Logbuch aus dem Off

Der Piefkecorner als kleiner Panorama-Schwenk weg von der Meisterrunde.

Die vergangenen Wochen standen bei mir im Zeichen toller Groundhopping-Erlebnisse, der Entdeckung eines neuen Fußball-Podcasts, ein wenig Verbitterung, was die Spielweise des SK Sturm Graz angeht und mündeten darin, dass ich endlich meine Mitgliedschaft bei den Schwoazen abgeschlossen habe – Halleluja – aber bevor es richtig losgeht, möchte ich noch mein persönliches Highlight vom vergangenen Sonntag mit euch teilen: Ein Triplepack von Lukas Hinterseer und die Performance vom Bochumer Gert Steinbäcker vor der Ostkurve (in der ich glücklicherweise stand) im Ruhrstadion.

Der Fußball und das liebe Geld, diese beiden Dinge sind bei Gott nicht mehr zu trennen und sie lassen niemanden kalt. Unsummen werden investiert, irgendjemand hat Erfolg und bekommt Prämien. An anderer Stelle steht man vor dem Bankrott und kann den Spielbetrieb kaum aufrecht erhalten. Irgendwo sammeln Fans wieder Geld für etwas, wo Funktionäre Misswirtschaft getrieben haben und andernorts muss etwas verkauft werden, damit es weitergehen kann. Ach ja und daneben spielen auch die Frauen ihre „lustigen“ Spiele, um unseren „spaßigen“ Herrentrainer nicht zu vergessen.

Herbert Grönemeyer löst ein Versprechen ein und trällert seine Hymne.

Besuch beim finanziellen Eigentor

Fangen wir aber beim Verkaufen an, weil das ist nun in Valencia passiert. Was vor fast 12 Jahren bei einem der damaligen Topvereine Europas als großes Projekt begann, zog sich durch die sportliche Misere, die quasi mit dem Stadionbau eingeleitet wurde, zu einem finanziellen Desaster hin. Das Estadio Mestalla ist immerhin das älteste Stadion Spaniens und Heimat des legendären Toni Pfeffer-Zitats mitsamt Neun-Tore-Packung für das Nationalteam, wo Herbert Prohaskas Teamchef-Karriere beendet wurde und Österreich lernen musste, dass Fußball mehr ist als nur Leidenschaft, Wille und eng am Mann zu stehen. Der sehr geschätzte Kollege Philipp Eitzinger von Ballverliebt.eu nahm sich vor kurzem des historischen österreichischen Fußballtaktik-Striptease an – bleibt zu hoffen, dass auch Roman Mählich diesen Beitrag gelesen hat – aber ich schweife ab.
Das neue Mestalla sollte am Stadtrand gebaut werden und es steht auch tatsächlich seit einigen Jahren als Rohbau ebendort. Allerdings versiegten die Geldquellen für den Bau durch die sportlichen Misserfolge und nun stehen die Fledermäuse seit Jahren mit zwei Stadien da (Das sind immerhin zwei Stadien mehr als der SK Sturm hat). Kalenderwoche 16 hatte es nun aber in sich, denn der Klub hat den Verkauf des Grunds gemeldet (Twitter-Zusammenfassung), auf dem das architektonisch prächtige Monument der österreichischen Fußballschande steht. Bedeutet nun, dass wohl bis 2022 das neue Mestalla am Stadtrand in Betrieb genommen werden kann – es soll mit einer Kapazität von 55.000 gleich viele Plätze wie das alte Stadion haben. Die Tickets werden wohl teurer sein und die Valencianos müssen dann weiter fahren, um ihr Team spielen zu sehen. Geht es der (Vereins-)Wirtschaft gut, dann geht es der (Vereins-)Wirtschaft bald wieder schlecht, oder wie war das?

Jedenfalls nutzte ich einen Kurzurlaub, um mir das Gastspiel von Real Madrid (oder dem Schatten von Real Madrid) im ausverkauften Mestalla anzusehen und ich sage euch eines: In einem so schönen Stadion wie diesem hat Sturm selten 2:0 verloren (vor nur 26.500 Zuschauer*innen) – gönnt euch die klingenden Namen aus dem Spielbericht aus 2001. Die Stimmung war jedenfalls prächtig, schließlich gewannen die Fledermäuse mit 2:1.

Solide Warm-up Session im Estadio Mestalla

Die fabelhafte Welt der Fußball-Links!

Neben dem Artikel zur Manndeckung von Philipp Eitzinger, möchte ich euch zudem den Rasenfunk-Podcast mit dem Einwurfcoach des FC Liverpool ans Herz legen. Seit ich diese absurd interessanten 35 Minuten gehört habe, vermisse ich neben einem taktischen Offensiv-Konzept beim SK Sturm nun auch ordentliche Automatismen bei Einwürfen und warte noch gespannter auf das innovative Leitbild meines Herzensvereins.

Abgesehen davon, dass viele junge Spieler hochgezogen, vertraglich gebunden (BITTE verlängert den Lovric irgendwie!) und eingesetzt werden (Hier ein kleines Lema-Panorama), möchte ich gar nicht weiter ausführen, wie viel mir derzeit beim SK Sturm in Sachen Herrenkampfmannschaft gegen den Strich geht – das nehme ich mir für das Saisonende vor, wo wir dann hoffentlich trotzdem irgendwie zu Platz drei gestolpert sein werden.
Aus jetziger Sicht wünsche ich Roman Mählich einfach von Herzen, dass alles gut ausgeht, weil er ja eigentlich eh ein lieber Typ ist. Aber wenn man den Umfang des einstündigen Podcasts bei Ballverliebt zum Rückrundenstart mit den gefühlt zwanzig Sekunden, in denen der SK Sturm (vor allem wegen Günter Kreissl und Roman Mählich) darin stiefmütterlich behandelt wird, vergleicht, dann muss man sich als Sturm-Fan schon ordentlich an den Kopf greifen.

So vielversprechend wie der SK Sturm vor einem Jahr an dieser Stelle dastand, so bitter ist die ganze Angelegenheit heute.

Sei’s drum – erst in den mühsamen Momenten sieht man, ob jemand ein echter Fan ist und zu seinem Verein steht, dementsprechend bin ich seit gestern Mitglied beim SK Sturm. Tut es mir gerne gleich, wenn ihr es noch nicht seid.

Was aber wirklich meine größte Aufmerksamkeit im vergangenen Monat bekommen hat, waren die Entwicklungen des Frauenfußballs und viele weibliche Fußballfans. Denn in Zeiten, wo ein Fußballklub aus der Champions League ausscheidet und danach um heftige finanzielle Einbußen fürchten muss, weil sein Aktienkurs in den Keller geht (armes Juventus), muss ich euch ganz ehrlich sagen: Gäbe es dieses Jahr nicht diese absurd feine Truppe von Ajax Amsterdam und Adi Hütters Eintracht Frankfurt, der europäische Fußball würde mich sowieso gar nicht mehr interessieren. (Na gut, City gegen Tottenham war eine krasse Ausnahme!)
Lieber drücke ich Teams die Daumen, die mit kreativen Mitteln versuchen mitzuhalten, weil sie sich nicht einfach alles kaufen können, oder beschäftige mich mit Frauenfußball, wo Taktik und Leistung noch viel verändern können, wo ein kreativer Teamchef mit Österreich eine EM-Sensation schaffen kann, weil er aufgrund seiner Expertise zu seinem Job kam und nicht durch öffentlichen Druck und Seilschaften. (Hot Take: Ich wünsche mir Dominik Thalhammer möglichst bald als nächsten ÖFB-Herrenteamchef!)

Die Frauensparte ist jener Ort im Fußballzirkus, wo Männer im Betrieb gesellschaftliche Missstände viel bewusster gemacht bekommen (Der Guardian hat da eine schöne Reportage über den englischen Teamchef Phil Neville rausgebracht). Ein Ort, wo jedes Spiel für viele Frauen auch ein Kampf um Gleichberechtigung ist, sei es auf den Rängen, am Feld, bei Ballon d’Or-Verleihungen, oder auf der Trainer*innenbank. Da, wo jeder Fußballfan das Bewusstsein bekommt, wie unfair nicht nur die finanzielle Umverteilung ist, sondern auch die mediale Präsenz. Es ist wie ein Kampf gegen Windmühlen, wenn ich bedenke, dass meine Mitbewohnerin, mit der ich zumeist gemeinsam ins Stadion gehe, sich am Montag den Kicker kaufte und wir dann gemeinsam erkennen mussten, dass es in diesem 91-seitigen Fußballmagazin 87,5 Seiten zum Thema Männerfußball (bis runter in die Kreisklasse) gab, eine Doppelseite zu Dirk Nowitzki (vollkommen verdient), eine Seite thematisierte die Formel 1 (War immer schon mein Lieblingsballsport) und immerhin eine ganze halbe Seite (!) beschäftigte sich mit der deutschen Bundesliga der Frauen. Am dazugehörigen Foto war ein Mann. Was soll man da noch sagen?

Das Bewusstsein für Gleichberechtigung im Fußball in einem Bild.

Aber meine journalistische Aufgabe sollte es auch sein, euch an dieser Stelle eine schwere Empfehlung und einen positiven Ausblick zu geben – es gibt eine neue Plattform, die FRÜF heißt. FRÜF steht für Frauen reden über Fußball. Vor allem auf Twitter werden sehr viele interessante Beiträge zum Thema Fußball und Frauen im Fußball geteilt, zudem gibt es einen Podcast, in dem spannende Themen behandelt werden. FRÜF ist ausdrücklich nicht nur für Frauen gedacht! Ich bin sehr stolz, dass der SK Sturm im Verhältnis zu so vielen anderen Vereinen versucht, eine ordentliche Damenfußballabteilung zu betreiben und sie auch in der Online-Berichterstattung, sowie auf den sozialen Plattformen zu pushen. (Nur nicht zurücklehnen, Herr Fasching, da geht schon noch mehr!)

Noch einmal möchte ich darauf hinweisen, dass die SK Sturm Damen in dieser Saison die beste Saison der noch jungen Sturm-Frauenfußballgeschichte spielen. Die meisten Spielerinnen sind noch (weit) unter 20, extrem talentiert und werden wohl auch früher oder später im A-Nationalteam für Furore sorgen, wenn sie es nicht schon tun. Sie haben es sich verdient, dass auch wir Sturm-Fans öfter zu ihren Spielen kommen. Die Saison ist noch nicht vorbei und die Anstoßzeiten überschneiden sich fast nie mit jenen der Herren – Also ab nach Messendorf! Die Kolleginnen Weilharter, Degen, Kolb, Mak etc. werden es euch danken, genauso wie jedes Like auf Facebook.

Wir sehen uns am Platz, oder bei der nächsten Mitgliederversammlung!

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