„Meine größte Chance habe ich dem SK Sturm zu verdanken“
Das ausführliche Gespräch zur Frauenfußball-Abteilung des SK Sturm wird in zwei Teilen veröffentlicht. Nach der Einleitung findet sich hier der zweite Teil des Gesprächs. Teil eins verpasst? Hier geht’s zum ersten Teil.
Im Mai wird die Abteilung Frauenfußball beim SK Sturm neun Jahre alt und viel hat sich seitdem getan. Das Team hat sich im österreichischen Fußball etabliert. Immer wieder wechseln große Talente nach Graz, anstatt sich für den SKN St. Pölten zu entscheiden, wo das Bundeszentrum für Frauenfußball stationiert ist. Während im ersten Teil großteils über die sportlichen Aspekte der Arbeit der Sturm-Damen geredet wurde, fällt der Fokus im zweiten Teil des Gesprächs auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen. Am Ende kratzt das Gespräch aber doch wieder die Kurve zum sportlichen Ausblick.

Bei perfektem Frühlingswetter standen Mario Karner und Emily Cancienne Rede und Antwort | Foto: privat
Das Budget ist seit neun Jahren gleichbleibend, hat Mario (Anm. im ersten Teil des Interviews) angemerkt. International tut sich im Frauenfußball sehr viel. Die taz hat unlängst ein Interview mit der Kapitänin von der TSG Hoffenheim, Leonie Pankratz, veröffentlicht. Sie sagt, dass sich die Zuschauerzahlen verschlechtern. Wäre es vielleicht besser, wenn Herrenteams nur in der Bundesliga spielberechtigt sind, wenn sie auch ein Frauenteam haben?
EC: Ich glaube, es wäre schon gut, weil die Chance auf einem höheren Niveau zu spielen für Frauen wie Herren da sein sollte. Auch, wenn nicht das gleiche Geld da ist. Jungs und Mädels wollen kicken und können kicken. Das sieht man überall und ich fände das wäre eine gute Möglichkeit.
Leonie Pankratz sagt in diesem Interview, dass es besser ist, wenn Klubs das intrinsisch entscheiden und nicht die Vorgabe bekommen. Sie meint, dass es öffentlich nicht gut angenommen wird, wenn die Regel von oben kommt.
EC: Natürlich ist es besser, wenn ein Klubchef sagt, dass er das selber möchte … Aber wenn das Gesetz kommt, dann muss es eben auch von Klubs akzeptiert werden, die es sonst nicht unterstützen würden. Vielleicht würde das schneller professionelle Strukturen in den Frauenfußball bringen, wenn alle müssten …
In England ist das bereits so. Man muss als Premier League-Team auch ein Frauenteam haben.
MK: Meine Meinung ist hier sehr klar: Wenn ich das aus voller Überzeugung im Klub machen kann – mit Infrastruktur und Personal und allem, was dazugehört – dann bin ich dafür. Auf alle Fälle. Ich halte aber nichts davon, das Klubs aufzuzwingen.
In England ist das eine andere Welt, was das Marketing angeht. Du hast neben den Spitzenspielern am Poster auch die Spitzenspielerinnen. Wir versuchen, und das ist auch Präsident Jauks Überzeugung, hier voran zu gehen und Vorbild für andere zu sein. Wir wollen auch andere motivieren, das als gesellschaftliche Verpflichtung zu sehen. Das sieht man bei Sturm auf mehreren Ebenen. Trotzdem muss man anderen Vereinen zugestehen, wenn sie das nicht wollen oder können.
Würde es nicht auch Sturm guttun, wenn der SK Rapid Wien ein Frauenteam hätte?
MK: Das wäre toll. Nur ich kann dem SK Rapid Wien nicht die eigene Einschätzung abnehmen. Ich höre nur, sie hätten Probleme mit der Anzahl der Plätze und wären schon mit den Jugendteams in der ganzen Stadt verteilt. Rapid hat sich aber schon mal bei uns erkundigt, wie wir den Frauenfußball in den Klub implementiert haben.
Aber du hast doch selbst gesagt, dass ihr 2015 drei Mal die Woche trainiert habt und die Möglichkeiten limitiert waren. Ihr habt trotzdem angefangen.
MK: Darum sage ich auch, dass man von oben herab (Anm. im Verein) die Überzeugung haben und die Mittel zur Verfügung stellen muss.

Wie hat sich das Training bei Sturm verändert – in Emojis? | Emily Cancienne, Instagram
In Deutschland wird den Frauenteams vorgeworfen, dass die Spielerinnen und Spieler recht langweilig seien. Warum soll man überhaupt Fan von Frauenteams werden, wenn bei den Herren mehr los ist und beide gleich langweilige Persönlichkeiten in der Öffentlichkeit haben? Wäre es nicht besser für Frauen, die Plattform offensiver zu nutzen?
EC: Hm… Ja vielleicht. Vielleicht wäre es besser, wenn wir öfter darauf aufmerksam machen würden: We work as hard as they do. Es gibt eben Unterschiede in der Infrastruktur, auch bei uns im Verein zwischen Herren und Frauen. Klar, ich bin unendlich dankbar für die Möglichkeiten, die der SK Sturm uns bietet, aber manche Sachen könnten sich natürlich verbessern.
Man kann sich fast immer und überall wegen etwas aufregen und laut sein, aber wir sind demütig und wissen zu schätzen, was da ist. Wir haben die Möglichkeit, ruhig weiterzuarbeiten und uns weiterhin stetig zu verbessern. Ich weiß nicht, ob das nicht vielleicht besser ist.
Wenn du dich über Dinge richtig aufregen würdest, glaubst du, die Medienabteilung würde dann alles zensieren oder dich verwarnen? Hast du im Verein überhaupt das praktische Recht auf diese freie Meinungsäußerung ohne Konsequenzen?
EC: Ich arbeite ja auch im Sponsoring-Bereich beim SK Sturm. Man hört mir im Büro zu und ich kann mich intern beschweren, wenn etwas nicht passt. Wenn Kritik an Mario herangetragen wird, wird da bestimmt auch darauf eingegangen. Ob das in den Medien laut gemacht werden sollte … Meine größte Chance habe ich dem SK Sturm zu verdanken, deshalb finde ich es am besten, Dinge intern zu diskutieren.
Natürlich kann es besser werden und es muss auch besser werden für Frauen im Fußball. Ich habe viele Ideen, was Branding und Identifikationspotenziale angeht in dieser schönen Stadt. Es braucht eben Zeit, das weiß ich und das weiß auch Mario.
Mario, in unserer Gesellschaft und da vor allem in den sozialen Medien sehnen sich die Leute immer danach, dass alles sofort passiert, schnell geht und radikal umgesetzt wird. Sollte man dem nicht auch im Frauenfußball nachkommen?
MK: Der Schlüssel zum Erfolg, der den SK Sturm Graz auszeichnet, ist doch genau das nicht. Es würde niemandem im Verein etwas bringen, wenn eine Person laut schreit und Dinge hinausposaunt, weil sie glaubt, alles wäre dann gerechter. Wir (Anm. SK Sturm Damen) füllen keine Stadien – zu uns kommen 200 Leute. Wir haben keine Historie von 110 Jahren wie das Herrenteam. Uns gibt es seit neun. Ich lese von gleicher Bezahlung für gleiche Leistung und denke mir: Wie soll das gehen?! Natürlich kann man das jetzt niederschreiben, aber wann kommt es dazu?
(überlegt)
Fußball ist noch immer ein sehr männerdominierter Sport. Der Frauenfußball bewegt sich aber bei uns in die richtige Richtung. Wenn ein Team Leistung bringt, also attraktiven Fußball, Erfolge und vielleicht das Drumherum, das man bestimmt noch verbessern kann, dann werden auch die Leute kommen und dann kann sich auch gleiche Bezahlung einstellen. Vielleicht kann man einzelne Spiele wirklich besser nutzen, ähnlich wie das DFB-Pokalfinale der Frauen in Köln, das als tolles Familienevent hochgezogen wird und sich etabliert hat. Der Klub der Freundinnen der SK Sturm Graz Damen ist unser erster Versuch in diese Richtung, das Superticket über die Holding Graz gemeinsam mit anderen Sportvereinen in Graz ein anderer.
(überlegt)
Wir versuchen die Tribüne voll zu bekommen, für das Team, aber auch für das TV. Jeden Tag siehst du Top-Spiele mit vollen Rängen und dann sind deine Erwartungen natürlich andere, wenn du hier nach Messendorf zu uns kommst und das Spiel ein anderes Tempo hat und das Ambiente überschaubarer ist. Da setzen wir, seit es uns gibt, an, aber bis eine Fantradition entsteht und mehrere begeisterte Volksschulkinder bei uns einsteigen, sich also auch die allgemeine Qualität in der Breite verbessert, dauert es eben länger als die neun Jahre, die es uns gibt.

Die Damen versuchen die vereinsinternen Trophäen- und Wimpelsammlungen ebenfalls zu erweitern! | Foto: privat
Zurück in die Gegenwart zur derzeitigen Situation. Was erwartet ihr euch im Hinblick auf die Lücke zu St. Pölten, was diese Arbeit angeht. Jugendarbeit, Frauenakademie und jetzt ein Trainingszentrum – wie ist eure Position da auch in Absprache mit dem ÖFB?
MK: Wir wollen die Toptalente neben St. Pölten verpflichten. Die acht Besten pro Jahrgang gehen nach Niederösterreich. Wir wollen die erste Alternative sein für jene, die es vielleicht trotz Toptalents nicht geschafft haben oder die familiär lieber in der Steiermark bleiben wollen und nicht im Internat in St. Pölten. Die duale Ausbildung mit Schule und Fußball können wir dann eben auch bieten. Je mehr es in die Breite geht, desto besser wird auch unsere Spitze werden bei uns, aber auch im ÖFB. Ein gutes Zentrum ist okay, aber wir brauchen einfach mehr auf Österreich verteilt, um Leute, die nicht in das eine Zentrum wollen, trotzdem aufzufangen.
Wir kommen schön langsam zum Schluss. Emily, gegen welches Team macht es am meisten Spaß zu spielen?
EC: Ich freue mich immer gegen Neulengbach zu spielen. Es ist zwar kein Derby, aber die Anlage dort ist sehr schön. Die Spielerinnen sind gut und es ist jetzt mit Nina Burger eine noch größere Freude, gegen sie zu spielen. Es ist immer ein großer sportlicher Kampf gegen sie.
Und gegen wen spielt ihr am wenigsten gerne?
EC: Ich denke, es ist Südburgenland.
MK: Ja, für mich auch. Das ist fast schon so etwas wie ein Angstgegner, wo wir immer wieder harte Lektionen lernen mussten.
Liegt das an einem kleineren Spielfeld oder daran, dass Sturm noch immer zu zurückhaltend auf dem Feld agiert, in der Angst, ein Konter-Tor zu kassieren?
EC: Also das stimmt natürlich gegen viele Teams. Aber gegen Südburgenland habe ich mich schon sehr oft nach den Spielen ärgern müssen. Das ist eine mentale Sache. Wir haben technisch und physisch die Vorteile für uns. Doch bei den mentalen Komponenten, die auch mit der Reife und der Erfahrung kommen, müssen wir einfach durch Fokus und Konzentration viel auffangen und das wird von Jahr zu Jahr besser.
Ist es ein gutes Omen, dass es gleich zu Beginn gegen Neulengbach geht, wenn das die Lieblingsgegnerinnen sind? Arbeitet ihr schon darauf hin?
EC: Also unser Blick auf das nächste Ligaspiel ist natürlich da, aber es kommen ja auch noch andere. Die Testspielreihe ist super, weil die Gegnerinnen gut sind, dann kommt der Cup. Da wollen wir einfach unbedingt aufsteigen.
MK: Genau, der Cup muss einfach gewonnen werden. Egal wie. Da geht es nicht um irgendwelche hohen Siege, sondern nicht wieder in die Verlängerung zu gehen wie gegen Kleinmünchen kurz vor der Champions League-Quali.
Ein Traum wäre das Cupfinale, wo wir Publikum ziehen und ein richtiges Feuer in der Fanszene des SK Sturm für Frauenfußball entfachen, um gemeinsam mit dem ersten Titel Geschichte zu schreiben.
Die letzte Frage geht an Emily: Du trainierst derzeit das Homeless World Cup-Team der Frauen. Du spielst seit fünf Jahren bei Sturm und wirst auch nicht ewig spielen. Arbeitest du schon an einem Trainerschein und wirst du vielleicht irgendwann die erste Trainerin beim SK Sturm Graz?
EC: Das habe ich auf jeden Fall im Auge und probiere, wie beim Sponsoring dabei zu sein. Einige Projekte stehen an, aber auch die Trainerlizenz wäre eine tolle Möglichkeit. Der Fußball wird mich nie loslassen und ich hätte auf jeden Fall viel weiterzugeben.
MK: So viele große Frauen, die jetzt Karrieren beenden und beenden werden, wie Anna-Carina Kristler und Nina Burger, sollten auf jeden Fall auch ihr Wissen weitergeben und die Ausbildungen machen. Im Staff braucht es mehr Frauen und das wird sich auch in Zukunft ändern.
EC: Wir haben seit kurzem unsere neue Physio Carmen Schauer, die eine tolle Bereicherung für uns alle ist. Die Stimmung ist in der Kabine jetzt noch besser und das wollen wir natürlich auch auf das Feld mitnehmen.
Das wäre toll! Viel Erfolg für das Frühjahr und vielen Dank für das Gespräch.
an dieser stelle mal ein großes dankeschön für die berichterstattung übers damenteam!
find es super das sturm den damenfußball ernst nimmt und sich so engagiert…
Vielen, vielen Dank.
Ich weiß, dass es nicht so viele lesen, deshalb bin ich umso froher um jede positive Rückmeldung.