Lovric-Tränen bei Zufallssieg
Zum 24. Spieltag der Österreichischen Bundesliga empfängt die Wiener Austria in der Meistergruppe den SK Sturm Graz in der Generali-Arena zu Favoriten – der Spielstätte, mit der aus SturmNetz-Sicht schlechtesten Akkreditierungs-Organisation Österreichs. Aber das ist eine andere Geschichte. Nach der enttäuschenden 0:1-Pleite gegen die Wölfe aus St. Pölten wollen die Steirer nun auswärts in Wien den punktegleichen Veilchen davonziehen. Auch wenn das Trainer Roman Mählich nicht so sehen mag, muss Platz drei in der Endabrechnung das Ziel der Blackys sein – sollte dem SK Rapid nämlich im ÖFB-Cup-Finale gegen Salzburg keine Überraschung gelingen, würde dieser einen Fixplatz in der Europa-League-Gruppenphase bedeuten.
Mählich überrascht, setzt zu Beginn erstmals auf Winter-Neuzugang Juan Domínguez im Zentrum. Ebenfalls in der Startformation steht der zuletzt unglücklich agierende Michael John Lema, stürmen darf erneut der „torgefährlichste Spieler“ der Schwoazn, Lukas Grozurek. Dario Maresic, der zuletzt gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe war, steht ebenso nicht im Kader wie Emeka Friday Eze. Statt des jungen Innenverteidigers komplettiert neben Lukas Spendlhofer und Anastasios Avlonitis der gelernte defensive Mittelfeldspieler Ivan Ljubic die Fünferkette in der Abwehr. Bei den Violetten stehen mit Christian Schoissengeyr, Michael Madl, James Jeggo, Uros Matic und Bright Edomwonyi gleich fünf Ex-Blackys in der Startformation von Robert Ibertsberger – ebenfalls einem ehemaligen Sturm-Kicker.
Raketen-Roman
Die erste gefährliche Aktion des Spiels, das von Christopher Jäger anstatt des im Cup-Halbfinale desolaten Markus Hameter geleitet wird, gehört den Veilchen. Jörg Siebenhandl kann Florian Kleins Distanzschuss jedoch festhalten. Ansonsten ist es ein in der ersten halben Stunde beinahe chancenloses Spiel, die beste hat noch Madl nach einem Eckball, der seinen Kopfball jedoch über den Kasten setzt. Nach exakt 30 Minuten hätte Sturm dann aber aus dem Nichts in Führung gehen können: Einmal geht es schnell bei den Grazern, Ljubic tankt sich im Mittelfeld schön durch, Grozurek verlagert im Anschluss auf den völlig frei stehenden Stefan Hierländer. Der Kapitän kann mit aller Zeit der Welt aber nur Patrick Pentz anschießen und lässt Roman Mählich abgehen wie eine russische Rakete. Das war es dann aber auch schon wieder mit der Gefährlichkeit, erst Sekunden vor dem Pausenbier muss Siebenhandl aus spitzem Winkel gegen Maximilian Sax retten.
Fazit zur Pause: 10.150 Besucher sehen einen lauwarmen Sonntagskick, der bis dato das Eintrittsgeld noch nicht wert ist. Unweit von Wien sorgte beim Klassentreffen der Wölfe an der Bimbo-Binder-Promenade soeben ein gewisser Romano Schmid für den Führungstreffer der Farbenvettern der Grazer. Im sogenannten Viola-Park sind hingegen noch keine Treffer gefallen, ein Klassenunterschied nur insofern erkennbar, dass beide mit dieser Leistung wohl auch eine Stufe tiefer nicht um den Aufstieg spielen würden. Vielleicht der Tatsache geschuldet, dass der Altersschnitt der Veilchen-Elf nur rund 0,8 Jahre höher ist als jener der „unerfahrenen“ Blackys? In der Halbzeit wird auf den Stadionbildschirmen eine FIFA-Simulation des Spiels eingespielt, traurigerweise um ein Vieles attraktiver als der echte Kick am Platz. Sturm-Profi-E-Sportler PhilSKS konnte beim Unentschieden gegen seinen Kontrahenten zumindest zwei Tore erzielen, etwas, was der Kampfmannschaft des SK Sturm schon seit fünf Partien nicht mehr gelungen ist.
Sensations-Sandi
Gleich die ersten zehn Minuten der zweiten Spielhälfte gestalten sich schon ereignisreicher als die gesamte erste Halbzeit. Zunächst köpft Hierländer zur vermeintlichen Führung ein, das Tor wird aber wegen einer Abseitsposition zurecht aberkannt. Auf der anderen Seite läuft Dominik Prokop einen Konter fast ins Toraus und kann den Ball dann nur mehr ans Außennetz setzen. Für Sturm hat dann Lema zwei gute Abschlussmöglichkeiten, verzieht bei der hochkarätigeren jedoch neben den Pfosten und wird bei der zweiten geblockt. Das Spiel wird immer hektischer, nach einer Stunde hätte Edomwonyi die Austria in Führung schießen müssen, Siebenhandl steht bei dem Schuss aus kurzer Distanz aber richtig. Mählich bringt Jakob Jantscher. Lema, der einen besseren Tag als noch vor einer Woche erwischt hat, geht vom Feld.
In weiterer Folge gestaltet sich das Spiel so spannungsgeladen wie ein Tag am Hilmteich. Doch gerade als Roman Mählich dem schwarzen Entlein SK Sturm seinen letzten Brotkrümel namens Markus Pink hinwerfen will, passiert das Unglaubliche. Jakob Jantscher hat über links viel Platz, spielt aber einen Stanglpass, den eigentlich nur Kareem Abdul-Jabbar mit astreinem Spagat erreichen könnte. Patrick Pentz, der nur zugreifen müsste, flutscht der Ball jedoch aus den Händen und Sandi Lovric, der in seiner gesamten Karriere noch kein Profi-Tor geschossen hat, kann zur Führung einnetzen. Der 21-Jährige lässt seinen Emotionen freien Lauf, von seinen Mitspielern geherzt kullern Tränen über seine bärtigen Wangen. Markus Pink kommt dann doch, trifft bei seiner Großchance zur Entscheidung zwar nicht, siegt aber – wie auch die gesamte Sturm-Mannschaft.
Drei Punkte und keiner weiß wie
Und plötzlich ist Sturm wieder Dritter, da auch der WAC in Niederösterreich mit 3:1 gewinnen konnte. Weniger überraschend ist, dass der Sieg aus einem Zufallsprodukt entstanden ist und die Blackys es einmal mehr nicht geschafft haben, mehr als ein Tor in einem Spiel zu erzielen. Nächste Woche wartet RB Salzburg, ein Gegner, bei dem mit kompaktem, defensivem Auftreten vielleicht etwas rausschauen könnte und eine derartige Einfallslosigkeit – wie sie aber auch die Austria gezeigt hat – nicht so stark auffallen wird. Es war in der zweiten Runde der Meistergruppe aber das zweite Spiel, in dem sich Sturm schlicht und einfach zu wenig Chancen herausspielte, deren Basis nicht der Zufall ist. Dass dies auch in die andere Richtung ausgehen kann, hat man sieben Tage zuvor gegen St. Pölten gesehen. Ob sich daran etwas ändert, wird man wohl erst wieder in zwei Wochen gegen den WAC beurteilen können.
Enorm wichtige Punkte für den Kampf um Platz 3 und die riesen Chance, mit einer quasi fixen Gruppenphase für die neue Saison kalkulieren zu können. Wenn man dann noch bedenkt, was der Pentz gegen uns in den letzten Partien (v.a. auch im Cup) alles rausgeholt hat, ist da heute auch bissl was zurückgekommen. Ansonsten leider wieder sehr zacher Auftritt, aber halt auch wieder ohne wirklichen Stürmer.
Ich kann mich den Bewertungen im Spielbericht ganz und gar nicht anschließen. Das war eine taktisch ganz hervorragende Leistung, wo Sturm mehr und die besseren Torszenen hatte und die Austria bis auf 10, 15 Minuten in der 2. Halbzeit klar im Griff hatte. Die Austria hat gar nichts riskiert. Soll man in Wien auf Teufel komm raus offensiv spielen bitte, noch dazu wo es eine arge Stürmer-Unform gibt? Eze wohl zu Recht nicht mal auf der Bank, Jakupovic offenbar auch im Training nicht überzeugend, Pink vermutlich ebendort fleißig, aber noch nicht auf der Höhe, Hosiner happy, weil er bei den Amas drankommt.
Die Defensive stand bombensicher, das Mittelfeld agierte sehr gut gestaffelt und klug. Die Überraschungen: Ljubic sehr gut in der 3-er IV, Mensah sehr gut, aber im Spielaufbau oft etwas leichtsinnig, Dominguez ein ganz ganz feiner Kicker im Zentrum (aber vermutlich nicht als Box-to-Box bzw. im offensiven Mittelfeld), die damit Lovric zufallende Rolle liegt diesem besser als mit Ljubic als Nebenmann.
Grozu, Otar und Lema haben das sehr gut gemacht, viel rochiert, viel gearbeitet. Keiner von denen ist ein Mittelstürmer, und insofern war das genau die richtige Taktik von Mählich. Mit einem Eze in 2018er Form (oder einem Hosiner in 2013/2014-er Form, haha) hätte man mehr Torszenen gemacht und vermutlich verwertet. Das war kein Zufallssieg, das war sehr hart erarbeitet und verdient. Natürlich war das Tor etwas glücklich, aber hochverdient. Ich hatte von den ersten Minuten an nie die Befürchtung, dass Sturm die Kontrolle über das Spiel verliert, und so war es dann 90 Minuten lang. Gratulation an Trainer und Team, das war in Anbetracht der bekannten Umstände sehr gut.
Hoffentlich schielen die Spieler, das Umfeld oder die unwissenden Fans jetzt nicht Richtung Platz 3 – wäre eine komplette Fehleinschätzung für einen zu schlechen Kader mit einem 5er Kette incl Doppel6 Trainer…..
Wir sind sicher nicht gut genug für Platz 3, doch die Konkurrenz ist derzeit ca genauso schlecht.
Gut geschrieben, auf den Punkt gebracht
Der Jakob schaut shr souverän drein auf dem Foto.