Kein Derby am Samstag
Nein, keine Sorge, die Bundesligabegegnung zwischen dem SK Sturm Graz und dem Wolfsberger AC wurde nicht abgesagt. Das Spiel findet planmäßig am 24. Oktober um 18:30 Uhr im Liebenauer Stadion statt. Die bewusste Falschverwendung des Begriffs „Derby“, die wohl dazu dient, in Wahrheit wenig brisante Auslosungen medial zu pushen, ist vielen Fußballfans ein sprachlicher Graus. Nicht nur, dass er in derartigen Fällen, wie in der Frage nach einem „Pack-Derby“ schon per Definition falsch ist, es mangelt dabei ganz einfach an emotionalem Bezug. Die wohl einzige regionale Gemeinsamkeit, sowohl politisch als auch topografisch, wäre im Fall des SK Sturm und des WAC wohl die Tatsache, dass beide Vereine im südlichen Großraum der Republik Österreich beheimatet sind. Möchte man den Begriff sogar noch strenger als offiziell definiert auslegen, kommt man letztendlich zum Schluss, dass er nur auf Spiele gegen Stadtrivalen angewandt werden kann. Ein zweiter Ansatz, den Nachweis zu erbringen, dass das Pack-Derby als eine mediensprachliche Missbildung betrachtet werden muss, ist der Vergleich mit den Duellen gegen den hassgeliebten roten Verein aus dem Grazer Norden. Vor jeder Austragung des geschichtsträchtigen Grazer Stadtderbys brannte für die Anhänger beider Lager die Luft zwischen Liebenau und Weinzödl – mehr als eine Woche vorher war die Anspannung der fußballaffinen Bevölkerung in der Murmetropole zu spüren. Elektrisiert und angestachelt von der aufgeheizten Atmosphäre kam es schon im Vorfeld der Begegnungen immer wieder zu Auseinandersetzungen, die in einigen Fällen gerne auch leidenschaftlich lautstark ausgetragen wurden. Rein der Gedanke an eine Derby-Niederlage vermochte einem das Gefühl der Scham zu geben, welche man empfand, nachdem der Stadtrivale an einem furchtbaren Tag über die Schwarz-Weißen triumphiert hatte.
Ein Spiel gegen den WAC wird für einen Sturmfan, der wahre Stadtderbys erlebt hat, niemals von der dramatischen Qualität sein, die die Bezeichnung „Derby“ verdient.
Abstieg
In der vergangenen Bundesligarunde legte Dietmar Kühbauers Mannschaft vor eigenem Publikum und kolportierten 800 mitgereisten Rapid-Fans unglaublichen Kampfgeist an den Tag und besiegte den haushohen Favoriten und Meisterschaftskandidaten aus Wien Hütteldorf hochverdient mit 2:1. Dieser Erfolg war von großer Bedeutung. Es ist den Wolfsbergern nicht nur gelungen, einen starken Gegner punktelos nachhause zu schicken, sondern auch die rote Laterne loszuwerden und einige hundert Kilometer gen Westen zu schicken. Dieser Achtungserfolg hat den Wölfen sicher zusätzlich Biss verliehen – ihre Ambitionen dürften in Bezug auf kommenden Samstag deswegen klar auszumachen sein: Wer Rapid besiegt, ist auch in der Lage, gegen Sturm Graz zu gewinnen. Die vorläufige Befreiung vom letzten Platz dürfte den ein oder anderen schweren Stein von den Herzen der Wolfsberger fallen gelassen haben – gelingt oder gelang es den Kärntnern schlussendlich auch noch die letzte schmerzliche Niederlage gegen Sturm zu verwinden, dürften sie am kommenden Wochenende wohl sehr selbstbewusst auftreten und sich, was Sturm zu Gute käme, nicht nur in der Defensive verstecken. Der Ex-Blackie und Kapitän der Wolfsberger, Joachim Standfest, meinte im Interview mit SturmNetz, der WAC würde Sturm auf Augenhöhe begegnen, sofern er in der Lage wäre, die Leistung in der Partie gegen Rapid Wien zu wiederholen, auch wenn die Grazer derzeit etwas über den WAC zu stellen seien. „Ich hoffe natürlich, dass wir gewinnen. Wir brauchen die Punkte. Wir wollen so schnell wie möglich aus dem Tabellenkeller raus, damit sich die Lage bei uns ein wenig entspannt. Es ist nicht angenehm, hinten drin zu stehen.“
Zwei Gesichter
Der SK Sturm ist derzeit schwer einzuschätzen, denn auf eine katastrophale Vorstellung in Grödig folgte nach der Länderspielpause im Heimspiel gegen den SCR Altach ein völlig konträrer Auftritt, der durchaus einen höheren Sieg als das 3:1 hätte einbringen müssen. Überraschend, aber wohl auf Wunsch des jungen Deutschen, setzte Cheftrainer Franco Foda dafür das Schalker Supertalent Donis Avdijaj von Beginn an auf die Bank. Seine übliche Position nahm Daniel Offenbacher ein, der sich mit einem guten Spiel für das in ihn gesetzte Vertrauen bedankte. Zusammen mit Thorsten Schick, Roman Kienast, Kristijan Dobras, Anel Hadzic und Simon Piesinger sorgte er für erheblichen Wirbel in der Altacher Hälfte des Spielfeldes. Die Mannschaft trat als eine Einheit auf – lauffreudig und mit Spielwitz setzte man den Gast außer Gefecht. Nicht einmal der gegnerische Anschlusstreffer konnte die Blackies einbremsen. Geradezu erschreckend anders verlief das Spiel in Grödig. Gelähmt vom 1:0 der Salzburger kassierte Sturm aus desaströsen Eigenfehlern heraus das 2:0 und das 3:0.
Aus- und Rückblick
Franco Foda, der dafür bekannt ist, sich in der Öffentlichkeit schützend vor seine Mannschaft zu stellen pflegt, meinte beim heutigen Mediabriefing, die letzten Spiele gegen Grödig und die Admira seien nicht wirklich schlechter gewesen, als jenes spektakuläre Heimspiel am letzten Samstag. Vergangenes möchte der Autor diesbezüglich eigentlich ruhen lassen, aber die Leistung in den angesprochenen Spielen wird morgen nicht reichen, um gegen die sicher topmotivierten Wölfe drei Zähler oder auch nur ein Remis zu erreichen. Außerdem, und damit lehnt man sich nicht allzu weit aus dem Fenster, wäre es schlichtweg falsch, zu behaupten, es hätte spielerisch keine großen Unterschiede zwischen dem Spiel gegen Altach und jenem gegen Grödig gegeben.
Der Heimvorteil darf beim Duell des SK Sturm gegen den WAC nach einem Blick auf die Statistik übrigens auch auf keinen Fall überschätzt werden:
Fünf der letzten zehn Duelle dieser beiden Mannschaften gewannen jeweils die Gäste. Remis gab es keines. Betrachtet man die letzten fünf Aufeinandertreffen, ist Sturm leicht im Vorteil. Die Schwarz-Weißen holten dabei nämlich neun, die Wolfsberger lediglich sechs Punkte. Zuletzt holten die Grazer sich in der ersten Saisonbegegnung mit einem hochverdienten 2:0-Sieg drei Punkte im Lavanttal ab.
Die Statistik legt also nahe, Joachim Standfest rechtzugeben und anzunehmen, dass sich beide Vereine am Samstag auf ähnlichem Niveau begegnen werden. Der WAC wird offensiv ambitioniert auftreten, was den Blackies Raum für das viel zitierte schnelle Umschaltspiel geben wird.
Personelles
Die personelle Situation dürfte sich beim SK Sturm langsam, zumindest hinsichtlich der Verletztenliste, verbessern: Tanju Kayan, Naim Sharifi und Andreas Gruber konnten wieder mit der Mannschaft mittrainieren. Kein Thema hingegen sind die weiterhin rekonvaleszenten Spieler Benjamin Rosenberger und Martin Ehrenreich. Donis Avdijaj, der in der Partie gegen Altach nicht in der Startformation war, wird morgen nicht einmal im Kader aufscheinen, da seine Probleme mit dem Oberschenkel einen Einsatz unmöglich machen. Marko Stankovic, der bereits einen langen Weg der Heilung seines Kreuzbandrisses hinter sich hat, ist im Training zwar wieder voll da, für die Kampfmannschaft ist er allerdings noch nicht einsatzbereit.
Zu feiern gibt es am Samstag wahrscheinlich auch etwas, ganz unabhängig vom Ergebnis: Thorsten Schick bestreitet an diesem Wochenden nämlich, sofern er zum Einsatz kommt, sein 100. Bundesligaspiel! Herzlichen Glückwunsch!
Spieldaten
SK Sturm Graz – Wolfsberger AC
Samstag, 24. Oktober 2015, 18.30 Uhr, UPC Arena, Graz
Mögliche Aufstellung:
Sturm Graz (4-2-3-1) Esser; Potzmann, Spendlhofer, Madl, Klem; Hadzic, Piesinger; Schick, Offenbacher, Dobras; Kienast
Ersatz: Gratzei, Kayhan, Stankovic, Horvath, Edomwonyi, Tadic, Lykogiannis, Gruber
Es fehlen: Rosenberger (Kreuzbandriss), Ehrenreich, Avdijaj
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