Pizzera: „An mir ist eine große Legende verloren gegangen!“

SturmNetz-Advent Tag 3 mit Paul Pizzera

Die „Stille Zeit“ ist nur anderswo wirklich still. SturmNetz.at geht im Advent in die Vollen! Noch bis zum Heiligen Abend lassen wir täglich Prominente zu Wort kommen und sprechen mit ihnen über Sturm, Fußball, Gott und die Welt. Am heutigen Sonntag kommt der wohl aufstrebendste steirische Musiker und Kabarettist, Paul Pizzera, zu Wort. Der Grazer erzählt über seine Anfänge in Schwarz-Weiß, seine prägendsten Auswärtsfahrten, seine eigenen fußballerischen Fähigkeiten, über seine Oma, die nicht kochen konnte und vieles mehr. All das gibt es im dritten Teil des SturmNetz-Advent 2017.

Paul, warum eigentlich Sturm und nicht der GAK?

Das war eigentlich wegen der Schule, weil bei uns in der Klasse nur Schwarze waren. Meine Familie war und ist nicht wirklich fußballinteressiert, deshalb entstand das eher durch meine sozialen Kontakte. Ich kann da leider keine große Geschichte auftischen, dass ich schon als kleines Kind von Opa oder Eltern ins Stadion mitgenommen wurde – das hat es bei mir in der Form nicht gegeben. An mein allererstes Fußballspiel von Sturm kann ich mich allerdings noch ganz genau erinnern. Ich war damals in den 90er-Jahren totaler Otto Konrad Fan und mit einem Salzburg-Leiberl mit Konrad-Aufdruck in der Gruabn beim Spiel Sturm gegen Austria Salzburg. Ich wurde dann als 4-Jähriger sofort von ein paar jungen Grazer Fans bespuckt und angepöbelt, bis ein richtiger Brocken, der war sicher zwei Meter groß und Sturmfan, dahergekommen ist und zu mir gesagt hat: „Da stell dich her, es ist alles okay, Kleiner.“ Das hat mir dann totale Sicherheit gegeben und mir total getaugt.

Das heißt, deine Liebe zu Sturm entstand erst auf den zweiten Blick. Wann genau hast du denn begonnen, den Spielen der Blackys regelmäßig beizuwohnen?

Das war eigentlich erst so mit 15 oder gar 16 Jahren. So richtig stark kam das Ganze in der Matura-Zeit, während des Zivildienstes und der ersten Studienjahre auf. Halt genau in jener Zeit, in der man am besten Zeit für solche Leidenschaften hat.

© Paul Pizzera Pressebilder 

Wir haben in Erfahrung gebracht, dass du in dieser Zeit auch regelmäßig in der Kurve gestanden bist und sogar die ein oder andere Auswärtsfahrt miterlebt hast. Wie war diese Zeit für dich?

Das war schon eine wahnsinnig coole Zeit. Ich war damals tatsächlich überall dabei. Beispielsweise war ich bei der 22-stündigen Busreise nach Soligorsk und beim Spiel in Bukarest mit von der Partie. Im Fansektor zu stehen und gemeinsam zu singen kam in dieser Zeit fast einer Therapie gleich. Man konnte einfach alles rauslassen, war unter Freunden. Fußball ist einfach eine super Freizeitgestaltung, die sehr erfüllend sein kann. Mir persönlich war es in dieser Zeit gar nicht immer so wichtig, dass wir gewinnen. Ob wir verloren oder gewonnen haben, es gab immer eine Gemeinschaft, mit der man richtig viel Spaß haben konnte. Das war das, was mir am meisten getaugt hat. Wenn wir Unentschieden gespielt haben und Rapid verloren hat, dann habe ich mich fast mehr über die Niederlage von Rapid gefreut, als über unser X geärgert. Es ist halt einfach so, dass die Grünen fantechnisch die einzige Konkurrenz sind und da ist dann schon eine gewisse Rivalität und Schadenfreude vorhanden.

Du hast dir in den vergangenen Jahren richtig viel aufgebaut, bist sowohl in der österreichischen Kabarett-Szene als auch in der Musik-Branche mehr als nur angekommen. Dein neues Programm „Unerhört Solide“ ist bereits an allen Veranstaltungsorten ausverkauft. Bleibt im Moment überhaupt noch Zeit, ab und an in Liebenau vorbeizuschauen?

Es ist momentan sehr schwer, weil sie meistens dann spielen, wenn ich selbst auch Auftritte habe. Das letzte Mal war ich bei Sturm gegen Rapid im Stadion. Das ist auch schon wieder gut ein Jahr her. Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich gestehen, dass ich im Moment überpopularisierte Plätze in meiner Freizeit eher meide, weil ich halt auch einmal froh bin, wenn ich nicht unter Menschenmassen bin. Ich habe zurzeit privat gerne weniger Leute um mich. Aber natürlich wäre es wieder mal cool, ins Stadion zu gehen. Wenn, dann stehe ich aber in der Kurve. Es würde mich nicht interessieren, irgendwo auf den Längsseitentribünen herumzurennen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Wenn ich Sturm schauen gehe, dann geht es um Sturm und nicht um mich. Da will ich das Spiel sehen. Die Zeit wird sicher wieder kommen, in der ich öfter im Stadion sein werde. Im Moment geht es sich leider nicht so oft aus, wie ich das gerne hätte.

Also wird einem die Bekanntheit und die Tatsache, dass man immer und überall angesprochen wird ab und zu ein bisserl zu viel?

Naja, die meisten, die mich anreden sind echt immer total lieb und wenn jemand ein Autogramm haben möchte, dann mach ich das wirklich gerne. Das ist in meinem Beruf ja ein Nehmen und Geben. Jedoch kann ich es persönlich nicht ganz nachvollziehen, weil es keinen Menschen auf der Welt gibt, von dem ich mir ein Autogramm holen würde. Was habe ich denn davon? Ich verstehe es nicht. Was mich eher oft zum Schmunzeln bringt ist, dass egal wo ich bin, die Leute immer mit mir saufen wollen. Da kommen Leute zu dir, die du noch nie gesehen hast und sagen so: „Jetzt sauf ma zusammen eines, Paul!“ Und ich denke mir nur so: „Glaubst du wirklich, dass das mit mir lustiger ist, als mit deinen Freunden?“ Manche glauben anscheinend, eine Person macht den ganzen Abend besser.

© Moritz Schell

Was war für dich dein persönlicher Magic Moment in der Geschichte des Sportklub Sturm?

Es gab für mich irgendwie nicht so diesen einen Magic Moment, da ich ja erst relativ spät angefangen habe, mich richtig mit dem Ganzen zu beschäftigen, sprich die ersten Meistertitel nicht so bewusst miterlebt habe. Aber es gab ganz, ganz viele prägende Erlebnisse. Zum Beispiel das 5:1 auswärts bei Rapid. Das war ein Wahnsinn. Die Grünen waren so haß, dass sie uns mit Zwei-Euro-Stücken vom zweiten Rang aus beworfen haben. Oder Bukarest war auch extrem arg, wie die Verrückten plötzlich begonnen haben, Steine auf die Busse zu werfen. Das war keineswegs ein wundervoller Magic Moment, sondern wird einfach unvergessen bleiben. Dann fällt mir auf die Schnelle auch noch Soligorsk ein. Wir hatten ab Weißrussland permanente Polizeibegleitung und dann sind wir zu so einem Badesee gekommen, wo weißrussische Familien geplantscht haben. Uns war so heiß und wir waren schon kurz davor uns abkühlen zu gehen, als uns plötzlich davon abgeraten wurde, weil der See dort plutoniumverseucht war. Da hast dir auch gedacht: „Olta Voda!“. Im Endeffekt ist es dann ein herrliches 0:0 geworden und dann wechselt der Foda in der 93. Minute seinen Buben, den Sandro ein, nur damit dieser die Marge für den Aufstieg bekommt. Da habe ich mir auch meinen Teil gedacht. Im Jahr 2011 mit dem Meistertitel war das dann langsam so das Ende meiner intensiven Zeit mit Sturm, weil halt auch arbeitstechnisch immer mehr auf mich zugekommen ist. Aber der Titel war natürlich das Schönste. Weil im Endeffekt denkt sich jeder, der immer im Stadion ist, dass er auch seinen kleinen Anteil am Meistertitel hat. Dieses Gemeinschaftsgefühl mit einem gemeinsamen Ziel kann nur der Fußball so geil vermitteln.  

Gab es Zeiten in denen die Beziehung zu Sturm Risse bekam?

Natürlich ist es so, dass man sich mit zunehmendem Interesse auch mit der Vereinspolitik beschäftigt. Direkt mit dem Zuschauen gehen wächst nämlich proportional das sportliche Know-How. Das ist natürlich Schwachsinn, aber man redet es sich halt gerne ein. Man sieht dann viele Sachen differenzierter. Wirkliche Risse hat es jedoch nie gegeben, ich war ab und zu halt einfach anderer Meinung.

Wir haben auch recherchiert, dass du selbst einmal als Tormann bei Hitzendorf am Platz gestanden bist. Wie groß war das Talent und wie lange hast du gespielt?

Mein Talent war natürlich immens. An mir ist eine große Legende verloren gegangen. (lacht) Nein, Scherz. Ich habe bis zum 15. Lebensjahr selbst Fußball gespielt und dann aber mit Basketball angefangen. Sind wir besser froh, dass ich es aufgegeben habe. Aber der Spaß daran ist nicht verloren gegangen. Ich gehe nach wie vor einmal in der Woche hobbymäßig in der Halle kicken.

Mit welcher Persönlichkeit aus der langen Geschichte von Sturm hatten Sie den engsten Kontakt?

Eigentlich zu niemandem. Es war von mir aus jetzt aber auch nie der Wunsch, da einen Spieler näher zu kennen. Es hat sich privat halt einfach nie ergeben. Mir war das prinzipiell immer egal, ob da jetzt wer bekannt ist und bei Sturm kickt oder nicht. Entweder es ist ein leiwander Hawi oder nicht.

Hast du deinen Sturm-Bezug schon einmal in einen Liedertext einfließen lassen oder bist beim Textschreiben von Sturm inspiriert worden?

Ja klar. Dadurch, dass ich mit meiner Mama früher wirklich immer am Fußballplatz war, halt bei uns zu Hause, ist das in den Text von meinem Lied „Mama“ natürlich eingeflossen und Fußball erinnert mich natürlich auch an Sturm. Beim Lied „Hooligans“ ebenso. Dieser Song soll aber keines Wegs irgendwie Gewalt positiv darstellen, sondern ich habe es einfach als Metapher für den Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl zwischen Brüdern gesehen. Also ja, natürlich findet jegliche Erfahrung die man in seinem Leben sammelt auch Eingang in den künstlerischen Output.

Gabalier versuchte sich ja schon an einem eigenen Sturm-Lied und konnte dabei nur wenig überzeugen. Hast du selbst den Wunsch, sowas einmal zu machen oder hättest du da Angst vor möglichen negativen Reaktionen?

(lacht) Genau sowas sollte man meiner Meinung nach niemals machen. Was gekünstelt oder plakativ wirkt, das kommt bei den Fans einfach nicht gut an. Die Leute, die da über Jahrzehnte Herzblut und Leidenschaft in den Verein stecken, fühlen sich dann verarscht und denken sich: „Wer kommt da jetzt plötzlich daher? Wo warst du denn die letzten Jahre?“ Ich finde nicht, dass ein Fußballverein wie Sturm als Plattform für seine eigene Karriere genutzt werden sollte. Ich sage es immer so: „Schuster bleib bei deinen Leisten!“ Mir persönlich ist sowas nicht sympathisch und ich habe das demnach auch nicht vor. Man sollte seinen Beruf von seinen Hobbys bestmöglich trennen.

© Ulrike Rauch

Braucht man deiner Ansicht nach als Sturm-Fan viel Galgenhumor?

Ich glaube, Galgenhumor und Selbstironie können einfach nie zu viel vorhanden sein, egal um welches Interesse es geht. Im Fußball sollte man auch hin und wieder über Niederlagen lachen können. Also ja, als Fußballfan bedingt es einer gehörigen Portion davon.

Warum erkennt man einen Weststeirer in Graz meist auf den ersten Blick?

Weil er laut ist. (lacht) Zu dieser Deutschlandsberg-Geschichte muss ich jetzt auch einmal was sagen: Ich bin eigentlich nur dort geboren, und habe sonst nichts mit Deutschlandsberg zu tun. Meine Mutter hat damals im LKH Deutschlandsberg Turnus gemacht und sich mit dem Personal von der Geburtenstation so gut verstanden, dass sie mich dort zur Welt bringen wollte. Ich habe in Deutschlandsberg weder Verwandte noch Freunde. Zudem ist der Bezirk eher rot geprägt, das würde dann ja gar nicht zu mir passen. Bis auf Auftritte und Buschenschank-Besuche habe ich in dieser Gegend also relativ wenig zu tun. Ich bin in Steinberg aufgewachsen und dann mit 17 nach Graz gezogen. Eh ein Wahnsinn. Jetzt bin ich seit 12 Jahren Grazer. Beruflich wäre Wien vielleicht hin und wieder einfacher, aber wenn ich ab und an in Wien bin, dann merke ich halt schon, dass die Leute anders sind und auch am Klima merkst halt schon, dass das 200 Kilometer weiter im Norden ist. Mir persönlich ist die permanente Hektik dann irgendwie zu viel. Da bin ich eh sehr dankbar, dass ich in Graz daheim bin – ich liebe diese Stadt.

Hand aufs Herz: Kann deine Oma wirklich nicht kochen?

Man sollte jetzt eigentlich nichts mehr sagen, weil meine Oma leider letztes Jahr verstorben ist, aber ich bin ehrlich: Das hat alles gestimmt. Wenn auch nicht alles in meinen Texten immer ganz wahrheitsgetreu ist, das hat gestimmt. (lacht)

Was hat deine Oma dann dazu gesagt, als sie deine Auftritte gesehen hat.

Die Oma war mir einmal zuschauen und ich bin nach dem Auftritt zu ihr in und habe sie gefragt: „Und wie hast es gefunden?“ Sie hat darauf nur gesagt: „Hast eh noch eine andere Oma.“ (lacht) Aber das hat schon so gepasst, deswegen habe ich kein schlechtes Gewissen.

Was wünscht du deinem Sportklub Sturm Graz für die Zukunft? Weihnachten steht vor der Tür!

Den Weinzierl als Trainer, aber den wird man sich leider nicht leisten können. Deshalb wünsche ich dem SK Sturm einfach so viel Erfolg wie möglich. Und zumindest immer einen Platz vor den Wienern!

Vielen Dank für das Interview, Paul.

Ich sage danke für das lässige Gespräch.

1 Kommentar

  1. graz4ever sagt:

    Richtig leiwander Hawi!

    Super Interview, thx 🙂

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