Rauch: „Beim Fußball braucht man richtig dicke Eier“
Die „Stille Zeit“ ist nur anderswo wirklich still. SturmNetz.at geht im Advent in die Vollen! Wir lassen bis zum Heiligen Abend 24 Prominente zu Wort kommen und sprechen mit ihnen über Sturm, Fußball, Gott und die Welt. Der gebürtige Feldbacher Richard Rauch zählt zu den besten Köchen des Landes und erzählt uns über seine Rolle in der Küche, Sebastian Prödl und wie er als Steirer nur Rapidler werden konnte.
Herr Rauch, die wichtigste Frage gleich zu Beginn: Wie kann man als Steirer nur Rapid-Fan werden? Was ging da schief?
(lacht) Mein um einige Jahre älterer Bruder war schon Rapid-Fan und so bin ich da irgendwie mitgerissen worden. Das hat ja alles schon sehr früh begonnen. Bereits mit fünf Jahren habe ich in Bad Gleichenberg zum Fußballspielen begonnen und mein ganzes Zimmer war mit Rapid-Fanutensilien dekoriert: Angefangen von der Fahne bis hin zur Bettwäsche, alles in Grün-Weiß.
Und in dieser haben Sie wahrscheinlich davon geträumt, einmal für Rapid einzulaufen, oder war die kulinarische Karriere immer schon vorgezeichnet?
Nein, dafür hätte es wohl nie gereicht. Meine Gleichenberger spielen jetzt ja in der Regionalliga und sind erst unlängst im Cup nur knapp gegen RB Salzburg ausgeschieden. Auf diesem Niveau könnte ich nicht mehr mithalten. Aber zumindest ist die Gastronomie wie der Fußball für mich Mannschaftssport. Irgendwann bin ich eben den Weg in die Kulinarik gegangen und daher ging es sich zeitlich nicht mehr aus, regelmäßig Fußball zu spielen. Meine Liebe und Leidenschaft zu diesem Sport ist dann leider etwas auf der Strecke geblieben, der Karriere als Koch wegen.
Verfolgen Sie heute noch die Spiele des TuS Bad Gleichenberg?
Zu Derbys gehe ich schon noch auf den Fußballplatz, aber leider viel zu selten. Ich hab zehn Jahre in Gleichenberg gespielt, von der U6 bis zur U16 und war dort auch zehn Jahre lang Kapitän. Man hat irgendwie schon damals erkannt, dass ich ein Führungstyp bin, der gerne Verantwortung übernimmt. Am Anfang war ich noch Libero, danach ein klassischer Sechser.
Hat man damals an der Tourismusschule in Bad Gleichenberg überhaupt laut sagen dürfen, dass man Rapidfan ist? Wir hoffen doch, dass dort die Schwarzen klar in der Überzahl waren?
Das stimmt, die waren klar in der Überzahl, natürlich. Aber es gibt eben immer wieder Exoten. Probleme gab es deswegen aber nie.
Die Gruabn war Ihnen trotz Ihrer Rapid-Affnität aber schon ein Begriff oder?
Ja klar, als Kind war ich oft dort. Dieses Stadion war ja recht klein und knackig, sehr intim. Man war sehr nah am Spielfeldrand dabei, es gab kaum einen Abstand zwischen Fans und Spielern. Ich habe damals einige Spiele von Sturm gegen Rapid gesehen. So eine Kulisse wie damals gibt es heutzutage in diesen modernen Stadien leider nicht mehr. Der Fußball ist leider generell zu unpersönlich geworden. Es müssen nicht immer gleich 25.000 Zuseher sein, manchmal reichen auch schon 3.000 Besucher, die für große Stimmung sorgen können.
Gab es für Sie so etwas wie einen persönlichen Rapid-Magic-Moment?
Der fand in jener Zeit statt, in der es das Format der Europa-League noch gar nicht gab. Damals, als Rapid im Europapokal der Pokalsieger 1995/96 das Finale gegen Paris Saint-Germain erreicht hat. Leider war ich damals noch zu jung um dorthin zu fahren, aber mein Bruder war vor Ort.
Im Laufe der Zeit haben wir mit SturmNetz natürlich schon alle Pressebereiche in Österreichs Bundesliga-Liga-Stadien besucht und müssen leider feststellen: Bei Rapid gibt es das mit Abstand beste Essen. Könnten Sie sich vorstellen in Zukunft auch das Essen im Allianz Stadion zu kredenzen?
Ja, das könnte ich mir auf jeden Fall vorstellen. Ich denke, Fußball ist weiterhin eine Männerdomäne und jeder Zuseher hätte sicherlich gerne ein ordentliches Stück Fleisch, schön rosa gebraten, denn ein Steak muss auf jeden Fall dabei sein.
2003 haben Sie mit erst 18 Jahren den Familienbetrieb übernommen, 2006 folgte die erste Haube, 2015 wurden Sie Gault Millaut Koch des Jahres und seit 2016 haben Sie 5 Sterne, 4 Gabeln und 3 Hauben, waren sogar der jüngste Koch mit drei Hauben. Jungen Kickern werden Fehler eher verziehen, ist das bei jungen Köchen auch so?
Jetzt bin ich das nicht mehr, aber mit 18 Jahren war ich tatsächlich der jüngste Haubenkoch Österreichs. Man kann es tatsächlich ein bisschen vergleichen, denn auch im Spitzensport werden die Spieler immer jünger. Beim HSV spielt der erst 17-jährige Jan Fiete Arp bereits in der Bundesliga. Ähnlich ist es auch beim Kochen. Es gibt sehr viele junge und talentierte Köche die nachdrängen und sehr hart arbeiten, schon fast zu verbissen sind. Die Spitze wird immer jünger. Ich bin jetzt mit über 30 Jahren bereits im gesicherten Mittelfeld. Jungen Köchen wird einfach viel mehr verziehen. Wie soll ein 18-jähriger Bursch wissen, wie alles funktioniert. Das ist ja auch das Gute daran, dass Fehler passieren dürfen, weil am Ende des Tages sind wir ja alle nur Menschen und keine Maschinen. Der junge Stürmer, der die große Torchance auslässt, wird eine nächste bekommen. Bei mir in der Gastronomie ist es auch so. Wenn ein Gast etwas kritisiert und man in einer Stresssituation falsch reagiert, muss man seine Lehren daraus ziehen und es beim nächsten Mal besser machen. Aus Fehlern lernen, sich anpassen und das Geforderte umsetzen – wie im Fußball.
Sie legen im Steira Wirt viel wert auf Tradition. Auch im Fußball ein heiß diskutiertes Thema. Wie stehen Sie zum Projekt Red Bull zum Beispiel?
Man sieht gerade im Fußball wie wichtig Tradition ist. Vor allem bei den Fans, denn durch Tradition entsteht eine andere Euphorie. Die jüngsten Sturmfans zum Beispiel sind noch im Volksschulalter, die Ältesten haben ein Vielfaches an Lebensjahren am Buckel. Genauso deckt man alle Lebensbereiche ab und verbindet die Generationen. Es ist am Ende egal, um welchen Verein es geht. Ob Sturm, Rapid oder beispielsweise St. Pauli, alles ein Wahnsinn, welcher Mythos hinter diesen Vereinsgeschichten steckt. Einen solchen kann man in Salzburg eben noch nicht vorweisen. Daher füllt man auch nicht die Stadien. Ich war erst unlängst bei einem Spiel auf St. Pauli, das ist schon richtig cool. Da geht die Party ab.
Unterhalten Sie sich mit ihren deutschen Kollegen über Fußball?
Schon ein bisschen, aber auch in Österreich. Ein ganz lieber Freund von mir, der Josef „Pepi“ Floh, der in Langenlebarn seine zwei Haubenlokale führt, ist zum Beispiel schwerer Austria-Fan. Jeder hat halt sein Laster (lacht). Auch in Berlin gibt es eine tolle Weinbar Namens „Cordoba“, die von zwei großartigen österreichischen Sommeliers betrieben wird. Cordoba – natürlich in Anlehnung an den 3:2-Sieg von Österreich im WM-Spiel 1978. Auf der Toilette läuft dort das Tor zum 3:2 in einer Endlosschleife. Also man kann sagen, der Fußball begegnet einem auch in der Gastronomie immer wieder.
Oliver Kahn sagte einst „Eier, wir brauchen Eier!“, bei Ihnen stehen Stierhoden, die sogenannten „Steirischen Jakobsmuscheln“, auf der Speisekarte. Wie wichtig sind Eier im Fußball?
Ich glaube schon, dass man richtig dicke Eier braucht. Dicke Eier dahingehend, dass von seinem Können überzeugt zu sein, vor allem auch den Trainer überzeugen zu können. Ich persönlich bin ein großer Fan von Zlatan Ibrahimovic, habe auch seine Dokumentation gesehen, aber leider noch nicht kennen lernen dürfen. Er ist für mich ein Spieler der polarisiert und begeistert. Er hat viele Fans, aber auch viele Kritiker. Er ist für mich jemand, der dadurch einfach etwas auslösen kann. Man muss meiner Meinung nach einfach ein wenig polarisieren. In Österreich haben wir den Marko Arnautovic. Genie und Wahnsinn. Ein schmaler Grad. Aber auch ein Trainer kann viel entfachen. Typen wie Jürgen Klopp oder Pep Guardiola, die als Trainer etwas darstellen und auch eine junge Mannschaft formen und leiten können. Bei mir in der Küche sind solche Fähigkeiten auch gefragt. Ich muss im richtigen Moment erkennen, welche Fähigkeiten meine Köche haben und so muss ich sie dann auch einsetzen. Krass gesagt: Ich kann einen David Alaba nicht ins Tor stellen, der wird dort nicht funktionieren, weil er dafür nicht die Begabung hat. Man muss immer das Talent von einem Spieler oder einem Koch erkennen, wo liegt seine Begeisterung und so muss ich ihn dann auch einsetzen, fordern und fördern.
Fehlt es dem heutigen Fußball an echten Typen?
So würde ich das nicht sagen. Es gibt immer wieder Spieler, die richtige Typen sind, aber die Mehrheit will wohl einfach nicht anecken. Die wollen alle schön handzahm sein und ja nicht von den Medien zerfleischt werden. Das ist in der Gastronomie ähnlich. Angenommen ich verliere eine Haube oder mir widerfährt anderweitig Kritik: Das ist schon mühsam, aber man steht halt ständig in der Auslage, wird permanent bewertet. Eben fast so wie ein Fußballer. Wenn man in die Zeitung schaut, dann steht da über jeden Spieler eine Beurteilung drinnen, was er falsch gemacht hat oder wie seine Präsenz am Platz war. Teilweise sind das vernünftige Argumente, teilweise aber auch kompletter Schwachsinn.
Sportjournalisten werden von Fußballern hinter vorgehaltener Hand gerne mal als „Turnbefreite“ bezeichnet. Gibt es bei Köchen einen ähnlichen Umgang mit der kritischen Presse?
Man muss sich immer auf Augenhöhe begegnen. Wenn man zum Beispiel als Sportjournalist etwas kritisiert, darf man nicht auf eine persönliche Ebene abdriften. Kritik ist sicher auch ganz wichtig, weil sie die Gefahr minimiert betriebsblind zu werden. Eine vernünftige Kritik kann durchaus etwas auslösen und eine überfällige Wende einleiten.
Sehen Sie sich in Ihrer Position im Steira Wirt eher als Kapitän oder Trainer?
Beides. Das ist ein zweischneidiges Schwert. Der Trainer ist ja nicht auf dem Platz aktiv, bewegt sich aber auch abseits des Spielfeldes sehr viel. Ihn muss man immer mit notwendigen Respekt begegnen. Der Kapitän muss hingegen auch aktiv in der Küche mitarbeiten. Ich denke, man könnte mich alternativ als Spielertrainer bezeichnen.
Gibt es in Ihrem Betrieb eigentlich viele Sturmfans?
Natürlich, da wird dann auch immer lustig diskutiert. Auch in meiner Freundeskreis gibt es sehr viele, auch vereinzelt Salzburg-Anhänger oder Fans der Wiener Vereine, aber in der Steiermark hat Sturm natürlich die größte Tradition.
Welches Gericht ist Rapid Wien und welches Sturm Graz?
(lacht) Das ist eine gute Frage! Sturm Graz ist der elegante Schweinsbraten mit Grammelknödel, dazu gibts ein gscheites Bier. Rapid ist für mich eher die geschmorten Kalbsbackerln mit einem Hauch von Trüffel. Auch wenn beide Vereine Arbeitervereine sind, bewegen sie sich doch sehr gut voran. Die Austria im Vergleich dazu ist eher plump. In meiner Küche wird immer etwas Säure eingesetzt, um das gewisse Etwas hervorzubringen, sei es Zitronensaft, oder Limettensaft, oder auch etwas Essig. Bei der Austria fehlt diese gewisse Etwas zur Zeit einfach. Eine Suppe ohne Salz, würden Sie so ja auch nie essen.
Mit welcher Persönlichkeit aus der langen Geschichte von Sturm hatten Sie den engsten Kontakt?
Euer langjähriger Teamarzt Dr. Peter Wasler war immer zu Gast. Der Kartnig auch schon. Sebastian Prödl ist ebenfalls gerne bei uns, der war sogar erst vor Kurzem mit seiner Familie Gansl essen im Steira Wirt. Sebastian schätzt eben die gute steirische Küche sehr, so etwas fehlt ihm in England.
Was wünschen Sie denn Ihrem Rapid Wien für die Zukunft?
Eine gewisse Gelassenheit und den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Mehr Ruhe, Niederlagen nicht immer so negativ betrachten. Man muss nur nach Köln blicken, dort hat Peter Stöger über einen langen Zeitraum das Vertrauen bekommen, dadurch hilft man einem jungen Team sehr.
Und unserem Sportklub Sturm? Gibt es etwas, was ein Rapidler Sturm wünscht?
Ich hoffe Neo-Trainer Heiko Vogel weiß in Graz zu begeistern. Die Fußstapfen, in die er tritt, sind ja ziemlich groß. Ich wünsche Sturm eh nur das Beste, denn als Steirer feiert man bei Erfolgen sowieso auch mit. Vor allem international würde ich es den Grazern sehr gönnen. Aber als Österreicher sollte man sowieso jedem österreichischen Verein im internationalen Geschäft die Daumen drücken.
Herr Rauch, vielen Dank für das Gespräch und schöne Feiertage!
Vielen Dank, das wünsche ich Ihnen und Ihrem Team sowie allen Sturmfans ebenso.
So gut ich die Serie generell finde, glaube ich schon dass es in der Steiermark möglich sein sollte 24 „prominente“ Sturmfans zu finden
Danke für dein Feedback!
Ich finde, dass man einen Drei-Haubenkoch, der zusätzlich auch noch eine Menge Präsenz im öffentlichen Rundfunk bekommt, schon als „prominent“ bezeichnen darf.
@Moritz
Das seh ich auch so..würd sogar sagen, er is international bekannt 🙂
Ne persönliche Anmerkung:
Vielleicht für näxtes Jahr, wärs cool Interviews mit 24 Ex-Sturmspielern zu führen
Ich glaube es geht Gazzall weniger darum ob Hr. Rauch prominent ist oder nicht, als darum dass er kein Sturmfan ist.
Danke vampy99=> genau darum ging es mir, nicht um die Prominenz von Herrn Rauch!
Würde mir als langjähriger Auslandssteirer da sowieso nicht anmaßen ein Maßstab zu sein und das ist mir eigentlich auch egal ob ICH die Interviewpartner kenne oder nicht.
Also ich persönlich finde die Serie sehr gelungen. Ich finde es auch nicht schlimm, das Interviews nicht ausschließlich nur mit Sturmaffinen Prominenten geführt werden. Ich find es war bis jetzt immer interessant, nicht zu lang und nicht zu kurz. Es sind halt weder alle Steirer, noch alle Österreicher noch sonst wo auf der Welt nur Sturmfans. Ein bissl über den Tellerrand rausblicken schadet nicht.
Und immerhin machen das die Betreiber von Sturmnetz immer noch unentgeltlich und in Ihrer Freizeit, da soll es Ihnen auch erlaubt sein, ihre eigenen Ideen zu verwirklichen. Man muss es ja nicht lesen 🙂
Ich habe ja auch geschrieben, dass ich die Serie generell gut und gelungen finde!
Und eine kleine Anmerkung wird hoffentlich erlaubt sein, gelesen habe ich bisher jedes Interview