Joyeux anniversaire, Monsieur Silvestre!

Der ehemalige Sturm-Verteidiger wird 50

2002/2003 war sturmperspektivisch eine ziemlich emotionslose, höhepunktarme Saison. Unter Ivica Osim-Nachfolger Franco Foda hatte man in der abgelaufenen Spielzeit in der letzten Runde sogar noch die Qualifikation für den UI-Cup vergeigt. Es war Zeit, die Reset-Taste zu drücken. Und für einen neuen Trainer. „Einen Typ wie Osim“, wollte Sturm-Boss Hannes Kartnig an die Mur lotsen und fand diesen vermeintlich in der Person von Gilbert Gress. Der französisch-schweizer Doppelstaatsbürger, nur sechs Monate jünger als Ivica Osim, hatte durchaus optische Ähnlichkeiten mit dem Bosnier, war sogar erst 34-jährig kurzzeitig Ivans Trainer bei Racing Straßburg. Die Vorbereitung verlief sogar besser als erwartet. Zwar gelang es nicht, Ivica Vastic heimzuholen, aber bei der Meisterschafts-Generalprobe schlugen die Blackies den damaligen deutschen Vizemeister VfB Stuttgart (mit Imre Szabics) in Bad Aussee gleich mit 5:0. Doch in der Bundesliga kam man so gar nicht auf Touren: Zum Auftakt gab es ein trostloses 0:0 gegen den FC Kärnten, es folgten eine 1:3-Niederlage beim Aufsteiger SV Mattersburg und ein 1:2 in Bregenz. Für Gilbert Gress lagen die Probleme klar auf der Hand: „Die Gründe fürs schlechte Abschneiden liegen 18 Meter vor dem gegnerischen und 18 Meter vor dem eigenen Tor. Solche Gegentreffer darf man einfach nicht bekommen, in der Defensive sind wir sehr, sehr schlecht.“

Wie ein angeschlagener Boxer hing Sturm Anfang August in den Seilen, die Alarmglocken schrillten und daher musste laut Trainer und Präsident kadertechnisch nachgebessert werden. So verpflichtete man, auf Empfehlung des Trainers, einen Mann, den Gress schon zehn Jahre zuvor in Straßburg haben wollte, dieser sich aber dann für den AJ Auxerre entschied und dort seine Glanzzeit durchleben sollte: Franck Silvestre. Der 36-Jährige kam mit der Erfahrung von 452 Erstligapartien und elf Länderspielen für die Grande Nation in den Beinen in die Steiermark. Dass Kritiker nun endgültig von „Sturms Rentnerabwehr“ sprachen (de Wilde 39 Jahre, Strafner 30, Neukirchner 32, Hasek 33), ließ Kartnig und Gress kalt. „Sein Alter interessiert uns nicht. Von unseren Jungen kann noch keiner den Libero-Part übernehmen„, gab sich der Präsident selbstbewusst ob der Richtigkeit seiner Entscheidung.

Für Franck Silvestre war es das erste Engagement im Ausland. Mit 18 Jahren wechselte der Defensivspezialist einst von seinem Stammverein Football Club du Bourget (ein Vorort Paris‘, nur unweit vom Stade de France entfernt beheimatet) zum „Peugeot-Werksklub“ FC Sochaux, für den er 240 Erstligaspiele absolvierte und 1989 den damaligen französischen Teamchef Michele Platini dermaßen überzeugte, dass Frankreichs Jahrhundertfußballer Silvestre erstmals in das französische Nationalteam berief und er am 7.2.1989 in Dublin bei einem freundschaftlichen Länderkampf in der Verteidigung der Grande Nation debütierte. Die damalige Viererkette Amoros-Battiston-Blanc-Silvestre lässt noch heute den Fußball-Gourmet mit der Zunge schnalzen. Zehn weitere Einsätze im Nationalteam sollten folgen, bei der Europameisterschaft 1992 in Schweden stand Silvestre im Kader, doch kam zu keiner einzigen Spielminute. Seine Teamkarriere war damit beendet, auf Klubebene begann ein Jahr später hingegen die erfolgreichste Phase einer langen sportlichen Laufbahn. Franck, übrigens der Cousin des späteren Manchester United– und Arsenal-Profis Mikael Silvestre, wechselte von Sochaux nach Auxerre und sollte fünf Jahre im Burgund bleiben. Sein dortiger Trainer war der legendäre Guy Roux, der den AJ 1961 in den Niederungen des französischen Amateurfußball übernahm und ihn in seiner insgesamt 43-jährig anhaltenden Ära bis in die Erste Liga führte. Und noch mehr: Mit Mitspielern wie beispielsweise dem ebenfalls späteren Sturm-Akteur Frank Verlaat, Laurent Blanc, Frederic Danjou, Stéphane Guivarc’h, Taribo West oder Sabri Lamouchi war Silvestre mitverantwortlich dafür, dass Auxerre 1994 erstmals Cupsieger wurde, 1996 das Double folgte und somit der Einzug in die Champions League gelang. 1998 wechselte der Verteidiger zu HSC Montpellier, wo er schnell Kapitän wurde, mit dem Verein abstieg, dann aber mithalf, den Klub wieder in die Erste Liga zu führen. Im Jänner 2003 wurde er vom ebenfalls in Abstiegsnot befindlichen SC Bastia verpflichtet und konnte mit den Korsen doch noch die Klasse halten.
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In Graz war man sofort voll des Lobes, der Franzose präsentierte sich in den ersten Trainingseinheiten topfit, doch an den Spieltagen lief es für Silvestre noch nicht rund. Bei seinem Debüt im Heimspiel gegen Rapid leitete er mit einem technischen Fehler das 0:2 ein. Eine Woche später verlor Sturm auswärts beim FC Pasching mit 1:2, zudem wurde der Franzose in der 79. Minute mit Gelb-Rot des Feldes verwiesen und verpasste somit in Runde 6 justament den ersten Saisonsieg gegen Austria Salzburg (4:2). Als Sturm allerdings danach – wieder mit dem Routinier als Libero – in der Südstadt der Admira mit 1:2 unterlag, war die Ära von Gilbert Gress auch schon wieder beendet. Als Nachfolger des Franzosen geisterten Namen wie Peter Pacult, Werner Lorant, Georg Zellhofer oder Franky van der Elst durch die Lokalmedien, letztendlich machte dann aber Mischa Petrovic das Rennen. Ein leichter Aufwärtstrend war aber erst ab Runde 11 zu erkennen, als man vor nur 9.400 Besuchern den GAK mit 2:1 besiegen konnte. Silvestre erzielte in diesem Derby mit einem satten Schuss aus 22 Meter seinen ersten Saisontreffer. In der Rückrunde kam Sturm nun so richtig auf Touren, blieb sogar zwischen Runde 19 und Runde 25 ohne Niederlage, doch im März erlitt der Routinier eine Knieverletzung und fehlte den Blackies bis Ende April. Die Petrovic-Elf verlor in dieser Zeitspanne fünf mal am Stück. Als der Franzose endlich sein Comeback gab, erzielte er beim 2:0-Heimsieg gegen die Admira erneut einen Treffer. Nichtsdestotrotz blieb Sturm bis zum Ende der Saison im Abstiegskampf und konnte sich erst durch einen 4:1-Erfolg gegen Bregenz in der letzten Runde endgültig retten. „Bleiben wir oben, bleib ich da“, hatte der Franzose vor dem Spiel versprochen. Und er hielt Wort und blieb noch eineinhalb Jahre in Graz. Insgesamt absolvierte der Verteidiger 81 Pflichtspiele, war stets Abwehrchef, Führungsspieler und Leitwolf. Und nach anfänglichen Eingewöhnungsschwierigkeiten entwickelte er sich zur Verlässlichkeit in Person, zudem in der Endphase auch als Vorbild für etliche „junge Wilde“, die damals in großer Anzahl bereits in den Startlöchern scharrten.

Zwar verpflichtete Sturm im Herbst 2005 Silvestres Sohn Amaury – der damals 18-Jährige sollte primär bei den Amateuren Spielpraxis sammeln – doch irgendwann überkam den Verteidiger das Heimweh, denn seine Gattin Cathy war nicht nach Graz mitgekommen. So entschloss er sich heimzukehren und heuerte im Jänner 2006 beim FC Sete in der Zweiten Französischen  Liga an. Sein neuer Arbeitsplatz lag jetzt nur noch 30 Kilometer von seinem Haus in Montpellier entfernt. Ein halbes Jahr später beendete der Franzose im Alter von 39 seine Karriere. Noch heute lebt er an der französischen Mittelmeerküste, reist mit Freunden zweimal im Jahr auf die Insel Guadeloupe, in die Heimat seines Vaters. Obwohl er nach seiner aktiven Karriere die Trainerausbildung absolvierte, war ein Amt auf der Betreuerbank nie sein Bestreben. Bis 2012 arbeitete er für die TV-Sender Orange und Eurosport als Analytiker, aktuell betreut er als Spielervermittler 25 Kicker aus der Ersten und Zweiten Französischen Liga. 

Franck Silvestre war zu seiner Zeit in Graz der Ruhepol in einer ansonsten mehr als turbulenten Zeit. Wir wünschen dem sympatischen Franzosen alles Gute zum 50. Geburtstag.

 

2 Kommentare

  1. mauer sagt:

    Da könnt sich der Herr Schulz ein Beispiel nehmen…

    • Arch Stanton sagt:

      Für Urlaube in Guadeloupe?

       

      im Ernst:

      Silvestre war echt sympathisch und ein echter Ruhepol.

      Ganz im Gegensatz zu Gilbert Gress – den hatte ich schon verdrängt..

      Danke für‘ s Erinnern!

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