Jantscher: „Es fühlt sich so an, als wäre ich nie weg gewesen!“
Du hast zuvor bereits die zwei Auftaktniederlagen im Frühjahr angesprochen. Ihr habt euch überhaupt nicht aus der Ruhe bringen lassen, hart weitergearbeitet und den Turn-Around geschafft, mentale Stärke bewiesen. Wie wichtig ist deiner Einschätzung nach der mentale Faktor im Fußball?
Sehr wichtig. Das Thema ist im Fußball allerdings relativ schnell erklärt und mir hat da auch die Aussage von unserem Trainer gefallen, welche ich nur bestätigen kann: „Wenn du gewinnst, ist alles einfacher!“ Man muss einfach so schnell wie möglich zurück in die Erfolgsspur kommen. Bei uns war es nach den zwei Niederlagen einfach so, dass sich niemand hängen gelassen hat. Jeder von uns weiß, wozu wir imstande sind und was wir können. Ich denke, dass wir gegen Rapid dann eine tolle Leistung gezeigt haben und eigentlich gewinnen hätten müssen. Das hat uns dann einfach in unserem Weg bestätigt und gezeigt, dass wir vieles richtig machen. Ich würde deshalb behaupten, dass die Mannschaft mental sehr gefestigt ist.
Sollte ein professionell aufgestellter Verein wie Sturm sowieso über einen Mentalcoach verfügen?
Das ist schwer zu sagen, da es von Spieler zu Spieler unterschiedlich ist. Für manche ist das ein Schwachsinn und für andere eben nicht.
Ich persönlich habe nicht das Gefühl, dass ich einen Mentaltrainer brauche.
Glaubst du nicht, dass da eine gehörige Portion Mut dazugehört, diesen Schritt als erster Spieler in einer Mannschaft zu wagen und mentale Hilfe in Anspruch zu nehmen? Vielleicht frisst man jenen Frust dann doch lieber in sich hinein.
Das war früher vielleicht so, doch da hat es mit Sicherheit in den vergangenen Jahren einen Wandel gegeben. Von einem generellen Mentaltraining halte ich dann aber doch recht wenig, denn wenn zwei bis drei Spieler da nicht mitziehen, macht es wahrscheinlich schon keinen Sinn. Ich persönlich habe nicht das Gefühl, dass ich einen Mentaltrainer brauche, denn meine Familie und Freunde unterstützen mich in dieser Hinsicht ausreichend.
Hast du in deiner Karriere schon Spieler kennengelernt, die vielleicht mit Drucksituationen nicht so gut umgehen konnten?
Wenn ich ehrlich bin, habe ich so etwas noch nicht gesehen, sprich Spieler, die sich vor dem Match übergeben oder ähnliche Dinge.

© Martin Hirtenfellner Fotografie
Springen wir noch einmal in die Vergangenheit. Du warst mit deinem „Zwilling“ Daniel Beichler einer der größten Publikumslieblinge in Graz, steht ihr auch heute noch in Kontakt und blickst du vielleicht auch mit einem etwas traurigem Blick auf seine Karriere zurück?
Naja, das ist recht schwierig, der Beichi hat in seiner Karriere so ziemlich alles mitgenommen, was du als Fußballer mitnehmen kannst, seien es Verletzungen, Erfolge, Krankheiten. Das ist natürlich sehr schwierig, nicht nur körperlich, denn hier kommt speziell die mentale Komponente zu tragen. Wir hatten immer sehr viel Kontakt und pflegen diesen auch heute noch. Ich weiß immer darüber Bescheid, welchen Weg er gerade verfolgt und er ist mit seinen derzeitigen Tätigkeiten als Jugendtrainer, bei der Kleinen Zeitung und auch im Fitnessbereich sehr glücklich. Trotzdem ist es natürlich sehr bitter, wenn du dein Karriereende nicht selbst bestimmen kannst, sondern dich dein Körper im Stich lässt.
Denkst du, dass sein Auslandstransfer etwas zu früh gekommen ist und es klüger gewesen wäre, bei Sturm konstant Leistung zu bringen?
Über solche Dinge zu urteilen, ist immer sehr schwierig. Auch wenn ich mir meine persönliche Entwicklung ansehe. Ich hätte genauso gut bei Salzburg bleiben und dort gutes Geld verdienen können, habe mich aber trotzdem dazu entschieden, nach Holland zu gehen und dort Spielpraxis zu sammeln. Mit Nijmengen sind wir aber abgestiegen, was ist also die bessere Situation?
Ich möchte nichts missen, denn überall habe ich wichtige Erfahrungen gemacht.
Als Fußballer möchte man doch immer spielen oder?
Natürlich, doch viele haben damals gemeint, ich sollte bei Salzburg bleiben. Etwaige hätte-wäre-wenn-Konstrukte aufzustellen, ist im Fußball immer ungemein schwierig. Ich kann nur von mir selbst sagen, ich möchte nichts missen, denn überall habe ich wichtige Erfahrungen gemacht. Der Transfer von Beichi nach Berlin war für ihn mit Sicherheit eine große und wichtige Erfahrung und hat ihn bestimmt auch weitergebracht, da Hertha ein großer Verein ist, selbst wenn sie damals nur in der zweiten Liga gespielt haben.
Wenn wir schon beim Thema Transfers sind, du bist ja 2010 nach Salzburg gewechselt, kannst du es nachvollziehen, wenn es in Graz den ein oder anderen Fan gibt, der nach wie vor nicht wirklich begeistert über diesen Schritt war und ist. Sturm ist ja in dieser Saison auch Meister geworden, hat dir das auch ein wenig weh getan?
Das können wir ja noch nachholen (lacht). Natürlich hat mir das ein wenig zugesetzt, denn wenn du ins Stadion gehst, bist du ja Fan deines Vereines. Ich kann da jeden verstehen, der über meinen Wechsel enttäuscht war. Für mich persönlich hat es sich aber trotzdem als richtigen Schritt herausgestellt, da die Möglichkeiten in Salzburg viel größer waren als in Graz, natürlich auch in finanzieller Hinsicht. Im zweiten Jahr habe ich auch alles gewonnen, was zu gewinnen war, sprich Meister und Cuptitel, sowie den Torschützenkönig und den Preis für den Spieler der Saison. Für mich ist es also sehr gut gelaufen, Sturm ist Meister geworden, was mich auch sehr gefreut hat und ich habe mich sportlich weiterentwickelt. Es geht also immer darum, zu überlegen, wo man mit seiner Karriere hinmöchte, wenn du bei Salzburg spielst, kannst du dich einfach jede Saison international präsentieren und um beide heimischen Titel mitspielen, diese Faktoren waren für mich ausschlaggebend.
Das heißt, es ging eigentlich ausschließlich um die sportliche und finanzielle Komponente und sozusagen nicht um die moralische?
Mit 20 Jahren denkst du nicht wirklich über die moralische Komponente nach, wenn ich aber nur auf das Geld gesehen hätte, dann wäre ich zu einem anderen Verein gegangen, denn auch diese Optionen gab es zweifellos. Ich bin hier nur ein kleines Beispiel, wenn man sich beispielsweise Lewandowskis Wechsel zu den Bayern ansieht… Ein Spieler verfolgt eben gewisse Ziele und diese gilt es eben zu erreichen.
Was war der Grund dafür, dass du nach deiner starken Saison bei Salzburg in der Folge verliehen wurdest?
Ralf Rangnick. Ich hatte konkrete Angebote von Schalke, Huub Stevens wollte mich unbedingt verpflichten, doch Rangnick hat sich quergestellt und auch mit Ajax gab es ernstere Gespräche. Er war damals erst eine Woche im Amt und konnte nicht wirklich nachvollziehen, warum ich wechseln wollte. Ich denke, hier muss man den Spieler schon verstehen, denn Ajax und Schalke sind große Adressen im europäischen Fußball. Das hat die Situation zwischen mir und Ralf Rangnick sehr verschärft, würde ich sagen.

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War das ein entscheidender Wendepunkt in deiner Karriere?
Es zeigt einfach, wie schnelllebig der Fußball ist, in der Folge wurde ich nicht mehr in den Kader einberufen und die Transferzeit verstrich. Auf einmal kam das Angebot von Dinamo Moskau, da in Russland das Transferfenster länger geöffnet ist und man entschloss sich, mich dorthin zu verleihen. An diesem Beispiel sieht man auch, dass nicht immer nur die Spieler für etwaige Transfers verantwortlich sind. Oft wird einem die Pistole vor die Brust gesetzt, entweder du verlängerst jetzt bei niedrigerem Gehalt oder du nimmst das Angebot, welches wir jetzt für dich bekommen haben an. Auf der anderen Seite gibt es auch oft einen Sportdirektor, der meint, du sollst gehen, da der Transfererlös, den du einspielst, sehr wichtig für den Verein ist. Somit entstehen auch oft unpopuläre Spielerwechsel, es hängt ganz einfach von vielen Faktoren ab.
Sprechen wir vielleicht noch einmal über den Vergleich zwischen Sturm und Salzburg, was sind große Unterschiede im Bereich der Trainingsbedingungen und generell in der Vereinsstruktur?
Das kann man mit heute nicht mehr vergleichen, denn das Trainingszentrum in Messendorf existierte zu meiner Zeit erst sehr kurz. Hier geht uns wirklich gar nichts ab und da brauchen wir uns auch nicht vor der Konkurrenz zu verstecken. Salzburg hat einfach so große finanzielle Möglichkeiten, die können quasi alles bauen, was sie wollen. Schon alleine die Akademie Liefering, hier ist alles auf dem absolut neuesten Stand und diese Möglichkeiten hat nur Salzburg. Also wenn ich als junger Spieler bei ausreichend Talent und diesen Trainingsbedingungen es nicht schaffe, mich weiterzuentwickeln, dann habe ich mit Sicherheit etwas falsch gemacht. Aber auch bei Sturm wird unglaublich professionell gearbeitet und wie wir es vorher schon angesprochen haben, ist das mit meiner damaligen Zeit nur schwer vergleichbar. Es ist absolut kein Zufall, dass Sturm derzeit dort in der Tabelle steht, wo man steht, das Niveau wurde einfach ungemein angehoben. Klar, Salzburg liegt auf dem ersten Platz, aber die haben auch Dortmund eliminiert und wir haben in Graz, speziell in der ersten Halbzeit gesehen, dass wir mit solchen Topteams mithalten können. Das stimmt mich einfach unglaublich positiv für die Zukunft.
Glaubst du, dass ein ganz wichtiger Schritt in Zukunft der Aufstieg der Amateure in die zweite Liga sein könnte, da dies für viele junge Spieler eine sehr reizvolle Aufgabe darstellt, Stichwort Romano Schmid?
Also damit bietet sich natürlich eine interessante Fläche, das ist völlig klar.
Verstehst du den Wechsel von Romano zu Salzburg?
Hier fällt es mir schwer, ein Urteil zu fällen, da ich nicht so in die Causa involviert war und ich ihn nie live Fußball spielen gesehen habe. Ich kann das nur mit meiner Situation vergleichen und hier fällt auf, dass Salzburg damals einen anderen Weg gegangen ist, nämlich auf viele Österreicher, wie Hierländer, Teigl, Meilinger, Ulmer, Hinteregger, Maierhofer und so weiter, gesetzt hat.
Dann kommen wir bald zum Ende.
Bald? (lacht)
Gestern zum Beispiel war ich vier Stunden dort, um Bäume zu schneiden.
Was macht Jakob Jantscher eigentlich privat?
Ich bin viel bei meiner Landwirtschaft, gestern zum Beispiel war ich vier Stunden dort, um Bäume zu schneiden und ich finde so etwas schön. Deshalb habe ich mir auch so ein Grundstück gekauft. Das ist ein guter Ausgleich und kann nach meiner Karriere auch ein echtes Hobby werden. Ansonsten bin ich natürlich bei meiner Familie, also ich glaub ich bin da recht gut unterwegs.
Ist es noch einmal ein großes Ziel von dir, in die Nationalmannschaft zu kommen, speziell mit Franco Foda stehen da die Chancen vielleicht gar nicht so schlecht?
Ich habe, als ich zu Sturm gekommen bin, mit Franco telefoniert, aber das hängt im Endeffekt nur von mir ab, denn er beruft nur die Besten in das Team ein und wenn ich wieder meine Leistungen bringe, wird er mich auch einberufen. Das hat auch nichts mit dem Alter zu tun, sondern nur mit der Qualität eines Spielers, wie man am Beispiel von Andreas Ulmer sieht.
Du warst ja auch bei der Euro 2016 in Frankreich dabei, war das für dich ein großes Karrierehighlight?
Selbstverständlich, vom Drumherum angefangen bis hin zu der Stimmung im Stadion war das schon unglaublich. Als österreichischer Spieler erlebt man so etwas nicht allzu oft und da bin ich natürlich sehr glücklich, dabei gewesen zu sein, auch wenn das Sportliche nicht positiv war.
Abschließend noch, was sind deine Ziele für die restliche Saison?
Auch wenn wir acht Punkte hinten sind, bleiben wir kämpferisch und orientieren uns nach oben. Es kann mit Sicherheit noch einmal eng werden, wenn wir konstant unsere Leistung bringen.
Danke für das ausführliche Interview.
Bitte gerne, kein Problem.
wirkt sehr ehrlich und authentisch, top Interview!