Ruhe in Frieden, Mehrdad Minavand (1975 – 2021)
Lyon, 21. Juni 1998: Bei der Fußball-Weltmeisterschaft kommt es zu einer der brisantesten Begegnungen der jüngeren Fußballgeschichte. Bei der Auslosung im Dezember 1997 wollte es die Glücksfee, dass ausgerechnet die Auswahl des Irans – bei deren zweiten Endrundenteilnahme überhaupt – die USA zugelost bekam. Obwohl Michel Platini – damals Co-Präsident des Organisationskomitees – sich gelassen gab und schon im Vorfeld davon sprach, „es gehe hier allein um Fußball und nicht um ein Duell der CIA gegen Iraks Geheimdienst“, war die Anspannung vor dem Ankick groß. Das iranische Staatsfernsehen übertrug das Spiel um einige Sekunden zeitversetzt, da man politische Proteste oder gar leichtbekleidete Frauen live am Bildschirm befürchtete. Doch erneut bewies der Fußball, was er alles kann. Statt eines schlichten Wimpeltausches überreichten die Iraner ihren Gegenspielern rote Rosen, beide Mannschaften verzichteten auf das obligatorische Mannschaftsbild und stellten sich in gemischter Formation vor die Fotografen. Auch das Spiel selbst verlief ruhig, die Iraner siegten mit 2:1 und der Schweizer Schiedsrichter Urs Meier musste nur drei Mal den Gelben Karton zücken. Einen bereits in Minute 8, an einen gewissen Mehrdad Minavand, damals vom deutschen Kicker mit dem Spitznamen „Irans Christian Ziege“ geadelt und zuvor drei Mal in Serie Irans Fußballer des Jahres sowie dreifacher Torschütze seines Landes in der vorangegangenen Qualifikation.
Sturms Präsident Hannes Kartnig, der bei der Endrunde eigentlich in chilenischen Gewässern fischte, wird Minavand von einem deutschen Anwalt angeboten. Ohne auch nur ein Wort mit dem 22-jährigen Mittelfeldspieler gesprochen zu haben, versucht man den WM-Helden nach Graz zu lotsen. Die Eile war begründet, galt es doch, den Transfer möglichst schnell unter Dach und Fach zu bringen, um Minavand bereits in der bevorstehenden, erstmaligen Qualifikation zur Champions League einsetzen zu dürfen. Am 9. Juli 1998 fand sich der Iraner im Wiener Hilton ein, die telefonischen Verhandlungen, die der damalige FC Tirol-Vizepräsident Robert Hochstaffl übernahm, konnten starten. Über Wien, Graz und Pirouzi (wo der Präsident von Minavands Noch-Arbeitgeber FC Persepolis saß) glühten die Drähte, um 13:30 stand fest: Obwohl der KSC und der LASK auch am Mittelfeldspieler dran waren, unterschrieb Minavand für drei Jahre bei Sturm und wechselte für eine kolportierte Ablösesumme von 15 Millionen Schilling an die Mur.
Minavand fährt umgehend ins Trainingscamp nach Pichlarn, startet eine Woche darauf einen Deutschkurs und gibt bereits 16 Tage später sein Pflichtspieldebüt, als Sturm sich im Wörthersee-Stadion den Supercup-Pott dank eines 4:0-Erfolges über die SV Ried sichert. Der erste Treffer des linken Mittelfeldspielers folgt im Cupspiel in Reichenau, doch Minavand schafft es nie so richtig in die Stammformation. Ivica Osim bittet – wie so oft bei Neuzugängen – stets um Geduld. In der Bundesligasaison 1998/99 reicht es nur zu zwei Starteinsätzen, in der Königsklasse, darf Minavand lediglich beim 1:5 in Madrid von Beginn an ran. Gegen Inter wird er im Giuseppe-Meazza-Stadion beim Stande von 0:0 in der Nachspielzeit eingewechselt, verliert seinen Gegenspieler aus den Augen und ist mitbeteiligt daran, dass Sturm aufgrund eines Treffers von Youri Djorkaeff in Minute 94 doch noch als Verlierer vom Platz schleicht. Nichtsdestotrotz darf sich der Iraner am Ende der Saison Meister und Cupsieger nennen, auch im iranischen Nationalteam bleibt er trotz enormen Reisestrapazen eine echte Konstante. Obwohl 1860 München und Werder Bremen anklopften, wollte er sich in Graz durchsetzen, legte nach dem Training Sonderschichten ein, um endlich bei Sturm zum Stammpersonal zu zählen.
Wenngleich Mehrdad Minavand vordergründig vor allem ob seiner damals noch ungewöhnlichen, weißen Fußballschuhe in Erinnerung bleiben wird, seine ambitionierten Sturmläufe über die linke Seite zumeist mit einer missratenen Flanke hinter dem Tor endeten, hielt Osim stets große Stücke auf den Mittelfeldmann. Und setzt endlich auf ihn, gerade in jener Phase, in der Sturm seine größten internationalen Erfolge einfährt. In der unvergesslichen Champions-League-Saison 2000/2001 steht der Linksfuß zehn Mal am Feld. Wer zuvor in seiner Heimat regelmäßig vor mehr als 100.000 Besuchern spielte, dem konnte schließlich die größte europäische Bühne nichts anhaben. Unvergessen, als er nach der erfolgreichen Champions-League-Qualifikation gegen Feyernoord am Rotterdamer Flughafen unter heftigen Akklamationen seiner damaligen Mitspieler, ein Geburtstagsständchen für Hannes Reinmayr zum Besten gab. Ansonsten blieb der Iraner den steirischen Fußballfans in gewisser Weise fremd, gab aufgrund fehlender Sprachkenntnisse kaum Interviews. Im Sommer 2001 zog er – immerhin mit zwei nationalen Titeln und 21 Europacup-Einsätzen im Gepäck – weiter nach Belgien, wo er für ein halbes Jahr beim RSC Charleroi anheuerte, dort nicht glücklich wurde und in seine Heimat zurückkehrte. Im Iran blieb ihm bis zuletzt der Status des WM-Helden von 1998, ein nationaler Superstar, dem es nach seiner aktiven Fußballerkarriere in die Musikbranche zog, der die heimischen Charts stürmte und seine eigene Fernsehsendung im iranischen TV moderierte. Am Mittwoch ist Mehrdad Minavand, erst 45-jährig, an den Folgen einer COVID-19 Erkrankung viel zu früh verstorben.
RIP – viel zu jung gegangen, Du warst Teil der großen Sturm Mannschaft. Wir werden Dich nicht vergessen.
…und der einzige der damals am Flughafen in Rotterdam keine Bieflasche in der Hand hatte….werd ich nie mehr vergessen, diese Mannschaft. Oft glaubt man: Haas – Vastic – Reinmayr … das war das Herzstück…aber wieviele klasse Kicker da rundherum da noch waren, nicht nur JPM oder Mini….auch viele weitere super Typen. Unvergesslich, so eine Zeit kommt leider nie mehr 🙁 RIP Mehrdad!
R.I.P. Mehrdad!
Ich bin sehr traurig. Er war einer meiner Helden damals. 🙁 🙁 🙁
Scheiß Corona! 🙁
Ich finde, er war ein wichtiger Teil der Mannschaft damals. Auch einer meiner Helden; der Mannschaft, die für mich immer mein Sturm Graz bleiben wird.
Woran ich mich (sportlich) vor allem noch erinnere, war seine Vorarbeit zum 1:0 gegen Galatasaray (https://www.youtube.com/watch?v=03G_wug5GxE) …
Ruhe in Frieden, Mehrdad!
Cooler Typ in einer coolen Mannschaft! RIP