Mehr Watschn denn Lehrstunde

Auch wenn man es oft nicht wahrhaben will: Am Dienstagabend zeigte sich, wie weit der in letzter Zeit so begeisternd aufspielende SK Sturm Graz vom ganz großen Fußball (noch) entfernt ist. Bei einer bisherigen Auswärtsbilanz von vier Niederlagen bei nur einem Unentschieden in der Klubhistorie gegen Teams aus den Niederlanden, war auch in Eindhoven erneut nichts zu holen. Vor 35.000 Zuschauern (darunter knapp 1000 mitgereiste Sturm-Aficionados) setzte es im PSV-Stadion eine 1:4-Niederlage, die ob des Kräfteverhältnisses sogar noch viel deutlicher ausfallen hätte können.

Christian Ilzer schickte die – mit Ausnahme des am Oberschenkel verletzten Manprit Sarkaria – wohl bestmögliche Startelf in das Hinspiel der Champions-League-Qualifikation auf das Feld. Sturm ganz in Schwarz, der Gegner in Rot, gefühlt war es aber – ob des Klassenunterschiedes und umgemünzt auf die Goldene Ära der Grazer – mehr eine Partie im Old Trafford, denn ein Grazer Stadtderby. 

Sturm versteckte sich zu Beginn nicht und durfte sich auch den ersten Torschuss gutschreiben lassen, als in der 3. Minute nach einem Schnegg-Einwurf Gregory Wüthrich abzog, aber in Torhüter Walter Benítez seinen Meister fand. Des Regens nicht genug, folgte bereits im direkten Gegenzug die erste kalte Dusche: Nach einer Hereingabe von Johan Bakayoko haute Luuk De Jong daneben, die Sturm-Defensive war dadurch noch mehr überrascht und der erst 18-jährige Isaac Babadi ließ Sturm-Goalie Kjell Scherpen keine Abwehrmöglichkeit. Vor allem Noa Lang hatte ab da an viel Spaß, so etwa als er sich in der zehnten Minute durchtanzte. Patrick van Aanholt versuchte es nach dem perfekten Zuspiel aus der zweiten Reihe, verfehlte aber den Kasten.

Sturm mühte sich zwar durchs Mittelfeld, sobald jedoch die PSV an die Kugel kam, ging es zumeist schnell. Vor allem über beide Außen-Positionen fanden die Niederländer immer wieder viel zu viel Raum vor. Im Eindhovener Regenschauer schalteten die Holländer zwar dann erst mal zehn Minuten einen Gang runter, um dann erneut zuzuschlagen: Johan Bakayoko – erneut über die Außen – fand wieder Raum en masse vor, David Affengrubers Tackling ging ins Leere und Jusuf Gazibegovic verlor das Kopfballduell gegen PSV-Kapitän de Jong. Der brauchte nur noch einzuköpfeln und somit war die Partie schon viel zu früh gelaufen. Sturm nicht wiederzuerkennen. Mut- und zahnlos. Kaum verwunderlich, dass die PSV da ohne Mühe gleich noch einen draufsetzte: Lang schlängelte sich in Marcel-Hirscher-Manier durch die Sturmdefensive als bestünde diese aus hölzernen Torstangen, Scherpen konnte den Schussversuch nur nach vorne abwehren, erneut war de Jong zur Stelle und beförderte die Kugel in die Maschen. Die Grazer konnten einem ob ihrer völligen Hilflosigkeit beinahe schon leidtun. 

Standardsituation erzeugte leichte Hoffnung

Nachdem von Sturm – mit Ausnahme eines Distanzversuches von David Schnegg – offensiv ansonsten gar nichts kam, war es wieder einmal eine Standardsituation, die den Grazern leichte Hoffnung gab. Nach einem Eckball war es Jon Gorenc Stankovic, der sich hochschraubte und mit dem Kopf für den Anschlusstreffer sorgte. Doch nur wenige Augenblicke später musste nach Slapstick-Defensivverhalten der VAR Sturm vor dem nächsten Gegentreffer retten: Bakayoko hätte, nachdem Affengruber erneut schlecht ausgeschaut hat, für Tor Nummer vier gesorgt, zum Glück aber war Patrick van Aanholt viel zu gierig und spitzelte den Ball, der ohnehin über die Linie gegangen wäre, in Abseitsstellung ins Tor. Somit blieb als einziger Lichtblick, dass Sturm mit einem „Nur-2-Tore-Rückstand“ in die Kabinen schlapfte. 

PSV weiterhin das klar stärkere Team

Zur Halbzeit erlöste Sturm-Trainer Ilzer David Schnegg und ließ Amadou Dante es links hinten probieren. An der Charakteristik des Spiels freilich änderte sich nicht viel. Die PSV agierte locker, lässig, machte das Spiel breit, ohne jedoch auf den Endzweck aus zu sein. Dies hätte sich in Minute 55 dann fast gerächt: guter Antritt von William Bøving, der damit eine aussichtsreiche Überzahlsituation schuf. Der logische Pass von Stefan Hierländer auf Szymon Włodarczyk fiel aber zu ungenau aus. Und die Chance dadurch ins Wasser. Für das Heimteam ein Weckruf, um die Sturm-Defensive erneut dreimal hintereinander alt aussehen zu lassen: Zunächst ließ Bakayoko Dante so richtig alt aussehen, zum Glück aber behinderten sich de Jong und Lang im Zentrum, dann konnte sich Scherpen gegen de Jong im Eins-Gegen-Eins auszeichnen, um nur Sekunden später eine Bakayoko-Bombe aus rund 16 Metern zu entschärfen. So einen Klasseunterschied musste Trainer Ilzer – der da schon Bryan Teixeira für Włodarczyk in die aussichtslose Schlacht geworfen hatte – schon lange nicht mehr an einer Seitenlinie erleben. Allein de Jong hätte – nach einer weiteren Riesenchance in Minute 67 vom Elfmeterpunkt  – da schon gut und gerne fünf Treffer erzielen können.

Christian Ilzer versuchte es dann noch mit Javi Serrano und Tomi Horvat (für Hierländer und Otar Kiteishvili), der Druck der Niederländer wurde aber nie weniger. In Minute 74 dann das längst überfällige 4:1 für die PSV. Das Betteln der Sturmspieler wurde erhört. Nach einem Freistoß aus dem Halbfeld durch Joey Veerman versuchte Dante gegen Ibrahim Sangaré in ein Luftduell zukommen, es sollte allerdings etwa ein halber Meter fehlen und der Ivorer ließ den mittlerweile bedauernswerten Scherpen keine Chance. Gegen Ende dann doch noch ein kleiner Lichtblick: Nach einem Energieanfall von Teixeira hätte Horvat fünf Minuten vor Ende sogar noch für eine Ergebniskorrektur sorgen können, doch nachdem Alexander Prass die Hereingabe knapp verfehlte, ging auch der Schuss des Slowenen nicht ins Tor.

Fazit: Sieht man es positiv, fiel die Höhe der Niederlage in Anbetracht des Spielgeschehens sogar relativ harmlos aus und die Sturmfans müssen für die diesjährigen Europacup-Heimspiele nicht nach Klagenfurt reisen. Dennoch: Sturm Graz ist von der Champions-League gleich weit weg, wie Siegfried Nagl von der Verlegenheit, einen Sturmfanshop besuchen zu müssen. Wunder soll es ja angeblich immer wieder geben. Im Fußball kommen sie allerdings immer seltener vor.

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