Osims letzte Zigarette
Am 9. Mai steht der Sportklub Sturm zum neunten Mal in seiner Vereinsgeschichte in einem Pokalfinale. Derzeit ist die Endspielbilanz ausgeglichen: 4 Siege (1996, 1997, 1999 und 2010) stehen 4 Niederlagen (1948, 1975, 1998 und 2002) gegenüber. Wir werfen in unserer Serie einen Blick auf die erfolgreichen Endspiele zurück und es war geplant, jeweils einen Protagonisten zu Wort kommen zu lassen. Für den dritten Teil wäre Franco Foda an der Reihe gewesen, sich an den Sieg im Elfmeterschießen gegen den LASK im Jahr 1999 zu erinnern. Das hat allerdings – sagen wir es so – nicht hundertprozentig geklappt. Doch das ist eine andere Geschichte. Daher gibt es heute „nur“ einen „hundsordinären“ Rückblick.
Konträr zur Vorsaison, als die Sturm-Kicker nach dem ersten Meisterschaftstitel in der Vereinsgeschichte zu lange, zu laut, zu flüssig, allerdings völlig zurecht, feierten und nur wenige Tage nach dem Konfetti-Regen in der Grazer Innenstadt im Cupfinale überraschend gegen die SV Ried mit 1:2 unterlagen, holten sich die Blackys 1999 zum bislang einzigen Mal das Double. Vielleicht auch deswegen, da in dieser Spielzeit das Pokalfinale schon zwei Runden vor Saisonende ausgetragen wurde.
Nach Siegen über den ESK Graz (4:0), SVG Reichenau (5:0), Schwarz-Weiß Bregenz (2:1), den GAK (2:1) und einem 5:0-Heimerfolg über die Rieder Titelverteidiger, traf man im Endspiel auf den LASK. Die nur 8.500 Zuseher im Happel-Rund bekamen von Beginn an eine äußerst attraktive Partie zu sehen, doch waren es die Linzer, die in Halbzeit eins klar dominierten. So fand Jürgen Kauz zwei Chancen vor, einmal verfehlte Cheikh Sidy Ba nur knapp das Tor, dann wiederum musste Roman Mählich in höchster Not retten. Sturm kam erst in Minute 24 zur ersten Torchance, doch ein Vastic-Kracher klatschte nur an die Querlatte. Zwölf Minuten später stand der beherzt agierende Sturm-Kapitän erneut im Mittelpunkt: Nach einem Freistoß von Jürgen Panis kam es im Strafraum zu einem Kopfballduell zwischen Vastic und LASK-Spieler Zeljko Milinkovic, wonach sich die Kugel von Ivos Hinterkopf über Kazimierz Sidorczuk zum Führungstreffer der Linzer in das eigene Tor senkte.
Klar waren die Sturm-Verantwortlichen in der Pause so gar nicht zufrieden mit dem bisher Gezeigten. Als Hannes Kartnig sich drauf und dran machte, den Sturm-Spielern in der Kabine ordentlich die Leviten zu lesen, übte sich der Präsident jedoch rasch wieder im Rückzug, denn für eine ordentliche Beschallung sorgte längst Trainer Ivica Osim persönlich. Und die Kabinenpredigt sollte Wirkung zeigen. Die Sturm-Elf präsentierte sich nach Wiederanpfiff wie verwandelt. Nach einem schnell abgespielten Freistoß von Roman Mählich setzte sich Mario Haas wieder einmal auf das Moped und sorgte für den Ausgleich. Da in der Folge zweimal Reinmayr und auf der Gegenseite Ex-Blacky Herbert Grassler in der regulären Spielzeit echte Matchbälle ausließen und auch in der Verlängerung kein Tor mehr fiel, sollte in diesem Jahr der Cupsieger – zum ersten Mal seit 1985 – im Penalty-Schießen ermittelt werden.
Ein Hauptakteur sah das Shoot-Out jedoch nur noch vor dem Fernsehkastl: Ivica Osim, der in solchen Entscheidungen bis dato selten Glück hatte, war die nervliche Anspannung zu groß und flüchtete in die Katakomben des Prater-Stadions. Sein Nikotinkonsum während der 120 Minuten war derart erschreckend hoch, dass er nach diesem Tag nie wieder einen Glimmstängel angreifen sollte. Völlig aufgekratzt sah er, wie justament einer zum Held wurde, der für eine solche Eventualität gar nicht eingeplant war. Ursprünglich hatte der Trainer beabsichtigt, bei einem eventuellen Elfmeterschießen Goalie Sidorczuk kurz vor der 120. Minute auszuwechseln und durch Pepi Schicklgruber zu ersetzen. Jedoch hatten die Blackys ihr Wechselkontingent bereits verbraucht und so durfte der Pole – zu jener Zeit nicht in der Form vergangener Jahre und nur mit Spritzen und Voltaren in Schuss gebracht – im Kasten bleiben. Und parierte die ersten beiden LASK-Elfer von Jürgen Kauz und Klaus Rohseano. Da Vastic, Haas und Markus Schupp souverän verwandelten, durfte zudem einer, für den das Toreschießen alles andere als Routine war, für die endgültige Entscheidung sorgen: Sturm-Schütze Nummer 4, Franco Foda, verlud Zeljko Pavlovic und der Pokal wanderte nach einjährigem Avignon in Ried wieder zurück an die Mur.
Am Ende schnaufte Osim erleichtert durch und Penalty-Killer Sidorczuk verspürte enorme Genugtuung: „Ich wollte helfen und das ist mir gelungen. Ich habe es auch gebraucht, denn mir fehlte zuletzt auch ein bisschen das Glück.“ Ranko Popovic sprach davon, dass dieser Sieg Moral für das Meisterschaftsfinale geben wird und auch sein Trainer fand wieder zum Humor zurück, als er Foda beglückwünschte, da sich dieser gegen Ende des Spieles gar bis zur Mittellinie vorwagte. „Das muss ein Schock für den Armen gewesen sein, so weit der Weg retour“, schmunzelte Osim und gab seiner Mannschaft für den nächsten Tag ausnahmsweise trainingsfrei. Vier Tage später sollte Sturm in einem weiteren Krimi den GAK in der vorletzten Meisterschaftsrunde mit 2:1 besiegen und damit die Basis für den zweiten Meistertitel legen. Doch das ist auch eine andere Geschichte.
Spieldaten
Finale
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Sturm Graz – LASK Linz 4:2 i.E. (1:1)
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18. 5. 1999
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Ernst-Happel-Stadion, 8.500, Sedlacek Tore: 0:1 (36.) Vastic (Eigentor), 1:1 (60.) Haas Elfmeterschießen: Vastic, Haas, Schupp, Foda bzw. Weissenberger, Stumpf STURM: Sidorczuk; Foda; Neukirchner, Popovic; Martens (105. Berco), Reinmayr (109. Milanic), Schupp, Mählich, Minavand (97. Bochtler); Vastic, Haas LASK: Pavlovic; Muhr; Milinkovic, Ba (Mehlem); Grassler, Rohseano, Kauz, Pichorner, Panis; Augustine (63. Weissenberger), Dadi (93. Stumpf) |
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