Der einstige Sturm-Graz Goalie Harald Rampitsch veröffentlichte unlängst sein Buch „Die Zweite Halbzeit“, nachdem der 69-jährige Kärntner im Jahr 2022 mit seinem Werk „Die erste Halbzeit“ erstmals als Autor in Erscheinung trat. Rampitsch berichtet in den Büchern über seinen Lebensweg von der Jugendzeit in Osttirol und Kärnten bis zu seinem sportlichen Engagement in der Steiermark, das ihn – nach Sturm – auch zu Flavia Solva und SV Lebring geführt hat. Der Goalie, der von 1977 bis 1981 sowie von 1982 bis 1984 im Dienst von Sturm Graz (und im Schatten von Walter Saria) stand, verrät darin viel Privates. Die Geschichten eines Edelreservisten entführen in eine längst untergegangene Fußballwelt.
Zwei Jahre nach Ihrer Premiere als Autor erschien im November Ihr zweites Werk unter dem folgerichtigen Titel „Die Zweite Halbzeit“. Spontan fällt mir der Name Ezio Vendrame ein, den man den italienischen George Best nannte und der sich nach seiner aktiven Karriere bei Vicenza und Napoli ganz der Schriftstellerei widmete. Wann reifte in Ihnen die Idee ein Buch zu verfassen?
Bereits während meiner aktiven Karriere und meines Arbeitslebens, kam ich auf die Idee, Geschichten aus meinem Fußball-, Arbeits- und Familienleben aufzuschreiben. Bei jedem Treffen – egal ob mit Familie, Ex-Kickern oder Arbeitskollegen – wurden immer wieder dieselben Geschichten erzählt. Nach meinem Pensionsantritt legte ich dann los. Die ersten Versuche zeigte ich nur meiner Familie und die haben mich bestärkt. Ich dachte aber nie daran, dass daraus einmal ein Buch entstehen würde.
Die beiden Ausgeben sind ja gesplittet auf Ihre ersten und zweiten 30 Lebensjahre. Was unterscheidet die beiden Werke?
Im Prinzip die unterschiedlichen Lebensabschnitte. „Die Erste Halbzeit“ beinhaltet vor allem Geschichten aus meine aktive Karriere als Fußballer. Der zweite Teil handelt von meinen Trainertätigkeiten bei verschiedenen Amateurklubs, meiner Rolle als Familienvater, meinem vierzigjährigen Arbeitsleben bei der Firma Gady und endet mit dem Pensionsantritt.
Sie sind mit 22 aus Osttirol zum SK Sturm gekommen. Damals, als man als Kicker noch nicht vom Fußball leben konnte, sicherlich ein gewagter Schritt. Welche Träume haben Sie damals bewogen, an den Jakominigürtel zu wechseln?
Mit Rapid Lienz bin ich damals gerade aus der Zweiten Liga abgestiegen und fand zu meinem absoluten Lieblingsverein Sturm-Durisol. Auch weil mir in Graz die Möglichkeit gegeben wurde im Berufsleben Fuß zu fassen. Zu Lienz bin ich zuvor vom unterklassigen Verein Winklern gewechselt. Auch das war schon ein gewaltiger Schritt. Für mich war der Gang in die höchste österreichische Liga eben der Nächste. Ich wollte mich in Graz als Halbprofi durchsetzen.
Insgesamt wurden es acht Jahre in Graz. Eine Phase in der Sturm – wie später ja noch öfters – erstmals wirklich alle Höhen und Tiefen durchwanderte. Vom Fast-Abstieg Ende der 1970er-Jahre, über den verpassten Meistertitel in der letzten Runde der Saison 1980/81 bis hin zu den Heldentaten im Europacup drei Jahre später. Acht Jahre, in denen der Kader im Kern beinahe unverändert blieb. Was hat diese Mannschaft Ihrer Meinung nach ausgezeichnet, wie war so eine Entwicklung überhaupt möglich?
Karl Schlechta, mein erster Trainer in Graz, hatte ein gutes Händchen für junge Spieler aus der Region. Der Großteil von ihnen wurde zu Stammspielern und verließ den Verein meistens erst nach Karriereende. Gernot Jurtin, Walter Saria, Andy Pichler, Hubert Kulmer oder Rudi Schauß, um nur Einige zu nennen, bildeten jahrelang den Stamm. Allesamt haben wir uns auch privat sehr gut verstanden. Schlechtas Nachfolger, wie Günter Paulitsch, Otto Baric, Gernot Fraydl, Robert Pflug oder Hermann Stessl, hatten alle ihre Qualitäten und hievten die Mannschaft sowohl in sportlichen und taktischen als auch in zwischenmenschlichen Belangen auf ein sehr hohes Niveau.
Sturms klare Nummer 1 und Sturms klare Nummer 2 beim gemeinsamen Training in der Gruabn (c) Foto Fischer/Sammlung Sturm
Sie waren ja hinter Walter Saria die klassische Nummer 2 im Sturmkasten. Insgesamt wurden es „nur“ vier Einsätze in der Bundesliga (wohlgemerkt ohne eine einzige Niederlage) und vier im Intertotocup. Hatte Saria nie Lust, auch einmal eine Pause einzulegen, beziehungsweise wie nahe waren Sie dran, diesem Dauerbrenner, dieser Sturmlegende, irgendwann den Rang abzulaufen?
Walter hatte natürlich keine Lust seine Nummer-Eins Rolle abzugeben. Er war zudem unumstritten und selten verletzt. Zweimal bot sich mir die Gelegenheit in die erste Reihe zu treten. Gegen den Wiener Sportclub musste Walter zur Pause verletzt raus, ich machte ein tolles Spiel, hielt das zu Null, aber es war leider das letzte Spiel vor der Winterpause. Gegen Hellas erlitt Saria in Verona eine Muskelverletzung und mit mir im Tor gewannen wir zu Hause gegen Austria Klagenfurt und auswärts bei VÖEST Linz. Sturm war danach Tabellenführer und ich erhielt gute Kritiken. Im darauffolgenden Rückspiel gegen Verona musste ich den Kasten aber wieder räumen. In dieser Phase war ich der Nummer-Eins Position wohl am nächsten.
Tobias Schützenauer – der ja im letzten Sommer nach langer Zeit auf der Bank nach Altach gewechselt ist – hat man jahrelang nachgesagt, er begnüge sich mit seinem Reservistendasein. Halten Sie das für möglich beziehungsweise war es bei Ihnen ähnlich?
Es ging ihm ähnlich wie mir, aber genau kann ich das nicht einschätzen. Wenn Schützenauer zum Zug kam, passten die Ergebnisse, doch als die Nummer Eins wieder fit wurde, musste er wieder auf die Bank. Zweier-Goalies brauchen ein gutes, soziales Verhalten, um der Mannschaft zu helfen und dürfen keine schlechte Stimmung verbreiten. Ich ging 1981/82 zu Flavia Solva in die Zweiten Liga. Dort war ich die klare Nummer Eins und genoss diesen Status. Aber als Sturm sich meldete, überlegte ich keine Sekunde und kehrte zu meinem Herzensklub zurück.
Bozo Bakota, Gernot Jurtin, Marcel Boyron, Zvonko Breber…für Sturm-Nostalgiker klingen diese Namen wie Musik in den Ohren. Spieler, die sie allesamt hautnah miterleben durften. Welcher war für Sie am faszinierendsten?
Ich durfte mit vielen, sehr guten Fußballern zusammenspielen, Gernot Jurtin war für mich der Außergewöhnlichste. Er hatte einen unheimlich starken, linken Fuß. Was ihn aber noch mehr auszeichnete, war die menschliche Komponente. Zum Abschluss seiner Karriere wurde Jurtin „mein“ Spieler beim SV Lebring, wo ich lange Trainer war. Gernot war immer loyal, ein Vorbild für alle Spieler. Jedes Mal wenn ich auf dem Weg nach Salzburg bin, besuche ich sein Grab in Altenmarkt.
Wieviel Platz nimmt in ihren Büchern ihre Zeit bei den Blackys ein und werden Gschichtln feilgegeboten, von denen nicht einmal Benny Sikora bislang was wusste?
In der Ersten Halbzeit gibt es natürlich viele Geschichten über meine Zeit als Aktiver bei den Schwoazen. Aber auch in der Zweiten Halbzeit haben viele Sachen Sturm-Bezug. Beispielsweise erzähle ich von Partien im Unterhaus, in denen ich mich als Trainer gegen ehemalige Sturm-Mitspieler duelliere. Etwa mit Fredl Wirth, der die Sturm-Amateure betreute, Andy Pichler war in Fürstenfeld, Hubsi Kulmer in Fehring und Weiz, Hacki Holzer in Großklein und so weiter.
Harald Rampitsch als Trainer des SV Lebring
Wie war das Feedback von ehemaligen Mitspielern?
Der Großteil meiner Ex-Kollegen, hat beide Bücher erworben. Das Feedback ist durchwegs positiv. Wir haben ja eine Whatsapp-Gruppe mit dem Namen „Sturm 70-80“, in der wir uns regelmäßig austauschen. Zweimal jährlich treffen wir uns, da kommen etwa 15 Ex-Kollegen und wir lassen die alten Zeiten aufleben. Das zeichnet den Sturm-Geist aus.
Sie haben auch Otto Baric hautnah erlebt. Über den Trainer gibt es ja zig Schnurren. Könnten Sie uns eine zum Besten geben?
Bei einem Trainingslager in Kroatien waren wir zu einem Fischessen eingeladen. Alles bestens. Wir durften Alkohol trinken, aber alles mit Maß und Ziel. Horstl Oberkofler wollte keinen Wein und bestellte sich ein Bier. Das bekam Baric mit. Und meinte nur: „Jewiga Oberkofler, wenn Sie trinken Bier zu Fisch, ist wie wenn Sie fahren mit Schiff auf Straße.“ Das war Otto.
Von einem Otto zum anderen legendären schwarz-weißen Otto: Sie waren ja auch dabei als Otto Konrad als ihr Konkurrent im Sturmtor auftauchte. War seine Karriere damals schon absehbar und war er als ganz junger Spieler auch schon dermaßen positiv verrückt?
Der bekommt im Buch natürlich auch seinen Platz. Konrad war ein super Talent, ein positiv Verrückter der unheimlich gut trainierte, das erkannte man sofort. Er war auch einer der immer wieder die Öffentlichkeit suchte. Oder wenn jemand für Autogrammstunden oder Sonstiges benötigt wurde. Otto war immer bereit.
Herr Rampitsch, wenn Sie nicht gerade Bücher schreiben, wie sieht ihr Alltag heutzutage aus?
Nach 40 Jahren bei der Firma Gady als Verkaufsleiter im Landmaschinenverkauf bin ich 2017 in Pension gegangen. Mein Haus mit Garten, meine Familie – zwei Kinder und zwei Enkerl – sind meine Hauptbeschäftigung. Zudem besuche ich regelmäßig steirische Thermen, bin mit meiner Weißburunder-Runde viel mit dem E-Bike unterwegs. Am Wochenende allerdings ist weiterhin der Fußballplatz meine Heimat. Nach über 53 Jahren als Spieler, Trainer oder Funktionär, nun jedoch nur noch als Zuschauer.
Da wäre dann auch ein dritter Teil denkbar, oder?
Ja, vielleicht. Geschichten eines Pensionisten.
Zum Abschluss: Beim SK Sturm erscheint das Modell des Leihtorhüters aktuell der letzte Schrei zu sein. Wie beurteilen Sie diesen Weg?
Bislang hat das ja gut funktioniert Ob das immer so aufgeht, wage ich jedoch zu bezweifeln. Allerdings dürften die eigenen jungen Torhüter noch nicht weit genug sein. Unverständlich ist für mich jedoch, dass man eines der größten Torhüter-Talente in Österreich an DSV Leoben verkauft hat. Florian Wiegele wurde bei Sturm ausgebildet, war bei mir in Lebring in der Landesliga mit 19 Jahren der beste Goalie der Liga und stand im U19-Nationalteam. Sturm sucht große Torhüter, hatte selbst einen 2,06-Meter-Riesen und verkauft ihn. Dahingehend verstehe ich die Transfer-Politik nicht.
Glauben Sie, hat irgendetwas von diesem Sturmspirit, der dieser Mannschaft in ihre Ära beseelt hat, noch bis heute überlebt oder ist der immer wieder inflationär gebrauchte Begriff der „Sturmfamilie“ heutzutage, wo Fußball zum Großteil nur noch ein Geschäftsmodell ist, gar nicht mehr möglich?
Jede Zeit hat etwas für sich, unsere wird heute noch verherrlicht, wir lebten vom Teamgeist. Den Sturmgeist, die Sturmfamilie, das gibt es nach wie vor. Mannschaft, Führungscrew, Mitarbeiter und Fans bestätigen das immer wieder. Tolle Ergebnisse, super Transfers, ein gutes Trainerteam sowie jedes Wochenende ein volles Stadion – Sturmherz was willst du mehr. Solange der sportliche Erfolg passt, kann alles rundherum wachsen. Man darf aber nie den Überblick verlieren. Und immer einen Plan B oder C parat haben. Fußball ist und bleibt ein Tagesgeschäft.
„Erste Halbzeit“ und „Zweite Halbzeit“ sind im Eigenverlag erschienen und können direkt beim Ex-Torhüter (haraldrampitsch@gmx.at) zum Preis von 25 Euro bestellt werden.
Veranstaltungshinweis: Am 6. Februar 2024 (Beginn 19:09 Uhr) wird Harald Rampitsch im Gasthaus Marschallhof (Marschallgasse 22, 8020 Graz), wo der Wirt Johannes Koch seit Jahren eine sympathische schwarz-weiße Enklave aufgebaut hat, sein Buch präsentieren. Es wird die Möglichkeit geben, mit Harald Rampitsch zu diskutieren und über die Zeiten unter Sturm-Trainer Otto Baric zu plaudern. Natürlich wird der Ex-Goalie dort seine Bücher auch signieren.
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