Out Of The Dark

Schwarz-Weiße Zeitreisen #2

Wir schreiben den 25. Jänner 2007, ein historischer Tag für den SK Sturm Graz, denn an jenem Datum wird nämlich die Wiedergeburt des Grazer Kultklubs eingeläutet. Hans Rinners Worte „Sturm Graz ist frei“ haben sich mit Sicherheit bis heute noch in das Gedächtnis vieler Sturmfans eingebrannt, stehen sie immerhin für den geschafften Zwangsausgleich. Dass es dazu kommen musste, ist eigentlich schon ein Paradoxon! Um zu verstehen, weshalb der SK Sturm Graz den schweren Gang zu Masseverwalter Norbert Scherbaum antrat, um 2006 den Konkursantrag zu stellen, müssen wir in das Jahr 2002 zurückblicken.

Hier beginnt die Abwärtsspirale der Schwarz-Weißen. Nachdem Präsident Hannes Kartnig zu Saisonbeginn 13 Spielerverträge nicht mehr verlängert und stattdessen weitestgehend mittelmäßige Legionäre verpflichtet, steht Jahrhunderttrainer Ivica Osim nur mehr mit einer Durchschnittstruppe da. Selbst der Bosnier schafft es nicht mehr sich mit dieser Mannschaft erneut für die Champions-League zu qualifizieren und so kommt es, wie es kommen musste. Nach zunehmender öffentlicher Kritik und wahrem Psychoterror Hannes Kartnigs beschließt der  „Philosoph“ zurückzutreten.

Franco Foda übernimmt und führt die Mannschaft gegen Ende der Saison auf den respektablen sechsten Tabellenplatz, doch für Kartnig ist dies zu wenig. Er heuert den ehemaligen Schweizer Nationaltrainer Gilbert Gress an. Sein kurzes Intermezzo endet für Sturm im Tabellenkeller; Mischa Petrovic folgt ihm und hält sein Wort, denn „ein Petrovic steigt nicht ab“ (zumindest nicht mit Sturm). Sportlich hatte man sich zumindest einigermaßen rehabilitiert, was auf den wirtschaftlichen Aspekt auf keinen Fall zutraf. 2005 dann der Paukenschlag: Die Mitglieder erfahren, dass sich ein Schuldenstand von zwei Millionen Euro angehäuft hatte! Von den 200 Millionen Schilling der Champions League-Einnahmen investierte man 190 Millionen in Spielergehälter und Prämien. Zusätzliches Geld wurde für die Transfers von Haas, Amoah und Rojas, sowie den Ausbau des Trainingszentrums in Gössendorf ausgegeben.

Der nächste Tiefpunkt folgt ein Jahr später: Nachdem man geforderte 1,2 Millionen Euro nicht bis zum 20. Oktober aufbringen kann, meldet Sturm am 23. Oktober Konkurs an. Insgesamt haben die Schwarz-Weißen 8,6 Millionen Euro Schulden angehäuft, eine nahezu ausweglose Situation. Erich Fuchs und einige Fanklubvertreter bitten den Unternehmer und heutigen Sturm-Präsidenten Christian Jauk um Hilfe. Dieser gründet eine Unternehmergruppe bestehend aus Hans Rinner, Gerhard Marbler, Günter Niederl, Stefan Fattinger und Michael Drexel. Jenen Herren ist es letztlich zu verdanken, dass es den Grazer Traditionsverein heute überhaupt noch gibt. In der Folge gibt es einen Präsidentenwechsel und Hans Fedl, der Kartnig überreden kann sein Amt abzugeben, übernimmt interimstechnisch das Ruder beim SK Sturm Graz. Dies führt uns wieder zurück zum 25. Jänner 2007, der Tag an dem Sturm dann in der Folge den Zwangsausgleich schafft.

Zu dieser Zeit wirkten die Akteure auf dem Platz, als spiele der Konkurs überhaupt keine Rolle. Schon in der Saison 2006/2007 zeigt die junge Sturmmannschaft (wieder unter der Führung Franco Fodas) sehr schönen Offensivfußball und hätte die Saison ohne den Punkteabzug (13 Punkte aufgrund Verstöße gegen Lizenzauflagen) auch schon auf einen internationalen Startplatz beendet. Was jedoch in den nächsten Monaten passieren sollte, konnten sich die Sturmfans nicht einmal erträumen. Die Saison 2007/2008 beginnt sehr gut mit einem 2:2 in Graz gegen eine starke Wiener Austria. Ein Highlight jagte in dieser Spielzeit das nächste. Nachdem man Rapid durch ein Thomas Krammer-Tor in Graz 1:0 besiegen konnte, folgte in Wien zwei Wochen später das legendäre 1:5. Die Wiedergeburt Sturms sollte im letzten Heimspiel in Graz gegen die von Giovanni Trapattoni trainierte Startruppe, RB Salzburg, gipfeln.

Sturm spielte mit dem gewohnten 4-5-1, im Tor Christian Gratzei, davor Lamotte, Prettenthaler, Shashiashvilli und Sebastian Prödl, der in dieser Herbstsaison zu beeindrucken wusste. Sogar ein Scout des AC Milan schaute ihm in diesem Spiel auf die Beine. Im Fünfermittelfeld agierten Kienzl, Säumel, Krammer, Salmutter und Muratovic. Solospitze, Vereinslegende und Bomber Mario Haas vervollständigte diese schwarz-weiße Mannschaft, die in der Folge noch als „die jungen Wilden“ im Gedächtnis hängen bleiben sollte. Auf Seiten der Salzburger spielte unter anderem ein alter Bekannte: Christoph Leitgeb, der zu Saisonbeginn die Farben wechselte. Um vielleicht zu verdeutlichen, welche Qualität sich im Kader der Bullen befand, seien zwei Akteure genannt, die in diesem Spiel nur eingewechselt wurden: Marc Janko und das ehemalige Jahrhunderttalent Johann Vonlanthen. In der Startelf standen Spieler wie Kovac, Zickler oder Steinhöfer.

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Auch bei seinem zweiten Antritt an alter Wirkungsstätte musste sich Christoph Leitgeb mit einem Unentschieden begnügen (c) Wikimedia Commnons/Werner100359

 

Jeder Stadionbesucher spürte an diesem eiskalten Abend in Graz-Liebenau, dass es ein besonderer Tag werden sollte. Schon vor Spielbeginn wurden Wunderkerzen an jeden Zuseher verteilt. Der Autor, damals noch ein kleiner 11-jähriger Bub, dick eingepackt in ein Stankovic-Dress, einem Pullover, einer Winterjacke und einem Tormanndress darüber, war von dieser Atmosphäre im Stadion so begeistert, dass er seine Liebe fürs Leben gefunden hatte und diese bis heute nie mehr gehen ließ. Auch ältere Semester beschreiben den Augenblick, als über 15.000 die Sprühkerzen anzündeten und Falcos „Out of the Dark“ lauschten, heute noch als einen der schönsten Momente in der Klubgeschichte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war jedem klar, der SK Sturm ist wieder da, die dunkelsten Kapitel der Vereinsgeschichte sollten nun endgültig geschlossen sein.

Das Spiel begann auf der Tribüne mit einem hüpfenden Grazer Publikum, denn ein Bulle wollte an diesem Abend wahrlich niemand sein und als Sebastian Prödl nach einer Ecke von Jürgen Säumel auch noch zur Führung traf, explodierte das Stadion förmlich. Eine Stimmung wie man sie davor nur ganz selten – vielleicht überhaupt noch nie – erlebt hatte. Die Salzburger dominierten das Spiel und die Sturmfans die Akustik. Von „Samma Schwoaz“ bis „Wenn wir hier stehen“ war wirklich alles und auch so ziemlich jeder in der UPC-Arena dabei. Auch der späte Ausgleichtreffer durch Djordje Rakic nach einer Steinhöfer-Flanke konnte daran nicht mehr ändern. Nachdem der LASK gegen Rapid am nächsten Tag eine 2:0-Niederlage kassierte, krönte sich Sturm zum Winterkönig. Ein wahres Fußballmärchen in schwarz-weiß.

 

 

 

1 Kommentar

  1. Hindemith sagt:

    Ja, auch ich war dabei, volle Hütte, im letzen Moment haben wir noch Karten ergattert, in der Nordkurve im Sektor 11 knapp unterm Dach, Fankurve war damals noch auf der gegenüberliegenden Seite (25er etc.). Es war zwar saukalt, aber wir sind das ganze Spiel hindurch ständig in Bewegung gewesen, eine so einzigartige Stimmung, Schneegestöber und Spritzkerzen, Eindrücke, die man noch den Enkeln erzählen wird….

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