eine Teilnahme an der Champions League bleibt ob des hohen Leistungsgefälles innerhalb der Qualifikationsgruppen vorerst ein Traum. Die Erfahrungen, die im internationalen Vergleich gesammelt werden können, sind trotzdem betont wertvoll für die Entwicklung der vielen jungen Spielerinnen.
Mehr nach Wunsch lief es dann allerdings in der heimischen Bundesliga, wo in den ersten beiden Runden zwei klare Siege eingefahren wurden. Aber bereits in Runde Drei wurden durch ein Remis in Neulengbach etwas überraschend Zähler verschenkt, was bereits darauf hindeutete, dass die Teams hinter Sturm ihre Hausaufgaben gemacht hatten und wieder näher an die Serienvizemeisterinnen aus Graz herangerückt waren. Es sollte nicht der einzige Dämpfer gegen das Team aus dem Wienerwald in dieser Saison bleiben.
Da der Ligakrösus aus St. Pölten (mit dem verhältnismäßig zahlungskräftigen Sponsor und der ÖFB-Akademie vor der Haustür) seine Gegnerinnen wie in den Vorjahren nach Belieben dominierte, schien das Rennen um die Meisterschaft zugunsten der Niederösterreicherinnen früher als zuletzt entschieden. Am 25. September 2022 stieg das Heimspiel gegen die Wiener Austria im verhältnismäßig riesigen Stadion Graz-Liebenau. Großen Fußball bekamen die leider nur 842 anwesenden Fans zunächst aber nicht zu sehen. Trotzdem drehte Sturm nach einem enttäuschenden 0:1-Halbzeitrückstand durch Tore von Schasching und Kirschstein endlich auf und damit auch die Partie. Danach ließ sich das Team zurecht von den heimischen ZuseherInnen für die drei Punkte und die gelungene Aufholjagd feiern.
Einem weiteren knappen Sieg – diesmal gegen Bergheim – folgte das Spiel gegen den ewigen Goliath St. Pölten. Wieder einmal zeigten die Schwarz-Weißen eine gute, motivierte Leistung, doch wieder waren die Wölfinnen zu abgeklärt und siegten schlussendlich in einem spannenden Duell mit 2:0. Erst nach dieser Niederlage sollte das offensive Werkl bei Sturm so richtig zu laufen beginnen. Bis zur Winterpause folgten drei Siege mit einem Torverhältnis von 28:0 – der bereits standesgemäße zweite Platz wurde einzementiert und die theoretische Chance auf den Titel blieb gewahrt.
Das Frühjahr begann mit dem Cup-Viertelfinale, in welchem Sturm als ambitionierter Vorjahres-Finalist daheim auf den USV Neulengbach traf. Und abermals erwiesen sich die Neulengbacherinnen als Stolperstein auf dem Weg zum vermeintlich leichteren Titel. Nach einem 0:1 war das Ausscheiden im Cup besiegelt und die Enttäuschung groß.
Dem Erfolgslauf in der Meisterschaft tat dies jedoch keinen Abbruch, die Qualität der Schwoazen zeigte sich auch im Torverhältnis. Bis zum 14. Spieltag hielt die Erfolgsserie, ehe es in Messendorf zum vorentscheidenden Rückrunden-Duell gegen St. Pölten kam. Die Wölfinnen hatten überraschend gegen Altach die erste Niederlage seit mehreren Jahren kassiert und dadurch die Meisterschaft wieder spannend werden lassen. Gegen die haushohen Favoritinnen zeigten die Grazerinnen eine unglaublich engagierte Leistung, übernahmen mehr und mehr das Kommando, vergaben aber einige Chancen. Durch einen überaus lachhaften Elfmeterpfiff gingen am Ende aber die Blau-Gelben in Führung und schossen so das eine Tor, das Sturm nicht zu erzielen vermochte. Trotz weiterer Möglichkeiten für Sturm und einem klar vorenthaltenen Elfmeterpfiff, stand man am Ende mit gesenkten Köpfen und null Punkten da. Einen VAR gibt es im österreichischen Frauenfußball (noch) nicht.
In den restlichen drei Runden vor Saisonende schauten zwei Siege gegen Wacker Innsbruck und Altenmarkt, sowie zum Abschluss eine deutliche Niederlage bei der bereits überraschend starken Vienna heraus, die durchaus auch als schlechtes Omen für die kommende Saison gewertet werden könnte.
Es war das letzte Spiel unter dem langjährigen, engagierten Trainer Chris Lang und mit (dem bis hierhin Verantwortlichen für eigentlich eh alles in der Damen-Abteilung) Mario Karner. Bereits im Vorfeld war mit dem erst 26-jährigen Michael Erlitz ein neuer sportlicher Leiter der Damenabteilung präsentiert worden. Christian Lang ist mittlerweile als Jugendabteilungsleiter nun beim TSV Hartberg tätig, Mario Karner rückt aus dem Tagesgeschäft der sportlichen Abteilung und wird nun als technischer Direktor im Damenbereich geführt, wo er sich um Lizenzierungs- und andere finanzielle und strategische Fragen kümmert. Gemeinsam mit Helmut Degen im administrativen Bereich sind nun die Tätigkeiten von zwei Schultern (Karner) auf sechs Schultern aufgeteilt worden (Erlitz, Karner, Degen). Zudem kommt ein neuer Trainer.
Die Konkurrenz schläft nicht (mehr)
Nach den 18 fertig gespielten Runden zeigte sich abermals, dass Sturm durchaus das Zeug hatte, ganz oben mit St. Pölten mitzuspielen, am Ende jedoch die nötige, konstant hohe Klasse und Abgebrühtheit in entscheidenden Momenten fehlte. Der zweite Platz sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass die Teams auf den Rängen drei bis fünf sportlich bereits gefährlich nah an Sturm heranrücken konnten. Die Spielgemeinschaft Altach/Vorderland hat gut gezeigt, was mit ein wenig Investment und Euphorie möglich ist, verfügt auch über guten Publikumsbesuch und stellte mit dem überragenden ÖFB-Stürmerinnen-Talent Eileen Campbell (18 Jahre) die Newcomerin der Saison. Der Kampf um die vorderen Plätze wird in den kommenden Jahren auf nationaler Ebene mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht einfacher werden. Da mittlerweile sogar das Marketing-Konstrukt Red Bull im Damenfußball anfängt, Rapid Wien mit der Mädchen-Nachwuchsarbeit beginnt und der LASK in Kooperation mit einem zweiten Verein ebenfalls auf dem Sprung in die oberste Etage ist, dürfte wohl allen klar sein, dass die Liga nicht nur in der Breite spannender, sondern auch qualitativ hochwertiger werden dürfte.
Es muss allen klar sein, dass der Wind im Frauenfußball durch die wachsende Konkurrenz rauer wird und das scheint auch in Graz angekommen zu sein. Wer nicht gewillt ist, mehr Geld zu investieren, wird an Boden verlieren. Sturm ist an einer entscheidenden Weggabelung und scheint drauf und dran, den hart erarbeiteten Vorsprung durch den verhältnismäßig frühen Einstieg vor über zehn Jahren auf die nun nachziehende Konkurrenz zu verschenken. Die personelle Umstrukturierung in der Führungsebene soll jedoch genau bei diesen Themen der Professionalisierung ansetzen.
Ein Umbruch vor dem Aufbruch?
Noch ist der Fußball der Frauen in Österreich kein Millionengeschäft, sondern für einen Verein der Größe des SK Sturm durchaus leistbar. Jetzt ist der Zeitpunkt, um ein wenig Geld in die Hand zu nehmen, damit man in Zukunft nicht mit größeren Summen die Lücken kitten muss. Es wäre sehr traurig, wenn man am Ende vor lauter Fokus auf die Männer, die Chance auf nationale Erfolge bei den Frauen vergibt.
Im Gespräch mit dem neuen sportlichen Leiter Michael Erlitz kamen bereits einige ambitionierte Veränderungen zum Vorschein, die sich wohl erst mittelfristig so richtig auswirken werden. Sturm bekommt eine U16, das zweite Team wird als U21 geführt und die Abgänge werden demnächst durch qualitativ gute Neuzugänge kompensiert. Zudem wird auch ein halbes Dutzend Akademiespielerinnen die Luft bei der „Ersten“ Woche für Woche schnuppern.
Ein großer Brocken bleibt allerdings bestehen: Das Budget bei den Frauen muss endlich mit angepasst werden – nicht nur an die Inflation, sondern auch an die modernen Bedürfnisse in der Sparte. Die Gehälter bei den Frauen sind noch immer lachhaft im Vergleich zu den Männern, aber auch sie steigen. Der Anspruch muss es sein, die Lücke zu St. Pölten nicht wieder größer werden zu lassen, denn der SK Sturm Graz war in den letzten Jahren auf einem guten Weg. Sturm Graz ist ein Ausbildungsverein, ja, aber gerade in der Sektion Damen muss man ambitionierter und mutiger auftreten. Die Finanzierung könnte auch die Männersparte mit einer prozentualen Abgabe bei ihren Einnahmen ähnlich wie in England an die Frauen leisten, um die finanzielle Ungleichheit etwas abzufedern. Damit wäre schon sehr viel erreicht. Vielleicht gibt es hier ja bereits spruchreife Modelle im Hause Tebbich oder Schicker vorliegen, die man nun aus der Schublade holen könnte.
Wie es nun in Graz weitergeht ist sehr spannend und muss geduldig beobachtet werden. Mit Neo-Trainer Sargon Duran, der Dank seiner Erfahrungen als Co bei Irene Fuhrmann und Christian Ilzer sehr geeignet für die Vermittlung des schwoazen Pressingfußballs ist und für sein Engagement in Messendorf seinen Laola1-Expertenlebensmittelpunkt nach Graz verlegt hat, und Michael Erlitz, der aus dem Video-Analysebereich kam und über die Akademie nun seinen Weg in das handfeste sportliche Tagesgeschäft gefunden hat, sind zwei interessante neue Personalien in die erste Reihe der Damen-Abteilung gerückt. Als Fan und Vereinsmitglied sind die Daumen gedrückt und die Hoffnung natürlich groß, dass die gewünschten Entwicklungsschritte passieren. Als Sturm-Fan darf man auf den zweiten Platz und die damit verbundene Möglichkeit der CL-Quali hoffen, auch wenn es durch die vielen Veränderungen in diesem Sommer nicht leicht wird. In Mario Karner we trust, wie man neudeutsch so schön sagt. Auf zu den Spielen der Frauen, am besten irgendwann auch mal in der Gruabn (bitte!), auf mehr Aufmerksamkeit für dieses Team – auf geht’s, Schwoaze!
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