Racing Strasbourg im Portrait | Mit Mario Haas
Kurz vor dem Testspiel gegen Racing Club de Strasbourg haben wir den Klub aus dem Elsass portraitiert und mit Mario Haas über den Klub, die Stadt, die Fans und Emanuel Emegha gesprochen.
Racing Club de Strasbourg Alsace – so nennt sich der 1906 gegründete Klub aus dem Elsass offiziell, umgangssprachlich kennt man ihn national wie international unter dem Namen „Racing Strasbourg“. Seine Heimspiele trägt der Verein im nach einem Straßburger Vorort benannten Meinau-Stadion (offiziell „Stade de la Meinau“) aus.
Bis zum Ende der Ersten Weltkrieges 1918 gehörte die Region zum Deutschen Kaiserreich, auch heute noch sprechen große Teile der Elsässer:Innen neben Französisch auch noch Deutsch. So ist es keine Überraschung, dass RC Straßburg 1906 unter dem Namen FC Neudorf gegründet wurde und erst mit Eingliederung an Frankreich den nach einem erfolgreichen Pariser Klub (Racing Club de France) benannten Namen Racing Straßburg bekam. Den Zusatz Alsace („Elsass“) bekam der Klub erst 2012, um auch den Identifikationsfaktor für die Elsässer außerhalb Straßburgs zu fördern.
Der Klub wurde in den Jahrzehnten nach seiner Gründung mehrmals schwer von politischen Ereignissen getroffen – nachdem schon der Erste Weltkrieg den Klub zum Umzug zwang und einige Spieler den Streitkräften dienen mussten, war es in dieser Region auch im Zweiten Weltkrieg sehr turbulent. Aufgrund des drohenden Einmarsches der Wehrmacht 1939 siedelte man nach Périgord um, wo man fortan in der lokalen Meisterschaft des Département Dordogne spielte.
Nach der Eroberung durch die Wehrmacht siedelte sich der Verein wieder in Straßburg an, wobei sein Name in „Rasensport-Club Strasbourg“ geändert wurde, um möglichst nahe am Original zu bleiben, aber trotzdem einigermaßen deutsch zu klingen. Man spielte in den Folgejahren in der Gauliga Elsass, wo man bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges auch verblieb.
Den größten Erfolg feierte Straßburg 1979 mit dem Gewinn der französischen Meisterschaft und im Folgejahr mit dem Erreichen des Viertelfinales des Europapokals der Landesmeister, in dem man sich Ajax Amsterdam klar geschlagen geben musste.
Schwerere Zeiten sollten in den 2010er Jahren folgen, als der Klub durch sportliche Misserfolge und finanzielle Engpässe massiv in Schieflage geriet. Die Folge war ein Zwangsabstieg in die fünfte Liga im Jahr 2011 und damit einhergehend der Verlust des Profistatus sowie der hauseigenen Fußballschule. Es folgte ein astreiner Durchmarch innerhalb von sechs Jahren in die Ligue 1, nachdem ein Konsortium einheimischer Geschäftsleute dem Verein wieder auf die Beine helfen konnte.
Der jüngste Erfolg der Elsässer war der Gewinn des „Coupe de la Ligue“ im Jahr 2019 und damit die Teilnahme an der Qualifikation zur Europa League, dort scheiterte man allerdings im Playoff an Eintracht Frankfurt.
Ein kurzer Blick auf ehemalige Spieler und Trainer zeigt, dass es die eine oder andere Parallele zwischen Sturm Graz und RC Straßburg gibt. Mario Haas stand zwischen 1999 und 2000 bei den Elsässern unter Vertrag und galt bis zum Transfer Kelvin Yeboahs nach Genua als Rekordverkauf des SK Sturm. Nach eineinhalb Jahren kehrte er zu seinem Heimatklub in die Murmetropole zurück.
Bleiben wir bei den Vereinslegenden: Jahrhunderttrainer Ivan Osim, der sich mittlerweile endlich auch als Namensgeber für den Stadionvorplatz verewigt hat, wechselte 1970 aus Sarajevo nach Straßburg , wo er zwei Jahre verbrachte. Im Anschluss spielte er für den CS Sedan und den FC Valenciennes, eher er 1976 wieder für zwei Jahre an den Rhein wechselte, wo er auch seine Karriere als Aktiver beendete. In dieser Zeit entwickelte sich auch eine Freundschaft zu Arsene Wenger, dem ehemaligen Trainer des FC Arsenal, die Osim bis zu seinem Ableben 2022 aufrecht erhielt.
Auch der Fohnsdorfer Heinz Schilcher stand als Spieler sowohl für Sturm, als auch für Straßburg am Feld – 1971 verließ er die Schwoazen in Richtung Ajax Amsterdam, drei Jahre später heuerte er beim FC Paris an. Nur ein halbes Jahr später folgte der Wechsel zu Nimes Olympique, wo der Defensivspieler zwei weitere Jahre verbrachte, ehe der Wechsel nach Straßburg erfolgte. Zwei Jahre später kehrte Schilcher nach Graz zurück, wo er von 1992 bis 2006 als Sportlicher Leiter aktiv war.
Auch Gilbert Gress hatte ein Arbeitspapier bei beiden Klubs. Der Franzose und gebürtige Straßburger startete seine Spielerkarriere bei Racing, spielte unter anderem für den VfB Stuttgart, Olympique Marseille und die „l’Equipe Tricolore“. Als Trainer schrieb er seinen Namen in die Geschichtsbücher, als er 1979 Straßburg zum bisher einzigen Titel der französischen Liga führte. Nach einigen kürzeren Intermezzos in der Schweiz und in Frankreich übernahm er 2003 das Traineramt des SK Sturm von Franco Foda, doch auch in Graz musste er bereits nach acht Spielen seinen Sessel räumen und Platz für Michael Petrovic machen.
Einstieg von Investorengruppe und der Emegha-Wechsel
Was den zahlreichen und loyalen Fans der Elsässer weniger gefiel, wurde vor einigen Wochen konkret – der Einstieg der BlueCo Gruppe rund um den Multimilliardär Todd Boehly, dem unter anderem auch der FC Chelsea gehört. Dem Vernehmen nach wurden so gut wie alle Anteile veräußert. Der Plan: auch in Frankreich präsent sein. Es gehen Gerüchte um, dass Straßburg sowas wie ein Farmteam des FC Chelsea werden könnte. Ein Konstrukt, wie man es von anderen milliardenschweren Investoren auch in Leipzig und der Mozartstadt kennt.
So ist es auch keine Überraschung, dass bereits kurz darauf der erste Rekordtransfer getätigt wurde. Abakar Sylla kam für satte 20 Millionen Euro Ablöse aus Brügge. Dieser Rekord wird wohl nicht allzu lange bestehen, wird Straßburg aktuell mit einigen weiteren heißen Eisen in Verbindung gebracht. Bei Emanuel Emegha hat man bekannntlich schon zugeschlagen. Der niederländische Stürmer, der diesen Sommer von zahlreichen Topklubs umworben wurde, unterschrieb unlängst seinen Vertrag bei Straßburg. Kolportierte zwölf Millionen Euro wechseln den Besitzer, darüber hinaus hat sich Sturm Graz wohl attraktive Boni und eine Weiterverkaufsbeteiligung gesichert. An einem potentiellen Wechsel an die Stamford Bridge würde Sturm Graz also wohl ordentlich mitverdienen.
Über den RC Straßburg – Interview mit Mario Haas
Die Stürmerlegende verbrachte eineinhalb Jahre in Straßburg, konnte sich dort aber nur bedingt durchsetzen. Wir haben Mario Haas eingeladen, mit uns über seine Zeit in Frankreich, den Verein an sich, die Fankultur, die Region und die Personalie Emegha zu plaudern.
Mario, schön dass Du dir die Zeit genommen hast. Fangen wir bei Deiner Zeit in Strasbourg an, an was erinnerst Du dich positiv beziehungsweise negativ, wie bewertest Du ganz allgemein deine Zeit in Frankreich?
Fast durchaus positiv. Es gefiel mir von Anfang an, der Transfer ist gut über die Bühne gegangen und es war natürlich etwas ganz Besonderes. Ich habe später etwas weniger gespielt und hatte mehrere Trainer, aber man nimmt am Ende immer das Positive mit. Was Viele nicht wissen: Ich habe im Jahr 2000 mit Strasbourg immerhin den Pokal gewonnen und in den ersten Runden meinen Beitrag dazu geleistet.
Die Fanszene zählt in Frankreich zu den emotionalsten und loyalsten. Wie fühlte es sich an, in Straßburg vor vollem Haus aufzulaufen?
Die Stimmung war eigentlich immer Top. Zu meiner Zeit war die Heimstätte noch ein reines Stehplatzstadion. Straßburg hat sehr loyale und stimmungsvolle Fans. Dazu gibt es auch – wie bei Sturm – eine Fanpartnerschaft mit dem Karlsruher SC. Wurden Spieler aus Paris geholt, akzeptierte man sie, auch wenn die Straßburger den Parisern grundsätzlich eher feindlich gesinnt sind. Es gab vereinzelt Sitzstreike, zum Beispiel nachdem Pariser Geschäftsleute Anteile des Klubs übernommen haben, aber im Endeffekt verliefen diese Aktionen immer harmlos.
Du hast in Strasbourg nicht nur Fußball gespielt, sondern auch gelebt – wie hat Dir die Zeit abseits des Fußballs gefallen? Kannst Du uns etwas über die Region, die Kultur und die Menschen erzählen?
Die Stadt ist durch ihre geografische und politische Nähe zu Deutschland sehr deutsch geprägt. Es wird auf den Straßen Deutsch gesprochen, was den restlichen Franzosen immer ein Dorn im Auge war. Man kann die Stadt mit Graz vergleichen. Straßburg ist eine kleine, ruhige Stadt mit einem schönen Dom im Zentrum und vielen historischen Gebäuden. Als Partymeile ist sie nicht bekannt, dafür ist sie zu ruhig. Dafür gibt es ausgezeichnetes Essen und schöne Strecken zum Spazierengehen. Ihm wird es dort an nichts fehlen.
Dann kommen wir gleich zu ihm, immerhin gibt es einige Parallelen. Auch Du warst ein sehr erfolgreicher Stürmer, als du nach Straßburg wechselste. Wenn Du Emanuel Emegha etwas mit auf den Weg geben könntest – was wäre es?
Ganz einfach: Er wird Leistung bringen müssen. Er kommt jetzt als Legionär für viel Geld nach Frankreich, dass er jung ist, zählt jetzt nicht mehr. Straßburg hat viel Geld für ihn bezahlt und wird sich von ihm Performance und Leistung erwarten. Sie werden ihm die Zeit geben sich einzuleben, aber dann wird er relativ schnell an Toren gemessen. Die Erwartungshaltung ist jedenfalls hoch. Ich kenne das selber: Wenn du als Stürmer nicht triffst, wird man sich schnell nach Alternativen umgesehen oder er wird verliehen. Emanuel hatte ja zuletzt noch Mankos im Abschluss, vielleicht hätte ihm ein Jahr in Graz noch gutgetan. Aber wenn er an sich und seinen Schwächen arbeitet, kann und wird er in Straßburg viel lernen und sich als Spieler weiterentwickeln.
HZ 3:0 für Strasbourg