Matic: „Porno-Matic? Schwierig, das meiner Frau zu erklären!“
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Die Pokale im Trainingszentrum Messendorf versprühen die Aura von Erfolgen einstiger Tage. Ein guter Ort, wie wir fanden, um uns mit Uros Matic ebenda zu einem Interview zu treffen. Der Serbe ist zurzeit unumstritten der wichtigste Baustein dafür, dass man als Sturmfan wieder von Glanz und Glorie längst vergangener Tage träumen darf. Nicht von ungefähr wurde dem Mittelfeldspieler schon eine Cover-Version des David-Bowie-Klassikers „Heroes“ gewidmet. Umso erstaunter waren wir, wie unglaublich bodenständig und bescheiden sich Matic schon vor und auch während des einstündigen Gespräches uns gegenüber präsentierte.
Uros, danke, dass du dir für uns Zeit genommen hast. Du bist nun schon seit vier Monaten in Graz. Sind dir regionale, kulinarische Besonderheiten wie Kastanien, Schilcher und Kernöl bereits ein Begriff?
Ich bedanke mich bei euch. Ja, das sind alles großartige Sachen. Kulinarisch gibt meine neue sportliche Heimat doch einiges her. Die steirische Küche ist einfach wunderbar. Wenn ich alles essen würde, was mir schmeckt, dann würde ich fürchterlich zunehmen.
Was isst du am liebsten?
Alles! Ich komme vom Balkan, deswegen muss es einfach immer Fleisch sein. Und das Fleisch in der Steiermark ist sehr hochwertig.
Du hast für Gespräche mit Günter Kreissl und Franco Foda extra deinen Spanien-Urlaub unterbrochen. Wie konnten sie dich überzeugen, nach Graz zu übersiedeln?
Als diese Anfrage kam, machte ich mir so einige Überlegungen. Mich hat überzeugt, dass es sich um Leute mit einer Siegermentalität und großen Zielen handelt. Das sind Dinge, die mir in dieser Phase meiner Karriere extrem wichtig sind. Dieses Gespräch mit Günter Kreissl und unserem Trainer war letztendlich sicher ausschlaggebend für die Entscheidung, nach Graz zu kommen. Ich war mir sicher, dass ich die Chance bekomme, viel zu spielen und mich gut zu präsentieren. Meine Familie konnte ich auch schnell überzeugen. Wir kannten den Verein und seine tollen Fans ja auch schon vorher. Jetzt heißt es einfach: Gas geben und Spaß haben.
Inwieweit war dir Sturm eigentlich vorher schon ein Begriff?
Graz ist nicht weit weg von meiner Heimat. Viele Spieler aus dem ehemaligen Jugoslawien haben hier gespielt, daher hat Sturm dort auch so ein positives Image. Und natürlich weiß jeder, der sich in Serbien für Fußball interessiert, dass Sturm der Herzensverein der großen Legende Ivica Osim ist.
Also können wir unsere nächste Frage streichen…
Ja (lacht, beginnt aber dann sofort über Osim zu sprechen). Ich war ja noch recht jung, als er hier war. Aber mein Vater hat früher auch gespielt und er hat sehr viel über Osim gesprochen. Wenn du mit Leuten redest, die ihn in seiner aktiven Zeit erlebt haben, wird sofort klar: Das ist Toplevel, besser kann es nicht werden. Die Menschen in Ex-Jugoslawien respektieren ihn sehr – sowohl seine Arbeit als auch seine Persönlichkeit. Ich hab nicht ein einziges Mal etwas Negatives über Osim gehört. Ihr könnt mir glauben, ich weiß alles über Osim und seine Zeit bei Sturm.
Mit Breda bist du in deiner ersten Saison abgestiegen, danach spieltest du zweitklassig. Wie vielen attraktiven Anfragen hast du damals abgesagt in der Hoffnung, dass sich Sturm Graz doch noch meldet?
Es gab tatsächlich viele Anfragen aus den Niederlanden. Ich war aber auch glücklich in Breda. Der Verein ist Sturm recht ähnlich, er hat ebenfalls sensationelle Fans. Aber Breda hatte nicht das Potential, international zu spielen. Ajax, Feyenoord und Co. sind einfach eine Nummer zu groß. Ich wollte aber höchstes Niveau, die erste Liga und zumindest die Möglichkeit, in einem europäischen Wettbewerb zu spielen.
„Ich hatte aber relativ schnell keine Zweifel: Sturm ist der richtige Verein für mich.“ – Uros Matic
Welche Teams hatten demzufolge gegen Sturm das Nachsehen?
Es gab einige Anfragen von Erstligateams aus Holland und Belgien. Ich hatte aber relativ schnell keine Zweifel: Sturm ist der richtige Verein für mich. Wie ich schon sagte: Wir haben hier die Chance auf einen europäischen Wettbewerb. Dazu hat Sturm einfach geniale Fans und die Lebensqualität in der Steiermark ist sehr hoch. Vor allem für meine Familie ist mir das sehr wichtig. Zudem ist es auch nicht weit von hier in meine Heimat. Im Moment passt hier einfach alles.
Hattest du schon Zeit, die Stadt zu besichtigen?
Ja, Graz ist wirklich nett. Mir fällt überhaupt nichts Negatives ein. Ich bin auch toll aufgenommen worden und genieße die Atmosphäre. Meine Frau, mein Sohn und ich – wir sind alle sehr glücklich hier.
So manch einer nennt die Stadt Graz auch das „Tor zum Balkan“. Gibt es hier etwas, das dich besonders an Vrelo, Belgrad oder Šabac erinnert?
In Graz gibt es an jeder Ecke Balkan-Food. Es fühlt sich an wie zu Hause. Beim Interspar beispielsweise gibt es eine ganze Abteilung nur mit serbischem Essen. Es ist ja fast so, als ob ich in Belgrad spiele (lacht). Viele Leute hier kennen auch serbische Begriffe. Das sind jetzt nicht unbedingt Wörter aus der Hochkultur, aber man kennt sie. Mehr sollte ich dazu jetzt nicht sagen (lacht und schaut zu Sturms Pressesprecher).
Wie sieht es mit den Stadien in Österreich im Vergleich zu Holland aus?
Da gibt es schon einen Unterschied. Die Stadien dort sind grösser. Und voller. Warum das so ist, kann ich noch nicht sagen. Vielleicht ist die Mentalität hier anders. Als wir mit NAC abgestiegen sind, haben die Leute trotzdem geklatscht. Das wäre hier wohl eher nicht so (lacht). In Breda ist man auch sehr stolz auf den Verein. Die Leute wachsen ganz selbstverständlich als NAC-Fans auf. Niemand kommt auf die Idee, Feyenoord- oder Ajax-Fan zu werden. Daher wird der Verein auch in schwierigen Zeiten unterstützt. Was mich hier ein wenig verwundert: Es gibt viele Rapid Fans in Salzburg oder Graz. Ich bekomme auch Mails von Sturm-Fans aus Salzburg. Das ist in Holland ganz anders. Kein Mensch in Breda hält zu Feyenoord. Auch wenn doch weniger Leute im Stadion sind, der Support in Graz ist nichtsdestotrotz in jedem Spiel genial. Auch so etwas ist mir sehr wichtig.
Siehst du auch noch andere Parallelen zwischen NAC Breda und Sturm Graz?
Ich denke, bei beiden Vereinen leben die Menschen für den Verein. NAC spielt in der zweiten Liga und hat trotzdem zwischen 10.000 und 12.000 Saison-Tickets verkauft. Das Stadion fasst 19.000 Leute. Es ist also egal, wenn die Mannschaft mal nicht so toll spielt. Sie wird immer unterstützt. Aber auch die Sturm-Fans haben einen tollen Draht zu uns. Ich erinnere mich an eine Situation in St. Pölten, als es Elfmeter gegen uns gab und die Fans trotzdem weiter gesungen haben. Keiner hat resigniert. Und siehe da: Eine Minute später haben wir das Tor geschossen.
Es ist keine Neuigkeit, dass Spieler aus Ex-Jugoslawien zu Helden in Graz werden. Legionäre aus dem Süden waren in der langen Geschichte des Sportklub Sturm nur allzu oft eine echte Bereicherung. Du scheinst nahtlos an diese Tradition anzuschließen. Wie kann man dieses Phänomen deiner Meinung nach erklären?
Vielleicht liegt es ja wirklich an dieser heißblütigen Atmosphäre, an dieser Leidenschaft. Sturm Fans lieben es, wenn ein Spieler um jeden Zentimeter Rasen kämpft. Deswegen fühlen wir uns wohl.
„Das ist ja schon sehr cool. Man kommt von irgendwo aus dem Ausland und die Fans mögen dich.“ – Uros Matic
Viele schwarz-weiße Publikumslieblinge und Legenden stammen auch aus Serbien. Sind dir Michael Petrovic oder Ranko Popovic ein Begriff?
Ranko Popovic ist mir bestens bekannt. Das ist ja schon sehr cool. Man kommt von irgendwo aus dem Ausland und die Fans mögen dich. Dann muss man natürlich noch härter arbeiten und noch besser werden.
Du hast schon einige Trainerpersönlichkeiten miterlebt. Wie würdest du Franco Foda in drei Worten beschreiben?
(denkt etwas nach) Professioneller, harter Arbeiter.
Wäre Sturm mit den bisher gezeigten Leistungen auch in der Eredivisie Tabellenführer?
Ich denke mit diesem System, dieser Professionalität und den technischen Fähigkeiten, wären wir auch in Holland vorne dabei. Was die Einschätzung etwas schwierig macht, ist, dass in Holland eigentlich nur ein System gespielt wird: 4-3-3, also Vollgas nach vorne. Das fängt schon in ganz jungen Jahren an. Jeder spielt 4-3-3. Angriff, Angriff, Angriff.
Gibt es etwas, das du aus deiner Zeit in Breda vermisst? Beispielsweise sollen die Spielerwohnungen in Graz nicht allzu groß sein…
Ich hab keine Ahnung, woher ihr solche Gerüchte habt (lacht).
Stimmt’s nicht?
Ich möchte betonen, dass wir jetzt einen ganz tollen Platz zum Leben haben. Bei der Wohnungssuche haben wir sicher auch Angebote gesehen, die ähnlich waren wie in Breda. Dort wohnten wir im 7. Stock. Aber mein Sohn ist mittlerweile zwei Jahre alt. Der braucht einfach Auslauf. Wir haben also jetzt eine Wohnung mit einem tollen Garten gefunden, wo er einfach rausgehen und Fußball spielen kann. Das Apartment selber ist vielleicht nicht riesig, aber der Garten ist extrem viel wert.
Für NAC Breda hast du in 85 Spielen 6 Tore und 12 Assists beigesteuert. Bei Sturm hast du nach nur 11 Spielen schon 2 Tore und 3 Assists zu Buche stehen. Die Fans sind begeistert. Warum läuft es für dich seit deinem allerersten Spiel für Sturm so gut?
Ich hab mir einfach sehr hohe Ziele gesetzt und will mich so gut wie möglich präsentieren. Mit 26 ist es auch das richtige Alter, um voranzugehen. Jetzt muss ich meine Form bewahren und gemeinsam mit dem Verein unsere Ziele erreichen. Wenn ich dann noch ein Tor schieße, ist es umso besser. Aber am Ende zählen nur die Punkte.
Im letzten Spiel gegen Ried ist es wieder einmal aufgefallen: Oft hast du außerhalb des 16ers freie Schussbahn, legst aber lieber raus auf deine Kollegen. Machst du das auf Anweisung des Trainers?
Das ist wirklich schwierig zu sagen. Auch wenn man etwas hundert Mal im Training macht, kommt es im Spiel dann ganz anders. Ich denke in solchen Situation nicht viel nach. Manchmal schieße ich, manchmal spiele ich ab. Aber wir haben ja auch so viele gute Stürmer und Flügel wie Deni und Edi, dass ich mich wirklich auf das Eins-gegen-Eins konzentrieren sollte. Das ist einfach mein Job. Aber ganz ehrlich: Bis jetzt hab ich über das nicht so viel nachgedacht. Vielleicht sollte ich wirklich öfters einen Schuss probieren…
…und sich auch einmal selbst als Torschütze feiern lassen.
Schauen wir mal, ob das wirklich so ein guter Rat von euch ist (lacht).
In Fankreisen hat sich der Spitzname „Porno-Matic“ aufgrund deiner sehr attraktiven Spielweise entwickelt. Hast du das schon mitbekommen und was hältst du davon?
(lacht) Ja, das hab ich im Internet schon mitbekommen. Ich finde das wirklich lustig, weil ich verstehe, was gemeint ist. Aber es ist sehr schwer, das meiner Frau zu erklären (lacht nochmals)! Sie war leicht irritiert und hat mich natürlich sofort gefragt: „Was ist denn da passiert? Warum Porno?“ Für eine Frau ist das echt schwer zu verstehen.
Hast du auch andere Spitznamen, von denen wir nichts wissen?
Ja, der übliche Spitzname für Uros ist „Uki“ – so, wie aus Michael „Mike“ wird. Porno-Matic bin ich wirklich noch nie genannt worden. Aber ich finde es gut.
Du erlaubst uns also hiermit, dass wir in Zukunft nach einem Tor von dir eventuell von einem Porno sprechen?
(lacht) Klar. Ich finde das sehr lustig.
Du hast auch einen eigenen Song bekommen. Hast du da schon reingehört?
Ja, ein paar andere Spieler haben mir das gezeigt. Das ist echt cool. Ich freu mich extrem über diese Verbindung zu den Fans. So etwas zeigt doch nur, dass ich in den paar Monaten, die ich in Graz bin, schon etwas bewegt habe. Das ist natürlich auch Ansporn, noch ein Stück härter zu arbeiten und zu schauen, dass die Leute auch am Ende der Saison happy sind.
Ist das der erste Song über Uros Matic?
Ja. In Breda gab es zwar mitunter auch Fangesänge während des Spiels für mich, aber so eine Art von Lied habe ich definitiv noch nie bekommen.
Würdest du dich freuen, wenn die Fans dieses Lied auch im Stadion sängen?
Natürlich. Wenn Fans dich in Chants besingen, bedeutet das doch, dass man einen guten Job auf dem Feld macht. Ich werde weiterhin Vollgas geben und hoffe, dass es bald so weit ist (lacht).
Gemeinsam mit Jimmy Jeggo bildest du das Herz der Mannschaft. Viele sagen, gemeinsam bildet ihr das beste zentrale Mittelfeld Österreichs. Was ist der Schlüssel zu eurem Erfolg?
Danke für das Kompliment. Natürlich ist jeder Spieler für den Erfolg verantwortlich. Jimmy und ich spielen halt auf einer Position, die nicht viele Fehler erlaubt. Wir haben aber wirklich ganz schnell eine gute Verbindung entwickelt.
Wie läuft eure Kommunikation ab?
Wir reden zum größten Teil englisch miteinander. Jimmy ist ein ganz wichtiger Teil des Teams und man spürt halt auch immer, wie sehr er jedes einzelne Spiel genießt. Er kämpft um jeden Ball und hat einfach eine großartige Einstellung. Sowieso fällt mir auf, dass sich bei Sturm die Spieler sehr gut verstehen. Auch außerhalb des Platzes. Viele treffen sich privat, beispielsweise um Playstation zu spielen. Mit Jimmy war ich auch schon in meiner Heimatstadt in Serbien. Es ist einfach so wichtig für ein Team, dass die Spieler auch privat befreundet sind.
Nach den großartigen Leistungen der ersten Runden erwarten die Fans sehr viel von dir. Fühlst du Druck oder spornt dich das an?
Das ist doch wunderbar. Ich spüre gar keinen Druck. Fußball ist ein Sport, bei dem so viele Menschen zuschauen. Es interessiert niemanden, wie es dir geht – du musst als Spieler immer 100% geben. Hohe Erwartungen der Fans sind wie Aufwind für uns. Damit fliegen wir noch höher. Sowas braucht es einfach. Der Verein und die Fans haben es sich verdient, dass wir jedes Spiel gewinnen. Natürlich ist das nicht immer möglich. Aber wir kämpfen so lange, dass es am Schluss wirklich alle anerkennen.
„Manchmal wird ein spezieller Aufpasser auf mich abgestellt. Das macht es halt umso einfacher für meine Kollegen.“ – Uros Matic
Siehst du im Vergleich zu den ersten Runden einen Unterschied beim Verhalten deiner Gegenspieler? Passen sie mittlerweile speziell auf dich auf?
Ja, schon. Manchmal wird ein spezieller Aufpasser auf mich abgestellt. Das macht es halt umso einfacher für meine Kollegen. Sie kriegen so mehr Platz im Mittelfeld. Wir können uns auf jede Situation sehr gut einstellen. Manchmal hab ich mehr Platz, manchmal eben weniger. So ist halt Fußball. Immerhin sind wir Tabellenführer und dadurch haben wir uns auch den Respekt der Konkurrenz erarbeitet. Das heißt, wir gelten oft als Favoriten und niemand hat leichtes Spiel mit uns.
Hat Jimmy Jeggo durch die Konzentration auf deine Person nun mehr Verantwortung im Spielaufbau? In den ersten Spielen hatte es den Anschein, dass Jimmy eher für die Drecksarbeit verantwortlich war.
Ich denke, wir haben so viele kreative Spieler in unserer Mannschaft. Wenn Jimmy Platz hat, kann er ebenso gut feine Pässe spielen. Ich sehe es ja jeden Tag im Training, dass er ein sehr starker Spieler ist. Ich denke, es ist einfacher für ihn, wenn sich zwei Spieler um mich kümmern und er währenddessen nach vorne stürmen kann. Die Spielsituation hat sich nun ein bisschen geändert, aber für uns ist das kein Problem. In so einer Art von Klub kannst du Torhüter sein und musst in jeder Situation 100% geben. Also gehen auch Jimmy und ich jede Aufgabe mit 100% an. Letztendlich werden wir sehen, was passieren wird. Ich denke, es wird positiv!
Für welchen Verein hast du in deiner Jugend die Daumen gedrückt?
Mein Bruder hat in der Jugend fünf Jahre für Roter Stern Belgrad gespielt, daher ist dieser Klub wirklich wichtig für unsere Familie. Es ist immerhin der größte Klub in Serbien. Schon Einjährige werden gefragt, Partizan oder Roter Stern? Und du denkst dir nur: „Bitte nicht gleich schießen“ (lacht). Du darfst dich im Prinzip nur für einen dieser beiden Klubs entscheiden. Ich finde das zwar schade, denn das ist auch der Grund dafür, dass alle anderen serbischen Klubs eher weniger Anhang haben. Aber für mich ist es Roter Stern, schon seitdem ich zehn Jahre alt bin.
Das bedeutet, dass du mit Milan Dudic auch einen späteren Sturm-Spieler live gesehen hast, der Verteidiger spielte ja zwischen 2001 und 2006 für deinen Herzensverein.
Ja natürlich. Ich habe ihn sehr oft spielen gesehen. Auch seinen Bruder. Roter Stern hatte über Jahrzehnte so viele fantastische Spieler. Gegenwärtig ist es leider etwas anders: Schon mit 17, 18 Jahren möchte jeder Spieler in das Ausland, der Verein hat nicht gerade die beste Infrastruktur und die besten Rahmenbedingungen. Vielleicht habt ihr ja das Länderspiel zwischen Serbien und Österreich gesehen? Dann ist euch sicher aufgefallen, dass Roter Stern zwar das größte Stadion im Land hat, aber es ist einfach nicht mehr zeitgemäß.
Darf man sich das so vorstellen, dass dein Vater dich bei der Hand genommen hat um mit dir in das Marakana von Belgrad zu gehen?
Ja, genau so war es. Ich kann mich sogar noch an das erste Spiel erinnern, das ich gesehen habe. Es war ein Länderspiel zwischen Jugoslawien und Ungarn. Ich war fünf Jahre alt und im Tor der Ungarn stand ein gewisser Gabor Babos. In Breda hab ich Jahre danach mit ihm zusammen gespielt. Das war schon sehr kurios. Ich hab im Spaß zu ihm gesagt: „Hör auf Fußball zu spielen, du bist eindeutig zu alt.“ (lacht)
„Ich bin mir sicher, dass Sturm der bessere Verein in dieser Stadt ist.“ – Uros Matic
Hier in Graz wird man als Kind auch gefragt, ob man zu Sturm Graz oder zum GAK hält. Weißt du etwas über den Stadtrivalen?
Ja, ich weiß, dass dieser Verein früher auch durchaus erfolgreich in der höchsten Liga gespielt hat. Ein Trainer von mir, Jozef Móder bei Kosice, hat früher für GAK gespielt. Der war dort eine richtige Legende. Daher weiß ich einiges über den Stadtrivalen, bin mir aber sicher, dass Sturm der bessere Verein in dieser Stadt ist.
Weißt du auch darüber Bescheid, dass Sturm-Fans sehr empfindlich auf alles reagieren, was rot ist? Rote Schuhe zum Beispiel sollte man vermeiden, wenn man beliebt bleiben will.
Natürlich, Sturm hat seine eigenen Farben und ich denke, dass wir das respektieren müssen.
Gibt es ein fußballerisches Traumziel – Liga oder Verein – von Uros Matic?
Solche Fragen bekomme ich immer wieder gestellt. Aber es ist schwierig zu sagen. In Wahrheit denke ich nicht so viel über kommende Transferperioden nach. Jeder ist nur auf das nächste Spiel, auf das nächste Training fokusiert – aber wir werden sehen. Natürlich ist es schön zu sehen, dass mein Bruder jede Woche gegen Klubs wie Liverpool oder Manchester spielt. Insgeheim will jeder Spieler einmal in der Premier League oder in der Bundesliga auflaufen, aber im Moment habe ich viel Arbeit vor mir in Graz und muss gute Resultate mit Sturm erzielen. Aber wir werden sehen, du weißt nie, was passieren wird.
Du bist in Graz nun so etwas wie ein Held für die Fans. Hattest du auch Helden in deiner Kindheit, die du bewundert hast?
Mein Cousin war AC Milan-Anhänger, ich habe einige Spiele von ihnen gesehen, als Andriy Shevchenko dort gespielt hat. Aber für mich persönlich war Ricardo Káká so etwas wie ein Idol, als er der beste Spieler der Welt war. Ich hab ihm oft zugesehen – die Art, wie er gespielt hat! Wir spielen auf ähnlichen Positionen – meiner Meinung nach war er ein richtig starker Spieler.
Wurdest du also auch wegen Káká zentraler Mittelfeldspieler?
Nein. Im Fußball kannst du dir deine Position nur aussuchen, wenn du noch jung bist. Aber wenn du älter wirst, ist es die Position, die dich aussucht. Ich spiele einfach dort, wo ich mich gut fühle und wo mich der Trainer sieht.
Welchen Reisepass wirst du einpacken, wenn ihr ins Wintertrainingslager fliegt? Den serbischen, mazedonischen oder bulgarischen?
Wir werden sehen! (lacht) Meine Mutter ist aus Mazedonien, mein Vater ist Serbe und die Familie meiner Mutter ist aus Bulgarien, deshalb habe ich eine Dreifach-Staatsbürgerschaft. Ich bin eben ein typischer Balkan-Mix! In mir ist alles drin, ich hoffe, jeweils nur die positiven Eigenschaften.
Warum hast du dich gerade für die Mazedonische Nationalmannschaft entschieden, war das eine rein emotionale Entscheidung?
Mazedonien hat als erster angerufen und mich gefragt, ob ich für deren Nationalteam spielen will. Es ist schwierig zu sagen, welches Land ich mehr liebe. Ein Schuh ist serbisch, der andere ist mazedonisch. Welchen magst du mehr? Das ist sehr schwer zu sagen. Es wäre falsch zu sagen, ich mag Serbien mehr, wie soll ich meiner Mutter jemals wieder in die Augen schauen? (lacht) Aber im Moment ist Sturm am wichtigsten. Natürlich wäre ich happy, wenn sich beim Nationalteam etwas rührt. Das wäre ein riesiges Kompliment für mich und für den Verein, das würde uns sagen, dass wir einen guten Job machen. Wir werden sehen, wenn wir weiterhin so spielen und Spiele gewinnen, ist alles möglich.
Kommt der Österreichische Pass auch noch?
Warum nicht? Wenn ich länger hierbleibe? Österreich ist ein wirklich schönes Land! Nette Leute, gutes Essen und so viele schöne Plätze – ich fühle mich hier wirklich wie zuhause!
Vor dem Spiel gegen den WAC wurden im Stadion schwarz-weiße Klublegenden geehrt. Spieler, die jahrelang für Sturm ihr Bestes gaben. Macht man sich da als noch aktiver Fußballer und in einer Zeit, in der die Verweildauer bei einem Verein eher kurz ist, Gedanken, dass es schon was an sich hat, bei einem Verein eine echte Legende zu werden?
Ich bin ohnehin kein Spieler, der es gut findet, wenn man den Klub so oft wechselt. Als wir mit Breda abgestiegen sind, hatte ich auch die Möglichkeit zu einem anderen Erste-Liga-Klub zu wechseln, aber ich fühlte mich verbunden mit dem Klub, also blieb ich. Erst ein Jahr später, als wir den Wiederaufstieg nicht geschafft hatten, war es Zeit für mich den Klub in Richtung eine höhere Liga zu verlassen. Wären wir aufgestiegen, wäre ich auf jeden Fall geblieben. Eine Beziehung mit dem Klub und den Menschen drumherum aufzubauen, ist für mich sehr wichtig. Ich will nach meiner Karriere zu meinen Kindern sagen können: „Schau, das ist der Klub, für den ich gespielt habe und die Leute lieben mich dort!“ Du solltest deinen Verein nicht alle paar Monate wechseln.
Wie fielen die Reaktionen der Fans auf deinen Abschied aus Breda aus?
Sie waren richtig traurig. Ich habe so viele schöne Erinnerungen an die Fans in Breda, weil ich einer jener Spieler war, die nach dem Abstieg dem Klub treu blieben. Nicht viele haben das gemacht, nur eine Hand voll. Dadurch wurde ich noch beliebter. Aber nach einem Jahr in der zweiten Liga dachte ich mir: „Noch ein Jahr in der zweiten Liga ist zu viel, in meinem Alter verdiene ich ein höheres Level.“
Definitiv! Hast du abseits vom Fußball auch noch andere Hobbies?
Ja! Wegen Novak Djokovic mag ich Tennis sehr und ich spiele richtig gerne Basketball. Mein Bruder und ich spielen oft zusammen, wenn wir gemeinsam in Vrelo sind. Und natürlich Playstation! Ganz viel FIFA!
Bist du ein guter FIFA-Spieler?
Ich war, ich war – vor meiner Hochzeit! (lacht) Jetzt habe ich einen Sohn und ich habe nicht mehr so viel Zeit, aber wenn ich die Möglichkeit habe, spiele ich immer FIFA.
Antoine Griezmann hat unlängst gesagt, er spiele nicht mit Atletico bei FIFA, weil er sich selbst sonst dauernd den Ball zupassen würde. Spielst du mit Sturm?
Natürlich probiere ich mit Sturm zu spielen. Und ich denke, wenn mein Bruder gegen mich mit Chelsea antritt, werde ich mit Sturm gewinnen! (lacht)
Findest du, dein FIFA-Rating geht in Ordnung?
Das hängt damit zusammen, wie ich auf dem Feld spiele und wie viel Qualität ich in meinem Spiel zeige. Die haben dann ein paar Experten, die das entscheiden.
Gegenüber dem Release-Datum hast du dein Rating mittlerweile schon verbessern können. Glaubst du, du kannst deinem Bruder einmal nahe kommen?
Ja, ich habe mich ein bisschen verbessert und ich hoffe, dass ich diese Entwicklung beibehalten kann und vielleicht eines Tages die 80er-Marke knacke. (lacht) Aber FIFA ist nur ein Spiel, gut zum Relaxen mit der Familie und um negative Dinge zu vergessen. Aber es ist nicht wichtig, wie hoch das Rating ist. Schau dir einmal die Ratings in unserer Liga an – Sturm hat nicht das höchste, aber wir sind Tabellenführer! Echter Fußball ist noch immer weitaus wichtiger und auch viel entscheidender.
Du verbringst deine Freizeit sehr gerne mit Marko Stankovic. Glaubst du daran, dass wir euch zwei auch einmal gemeinsam in der Startelf sehen?
Marko ist ein richtig guter Spieler. Am Anfang war für mich vor allem seine Persönlichkeit unheimlich wichtig, er hat mir hier große Türen geöffnet. Außerdem hat er mir hier so viele Dinge gezeigt und ich lerne nach wie vor von ihm. Zusätzlich hat er eine unglaubliche Erfahrung am Fußballfeld, auch wenn er sich im Moment nicht in einer guten Situation befindet – aber er arbeitet hart. Für junge Spieler ist es wichtig zu sehen, dass Marko, obwohl er 30 Jahre alt ist, noch immer in jedem Training fightet.
Würdest du sagen, Marko Stankovic hat Leaderfähigkeiten?
Marko ist ein echter Profi und ich denke, niemand kann sagen, dass er nicht hart dafür arbeitet, wieder in der Startaufstellung zu stehen. Die Situation ist jetzt ein bisschen anders, weil das Team richtig gut spielt und wir auch auf der Bank viel Qualität benötigen. Die Saison ist lang und du weißt nie, was passieren wird. Ich hoffe, es verletzt sich keiner, aber da gibt es ja auch noch rote Karten und Gelb-Sperren. Er wird in Zukunft mehr zur Entfaltung kommen, wenn er weiter so arbeitet wie bisher.
Da gibt’s außerdem ein paar nette Bilder von dir und Marko auf Instagram…
(lacht) Ja, ich weiß! Marko ist der Instagram-Meister! (lacht wieder)
„Natürlich will ich die Liga gewinnen.“ – Uros Matic
Sturm hat derzeit acht Punkte Vorsprung auf den ersten Verfolger Altach. Bright Edomwonyi hat nach dem Spiel gegen Ried gesagt, dass er an den Meistertitel glaubt. Ist der Meistertitel tatsächlich realistisch?
Natürlich will ich die Liga gewinnen. Es wäre dumm von mir zu sagen: „Ich will nicht Meister werden.“ Ich werde noch härter arbeiten, wir haben es in unseren Händen und wir haben nicht vor, es fallen zu lassen. Aber es ist so, wie ich vorher schon sagte: Die Saison ist zu lang – im April, Mai können wir schauen, was für uns im Rahmen des Möglichen liegt. Wenn wir weiterhin so spielen, wenn wir diese Atmosphäre beibehalten können, denke ich, dass wir viele große Dinge für den Klub vollbringen können. Und ich hoffe, im Mai feiern wir gemeinsam!
Als du nach Graz kamst, sprach niemand vom Meistertitel.
Nein, niemand hat davon gesprochen. Wir Spieler glauben an Großes und Großes widerfährt uns gerade. Wir müssen nur weiterhin so hart arbeiten wie bisher und dann werden wir sehen – du weißt nie.
Im besten Fall könntest du mit Sturm in der nächsten Saison in der Champions League spielen. Wie hört sich das für dich an?
Das ist ein Traum. Und wenn dieser Traum wahr wird, werde ich tun was auch immer ihr wollt! (lacht)
Dein Vertrag läuft bis 2018. Aufgrund deiner Leistungen wird der Verein die Option auf 2019 wohl ziehen. Wie stehen die Chancen, dass wir zu deiner 30er Feier in Graz eingeladen werden?
Wie ich schon sagte, das liegt zu weit in der Zukunft. Was 2018, 2019 los ist, ist egal. Jetzt ist Mattersburg wichtig, drei Punkte sind wichtig. Wir müssen die Dinge so angehen. Ich bin jetzt erst vor drei, vier Monaten hierher gekommen und wir werden sehen, was passieren wird. Es ist zu früh, um über „den großen Spieler Uros Matic“ zu sprechen. Man ist kein großer Spieler nach einer halben Saison, nach der Saison kann man über gute Spieler reden. Es ist zu früh über den Sommer zu sprechen. Klar, Leute erkennen die Qualität am Feld gegenüber der letzten Saison, aber es ist noch ein langer Weg zu gehen.
Vielen Dank, dass du dir Zeit für uns genommen hast!
Das war es schon? (lacht)
Mit dem Interview sind wir fertig, jetzt wollen wir noch bei FIFA mit dir fertig werden.
Das wollte Kristijan Dobras auch. Der spielt nämlich viel häufiger als ich und dachte, er hat leichtes Spiel. Als ich dann zweimal gegen ihn gewonnen habe, ist sein Controller durch die Luft geflogen.
Das Interview führten Christian Albrecht, Günter Kolb und Kai Reinisch.
„Wir Spieler glauben an Großes und Großes widerfährt uns gerade!“
Was kann man dem noch hinzufügen?
sehr sympathisches interview – gratuliere euch!
matic beweist einmal mehr, dass er nicht nur porno fussball spielt, sondern auch menschlich extrem viel draufhat.
sturm darf sich glücklich schätzen, so eine persönlichkeit in seinen reihen zu haben und sollte versuchen, sich dinge zu überlegen, wie man ihn solange wie möglich an graz binden kann.
Richtig sympathischer Kerl – einfach Porno!
sehr schönes und gutes Interview. Mir scheint, dass Uki Matic ein richtiger Typ ist. Bescheiden, super Einstellung was Vereinswechsel betrifft und stellt sich im Dienst der Mannschaft. Er hat die Chance, eine Legende zu werden in Graz. Es würde auch dem Verein gut tun.
Noch dazu fällt auf, dass alle an einem Strang ziehen und es keine einzelnen „Grüppchen“ geben könnte. Übrigens find ich es super dass Stanko ihm sehr hilft/geholfen hat. Auch die Reise in seine Heimat mit Jeggo… Da merkt man durchaus – die Jungs sind mehr als nur Kollegen und ich finde das richtig so.
Einzig: Kristijan Dobras sollte seine Abschlüsse mehr in Messendorf trainieren als auf der PS4. 😉
Hat Sturm eine Option für ihn für 2019?
Normal hätte er Vertrag bis 2018, mit gezogener Option bis 2019.
Danke!!!
Vielleicht kann man die Info in der Rubrik A-Kader nachtragen.