Kopf einschalten und Wölfe zähmen
„Ich denke, mit Elf gegen Elf wäre viel möglich gewesen“, mutmaßte Nikon El Maestro vergangenen Sonntag nach der Heimniederlage gegen den LASK. Mit dieser Aussage dürfte der 27-Jährige gar nicht so unrecht gehabt haben, bedenkt man, dass sich die Mannschaft in der Anfangsphase im Vergleich zu den bisherigen Auftritten in der Meistergruppe verbessert zeigte und, dass das Team von Valérien Ismaël an diesem Tag wohl nicht sein volles Leistungsvermögen abrief. Aber Fußball findet nun mal nicht im Konjunktiv statt und so blieben den Grazern nach dem Spiel bloß eine weitere verlorene Partie und zwei gesperrte Spieler. Viel Zeit, um die Niederlage und die beiden Platzverweise aufzuarbeiten, gab es für das Trainerteam nicht – bereits am heutigen Mittwoch geht es nach Kärnten zum WAC.
Unnötige Vergehen schwächten zuletzt die Mannschaft
In den letzten Partien wurde den Spielern oft mangelnder Einsatz und fehlende Leidenschaft vorgeworfen. Gegen den LASK hatte man jedoch von Beginn an den Eindruck, dass sich die Mannen von Nestor El Maestro die Kritik zu Herzen nahmen und versuchten, genau jene Grundtugenden wieder auf den Platz zu bringen. Leider führte diese Übermotivation bei manchen Kickern zu teils kopflosen Aktionen und unnötigen Fouls. Einer dieser Akteure war Stürmer Bekim Balaj. Der Albaner sah nach einer komplett überflüssigen und viel zu harten Grätsche im Bereich der Mittellinie die Gelbe Karte. Anstatt ab diesem Zeitpunkt die Verwarnung im Hinterkopf zu haben und in den Zweikämpfen etwas gedämpfter zu agieren, setzte Balaj in einem belanglosen Luftduell mit Reinhold Ranftl seinen Ellenbogen ein. Schiedsrichter Julian Weinberger zeigte daraufhin völlig zu Recht Gelb-Rot. Die nächste kopflose Aktion eines Sturm-Spielers ließ nicht lange auf sich warten: In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit wurde LASK-Stürmer Husein Balic im Strafraum der Blackys flach angespielt. Ihm misslingt jedoch eine enge Ballmitnahme, wodurch er ohnehin keinen Zug zum Tor hatte. Lukas Jäger aber geht viel zu schnell und ungestüm in den Zweikampf und holt den Offensivspieler von den Beinen: Strafstoß. Ab diesem Zeitpunkt lag man mit 0:1 im Rückstand und war einen Spieler weniger am Platz. Dennoch hatte man immer noch das Gefühl, dass heute – gegen eine schwache Linzer Mannschaft – zumindest noch ein Punkt möglich ist. Diese Hoffnung platzte in Minute 72, als Isaac Donkor, der in der ersten Halbzeit aufgrund von Kritik nach dem Elfmeter-Pfiff schon die erste Gelbe sah, es dem Kollegen Balaj nachmachte und in einem Zweikampf mit Dominik Frieser den Ellenbogen ausstreckte. Agiert man gegen die Wölfe aus dem Lavanttal nicht wesentlich intelligenter und schaltet den Kopf ein, wird es sehr schwer, die Wölfe zu zähmen.
Bad Boys der Liga
Mit insgesamt acht Platzverweisen – davon sieben Gelb-Rote Karten – sind die Grazer in dieser Statistik gemeinsam mit dem SKN St.Pölten die Bad Boys der Liga. Ganze drei Mal gab es zudem schon einen Doppelausschluss für die Steirer. Spannend ist auch, dass es fünf der acht Ausschlüsse erst in der Meistergruppe gab. Insgesamt 60 Mal hat es für einen Akteur der Blackys einen gelben Karton gehagelt. Auffällig dabei: Zehn dieser Verwarnungen sah man wegen Kritik am Schiedsrichter. Nikon El Maestro erklärt die vielen Karten folgendermaßen und hat auch zu den vielen Ausschlüssen eine klare Meinung:
Bissige Wölfe
Im Gegensatz zum SK Sturm zeigen die Wölfe aktuell Biss, ohne dabei auf unfaire Mittel zurückzugreifen. Zwar konnten sie keines der letzten vier Spiele gewinnen, jedoch luchsten die Kärntner in den letzten beiden Runden Fast-Meister Salzburg zwei Punkte ab. Am vergangenen Spieltag wurde gegen die Bullen sogar ein 2:0-Rückstand egalisiert. Momentan befinden sich die Kärntner auf Platz vier der Tabelle – drei Punkte Rückstand auf Platz drei, der heuer den fixen Startplatz in der Europa-League-Gruppenphase bedeuten würde. In Anbetracht der Tatsache, dass man die Perspektive hat, auch nächste Saison wieder international zu spielen, werden die Kärntner Stammkräfte leichter halten können. Zudem wirkt sich die Möglichkeit auf das internationale Geschäft auch positiv auf potenzielle Neuzugänge aus: Mit dem israelischen Mittelfeldspieler Eliel Peretz, der sich gegen die Austria und für den WAC entschied, konnten die Verantwortlichen der Wolfsberger bereits einen ersten Neuzugang für die kommende Spielzeit fixieren. Wie bissig die Wölfe heuer auf einen europäischen Startplatz sind, zeigt ein Blick auf die bisherigen Saisonduelle mit Sturm: Zwei von drei Spielen wurden mit einem Torverhältnis von 6:1 gewonnen. Zuletzt rotierte Trainer Ferdinand Feldhofer viel und schonte Stammkräfte wie Liendl, Schmitz oder Weissman. Es ist davon auszugehen, dass dieses Trio gegen Sturm wieder starten darf.
Weissman shon ob er bleibt?
Mit 25 Treffern führt der Israeli Shon Weissman vor Patson Daka die Torschützenliste der Bundesliga an. Im Schnitt trifft der Stürmer alle 92 Minuten für die Kärntner und sorgt dabei auch immer wieder mit Traumtoren für Aufsehen. Im bisher letzten Duell gegen Sturm am 3. Juni, verzückte er seine Fans mit einem Fallrückziehertor. Klarerweise wird es für den WAC schwer – trotz eines möglichen internationalen Startplatzes – den 24-Jährigen aus Haifa zu halten. Noch soll der Abgang keine beschlossene Sache sein, doch ein Instagram-Post des Stürmers lässt anderes vermuten: Unter einem Bild schrieb der Israeli: „Looking forward..⚽️⚒“ – möglicherweise ein Hinweis, dass er kommende Saison für die „Hammers“ aus dem Londoner Stadtteil West Ham aufläuft.
https://www.instagram.com/p/CBTRdvAgZPx/
Wer rückt bei Sturm in die Mannschaft?
Aufgrund der gesperrten Bekim Balaj und Isaac Donkor, sowie dem verletzten Stefan Hierländer, wird das Trainerteam wohl einiges verändern müssen. Sakic dürfte nach abgesessener Gelbsperre anstelle von Hierländer wieder in die Startelf rücken. Statt dem gesperrten Donkor könnte Leitgeb in die Mannschaft kommen und Ljubic dafür in die Fünferkette zurückgezogen werden. An vorderster Front wäre es möglich, dass Kevin Friesenbichler den nicht spielberechtigten Balaj vertritt und für Tore sorgen soll. Möglicherweise probiert man es gegen die eher langsame Wolfsberger Innenverteidigung auch wieder einmal ohne echte Spitze und spielt dafür mit dem schnellen Huspek oder Röcher. Gespannt darf man auch sein, ob Lukas Spendlhofer wieder in den Kader rückt, war er doch die letzten beiden Spiele – aus sportlichen Gründen – nicht im Aufgebot und gegen Hartberg gesperrt. Was die Aufstellung betrifft, ließ sich der jüngere Bruder vom Chefcoach bei der Pressekonferenz jedoch noch nicht in die Karten blicken:
Spielinfo
Wolfsberger AC vs. SK Sturm Graz
Österreichische Bundesliga, Saison 2019/20, 29. Runde
Mittwoch, 24.06.2020, 18:30 Uhr, Lavanttal-Arena
Schiedsrichter: Sebastian Gishamer
Mögliche Aufstellung: Siebenhandl; Sakic, Avlonitis, Ljubic, Jäger, Trummer; Domínguez, Leitgeb; Kiteishvili; Despodov, Röcher
Ersatz: Schützenauer, Geyrhofer, Schrammel, Huspek, Jantscher, Shabanhaxhaj, Friesenbichler
Verletzt: Hierländer
Gesperrt: Balaj, Donkor
Was mir bei der möglichen Aufstellung ins Auge sticht: Mit Sakic, Avlonitis, Dominguez, Leitgeb, Despodov, (Kiteishvili) und Röcher spielen eigentlich über 50% „Wechselkanditaten“. Will oder kann man sich den eigenen Nachwuchs nicht unter Kampfmodus ansehen? Für uns ist es genau genommen ein Auslaufen, weil selbst ein fünfter Platz mit hoher Wahrscheinlichkeit die Austria bringt und, sollten nicht wieder einige Spieler Hochzeitstermine haben, bei Erfolg die EC-Quali-Peinlichkeit auf uns wartet. Nur immer nach dem Nachwuchs zu schreien, ohne eine Chance zu haben sie auch zu sehen, ist halt auch nicht förderlich für eine halbwegs objektive Beurteilung. .