Im Schatten des Geldes (2/2)

Getrübte Sicht

Der anstehende Transfer des jungen Romano Schmid geht ebenfalls einher mit einer weiteren brisanten Frage, die an dieser Stelle thematisiert werden soll: Warum entscheidet sich ein erst 17-jähriger Eigenbauspieler, der gerade ganz kurz vor seinem Durchbruch steht und dem seitens der sportlichen Leitung innerhalb der Kampfmannschaft eines traditionsreichen und familiär geführten Tabellenführers jede Menge Perspektive geboten wird, dazu, diese homogene und sehr gut funktionierende, leidenschaftliche auftretende Truppe zu verlassen, um sich einer Firma anzuschließen. Einem Konzern, der zur Meisterfeier weniger Kunden ins Stadion locken kann als beispielsweise ein Aufruf des Kollektivs Menschen in irgendeine Gasse zu mobilisieren vermag, nur um die Mannschaft in ein Auswärtsspiel zu verabschieden? Ad hoc würde man jetzt wohl ganz klar auf die Höhe des monatlichen Einkommens verweisen und diese Frage als beantwortet betrachten, was man auch ganz ungeniert tut. Im Netz. Dem Stammtisch des digitalen Zeitalters, bei dem alles zu einem farblich braunen Meinungsgatsch zusammengemischt wird – „stell dir vor, du könntest das Doppelte verdienen…“. Dass „mein Doppeltes“ und „dein Doppeltes“ dabei um Welten auseinanderliegen können und die Tatsache, dass sich der Lebensstandard ab einem gewissen Betrag nachgewiesenermaßen nicht mehr verbessert oder verschlechtert – schon gar nicht für einen Teenager –  scheinen dabei völlig belanglos, sonst gäbe es wohl auch keine 220 Millionen Euro-Transfers. Untermauert mit dem Stehsatz „es würde außerdem die Perspektive bei Red Bull eine Bessere sein“, ergibt dies in Kombination ein scheinbar recht wind- und wetterfestes Meinungsfundament, welches – einmal formuliert – sehr gerne weiter gecopy-pastet wird. Hört sich ja eh net so verkehrt an.

An dieser Stelle soll aber doch einen kleiner Schritt weiter gegangen werden. Zumindest soll versucht werden, wieder etwas klarer zu sehen. Die „besseren Rahmenbedingungen“, die angeblich in Salzburg vorherrschen, können im vorliegenden Fall doch auch anders gedacht werden. Man könnte nämlich genauso gut argumentieren, dass ein Talent wie Schmid, für dessen Werdegang der Weg in Graz geebnet schien, den alle nach dem Spiel abbusselten und herzten, ganz gleich, ob er 90 Minuten auf der Bank saß oder vom Trainer einen zehnminütigen Kurzeinsatz bekam, auch von Graz aus den Weg in eine der europäischen Top-Ligen geschafft hätte. Locker hätte er das. Und ganz ohne Kommerzabstecher.

Aber warum verlässt man dann einen Verein, in dem man sich durch das Umfeld und die Teamkollegen ganz offensichtlich als etwas Besonderes fühlt und nimmt dafür ein Jahr lang fades Liefering-Gekicke in Kauf? Hat das Geld im Leben eines 17(!)-Jährigen wirklich schon einen höheren Stellenwert als die Möglichkeit der individuellen Entfaltung gepaart mit emotionalen Spieltagserlebnissen vor tausenden begeisterungsfähigen Seelen? Und das zu einem Salär, bei dem man sich auch nicht gerade mit dem Hungertod konfrontiert sehen muss? Wenn dem so ist, dann kann man – davon ausgehend, dass sich ein junger Mensch in diesem Alter solche Hirngespinste nicht alleine ausdenkt – die gesellschaftliche Hirnwäsche unter dem Namen „Red Bull-Lifestyle“, der von Mateschitz ausgedacht und von den Medien brav weitertransportiert wird, als nahezu gefruchtet anerkennen, wie auch diese zig Kommentare, die den Transfer nur aufgrund der höheren Verdienstmöglichkeiten legitimieren, beweisen.

„Wehret den Anfängen“ – dieser Zug ist im modernen Fußball längst schon abgefahren, denn Fußball ist Kunst, Kunst ist Kultur, Kultur ist Industrie, denn sowieso alles ist Industrie, und diese hat die Gleise für mögliche weitere gesperrt, die meinungsbildenden Medien bauen eifrig mit und irgendwo im letzten Wagon sitzen Philosophen, die vieles davon schon damals wussten und sich nun gemeinsam darüber freuen, hiervon nochmal gut weggekommen zu sein.

Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass der Fußball zwar nicht mehr zu retten ist, dass aber auch dieses ganze Gerede rund um den Transfer – dieser Text soll davon nicht ausgenommen sein – alles vollkommen unnötig und eigentlich scheißegal ist – ebenso die zahllosen Spekulationen, denn wie sagte der wohl bedeutendste Philosoph vor nicht allzu langer Zeit? – „Sturm ist wichtiger als jeder Spieler“. Romano Schmid hätte bei Sturm Graz ein Großer werden können, wird er aber nicht.

Heute um 17 Uhr wird die Mannschaft in Messendorf in einer Art und Weise verabschiedet, die es in Salzburg nie geben wird. Samstag, 16 Uhr, der Spitzenreiter away in Hütteldorf! Sturm-Lifestyle eben.

Hier geht es zu Teil 1.

 

12 Kommentare

  1. fauli sagt:

    sorry, auch wenn du es anders siehst, glaub ich schon das geld eine gewaltige rolle bei dem transfer spielt. in diversen foren konnte man auch schon lesen, dass er unbedingt von seinem vater weg möchte?
    das die perspektive in salzburg besser ist, (sorry) glaube ich persönlich schon. wenn du dich in salzburg etablierst, ist der weg in die dt. bundesliga (leipzig) ein kurzer bzw. kann man sich in salzburg (europa league) schon leichter ins schaufenster spielen.
    ich wünsche ihm das beste, befürchte aber ein schicksal ala roman wallner. der wurde halt damals von rapid weggelockt…

    • jott1976 sagt:

      Also wer innerhalb Österreichs gegen den Willen des SK Sturm (meinen Herzensverein) wechselt, wünsche ich nicht alles Gute. Ganz im Gegenteil, würde ihn vergönnen, dass er diesen Schritt irgendwann bereuht. Am liebsten wenn wir den Meisterteller in die Höhe stemmen und er als Verlierer dabei zusehen muss.

      Einen Wechsel ins Ausland hätte ich ihn eher verziehen.

      Aber das ist halt meine ehrliche Meinung und spiele auch nicht immer den „Gutmenschen“.

      So jetzt können mich die Gutmenschen lynchen 😉 1 2 3 los

  2. schlobanmichl sagt:

    Ganz ehrlich verstehe ich überhaupt nicht, warum Geld nicht als eine ausschlaggebende Entscheidungshilfe angesehen werden darf. Denn wenn mir eine andere Firma für den gleichen Job das zwei, oder dreifache an Gehalt zahlt, würde ich vermutlich auch nicht sehr lange überlegen und das Angebot annehmen.
    Oder würde der Verfasser dieses Artikels einen (wesentlich besser) bezahlten Job ausschlagen, nur um weiter bei SturmNetz bleiben zu können? 😉

    Außerdem sind eben auch die Perspektiven mit Salzburg mMn besser als mit Sturm. Salzburg ist Jahr für Jahr international vertreten und spielt ebenso immer um die nationalen Titel.
    Und ich lasse auch nicht gelten, dass er sich in Salzburg nicht durchsetzen wird. Ich bin überzeugt davon, dass Schmid fest daran glaubt, dass er sich dort durchsetzen wird. Falls er diese Einstellung nicht hat, sollte er ohnehin gleich mit diesem Sport aufhören. Besonders wenn er wirklich DAS große Talent ist, von dem alle sprechen.

    Also kurz zusammen gefasst. Ja ich gebe zu, ich würde ganz bestimmt gleich wie Schmid entscheiden, obwohl Sturm mein Herzensverein ist. Einfach weil das Gesamtpaket bei Salzburg besser ist, als bei Sturm.

    • Aero sagt:

      Danke für die Beleuchtung des Falles aus der Perspektive des Jungen.

       

      Ich finde der Schritt ist mutig und er würde ihn nicht machen, wenn er nicht zumindest dran glauben würde, sich durchzusetzen.

    • Martin sagt:

      Um ehrlich zu sein, sehe ich das 100% genauso wie du. 🙂

      Wenn mir eine Firma für den gleichen Job das zwei- oder dreifache an Gehalt bietet, dann würde ich auch gehen. Auch Punkte wie gutes Arbeitsklima usw., lass ich nicht gelten. Es ist ja nicht so, dass man sich bei seinem neuem Arbeitgeber, auf einmal, mit niemanden mehr versteht.

      Bei einem Fußballer ist es nicht anders. Der will ja auch Geld verdienen und mit seiner Karriere voranschreiten.

      Auch zum Thema: Sportlichen Entwicklung sehe ich Salzburg als die bessere Option. Ein junger Spieler muss regelmäßig spielen, um sich weiterzuentwickeln. Und da finde ich Liefering (da wird Schmid wohl vorerst mal sein) besser, weil Schmid hier zu mehr Einsatzminuten kommen wird (Liefering -> Startformation; Sturm -> Joker für 10-15 Minuten). Ein Arnautovic ist ja auch zum Beispiel von Stoke zu West Ham gewechselt, obwohl das sportlich keine wirkliche Verbesserung ist, aber wirtschaftlich nun mal schon.

      Natürlich ist es für uns Sturmfans nicht schön, wenn ein Spieler auf so eine Weise zu einem direkten Konkurrenten wechselt. Aber so ist es nun mal. Und wenn er nicht zu Salzburg wechselt, dann geht er wohl wo anders hin. Es gab ja genug Angebot aus dem In- und Ausland (Inland wahrscheinlich auch die Wiener Vereine). Im Endeffekt ist Sturm selber Schuld, denn wenn der Vertrag, vom Anfang an gültig wäre, dann wäre man jetzt nicht in dieser Situation.

    • maxl84 sagt:

      Also meiner Meinung nach kann man auch von Sturm aus den Sprung ins Ausland schaffen. .. siehe Prödl oder Madl.

      … und Geld ist nicht alles … wenn mir jemand in meinem Job woanders z.B. das doppelte zahlen würde,  würde ich trotzdem nicht gehen weil ich mich einfach dort wohlfühle und das eine kleine Familie ist! Und genau das ist Sturm!

  3. rio sagt:

    Red Bull ist so böse und Real, Paris, Bayern, Manchester, etc. haben unendlich Tradition und sind die Guten. Egal was drinnen ist, draußen steht ja „gegründet 19XX“. Natürlich, auch so kann man es sehen. Ja, Fußball ist Kunst, aber wo wären Staatsoper, Bregenzer Festspiele und Grazer Kulturhäuser ohne Millionenunterstützung aus öffentlicher Hand? Durch verkaufte Karten ist Kunst im gehobenen Level seit Jahrzehnten schon nicht mehr finanzierbar. Und der Fußball hat nachgezogen. Ohne Sponsoren, TV-Gelder und/oder Oligarchen spielt man in St.Stefan ob Stainz Bauerntheater. Wir sind es, die letztendlich Leistung und Klasse einfordern und diese gibt es eben nicht mit € 10.- Eintrittskarten alleine. Ob Schmid jetzt wegen Geld oder doch „den besseren Aussichten“ nach Salzburg wechselt kann nur er alleine beantworten, die Wahrheit wird wohl in beiden Gründen liegen.

    Warum der eigentliche „Aufreger“, eben der ungültige Vertrag alleine auf GG abgewälzt wird wirkt oberflächlich und unreflektiert. Wer erstellte den Vertrag, wer begleitete die Vertragsverhandlungen als juristischer Berater, wer unterschrieb, war der Vorstand eingebunden, gab dieser sein ok, etc. Fragen, die zu klären wären, bevor man GG, Red Bull und das System Fußball populistisch anprangert, dies hätte aber wohl zu viel der Arbeit bedeutet und wäre vielleicht gegen den Mainstream gewesen.

  4. Schweinebaermann sagt:

    Erstmal vorweg, ich bin ein sehr großer Fan dieses Portals und finde eure Arbeit einfach großartig. Diesen Artikel finde ich jedoch ehrlich gesagt etwas peinlich, wenn nicht sogar lächerlich.

    Gründe für diese äußerst fehlerhafte Darstellung dürfte wohl Emotion, so wie Kränkung des eigenen Stolzes sein, oder noch mehr, wie ich vermute Opportunismus.

    Nichts desto trotz, schön dass es einen Sturm Lifestyle gibt und in diesem Sinne, ALLE NACH WIEN!

  5. Zedo1509 sagt:

    Wirklich genialer Artikel und die absolute Wahrheit.

  6. mgbj49 sagt:

    Kompliment an Jürgen Pucher, grenzgenial, offen und der Wahrheit sehr nahe. Habe mir vorgenommen, keine Postings mehr zu lesen. Was ist das Ergebnis, die Arbeit von Sturmnetz erscheint noch kompetenter.
    Nochmals Jürgen Pucher, ein wohltuender Artikel.

    • SchwarzerRabe sagt:

      Den Artikel hat doch Stefan Wilfing geschrieben, wie kommst du jetzt auf Jürgen Pucher?

      Oder ist SW sein Pseudonym?

  7. Manuel Lampl sagt:

    Naja, gab schon bessere Artikeln! Seis drum!

    Alles nach Wien!

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