Otto Baric 87-jährig verstorben
Saison 1979/1980: Der SK Sturm rutscht immer tiefer in den Abstiegsstrudel, liegt im März gar auf dem letzten Tabellenplatz. Für den ehemaligen Erfolgstrainer Dr. Günther Paulitsch wird die Doppelbelastung – Richterrobe und Fußballschuhe – zunehmends zur Last und der Klub reagiert – auch im Sinne von Paulitsch – mit einer Trainerrochade. Der in Eisenkappel bei Völkermarkt als Sohn jugoslawischer Gastarbeiter geborene, in Zagreb aufgewachsene, Otto Baric wird verpflichtet und soll den Abstieg der Blackys noch verhindern. Mit drei vollen Erfolgen en suite und einem Unentschieden beim LASK in der letzten Runde gelingt die Rettung. Sturm beendet die Meisterschaft auf dem neunten Tabellenplatz und bleibt erstklassig. Und blüht in der Folgesaison so richtig auf. Im November 1980 gewinnt die Baric-Elf vor 18.000 Zusehern in Liebenau gegen Rapid und holt sich den ersten Herbstmeistertitel der Vereinsgeschichte.
Auch im Frühjahr rennt das Werkl, vor allem Bozo Bakota, den sein damaliger Trainer und Landsmann fast in Eigenregie zu Sturm gelotst hat, entpuppt sich als echter Glücksgriff. Mit Gernot Jurtin wird zudem zum ersten Mal ein Sturmspieler Bundesliga-Torschützenkönig, doch als alles schon für die Meisterfeier in Graz vorbereitet ist, patzt man beim letzten Heimspiel – wieder gegen Rapid – und geht mit 1:4 unter. Trotz erstmaligen Vizemeistertitel nur ein Jahr nach dem Beinaheabstieg überwiegt die Trauer über diese vertane Jahrhundertchance. Der Meistersekt bleibt ungeöffnet, die bereits vorab produzierte Meistersingle der White Stars wird eingestampft.
Zweite volle Baric-Saison mit europäischen Ausrufezeichen
Auch 1981/82 wird mit Bozo Bakota erneut ein Sturmkicker Torschützenkönig, doch in der Liga-Endtabelle reicht es nur noch für Rang 6. International jedoch, ist Sturm in aller Munde: Zum Auftakt der Europapokalsaison besiegen die Grazer, damals fast durch die Bank nur mit Halbprofis im Kader, das sowjetrussische Schwergewicht ZSKA Moskau dank der Auswärtstorregel. In Runde zwei scheitert man nach einem 2:2-Heimremis erst aufgrund eines krassen Elfmeter-Fehlpfiffes in der Nachspielzeit auswärts bei IFK Göteborg mit 2:3. Wie stark die Schweden, damals betreut von Sven-Göran Eriksson, waren, wird erst später deutlich: Im UEFA-Cup-Endspiel besiegten sie den von Ernst Happel trainierten HSV zweimal mit 1:0. Baric wechselt nach dieser Spielzeit zu Rapid, erreicht mit den Hütteldorfern 1985 das Europacupendspiel, um gleich darauf wiederum vom VfB Stuttgart abgeworben zu werden.
Rückkehr zur Millionenelf
Im November 1988 kommt Baric zurück an den Jakominigürtel. Vor der Saison träumt man in Graz erstmalig ganz offen vom Titelgewinn, teure Neuzugänge – bislang in der Klubgeschichte völlig unüblich – sollen den Weg dahin eben. Doch die „Millionenelf“ floppt, steht nach 15 Runden mit nur einem Sieg da, scheitert im Europacup an Servette Genf und nun soll’s erneut der Otto richten. Tat er auch: Durchs Mittlere-Play-Off spaziert man durch und bleibt so weiterhin erstklassig. Als er nach diesem Erfolgsrun jedoch von und für seine Mannschaft zu viel verlangt, einen Anschlussvertrag als Akademie-Leiter fordert, kommt es nach nur siebeneinhalb Monaten zur zweiten Trennung. Otto Baric zieht es zu Vorwärts Steyr, bringt dort Tomislav Kocijan groß heraus und macht sich nur ein Jahr später daran, mit der Salzburger Austria Europacupgeschichte zu schreiben. Er erinnert sich an seinen Goalie zu Sturmzeiten und streckt für seinen neuen Klub sogar Geld vor, um Otto Konrad im Tor stehen zu wissen. Auch mit den Lehener Veilchen zieht er ins Europacupfinale ein, schafft es, erst- und einmalig, dass beinahe ein ganzes Land hinter einem Klub steht und schreibt das Drehbuch zum Salzburger Fußballmärchen. Nach seiner Ära in der Mozartstadt, die ihn bis in die Champions-League-Gruppenphase führt, wird Baric noch Fenerbahce, den LASK, sowie das österreichische, kroatische und albanische Nationalteam coachen.
Am Ende einer langen Karriere blieben unter dem Strich dreizehn nationale Titel sowie das Erreichen der EM-Endrunde 2004 mit Kroatien. Der Mann, der in jedem Satz zumindest einmal das Wort „maximal“ eingebaut hatte und Interviews stets mit den Worten „Schauen Sie…“ eröffnete, ist Sonntag-Nachmittag an den Folgen einer Covid19-Infektion verstorben. Er war einer der schillerndsten, aber auch erfolgreichsten Trainer der österreichischen Fußballgeschichte und auch sowas wie deren erster echter Entertainer. Statistisch rangiert er zwar nur als dritterfolgreichster Trainer der Sturmhistorie, jedoch war er der Erste, der Graz von einem Titel träumen ließ. Ein Motivator und Taktikfreak, der stets in der Underdog-Rolle am besten gefiel.
Danke für den schönen Nachruf!
wirklich schöner Artikel über einen meiner absoluten Lieblingstrainer – herzlichen Dank!
Schöner Artikel und würdiger Nachruf. Er wird noch eine Weile weiterleben durch sein Double in der Liebenauer Gastronomie.
Ruhe maximal in Frieden!