Playlist für die fußballfreie Zeit
In der aktuell schwierigen und für jede und jeden herausfordernden Zeit spielt Fußball eine weit untergeordnete Rolle. Für alle, die sich von den gefühlt ununterbrochenen Nachrichten-Updates etwas ablenken wollen und nebenbei das Thema Fußball nicht ganz außer Acht lassen möchten, haben wir eine kleine Playlist verschiedenster Genres samt kurzen Erklärungen zu den jeweiligen Titeln erstellt. Im dritten Teil dreht sich alles um Sturm-Chants und der Suche nach dem Original.
Emilia – Big Big World (Samma Schwoaz, Samma Weiß)
Emilia Mitiku, eine schwedische Sängerin äthiopischer Abstammung, gelang 1999 mit einem doch recht seichten Liedchen ein echter Welthit. In die Pophistorie ging Big Big World wahrlich als ein klassischer Fall eines One-Hit-Wonders ein, für den Sportklub Sturm entpuppte sich dieses Stück jedoch zum Dauerbrenner. Ist doch das Intro des Songs der Opener des bekannten „Samma Schwoaz – Samma Weiß“, das nun schon über ein Jahrzehnt im Liedgut der Sturmafficionados fest verankert ist. Kuriosum: Ganz genau genommen ist diese Einleitung schon fast vier Jahrhunderte alt – Emilia verwendete die Anfangsmelodie eines bestehenden schwedischen Volksliedes, welches wiederum auf ein Stück des deutschen Komponisten Johann Sebastian Bach basiert.
When the Saints Go Marching in – Louis Armstrong (Die Nummer 1, in Graz sind wir)
Immer dann, wenn man im Sturmstadion Liebenau den Anhängern des Stadtrivalen von den Tribünen aus klar zu verstehen geben wollte, wer denn nun „Die Nummer Eins in Graz“ sei, bediente man sich eines in 1927 Nashville -Tennesse veröffentlichten Liedgutes. Mit einem Text, der der Hoffnung der Gläubigen Ausdruck verleihen soll, am Tag des Jüngsten Gerichts zu den Auserwählten zu gehören, die ins Himmelreich einziehen dürfen. So ganz dramatisch wird das Stück in Liebenau zwar nie interpretiert, auch wenn die Frage, ob man der schwarzen oder roten Reichshälfte angehört, jahrzehntelang auch immer so etwas wie eine Glaubensfrage darstellt.
Nena – Leuchtturm (In Liebenau bist du daheim)
Im Jahr 1983 reitet die Neue Deutsche Welle quer durch ganz Europa und eine knapp 23-Jährige erobert mit 99 Luftballons sogar die US-Single Chart. Ins Stadion Liebenau jedoch schafft es nur eine weitere Single-Auskopplung des Debütalbums „Nena“. Während die Dame, die so stolz auf ihr pralles Achselhaar war zum Leuchtturm marschiert, ist für Sturmfans selbstverständlich Liebenau die uneingeschränkte Pilgerstätte.
Puppe – Nickerbocker (Singe ich Sturm Graz allez)
„Wenn ich durch die Straßen geh – singe ich Sturm Graz allez“ stammt im (österreichischen) Original vom Wiener Austropopper Nikolaus Kalita, dessen Duett mit „Biene“ mit dem Titel „I wü nur zruck“ wesentlich größere Bekanntheit erlangte. Puppe selbst allerdings ist eine im Wiener Dialekt interpretierte Coverversion von Dave Edmunds Countrysong „Queen of Hearts“.
Felicita – Al Bano e Romina Power (Mario Haas)
Ein Mann, ein Verein, ein Spiel: Wir schreiben den 1. Dezember 2012 und ein Spieler, der den SK Sturm in einer Art und Weise verkörpert, wie man es zukünftig leider fast ausschließen kann, feiert seinen Abschied. Auch wenn ein ziemlich unwichtiger Übungsleiter mit wenig Gspür die Vereinslegende bis zur 77. Minute auf der Bank schmoren ließ, die Fans schon Transparente mit Aufschriften wie „Eintausch oder Spielabbruch“ ausrollten, konnte selbst Peter Hyballa diesen einzigartig emotionalen Tag nie und nimmer vermiesen. Den Soundtrack dieses Tages lieferte an jenem Abend im Original ein italienisches Popduo:
https://www.youtube.com/watch?v=Q0wZQbK938Y
White Stars – Ich war nie ein Casanova (Der SK Sturm wird neuer Meister)
Die Grazer Tanzcombo rund um die Reischl-Brüder – aus Kostengründen traten sie anfangs in kostengünstigen weißen Ärztehosen auf – waren echte Megaseller. Ihr größter Hit „Ich war nie ein Casanova“ aus dem Jahr 1980 wurde ein Jahr später umgetextet und sollte die Meisterfeier des SK Raika Sturm beschallen. Sollte: Wie wir wissen besiegte Rapid im Herzschlagfinale Sturm in Liebenau mit 4:1, der Traum vom ersten Titel war ausgeträumt und der Single drohte ein ähnliches Schicksal wie dem bereits eingekühlten Meistersekt. Im Frühjahr 2011, beim Auswärtsspiel gegen den LASK, wurde der Song in der schwarz-weißen Kurve urplötzlich wieder angestimmt. Zum Argwohn vieler älterer, aus Erfahrung vermeintlich klügerer, Anhänger. Bloß: Dieses Mal war es ein gutes Omen und die Blackys konnten auf der Gugl den Grundstein zum dritten Meistertitel legen. Zwei Monate später waren dann 25.000 in der Grazer Innenstadt „dabei“ und die neu produzierte Coverversion lief auf heavy rotation.
Cora – Amsterdam (Seht die Fahnen wehen)
Das deutsche Popduo Cora – Anfang der 1980er-Jahre am Höhepunkt der Neuen Deutschen Welle gegründet – schrieb für die wesentlich berühmtere Juliane Werding den Song „Amsterdam“. Diese lehnte aber ab und so veröffentlichten die beiden den Titel zusammen mit dem Produzenten Frank Farian einfach selbst. 1992 zogen sich die Künstlerinnen, die auch privat ein Paar sind, zurück und wechselten in die Gastronomiebranche. Erst elf Jahre später sollte das Comeback auf der Showbühne folgen: Natürlich mit einem Remix ihres Amsterdam-Hits. Der selbstredend auch im Juli 2018 zum Besten gegeben wurde, als die schwarz-weiße Anhängerschaft vom Hauptbahnhof der niederländischen Hauptstadt geschlossen Richtung Johan-Cruyff-Arena zog, um die Blackys in der Champions League-Qualifikation zu supporten. Bekanntlich ist für die Schwoazen ja „kein Weg zu weit, jederzeit“.
Chris Roberts – Du kannst nicht immer 17 sein (Du kannst nicht immer im Stadion sein)
Den größten Hit seiner Schlagerkarriere schrieb Franz Klusacek, Sohn eines Deutschen und einer Jugoslawin, im Jahr 1973. Dass der schwarze Anhang seine Melodie mit dem Text „Die Schwoazen können mehr geben, als jede Frau bei Nacht verspricht“ versieht, hätte den einstigen Womanizer sicher weniger geschmeckt. Mit dem Sportklub Sturm hatte der Sänger mit dem Künstlernamen Chris Roberts dennoch einiges gemein: Suchen die Fußballer vom Jakominigürtel schon seit mehr als einem Jahrzehnt eine echte Heimat, musste der Musiker bis zu seinem 72. Lebensjahr warten, um sich endlich vom Status Staatenloser zu befreien und die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen. Nur ein Jahr später starb Roberts in Berlin an Lungenkrebs.
Mike Krüger – Der Nippel (Wir würden für die Schwoazn durch die Hölle gehen)
„Wir lieben unseren Klub und scheißen auf Kommerz, denn wir sind Fußballfans mit Herz“ entstand in Graz aus Mike Krügers spätpubertärem Blödel-Hit aus dem Jahr 1980, der 900.000 Mal als Single über die Ladentische ging. Die Idee war Krüger eher zufällig gekommen, als er beim Essen seinen Nachbarn mit Senf bekleckerte, weil er die Tube nicht aufbekam. Und so handelte sein Song, passend zum kommenden Konsumjahrzehnt, von Verpackungen. Das betraf die Senftube genauso wie den Kaffeeautomaten, den BH der Freundin und letztendlich sogar das Himmelstor.
Mike Oldfield – Moonlight Shadow (Super SK Sturm Graz)
1983 von Mike Oldfield geschrieben und von Maggie Reilly gesungen, erreichte der Song etwa zweieinhalb Jahrzehnte später die Grazer Fankurve. Klingt er in der Steiermark fröhlich optimistisch, behandelt der Song im Original den unerwarteten Verlust eines nahestehenden Menschen. Gecovert wurde er nicht nur vom Grazer Anhang, sondern von zahlreichen anderen Interpreten. Die berühmteste deutsche Version ist jene von der bereits hier erwähnten Juliane Werding mit dem Titel „Hell war der Mond und die Nacht voll Schatten“.
Boney M – By the Rivers of Babylon (Für die Schwoazn samma immer do)
Eine der meistverkauften Produktionen der deutschen Musikindustrie basiert auf einen Psalm und stammt im Original von den Melodians. Psalm 137 ist ein Klagelied, das nach der Eroberung Jerusalems durch den babylonischen König Nebukadnezar im Jahr 586 v. Chr. der Sehnsucht der Juden im Exil Ausdruck verleiht. Über Jamaika fand der Song mit einem Timeleg von fast zehn Jahren den Weg zu unserem Lieblingsnachbarn und eroberte von dort aus wiederum ganz Europa. Insgesamt wurde die Single zwei Millionen Mal verkauft. In Graz singt man den Disco-Hit nach wie vor, „egal ob heuer oder erst wieder nächstes Jahr“.
https://www.youtube.com/watch?v=ta42xU2UXLA
Bonnie Tyler – It`s a heartache (Schwarz und Weiß ein Leben lang)
„Wir sind Grazer, singen für die Schwoazen, gehen niemals unter….“, so die eher harmlosere Fan-Interpretation des Welthits der walisischen Sängerin mit der Reibeisenstimme Bonnie Tyler. Geläufiger und im gesamten deutschsprachigen Raum verbreitet, behandeln abgewandelte Versionen dieses Liedchens diverse Brücken und Bahnhofsmissionen.
https://www.youtube.com/watch?v=5bQ0GW3acE4
Gianna Nannini – I maschi (La la la la la la la la la la)
Die italienische Rockröhre mit der ach so schönen krächzenden Stimme stürmte 1987 mit ihrer Ode an die Männlichkeit europaweit die Charts. Mehr als 30 Jahre später wird der Song noch immer in Liebenau angesummt. Sind diverse Originale von Sturmchants keineswegs musikalischer Hochgenuss pur, ist die Nummer der heute bereits 65-Jährigen echter Kult und passt wie die Faust aufs Auge auf die historisch, traditionell italienisch geprägte, Fankurve in Graz. Der SK Sturm ist mit über 110 Jahre am Buckel noch immer leidenschaftlich jung und Gianna im eigentlichen Pensionsantrittsalter noch ziemlich Punk.
Alex Rehak – Young strong and healthy (Wir spielen guat jede Wochen)
Lange bevor Falco sich erfunden hat, war der Grazer Alex Rehak schon ein Popstar, seine Band Turninig Point bereits in den 1970ern Kult. Eines seiner vielen Nebenschauplätze: Mit den Wrestlern vom Wiener Heumarkt rund um Otto Wanz produzierte er die Nummer „Young strong and healthy“, welche er ein halbes Jahrzehnt später für den Sportklub Sturm umtextete und damit auch für so etwas wie die inofizielle Gruabn-Hymne sorgte.
Falco – Out of the dark (Die Hymne zum Herbstmeistertitel 2007)
15. Dezember 2007: Ein eiskalter Winterabend in Graz-Liebenau, ausverkauftes Haus und die endgültige Auferstehung eines kurz zuvor bereits Totgesagten: Der SK Sturm sichert sich dank eines 1:1-Unentschieden gegen RB Salzburg völlig überraschend den Herbstmeistertitel. Flankiert von mehr als 15.000 Sprühkerzen und dem letzten Hit des Falken. Galt diese imaginäre Trophäe stets als die ziemlich unwichtigste, erzeugte sie an diesem Abend mehr Emotionen denn so mancher Erfolg in der Königsklasse. Als Sebastian Prödl nach einer Ecke von Jürgen Säumel auch noch zur Führung traf, explodierte das Stadion förmlich wie nie zuvor, möglicherweise auch, wie nie wieder danach. Falcos Song wird oftmals als eine Art Todesvorahnung interpretiert, am Jakominigürtel steht er für eine Phase, als der Klub endgültig wieder von den Toten auferweckt wurde.
Anmerkung: Kommentar wegen kompletter Themenverfehlung und Schwachsinn gelöscht!
„.. pralles Achselhaar“ ein echter Romantiker, der Herr Kolb!
Mit Ausnahme Gianna klingt jede Sturmversion eindeutig besser als das Original 🙂
„Ziemlich unwichtiger Übungsleiter mit wenig Gspür“ triffts pefekt!!