Komplett verdichtet
Die EM im Männerfußball ist ein Jahr verspätet losgegangen. Ein stetes Für und Wider konnte man auf fast allen Fußballportalen, in den meisten Podcasts und in einigen Zeitungen zur Europameisterschaft, zum dichten Fußballkalender und zu Nationalteambewerben generell vernehmen. Der Teamchef in Österreich steht seit Monaten in der Kritik, obwohl er sich eigentlich gar nicht so schlecht anstellt (Hört hierzu gerne die differenzierte Analyse von Momo Akhondi bei 90minuten.at). Nationalteams polarisieren in der Fußballwelt, denn das täglich Brot – der Klubfußball – steht bei den „echten“ Fans über allem. Die spannenden Komponenten, die die Abwesenheit von Spielertransfers und die knappe Vorbereitungsmöglichkeit in Trainingslehrgängen in die Nationalteambewerbe einbringen, sollten dennoch nicht vergessen werden. Während Sturm Graz sich in der Sommerpause befindet, erlaubt sich der Piefkecorner also einen kleinen Ausflug in das Sommerloch des Klubfußballs – zur Euro 2020 (die 2021 stattfindet).
Wieso überhaupt EM?
Europameisterschaften sind mir ja ein Leben lang ein aufregender Begleiter gewesen. 2000 war die erste EM, die ich bewusst verfolgt habe und an die ich mich heute noch gerne erinnere. Dieses aufregende Niederländische Team mit den orangenen Fans bei der Heim-EM. Und die niemals zu unterschätzenden Belgier. Der aufgehende Stern des großen Francesco Totti. Das golden Goal von David Trezeguet. Oder als Charisteas eine fulminante portugiesische Mannschaft ins Tal der Tränen stürzte. Die größte Überraschung seit Danish Dynamite. Als Rooney sich zum Superstar entwickelte und die goldene Generation um Beckham, Gerrard, Lampard, Owen, Ferdinand, Campbell und, und, und… natürlich im Elfmeterschießen ausschied. Die Heim-EM 2008 inklusive des Elfmeters von Ivo, des Strichs von Ballack ins Tor von Jürgen Macho und ins Herz von Fußball-Österreich. Balotellis kranker Torjubel gegen Deutschland 2012 (Karma!). Die Motte in Ronaldos Gesicht 2016. EM-Halbfinale der österreichischen Frauen 2017! Wie konnte Sarah Puntigam nur diesen Elfer gegen Dänemark verschießen!? Was wird also die EM im Jahr 2021 Positives zu bieten haben, neben der fortgeschrittenen Kommerzialisierung, überspielten Top-Spielern, einer Gruppenphase, in der zwei Drittel der Teams weiterkommen und absurden Reisestrapazen mit dem Flugzeug in Zeiten der Klimakrise? Wieso überhaupt EM?
Die Antwort ist für mich einfach: Weil hier täglich unvorhersehbare Geschichten geschrieben werden. Weil Spieler eine Bühne haben, die sonst nicht gesehen werden. Und wegen den vielen verschiedenen Emotionen. Bereits die ersten Tage der EM hatten es in sich, es gab bereits absurde Treffer (Patrick Schick!!!), noch absurdere Torjubel (Was zur Hölle, Marko!? Mit 32 so ein Ausraster? Really?) und die schrecklichen, bangen Minuten und Stunden, in der die ganze Fußballwelt um Christian Eriksen zitterte. So much in so little time! Wo hin mit all diesen Gefühlen!? Alles verdichtet sich, das Hirn quillt mir fast über und dabei sind wir erst durch die erste Runde der Gruppenphase. Seit es Twitter gibt, macht Fußball noch mehr Spaß und auch um einiges weniger Spaß zugleich! Meme-ify your Life! Mach ein GIF aus allem! Und gleichzeitig will man sich dem Ganzen doch gar nicht hingeben, weil diese riesige Kommerzmaschine, die sich UEFA nennt, sollte doch wirklich in die Schranken gewiesen werden von mir als Konsumenten… Kurz: Die pure Zerissenheit! Aaaaah!
Es könnte alles so einfach sein…
Viele der 15:00 Uhr-Spiele kann ich im Deutschland der 20er-Jahre nicht mehr schauen, weil die TV-Rechte-Zerstückelung sehr viel weiter fortgeschritten ist, als in meinem geliebten ORF-Zuhause. Aber tauchen wir doch einfach ein in den Teil, der ganzen Chose, den ich mitbekomme. Mich begrüßen meist der Prince (Boateng), Almuth Schult und Stefan Kuntz aus dem Studio der ARD, wenn ich den Fernseher aufdrehe, um mir geballte Kompetenz zu geben. An anderen Tagen sehe ich Per Mertesacker, Christoph Kramer und eine beliebige dritte Person, die mit fundierter Expertise besser glänzen kann, als Roman Mählich, Helge Payer und dem Chef-Analytiker seit 1876: Herbert Prohaska. Wenn nicht ständig diese DFB-Elf („DIE MANNSCHAFT“) Thema wäre, hätte die deutsche Berichterstattung in mir einen Fan, gleichzeitig kann ich es ihnen nicht verübeln – es ist ja ihr Team und es ist für sie diesmal eine Wundertüte.
Trotzdem ist der deutsche Vorbericht über ein geschichtsträchtiges Ereignis wie Österreich gegen Mazedonien wirklich gut für den eigenen Blutdruck. Und auch die Halbzeit-Analyse vom Prinzen („Alaba kann auf der Position seine großen Stärken gar nicht entfalten. Der muss mit Hinteregger tauschen“). Und am Ende kommt man zu dem Schluss, dass Franco Foda mit der Umstellung in der zweiten Hälfte (Alaba auf LIV und Hinteregger auf IV) und den Wechseln am Ende (Marko und Gregerl rein, wenn die Nordmazedonier müde werden) alles richtig gemacht hat… Wait… What?!
Nun kann man natürlich trocken deutsch sagen, dass das Spiel gegen Nordmazedonien ein Pflichtsieg für den ÖFB war. Ein Pflichtsieg, der nur schwer war, weil Österreich bei einer EM noch nie zuvor drei Punkte geholt hatte und dadurch der Druck für die Spieler immens und hemmend wirkte. Es wurde Geschichte geschrieben und, Dank dem Torjubel von Marko Arnautovic, wurden auch noch viele Geschichten online weitergeschrieben. Dass Österreich nun die Pflicht erfüllt hat und alles, was jetzt kommt, die Kür sein könnte, das liegt auf der Hand. Hoffentlich, kann das Team nun befreiter aufspielen – gegen die Niederlande und die Ukraine, dürfte es sonst sehr schwer werden.
…ist es aber nicht.
Wenn Twitter die Mühle ist, dann sind das tägliche Spielgeschehen und die TV-Berichte ihr Wasser. Ohne die sozialen Medien, die Vorberichte und die Pressekonferenzen, wäre das Spektakel deutlich abgeklärter. Da schaltet sich ein Typ aus Winnipeg ein und unterstellt Arnautovic ohne Kenntnis des Kontexts ein White Power-Handzeichen, dort postet jemand zum vierzigsten Mal die Szene, wo Christian Eriksen das Bewusstsein verliert und seine Frau unter Tränen auf’s Feld läuft und irgendwo wird auch nach acht Stunden nochmal eine strittige Schiedsrichterentscheidung diskutiert. Das Ganze wird so oft durch den Fleischwolf gedreht, analysiert und besprochen, bis man schon 24 Stunden später das Gefühl hat, dass man das nicht mehr hören kann. Dass das doch bestimmt schon eine Woche her sein muss. Dass die sich doch bitte endlich auf das Spiel konzentrieren sollen. Um das geht es doch eigentlich.
Und das stimmt natürlich auch. Die Fehlbarkeit des Arnautovic in Abwesenheit eines Spielgeräts ist uns nicht erst seit dem 13. Juni bekannt. Genauso wenig wie das strukturelle Problem von infamen Beleidigungen und derben Umgangstönen auf den Fußballfeldern dieser Welt. Die ausbeuterische Attitüde und Macht der Live-Berichterstattung ebenfalls nicht. Und erst recht nicht die sich gegenseitig übertönende Sensations-Geiferei in sozialen Medien während Momenten, in denen Ruhe und Besonnenheit angebracht wären. Der größte Skill in sozialen Medien ist es, im Auge des Sturms kurz die Klappe zu halten. Dicht halten, nicht verdichten.
Deshalb plädiere ich für den Fußballgenuss in seiner puren Form: Fernseher an zum Ankick (oder, wenn es wem wichtig ist, zu den Hymnen) und Fernseher aus, wenn abgepfiffen wird (zur Pause und am Ende). Und am besten nicht während der Partie auf Twitter hängen. Es spart eine Menge Stress. Ich musste fast 30 Jahre alt werden, um das zu lernen. Aber jetzt kann ich die EM erst so richtig genießen. Pur. Und wenn ich ein paar Stunden später nachlese, was so passiert ist, habe ich immer noch viel Freude, an den besten Memes.
Oder wie genießt ihr Fußballereignisse am besten?
Super!
Nachdem ich auf dem Twitter profil des Autors regelmäßig lurke hoffe ich doch dass er nicht aufhört so viel zu tweeten, es warad ziemlich schade
never stop lurking 😉
Perfekter Bericht! Ich denke dazu darf man schon „Novelle“ sagen 😉
Fußball muss man leben, nicht erleben!
Ton weg, Ennio Morricone auflegen und zum größten Teil erlaubte Substanzen im Halblitergebinde in Griffweite halten. So kommt man gut durch jede größere Sportveranstaltung.
Sehr guter Piefkecorner, weiter so!
EM ist voll super, ein Gedicht, 3 Fussballspiele am Tag, EM 2021 leider identitätslos, das Geld, die Gewinnmaximierung hat wieder gesiegt, Aserbaidschan sorry, UEFA, man will den Zusammenhalt, den Gedanken der Gemeinsamkeit stärken innerhalb Europas mit den vielen Ausstragungsorten, der UEFA glaub ich gar nix, korrupter, unbelehrbarer Haufen, mit Geld kann man alles kaufen?
Emir von Aserbaidschan, Ilham Aliyev, Ölscheich, endlich ist er bei einer EURO dabei, danke UEFA, wer das Geld hat, bestimmt die Regeln, hatte auch schon einmal ein Frank Strohsack und Hannes Kartnig im Ö Fussball fantasiert, der Rest ist Geschichte, pass auf jetzt kommt die georgische Insignia, seriöse Firma, da Luka Sur schaut so seriös aus, wie der Frankenstein nach einer durchzechten Nacht.
Nationalteam ist Pflicht zu schauen, Pro Tipp unter Bro’s, vorher Puntigamer saufen, beruhigt ungemein und man geht entspannter mit dem Foda Kick um, ich spreche aus leidvoller Erfahrung als Sturmfan.
Foda ist eine Sturmlegende, Meister und Meistertrainer, ich kann halt mit seinem Piefke Dialekt, Sprache nix anfangen, zuviel schlechte Erfahrungen gemacht schon als Sturmfan, er lebt seit fast 25 Jahren in Graz und spricht noch immer wie ein Pfiefke, im Ausreden erfinden, rein rhetorisch ist er jetzt schon Europameister der Herzen, ist egal, wir gewinnen gegen die Ukraine und Foda bleibt Trainer von Ö und jeder ist zufrieden, Ilzer Chris und Schicker Andi sind die grossen Zukunftshoffnungen von Sturm, ich spürs, es kann was Grosses entstehen, Vorfreude auf die neue Saison ist riesig, Abstinenz, 15 Monate ohne Sturm zu sehen, Corona, danke, war keine wertvolle Erfahrung, kann ich verzichten.
Man wird demütiger, einfach nur grosse Freude wieder im Stadion zu stehen und unsre Sturm sehen zu dürfen, ein Privileg, es wird so geil, unbeschreibbar.
Sturm Graz steht über allem und wenn Ö gegen die Ukraine verliert is ma des a Blunzn, tangiert mich nicht.
Sturm Graz ist die Droge die uns vereint, ein Leben lang, wir werden zusammen alt, bald ist es soweit, ich bin bereit.
Live im Stadion sein, Emotionen, dieser Zusammenhalt, Brüder die dich zum Lachen bringen, zusammen unsere Lieder singen, wie ein Familientreffen.
EURO ist eh super, aber Sturm Graz ist Sturm Graz, mehr als ein Verein, eine Lebensphilosophie , tutto gas, immer alles geben, der Kampf geht weiter.
Eines darf ich heute schon verraten, es wird die grösste Eskalation aller Zeiten in der Geschichte von Sturm Graz, Anakonda, Hilfsausdruck.
Endlich wieder Stadion in voller Stärke, es wird legendär, Sommer 2021 geht in die Sturmgeschichte ein, zusammen ist ma weniger allein.
Egal welcher Artikel, wenn Bianco genug intus hat, kommt immer wieder das gleiche LSF-Speaks.In welchem Bordell arbeitet eigentlich die Corona und was kostet 1/2 Stunde, Bianco?
Anmerkung: Der Ton geht nächstes Mal bitte freundlicher, oder zumindest respektvoller.
Zitat von bianco nero tifoso:
„Jürgen Pucher, lösch meinen Acount und a Ruh is
Is ok, ich gehe in Frieden als Legende“
Warum bist du noch hier? Wenn du wirklich so „legendär“ bist, halt dein Wort auch als solcher und lass dir die Sturmnetz-Homepage von deinen Betreuern sperren.Anmerkung: Bitte einen freundlicheren, respektvolleren Umgangston in Zukunft.
bianco nero is scho ok so wie er is
Finde dieses Bashing jetzt überzogen. Gewisse Untergriffe kann man zurecht kritisieren und als Redaktion reagieren, sonst hats für mich schon auch ein Flair. Und es gibt ja keine Lesepflicht. Weierscrollen warads liebe Basher…