„Für immer einer von uns“
Sturm-Legende Michael Petrovic feiert heute seinen 60. Geburtstag. Über zwei Jahrzehnte war Mischa aus Graz nicht wegzudenken. Sowohl sein Abschied als Spieler als auch später jener als Trainer wurde in keiner Weise seinen unschätzbaren Leistungen für den Sportklub Sturm gerecht. Nicht zuletzt deshalb ist es höchst an der Zeit, ihm jenen Dank und jene Anerkennung zukommen zu lassen, die ihm gebühren. Petrovic war und ist ein stets „Echter“, einer, für den die Arbeit in Schwarz-Weiß immer Herzenssache war und auch einer, der seine Zunge am Herz trägt. Ohne den in Belgrad geborenen Fußballer – mittlerweile mit österreichischem Reisepass – hätte Sturm wohl kaum so schnell wieder jenen Stellenwert, jene Stärke und jene Einzigartigkeit erreicht, die den Klub heutzutage auszeichnet.
Sommer 1985: Kurzzeittrainer Ivan „Djalma“ Markovic folgte Hermann Stessl als Sturm-Trainer nach. Kurz vor dem Saisonstart schlägt man am Jakominigürtel noch zwei Mal auf dem Transfermarkt zu. Zum einen kommt mit Günther Vidreis der Goalgetter von VOEST Linz nach Graz, sollte sich jedoch als echter Flop erweisen, zum anderen empfahl der Neo-Coach den kleinen, quirligen Mihajlo Petrovic von Dinamo Zagreb. Angedacht war, dass der Jugoslawe die Rolle des „Chefs“ im Mittelfeld übernehmen sollte, die nach dem Abgang von Zvonko Breber ein Jahr lang vakant war. Markovic ist in Graz alsbald Geschichte, doch sein Wunschspieler erwies sich als echte Verstärkung. Nachfolger Walter Ludescher erkannte schnell sein Potential zum idealen Libero und Mischa war auf dieser Position bald schon unersetzbar. Der Jugoslawe spielte sich in die Herzen der Sturm-Knofl und den Blackies gelang es in diesen Jahren, gleich zwei Mal auf Platz 3 im Bundesliga-Endklassement zu landen. 1989 wurde Michael Petrovic österreichischer Staatsbürger. Hätte er nicht als 23-Jähriger in Turin ein Länderspiel für Jugoslawien bestritten, er wäre wohl 1990 unverzichtbar für das österreichische Nationalteam bei der WM-Endrunde in Italien gewesen.
Ein Mischa steigt nicht ab
Durch die sich bereits damals abzeichnenden finanziellen Probleme beim SK Sturm wurde Mischa Petrovic zudem zur wichtigen Leitfigur und zum Aushängeschild einer notwendigen Verjüngung der Mannschaft. Anfang der 90er-Jahre war der Klub wirtschaftlich in seiner Existenz und sportlich vom Abstieg bedroht. Ein Zustand, den er bei Sturm nicht zum letzten Mal erleben sollte. Aber schon damals galt für ihn die Devise: „Ein Mischa Petrovic steigt nicht ab!“ Und er sollte Wort halten.
1993, nach acht Saisonen bei Sturm, musste sich der mittlerweile 36-Jährige eingestehen, dass er bei dem Verein, für den er 296 Pflichtspiele bestritten hat, und dem er wie keinem Zweiten verbunden war, nicht mehr benötigt wird. Sein Abschied von Sturm war wie bei so vielen vor und auch nach ihm mehr als unrühmlich. Dennoch kehrte er 1996 als Amateurcoach und Co-Trainer von Ivan Osim wieder zum SK Sturm zurück. Schon der Aufstieg mit den Sturm-Amateuren von der Landesliga in die Regionalliga war ein großartiger, persönlicher und für den Klub enorm nachhaltiger Erfolg. Dieser blieb nicht unbemerkt und so führte ihn sein Weg zurück in seine alte Heimat, in der er unter anderem als Co-Trainer des legendären Miro Blazevic reifte.
Kampf ums sportliche Überleben
Im Herbst 2003 kam es für Micha Petrovic zu einer erneuten Rückkehr zu Sturm. Die Umstände, die er vorfand, konnten jedoch für einen Trainer schlechter nicht sein. Sturm lag am Tabellenende, die Mannschaft war durch das erfolglose Kurzengagement von Trainer Gilbert Gress verunsichert und innerhalb der Mannschaft standen Grüppchenbildungen an der Tagesordnung. Wirtschaftlich zeichnete sich zudem schon jene Misere ab, die drei Jahre später auch für die breite Öffentlichkeit zur traurigen Gewissheit werden sollte. Kein Wunder, dass Trainer wie Georg Zellhofer, Didi Constantini oder Werner Lorant (zum Glück) dankend ablehnten, denn das, was die damalige Sturm-Führung lange vertuschen wollte, wurde nun Realität. Auch sportlich drohte der Super-GAU, denn die Blackies galten bereits zu diesem frühen Zeitpunkt für viele als Fixabsteiger. Der von etlichen unterschätzte Mischa Petrovic ließ seinen SK Sturm in den wohl schwersten Jahren der Vereinsgeschichte allerdings nicht im Stich. Ausgestattet mit einem jederzeit kündbaren Vertrag und „dem Lohn eines Bauarbeiters“, wie er es selbst einmal bezeichnete, und keine Aussicht auf Besserung der Situation, startete Mischa die „Mission Impossible“: Den sportlichen Überlebenskampf des fünf Jahre zuvor noch so großen SK Sturm.
Seine Ära als Sturmtrainer war geprägt von Notverkäufen, Fanboykotts gegen die Vereinsführung, ständigen Horrormeldungen und teilweise unfairer Kritik an seiner Person. Immer wieder war er damit konfrontiert, dass Leistungsträger den Verein – auch aus der Finanznot heraus – Lebewohl sagten. Äußerlich unbeirrt blieb er seiner Philosophie, der Betonung auf das spielerische Element sowie der Freude am Fußball, treu. Sein Abschied im Mai 2006 kam unerwartet, gerade deshalb, da seine Idee vom Spiel seine Schützlingen und Fans gleichermaßen begeisterte. Der nie bestätigte Verdacht des Wettbetrugs, verbunden mit demütigenden Hausdurchsuchungen und Anschuldigungen, die sich immer mehr zuspitzende wirtschaftliche Lage bei Sturm, hatten Petrovic allerdings sichtlich schwer zugesetzt.
Erst Jahre später äußerte er sich auf Sturm12 ausführlich über diese für ihn so schwere Zeit: „Plötzlich war ich Kennedy. Ich war auf allen Titelseiten und bekam Geschichten über mehrere Seiten. Unwahrheiten wurden einfach als Wahrheiten verkauft. Weder auf mich, noch auf meine Familie nahm man Rücksicht. Als sie dann eingesehen haben, dass nichts dran ist an der Geschichte, gab es einen Einspalter. Da war ich plötzlich wieder Mischa Petrovic.“ In diesem Interview wurde deutlich, welchen Belastungen er durch diese Vorverurteilung ausgesetzt gewesen war. Auf die Frage, woher diese Verdächtigungen überhaupt rührten, meinte der ehemalige Sturm-Trainer: „Das passt doch super. Der Jugo, der gerne spielt und zockt, vielleicht auch noch raucht. Ein Deutscher würde da ja gar nie in Frage kommen. Dabei hat Sturm lange Jahre von den Jugos gelebt.“ Für den harten Kern der Sturmfans gab es zwar nie Zweifel an seiner Unschuld, doch weder Unterschriftenaktionen, noch Treuekundgebungen, konnten verhindern, dass Petrovic nach drei Jahren, den schwersten der gesamten Vereinsgeschichte, den SK Sturm Richtung FC Kärnten verlassen sollte.
Big in Japan
Doch nur drei Wochen nach Vertragsunterzeichnung bekam er ein lukratives Angebot des damals im Abstiegskampf steckenden Klubs Sanfrecce Hiroshima und so verabschiedete sich Mischa vom Wörthersee in Richtung Land der aufgehenden Sonne. Dort konnte er vorerst nicht die Klasse halten und seinen Leitsatz erstmals nicht bestätigen. Trotzdem blieb er Sanfrecce bis Ende 2011 treu, gewann mit diesem Verein den Ligapokal und schaffte auch den Wiederaufstieg. 2012 wechselte er zu den Urawa Red Diamonds und sollte später als einer der längstdienenden Trainer der J-Leauge gelten. 2014 verpasste Petrovic mit dem von Mitsubishi gesponserten Verein den Meistertitel beinahe in letzter Minute, auch 2016 zerstörte ein Elfmeter in der 78. Minute erst knapp vor Schluss alle Titelträume. Im September 2017 trennte sich Mischa von seinem Verein im Guten und kehrte Japan den Rücken. Die Frage, ob er überhaupt noch arbeiten müsse, beantwortete er gegenüber dem Onlineportal Spox ganz offen: „Ich lebe seit 41 Jahren vom Fußball. Ich habe viel falsch gemacht und meine Familie hatte es nicht immer leicht. Aber ich habe dem Fußball auch viel zu verdanken. Er gehört zu meinem Leben. Vielleicht bringt die Zukunft wieder etwas Interessantes.“ Möglicherweise sogar in Österreich. Sollte Franco Foda Ende Oktober tatsächlich als ÖFB-Teamchef angelobt werden, wird es wohl nicht lange dauern, bis der Name Petrovic über Messendorf geistern wird. Immerhin: Rauchen tue er noch immer wie ein Schlot, aber dem Alkohol habe er in Ostasien endgültig voll und ganz abgeschworen.
Für immer einer von uns
Micha Petrovic hat maßgeblichen Anteil daran, dass der SK Sturm überhaupt noch existiert. Kein anderer Trainer seiner Klasse hätte unter diesen inakzeptablen Bedingungen gearbeitet. Er hat Sturm sportlich am Leben gehalten und somit auch das, zumindest kurzfristige, wirtschaftliche Überleben gesichert. Dem ehemaligen Libero ist es trotz katastrophalen Umständen gelungen, den Spielern stets Freude am Fußball zu vermitteln und er legte das Fundament für eine spielerisch hervorragende Sturmmannschaft, auf dem sein Nachfolger aufbauen konnte. Die Ernte für seine hervorragende Arbeit durfte Petrovic bei seinem Herzensklub nie persönlich einfahren.
Es ist längst an der Zeit, „Danke“ für die unvergesslichen Jahre beim SK Sturm zu sagen und die längst überfällige Wertschätzung seiner Arbeit zum Ausdruck zu bringen. Mischa Petrovic ist unbestritten einer der wichtigsten Trainer der Vereinsgeschichte. Wir wünschen ihm zum 60er alles Gute, viel Gesundheit und Glück. Er wird „für immer einer von uns“ bleiben.
Wow, sensationelle Laudatio, kann mich da nur anschließen.
Alles Gute Micha zum 60er!
Für immer einer von uns!
So ist es. Daumen hoch!!!
Petrovic hat damals für einen Hungerlohn gearbeitet….aus innerer Verpflichtung.
Und hat sehr sehr viel für den Verein geleistet, weit ab von Tabellenplatz und Pokale.
Danke Mischa!
Längst überfälliger Beitrag über einen der coolsten Schwarzweißen ever!
Alles Gute, Mischa!
alles Gute und Danke für die schönen Zeiten, war immer ein Fan von ihm! …der Artikel ist aber meiner Meinung nach etwas zu „blumig“ verfasst (der letzte Absatz ist dann doch etwas für die steirische Sagenwelt…):
– „unverzichtbar“ für das Nationalteam würd ich nicht sagen, wir hatten (für damalige Verhältnisse) mit Pecl, Aigner, Schöttel, Pfeffer etc. doch eine ansehnliche (wiener…) Verteidigung, mit Pepi Hickersberger einen Wiener Trainer – ich glaube nicht, dass Mischa sich durchsetzen hätte können
– auch an einen unrühmlichen Abgang kann ich mich nicht erinnern, es war halt die Zeit des Generationenwechsels, schließlich war er schon 36 Jahre alt, mit Milanic, Hiden, Neukirchner scharrten schon die nächsten in den Startlöchern, soweit ich mich erinnern kann galt auch Leitner als Supertalent und designierter Nachfolger (hat es dann aber irgendwie nicht geschafft)
– sooo tragisch war seine Trainerstation auch wieder nicht, der Kader in den ersten beiden Jahren war durchaus konkurrenzfähig, ich kann mich erinnern, dass z.B. ein Bosnar und auch ein Gercaliu keine wirklichen „Notverkäufe“ waren sondern auch heute noch als gute Transfers eingestuft würden, lediglich ab 2006 ging es dann wirklich ums Ganze (nichts desto trotz hab ich seine Trainerleistungen, gerade in der Konkurszeit, sehr positiv in Erinnerung)
ansonsten kann ich nur Wiederholen, dass er mir als Spieler und auch als Trainer getaugt hat, falls Foda wirklich Nationalteamtrainer wird, wäre er als Sturmtrainer sicher eine Überlegung wert!
@ blackfoxx
wohl eher dein Kommentar aus der steirischen Sagenwelt, nicht wahr ? :).
Das Problem bei Sturm nach dem Abgang von Petrovic war, dass man keinen gestandenen Libero hatte. Gernot Krisper und der von dir erwähnte Michi Leitner (Supertalent, naja nicht auch ein bisserl zu blumig?) haben sich dort versucht, erst mit Andrey Chernyshov war die Position dann wieder top besetzt. Hat aber net wirklich was mit einem unrühmlichen Abschied von Micha bei Sturm zu tun, weil’s da offensichtlich um die Art und Weise ging.
Ich seh auch nix tragisches an seiner Trainerstation, wird auch nirgendwo behauptet, schwierig aber auf jeden Fall. Mag gar net dran denken, wenn Sturm damals 2004 abgestiegen wär, da gäb es Sturm in der Form heute sicher nicht. Er hat den Klassenerhalt geschafft, mit sehr vielen jungen Spielern und dem Umstand, dass damals schon zeitweise Gehälter verspätet oder gar nicht bezahlt wurden. Zwangsverkäufe, Abgänge oh ja, die gab es. Allen voran Mario Haas oder David Mujiri, der den Vertrag aufgelöst hat. Gercaliu war ein eigenes Thema, der Transfererlös war aber auch nur Lückenfüller der leeren Kassen. Seine letzte Trainersaison war zumindest sportlich seine beste, auch die Art und Weise wie gespielt wurde, war zumindest für mich begeisternd. Micha hat Sturm damals vorm Absturz bewahrt und gleichzeitig viele junge Spieler eingebaut.
Übrigens war er in der Konkurszeit nicht mehr Sturm-Trainer, hat aber sportlich ein mehr als ordentliches „Erbe“ hinterlassen.