„Müssen an unsere Stärken glauben“
Der Gegner, dem Sturm Graz in der dritten Qualifikationsrunde die Stirn bieten wird, heißt PSV Eindhoven – oder ausgeschrieben „Philips’ Sport Vereniging“. Der Klub aus dem Süden der Niederlande trägt seine Heimspiele im Philips Stadion aus, das etwa 35.000 Menschen Platz bietet. Namensgebend ist der in Amsterdam beheimatete Elektronikkonzern, der 1891 in Eindhoven gegründet wurde. Ihre ersten Heimspiele trug die PSV auf einem von Philips zur Verfügung gestellten Grundstück aus, später wurde der Verein komplett übernommen. In den Niederlanden spricht man von einer Werkself.
Voetbal International zeichnete das Stadion erst 2022 als bestes Stadion in den Niederlanden aus. Vor allem die Akustik und damit einhergehend die hervorragende Atmosphäre in der Heimstätte der Eindhovener sorgte international bereits für Schlagzeilen. In seiner 110-jährigen Geschichte kann der Klub auf beeindruckende 24 Meistertitel, 14 Supercupsiege, 11 Pokalsiege und jeweils einen Titel im UEFA-Pokal und dem Europapokal der Landesmeister zurückblicken. Erst 2022/23 kürte man sich zum Sieger des KNVB Beker, dem nationalen Pokalbewerb der Niederlande. Und kürzlich holte man in Amsterdam gegen Feyenoord Rotterdam die begehrte Johann-Cruyff-Schale, also den nationalen Supercup.
Auf Sturm Graz wartet also ein sehr erfolgreicher Kontrahent, der über enorme Qualitäten verfügt und sich in der vergangenen Saison nur besagtem Team aus Rotterdam im Kampf um die Meisterschale geschlagen geben musste.
Trainer Peter Bosz tendiert zu einem 4-2-1-3 System. In der Viererkette wird der SK Sturm auf einen alten Bekannten treffen. Andre Ramalho spielte von 2011 bis zu seinem Wechsel nach Leverkusen 2015 in den Jugendauswahlen und der Kampfmannschaft von RB Salzburg, 2018 kehrte er für weitere drei Jahre an die Salzach zurück, ehe man ihn 2021 nach Eindhoven verkaufte. Außerdem könnte man auf den ÖFB-Teamspieler Phillipp Mwene treffen, der in der vergangenen Saison ganze 38-mal im Dress der Eindhovener auflief.
Im Mittelfeld spielt die PSV mit zwei defensiven „Sechsern“, meist mit Ibrahim Sangaré und Publikumsliebling Joey Veerman. Sangaré hat trotz fünf Toren in der Eredivisie Saison 22/23 eher defensive Aufgaben, während Veerman der Freigeist im Mittelfeld ist, der auch mal auf den Flügeln unterstützt und sich gerne auch vorne einmischt.
Die Position im offensiven Mittelfeld dürfte aktuell die Schwachstelle der PSV sein. Xavi Simons, der vor seiner Rückkehr nach Paris eine hervorragende Saison spielte und in 34 Einsätzen ganze 19 Tore und 9 Assists verbuchte, wurde noch nicht adäquat ersetzt. Gerüchten zufolge soll Malik Tillman vom FC Bayern der geeignete Kandidat sein, diese Lücke zu schließen. Gegen die Blackys könnte dafür der junge Eigenbauspieler Isaac Babadi seine Chance bekommen. Der 18-jährige Akademiespieler spielte letzte Saison noch in der zweiten Mannschaft. Realistischer wäre aber ein Einsatz vom ehemaligen Teamspieler der Elftal Guus Til.
Auf den Flügeln ist mit dem für 12,5 Millionen Euro aus Brügge geholten Noa Lang zu rechnen, dazu könnte Anwar El Ghazi über rechts kommen. Im Sturm wird wohl Kapitän Luuk de Jong auf Torejagd gehen, es könnte aber auch zum Europacup Debut von Supertalent Ricardo Pepi kommen.
Die Niederländer setzen auf eine robuste Abwehr, die Sturm wenig Raum geben wird. Die laufstarken Mittelfeldspieler tragen den Ball schnell und akkurat nach vorne, wo der pfeilschnelle Noa Lang oder aber der erfahrene Anwar El Ghazi die Bälle auf Luuk de Jong bringen wird. De Jong alleine auszuschalten wird aber nicht reichen – die meisten Tore schoss die PSV in der letzten Saison mit nominellen Mittelfeldspielern. Ein großes Manko der Werkself aus Eindhoven ist jedenfalls die Innenverteidigung. Aktuell stehen lediglich drei „gelernte“ Innenverteidiger unter Vertrag, wobei mit Armando Obispo der größte Defensivmann ausfällt. Andre Ramalho ist der körperlich größte zur Verfügung stehende Innenverteidiger, mit 182 cm verfügt er aber wohl nicht über das nötige Gardemaß, um einen in Hochform spielenden Szymon Wlodarczyk für ein ganzes Spiel unter Kontrolle zu halten.
Beste Voraussetzungen für einen spannenden Quali-Krimi also. Ein hochwertiger Gegner in einem ausverkauften Stadion. Sportlich gesehen sehen Buchmacher die Niederländer in der Favoritenrolle, der damit einhergehende Druck könnte sich positiv auf den SK Sturm auswirken. Außerdem werden die Grazer von 900 mitgereisten Fans willkommen geheißen – die Bustickets nach Eindhoven sind bereits allesamt vergriffen.
Die Pressekonferenz vor dem Spiel
Kjell Scherpen, Sturms neue Nummer eins, freute sich bei der Pressekonferenz am Vortag des Spiels über seine wichtige Rolle, die er bei Sturm Graz gleich von Anfang an einnehmen durfte: „Ich bin in das Team schnell hineingewachsen und weiß, wie bei Sturm gespielt wird.“ Natürlich hatte er die letzte Begegnung PSVs mit Feyenoord Rotterdam, die das Team aus Eindhoven deutlich für sich entscheiden konnte, gesehen und er wusste auch davon zu berichten, wie stark die Niederländer auftreten. Dem hatte er allerdings entgegenzusetzen, dass die Mannschaft des SK Sturm sehr gut vorbereitet und in der Lage ist, den Favoriten zu fordern. Angesprochen auf den Vergleich der Stimmung von den Rängen merkte er an, dass ihn der Away-Support in der ersten Runde der heimischen Bundesliga bei der Wiener Austria sehr beeindruckt hat.
„Uns ist bewusst, welches Kaliber wir da morgen vor der Brust haben“, gibt Trainer Christian Ilzer zu verstehen, dennoch müsse seine Mannschaft versuchen, nicht nur defensiv stark zu spielen, sondern den Gegner auch weiter vorne zu fordern, „wir brauchen in allen Phasen des Spiels eine Top-Leistung und an die müssen wir glauben!“
Ziel sei es, „mit einem Ergebnis abzureisen, das fürs Rückspiel alle Möglichkeiten offen lässt“ und das wollen die Grazer unter anderem durch jenen Mut erreichen, den sie aus den internationalen Erfahrungen der vergangenen Jahre gezogen haben. Zusammen mit seiner Mannschaft möchte er verhindern, dass in dieser so wichtigen Begegnung „die Maschinerie“ PSVs ins Laufen kommt – damit meinte er konkret die Dynamik, die entstehen kann, wenn sich Heimmannschaft und Publikum gegenseitig befeuern. „Wir müssen auch hier an unsere Stärken glauben und uns zutrauen, unser Spiel zu spielen“, so der Trainer.
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